Brauereien besichtigt man ja vor allem, weil am Ende der Tour die Bierprobe wartet. Das ist zwar auch beim Kuchlbauer im niederbayerischen Abensberg so, jedoch mit dem Unterschied, dass man beim angeregten Gespräch über das soeben Geschaute wahrscheinlich völlig aufs Trinken vergißt, so groß ist die Fülle der Eindrücke entlang der Braukunstspur und insbesondere beim Ersteigen des dunkelbunt verspielten, von einer goldenen Kuppel gekrönten Turmes, dessen Entwurf von keinem Geringeren stammt als vom Ausnahmekünstler Friedensreich Hundertwasser. Man sollte sich danach auch nicht zu lange beim Weizenbock aufhalten, liefe man doch Gefahr, beim anschließenden Besuch des Kunsthauses dessen seltsam verdrehte Architektur für eine direkte Folge des eigenen Alkoholzuspruchs zu halten. Dabei resultiert all das Schiefe und Schräge in Hundertwassers Architekturstil doch lediglich aus der konsequenten Anwendung seiner Überzeugung, die gerade Linie sei gottlos.

Er war schon ein außergewähnlicher Mensch, dieser Hundertwasser. Als der Besitzer der Brauerei ihn Ende der 1990er Jahre um ein Konzept für die Umgestaltung des Brauereigebäudes bat, war er schon so schwer herzkrank, dass er noch nicht einmal mehr den Baubeginn erleben durfte, geschweige denn die Vollendung des Projektes. Immerhin blieb ihm dadurch aber der Streit mit der Baubehörde um die zulässige Höhe seines bunten und weithin sichtbaren Turms erspart.
Das von Hopfengärten umgebene, weil am Rande der Hallertau gelegene Städtchen Abensberg erreicht man recht komfortabel mit der Bahn. Es empfiehlt sich jedoch, eine Zeitreserve einzuplanen, denn die Umsteigezeiten sind knapp: aus fünf Minuten können, wenn der Zug mit bahnüblicher Verspätung in Ingolstadt einläuft, ganz schnell auch einmal 59 Minuten werden. Der Verfasser hatte aber Glück, denn auch der Anschlusszug fuhr an diesem Tag mit Verspätung ab.
Für die Brauerei samt Turm ist eine Führung obligatorisch, das Kunsthaus darf frei besichtigt werden. Eine Führung empfiehlt sich jedoch auch hier, vermittelt sie doch einen viel lebendigeren Eindruck von der Person Hundertwasser, seinen Ideen und Zielen und der Konsequenz, mit der er sie umsetzte. Will man beide Führungen wahrnehmen, empfiehlt es sich, die Brauereiführung entweder auf 11 Uhr zu legen oder auf 15 Uhr, denn durchs Kunsthaus wird derzeit nur um 13.30 Uhr geführt, und man will ja die Zeit auf dem Turm und im Biergarten ohne Hektik genießen können.
Die „Braukunstspur”, ebenfalls eine Hundertwasser-Idee, veranschaulicht in künstlerisch-abstrakter Weise die Arbeitsschritte der Bierproduktion: vorbei an den kupfernen Sudkesseln und den großen Gärkesseln trifft man im nächsten Raum auf die Figur des Aloysius, der seinen Kummer über das im Himmel vermißte Kuchlbauer-Bier zum besten gibt. Worauf es beim Bierbrauen ankommt, vermittelt nebenan die Riege der Weißbierzwerge. Allerlei altes Brauereigerät unterstreicht, dass auch der Wegweiser „Museum“ hier durchaus seine Berechtigung hat. Auch begleiten diverse Kurzfilme und ein Blick in die moderne Abfüllanlage die Besucher auf ihrem Weg, der nach einer guten Stunde schließlich im Keller des auffälligsten aller Brauereigebäude endet: dem Kuchlbauer-Turm. Den Weg hinauf in die Kuppel per Fahrstuhl zu bewältigen wäre zwar bequem, die abwechslungsreiche Einzigartigkeit des Gebäudes mit seinen Arkadenbögen und den markant auskragenden Türmchen läßt sich jedoch nur zu Fuß erleben.
Welches war doch gleich nochmal die Lieblings-Biersorte des Aloysius? Säße er jetzt irgendwo da unten im Biergarten zu Füßen des Turmes, inmitten der vom Schauen durstig gewordenen Besucher, bräuchte man ihm nur aufs Bierglas zu schauen. Letztlich ist es aber egal, ob man sich nun für Turmweisse, Alte Liebe oder Sportsfreund entscheidet, den authentischen Weißbiergenuß hat man beim Kuchlbauer immer.
Der Architekt, der den Turmbau nach Hundertwassers Tod schließlich realisierte, zeichnet auch für das bemerkenswerte Kunsthaus verantwortlich und tritt damit in Fußstapfen, die ihm durchaus nicht zu groß sind, weshalb man das Gebäude ihm zu Ehren das Peter-Pelikan-Haus nennt. Natürlich ist allein schon der Baustil mit den bunten Fußböden, den krummen Balustraden und den versetzten Ebenen eine Hommage an Hundertwasser. Aber hat man es erst einmal betreten, sich vielleicht gar der Führung anvertraut, wird man sich der Faszination der dunkelbunten Hundertwasser‘schen Gedankenwelt kaum mehr entziehen können – und verläßt das Gebäude schließlich anders, als man es eine gute Stunde vorher betreten hat.









