Prag–Nürnberg über Schwandorf

Die richtigen Fahrkarten für die richtigen Züge zu finden ist erneut nicht ganz einfach. Wir brauchen einen durchgehenden Zug von Prag über Plzeň nach Schwandorf, dürfen bei der Český dráha aber nur ein Ticket bis Plzeň lösen, da von dort weg dann das Bayer-Böhmen-Ticket gilt. Letzteres wiederum ist in Bayern auf Nahverkehrszüge beschränkt, der Zug von Prag wird also, wenn man wie gewohnt nur den Nahverkehr abfragt, bei der Abfrage nicht mit ausgegeben. Irgendwie klappt es dann aber doch.

Erneut ist das Zeitfenster für das Umsteigen in Schwandorf bemerkenswert klein. Werden wir rechtzeitig dort eintreffen? Leider nein: der bis auf den letzten Platz besetzte tschechische Zug muss auf der eingleisigen Strecke immer wieder auf verspätete Gegenzüge aus Deutschland warten und gerät auf diese Weise immer weiter aus dem Zeitplan, bis es schließlich heißt: Anschlußzüge werden nicht erreicht. Da wir aber ja mit einer halben Stunde Verspätung in Schwandorf eintreffen, ist das Warten auf den nächsten Zug nach Nürnberg gar nicht mehr sooo lang und verschafft uns zudem die Gelegenheit, das Umkoppeln und Verschieben der verschiedenen Zugteile zu beobachten: unsere blauen Wagen der Český dráha waren offenbar nur ein Anhängsel an den Zug nach Plzeň und sind zwischenzeitlich zu einem ebensolchen des deutschen ALEX geworden, der nun seinerseits an den Zug von Hof über Weiden nach Regensburg und München angekoppelt wird. Früher nannte man so etwas Kurswagen.

Trotzt der teils etwas vorsintflutlichen Bedingungen würden wir aber jederzeit wieder mit dem Zug nach Prag reisen statt mit dem Auto. Und uns auch wieder für dasselbe Hotel entscheiden.

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Auf den Spuren von Dvořák und Smetana

Das tschechische Nationalmuseum ist leicht zu finden. Nein, nicht wegen seiner prachtvollen Architektur: vergleichbare Gebäude sind in der Goldenen Stadt alles andere als selten. Ungewöhnlich ist jedoch, dass die zentrale Metrostation nicht wie anderswo der Hauptbahnhof ist, sondern das Museum. Man muss allerdings den richtigen Ausgang finden, sonst findet man sich in der jeweils anderen Metrolinie wieder, denn anscheinend wollen hier alle nur um- und kaum jemand aussteigen.

Dabei hätte man, ließe man das außen wie innen beeindruckende Bauwerk links liegen, wirklich etwas versäumt. Allein schon das marmorne Treppenhaus erinnert eher an einen Palast oder ein Opernhaus als an einen Kunsttempel. Und Kunst wird hier, wenn man von den Marmorbüsten und den Wandgemälden absieht, auch gar nicht gezeigt: in ersten Stockwerk geht es um Erdgeschichte und um die Geschichte der Menschheit, insbesondere des tschechischen Teils davon. Weiter oben heißt es dann noch „Wunder der Evolution”, und es begegnen einem riesige Land- und Meereslebewesen, geordnet nach Kontinenten und Lebensräumen. Heute ist Samstag und viel los im Museum. Da wir uns noch zwei weitere vorgenommen haben, reicht leider die Zeit nicht mehr für den markanten Neubau gegenüber, und so lassen wir die bildende Kunst links liegen und wenden uns erneut der Musik zu.

Gefragt, welcher der berühmtere tschechische Komponist sei, würden wohl die meisten auf Smetana tippen, den Schöpfer der bekannten „Moldau”. Spielte man ihnen aber die Humoreske von Dvořák vor oder dessen Symphonie „Aus der neuen Welt”, würden sie allesamt sofort umschwenken. Hier einseitig Partei zu ergreifen liegt uns fern, deshalb besuchen wir beide Museen und beginnen mit Dvořák.

Das Museum ist in einem Lustschlößchen in der Nähe der Metrostation Pavlova untergebracht. Anders als bei uns haben die Stationen jeweils nur eine einzige Rolltreppe nach oben, man muss sich also nicht entscheiden, in welche Richtung man den Bahnsteig verläßt. Hin und wieder gibt es aber an dessen anderem Ende einen Aufzug, und den nehmen wir. Ein zweiter bringt uns endgültig hinauf zur Straße, die wir queren müssen und ebenso eine weitere. Ohne Fußgängerüberweg weit und breit. Zum Glück ist es eine Einbahnstraße, wenn auch eine vierspurige. Warum nur hat man für das Museum einen so abgelegenen Ort gewählt?

Das kleine Schlößchen ist von einem Park mit allerlei Figurengruppen umgeben und der Park wiederum von allerlei Hochhäusern: man fühlt sich eher wie auf dem Hinterhof eines Steinmetzbetriebes. Das freistehende rot-gelbe Schlößchen selbst ist aber eine durchaus attraktive Erscheinung. Ob Dvořák es je in seinem Leben betreten hat, wissen wir nicht: gewohnt hat er jedenfalls woanders.

Im Erdgeschoß steht unter anderem auch das Möbelstück, das auf dem rückwärtigen Gemälde zu sehen ist und die alt gewordene Frau des Komponisten zeigt, lange Jahre nach dessen Tod. Es dürfte also aus der Prager Wohnung der beiden stammen, ebenso wie der Bechstein-Flügel im Nebenraum – dort, wo auch seine Taschenuhr ausgestellt ist. Der große, mit herrlichen Wand- und Deckenfresken ausgemalte Raum im Obergeschoß ist bestuhlt, und ein weißer Flügel deutet darauf hin, dass hier Konzerte stattfinden. Auf dem Monitor zur Linken läuft eine Dokumentation über Dvořáks Leben und Karriere. Um sie in voller Länge zu sehen, muss man eine Stunde Zeit mitbringen und tschechisch oder englisch verstehen. Der kleine Nebenraum, den es auch hier oben gibt, listet abschließend noch die Lebensdaten auf und thematisiert Tod und Begräbnis.

Gibt es einen einfacheren Weg zurück zur Metrostation? Ohne viel Zickzack? Ja, und zwar an jenen Zugang, wo die Rolltreppen sind. Da sich inzwischen der kleine Hunger zu Wort meldet, nehmen wir einen Umweg über den Hauptbahnhof. Inzwischen kennen wir uns im Prager Nahverkehr so gut aus, dass wir den Weg dorthin und dann zum Smetana-Museum auch ohne die manchmal etwas verwirrenden Auskünfte der App finden, schließlich fuhren wir ja gestern schon mit der 16 zum Nationaltheater. Bis vor das Smetana-Museum bringt uns die Straßenbahn zwar nicht, das wäre die Linie gewesen, die vor der Brücke rechts abbiegt, aber das kurze Stück an der Moldau entlang ist angenehm zu laufen, und schon stehen wir vor dem Wegweiser, der nach links auf eine Uferterrasse weist. Hier muss es sein! Der hintere Teil der Terrasse ist bestuhlt und gehört zu einer Kneipe. Müssen wir hier durch? Es sieht eher nach Sackgasse aus. Oder durch das Lokal zur anderen Gebäudeseite? Nein, auch nicht. Fragen hilft aber und ergibt: die Sackgasse wäre richtig gewesen, die unscheinbare kleine Glastür hinten, gleich neben dem letzten Tisch, ist das Museum. Oben, im ersten Stock.

Zwischen dem zuletzt besuchten Museum und diesem hier liegen, was die Ausgestaltung betrifft, Welten. Auch hier gibt es einen Flügel, eine Büste, ein gemaltes Porträt und einige persönliche Gegenstände wie etwa die Brille des Komponisten, aber eben auch ausgiebige und mit Bildern aufgelockerte Dokumentationen an den Wänden. Und es gibt Notenpulte, auf denen jeweils ein Werk aufliegt. Die Aufsicht führende Dame zeigt uns, wie es funktioniert: man richtet den Zauberstab, den sie uns überreicht, auf den Empfänger unten am Pult, und schon springt (nach einigen Versuchen) die raumfüllende Wiedergabe des Werkes an. Wir hören die Moldau, mit Blick auf die Moldau.

Im Museum war wenig Publikumsverkehr. Wieder draußen auf der Straße, ändert sich das. Denn wir befinden uns genau im touristischen Brennpunkt zwischen Karlsbrücke und Rathausplatz.

Für den Abend haben wir wieder Opernkarten, dieses Mal für das andere große Opernhaus. Gegeben wird, welch glückliche Fügung, die bekannteste der Dvořák-Opern, nämlich „Rusalka”. Die Geschichte um die Wassernixe und ihre leidvollen Erfahrungen mit der Menschenwelt ist klassisch inszeniert, mit prächtigen Bühnenbildern, die sich mit dem ebenfalls prächtigen neobarocken Erscheinungsbild der Staatsoper zu einem Gesamtkunstwerk vereinen, wie es wohl auf der ganzen Welt kein zweites gibt. Wir teilen unsere zu beiden Seiten hin geschlossene Loge zunächst mit zwei jungen Tschechinnen, deren Interesse an der Aufführung allerdings nicht sehr ausgeprägt ist, und die nach der ersten Pause auch wieder verschwunden sind.

Bemerkenswert an diesem Opernbesuch war übrigens auch, wie wir zu unserer Loge geleitet wurden. Normalerweise zeigt man ja seine Karte und wird dann zur richtigen Seite und auf die richtige Treppe verwiesen. In unserem Fall in den zweiten Rang rechts, Loge 13. Die Dame oben meinte dann aber, wir seien hier falsch und müßten wieder eine Etage nach unten. Gesagt, getan. Unten wurde uns die Loge aufgeschlossen, und wir hatten bereits Platz genommen, als eine weitere Besucherin mit ebenfalls Platznummer 1 hereinkam. Erneutes Vorzeigen der Karten, erneutes Verweisen auf den Rang und die Loge eine Etage weiter oben, dann stimmte endlich alles.

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Unterwegs in Prag

Die tschechische Hauptstadt verfügt über einen vorbildlichen öffentlichen Nahverkehr. Es gibt drei Metrolinien, die grüne Linie A, die gelbe Linie B und die rote Linie C. Ich hätte die Farben ja anders gewählt, apfelgrün, blutorangenrot und citronengelb, aber wahrscheinlich kennen die Tschechen eine andere Eselsbrücke oder wissen es einfach auswendig. Das müssen sie nämlich sowieso, weil auch die Zugänge in der jeweiligen Farbe gekennzeichnet sind: wer in die grüne Linie A will, muss auf ein grünes M achten, ein gelbes M oder ein rotes M stehen für den Zugang zur Linie B oder C.

Und dann gibt es da noch die Straßenbahnen. Man muss nicht die endlos langen und zugigen Rolltreppen hinab und am Ziel wieder hinauf, sie fahren in angenehm kurzen Abständen, und es gibt sie in den verschiedensten Bauarten, von modern bis historisch. So eine rote Tramvaj macht sich gut zwischen den malerischen alten Häusern, deshalb steigen wir auf dem Weg zum Musikmuseum eine Station zu früh aus und gehen das letzte Stück zu Fuß. Nein, das war natürlich keine Absicht, der Standort war vielmehr falsch in der Karte markiert, aber im Nachhinein war es eine gute Entscheidung, vor allem wenn das Museum erst eine Viertelstunde später öffnet.

Das tschechische Museum für Musik ist in einer ehemaligen Kirche untergebracht und der Hauptraum für Konzerte bestuhlt, man sieht aber auf den Emporen ausser zwei Kirchweihorgeln keine weiteren Instrumente. Diese befinden sich allesamt in der ersten Etage hinter geschlossenen Türen, und das ist auch gut so, denn an der einen oder anderen Stelle ist tonerzeugendes Anfassen erwünscht. Natürlich nicht bei den historischen Tasten-, Streich-, Zupf- und Blasinstrumenten, aber man darf sich an einem echten Theremin versuchen, einem Orgelmodell ein paar Töne entlocken und ein wenig an einer irischen Harfe zupfen. Es gibt ein Mozartklavier, das aber eigentlich ein Cembalo ist, und eines für Vierteltöne. Man wüßte ja zu gerne, wie so ein Instrument gespielt wird, aber es gibt leider nur Hörbeispiele und keine Videos.

Unten im Erdgeschoss ist in einem Nebenraum noch eine Sonderausstellung aufgebaut. Interessant? Wir werfen einen kurzen Blick hinein und werden, obwohl bereits wieder zum Gehen gewandt, von einer Aufsichtskraft zum Vorzeigen der Eintrittskarten genötigt. Ratsch, sind sie auch schon eingerissen. Es waren aber die falschen, nämlich fürs Nationalmuseum, die nun ebenfalls entwertet sind, obwohl wir dort noch gar nicht waren. Die Kassenkraft meint aber, das sei kein Problem, denn für deren Scanner sei der aufgedruckte Code maßgeblich.

Unser nächster Weg führt uns mit der Straßenbahn 22 hinauf zum Hradschin. Vorbei an der Wachablösungs-Zeremonie und über den ersten Innenhof gelangen wir zum Veitsdom, für die man aber Eintrittskarten braucht. Diese gelten für den gesamten Burgbereich und kosten, wenn man noch keine 65 ist, pro Person 250 Kronen. Für uns jeweils nur die Hälfte. Die Kirche verfügt über schöne gotische Glasfenster und ein mit Silber reich verziertes Heiligengrab. Man könnte auch den südlichen Turm besteigen, aber das verkneifen wir uns und queren stattdessen den zweiten Innenhof sowie einen großen Saal, gelangen schließlich zur älteren und kleineren zweiten Kirche mit ein paar schönen Fresken im Chorraum. Auch diese hinter uns lassend erreichen wir das Goldene Gäßchen mit seinen geradezu winzigen Häusern, in denen kleine Läden allerlei Geschmeide feilbieten. Einige sind aber auch historisch eingerichtet, und man kann einen Blick hinein werfen. Sogar ein winziges Kino gibt es, mit vielleicht 12 Sitzplätzen und vielen alten Filmrollen.

Ein enger Durchgang führt von hier nun hinab zu einer Terrasse mit herrlichem Blick über die Stadt und die Moldau, ein ebenso enger zweiter wieder hinauf in die Burg, wo uns als letzte Attraktion das Palais Lobkowitz erwartet. Das herrschaftliche Wohnhaus birgt einen Raum mit Vogelbildern, einen mit Hundebildern, einen mit Schönheiten weiblichen Geschlechts und am Ende einen Musiksaal, der im Augenblick aber unzugänglich ist, weil darin deutlich hörbar ein Konzert stattfindet. Aha, deshalb war also die Tür vom Treppenhaus her verschlossen und mit einer Kordel verhängt gewesen.

Menschen über 65 dürfen die ohnehin preiswerten öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen. Aber gilt das auch für Touristen aus anderen Ländern? Nun, ich zeige meinen Perso, und der Kontrolleur ist zufrieden.

Für den Abend steht unser erster Opernbesuch auf dem Programm: das Nationaltheater gibt heute Eugen Onegin. Wir haben sehr gute Plätze im zweiten Rang in der ersten Reihe Mitte und genießen das wunderschöne Haus und das ebenso wunderschöne Bühnenbild, wo adrett anzuschauende Mädchen in pastellfarbenen Kleidern zur Ouvertüre tanzen. Die Musik von Tschaikovski ist dafür ja auch ganz besonders gut geeignet. Dem ersten Tanz folgt sogleich ein zweiter, ohne dass einer der Darsteller die Singstimme erhebt. Wir haben doch nicht etwa…? Doch, wir haben aus Versehen statt einer Oper eine Ballett-Aufführung gebucht. Sie heißt auch nicht Eugen Onegin, sondern nur Onegin, also ohne Eugen und eben auch ohne Gesang, was dem Genuss aber keinen Abbruch tut, im Gegenteil. Die Choreografie ist von John Cranko und ebenso das Bühnenbild, die Musik diversen Werken des Komponisten entnommen, darunter auch einige orchestrierte Klavierstücke, aber nicht eine einzige Zeile entstammt der (fast) gleichnamigen Oper.

Wie auch schon heute morgen bei der Straßenbahn muss ein Irrtum nicht zwingend ein Nachteil sein, oft ist es auch genau anders herum: wir erlebten einen großartigen Abend, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Und die Darsteller erhielten viel Applaus.

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Nach Karlstejn und Vyšehrad

Der Frühstücksraum des Hotels dürfte gerne etwas größer sein, man tritt einander ständig auf die Füße, das Frühstück selbst ist jedoch reichhaltig und schmackhaft. Frisch gestärkt treten wir den Weg nach Karlstejn an. So heißt die Burg vor den Toren Prags, die heute Weltkulturerbe ist, und die wir auf eigene Faust erkunden wollen. Ein paar Zugverbindungen haben wir bereits herausgesucht, und da es sich um ein Flexticket handelt, müssen wir auch nicht zu einer bestimmten Uhrzeit am Bahnhof sein – man kann die Wegzeit vom Hotel dorthin ja auch nicht so genau einschätzen. Zudem wissen wir auch noch gar nicht, von welchem Gleis der Zug abfährt, denn das steht weder im Fahrplan noch auf dem Ticket. Aha, deswegen stehen hier immer so viele Leute vor der großen Anzeigetafel in der Bahnhofshalle. Unser Zug fährt in genau drei Minuten vom Gleis 1a. Aber wo ist das? Wir hasten zur Unterführung und, dem Wegweiser nach 1a folgend, die erste Treppe hinauf. Dort gibt es aber nur ein Gleis 1 mit einem Zug voller gähnender Leere. Kann das unser Zug sein? Wir steigen ein, treffen eine Zugbegleiterin und erfahren von ihr, dass der Zug nach Karlstejn soeben von 1a, also ganz weit hinten außerhalb des Bahnhofsgebäudes, abgefahren ist. Pech gehabt! Jetzt heißt es eine knappe Stunde warten, und wir setzen uns gemütlich auf eine Bank am Gleis 1a, wo wir hin und wieder einen Blick auf die jetzt leere Bahnsteigtafel werfen. Dass sie leer bleibt, irritiert uns. Vielleicht fährt unser Zug ja doch von einem anderen Gleis? So ist es, die Abfahrtsgleise werden hier nämlich flexibel gehandhabt.

Die berühmte Burg befindet sich auf einem Bergsporn außerhalb des gleichnamigen Ortes. Und auch der Bahnhof liegt außerhalb, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Wir müssen ein Stück an den Schienen entlang, dann auf einer Autobrücke über den Fluss, von dort durch den stark touristisch geprägten Ort und am Ende noch einen steilen Fussweg hinauf. Für die große Führung durch alle erschlossenen Räume braucht es eine Vorausbuchung, und wir hatten mit einer Dame, die immer nur einmal pro Tag antwortet, vorab eine lange Korrespondenz geführt, an deren Ende es dann doch nicht nur einen, sondern zwei freie Plätze gab. Auf meine Zusage hin erhielt ich aber keine Antwort mehr, und prompt stehen wir auch nicht auf der Buchungsliste. Zum Glück ist aber noch eine Platz frei, und da ich die bewußte Korrespondenz ausgedruckt vorlegen kann, gesteht man uns auch noch den zweiten zu.

Die leider englischsprachige Führung, eine deutsche wäre uns lieber gewesen, ist ausführlich und gut verständlich, zumal der Führer sorgfältig darauf achtet, dass alle 17 Personen im Raum sind, ehe er zu seiner Erklärung ansetzt. Wir stehen in einer Kapelle, die im Laufe ihrer Geschichte zahlreiche Umbauten erfahren hat, unter anderem war eine Wand entfernt worden und die Fresken der übrigen drei übermalt. Das alles hat man wieder rückgängig gemacht, so dass die originalen Fresken heute wieder sichtbar sind und das angeblich doch so finstere Mittelalter in überraschender Buntheit zeigen.

Der Burgturm ist vom Hauptgebäude aus nur über eine gedeckte hölzerne Brücke erreichbar. Im Inneren liegen, wie sollte es bei einem Turm auch anders sein, mehrere Räume übereinander, von denen wir nun den untersten betreten. Drinnen ist es aufgrund der bis zu sieben Meter dicken Mauern auffällig kalt, der Führer nennt den Raum den „Kühlschrank der Burg”. In der Ecke liegt ein großer Haufen steinerner Kugeln, die großen waren wohl für Katapulte und die kleineren für Kanonen gedacht. Über ein Treppenhaus mit einigermaßen gut erhaltenen Fresken geht es nun Etage für Etage hinauf, bis wir ganz oben quasi den Himmel betreten. Und weil der Raum unter dem Dach von so überwältigendem Zauber ist, hatte der Führer uns vorab gebeten, zunächst ein paar Minuten Minuten Stillschweigen zu bewahren: über die Kapelle spannt sich eine vollständig vergoldeten Decke, bestehend aus hunderten kleiner Halbschalen, dazwischen eine Sonne und ein silbriger Mond. Die Wände des Raumes sind lückenlos mit Heiligenporträts bedeckt. Hier oben wurden dereinst die Reichsinsignien aufbewahrt. Das Holzgitter zum Altarraum soll ebenfalls vergoldet gewesen sein, heute ist aber erstens nichts mehr übrig, was unbeobachtet abgekratzt werden könnte, und es gibt zweitens eine dezent versteckte Videoüberwachung, was dem Zauber aber keinen Abbruch tut.

Wieder unten angekommen, genießen wir bei einem frisch gezapften Pilsner Urquell noch ein wenig die Aussicht und treten dann die Rückfahrt an, um uns im Hauptbahnhof bei einem Vietnamesen zu stärken und daran anschließend noch einen weiteren, diesmal bedeutend kürzeren Ausflug zu gönnen: wir wollen den Friedhof von Vyšehrad besuchen, wo die Komponisten Smetana und Dvořák ihre letzte Ruhestätte haben.

Von der Metrostation „Vyšehrad” an der roten Linie hinüber zur markanten doppeltürmigen Kirche ist es ein Fußweg von einer guten Viertelstunde, in dessen Verlauf man allerlei Befestigungsanlagen passiert, aber auch parkähnliches Grün und einige Häuser. Als wir den Eingang des Friedhofs erreichen, verbleibt uns bis zur Schließung gerade einmal eine Viertelstunde: wie sollen wir ohne irgendeinen Lageplan die Gräber der prominenten Komponisten finden? Gleich ein paar Schritte zur Rechten sind in einen Grabstein vergoldete Notenzeilen eingraviert sowie eine Unterschrift. Moment mal, heißt das nicht Smetana? So ist es, und etwas seitlich versteckt finden wir auch die Namen seiner wichtigsten Kompositionen. Um nun auch das Dvořák-Grab zu finden, frage ich andere Besucher. Der erste weiß es auch nicht, sehr wohl aber der zweite. Nachdem wir auch dieses Grab und die leider vertrockneten Blumen darauf gesehen haben, wird es höchste Zeit, das Smetana-Grab ein zweites Mal passierend wieder zum Ausgang zu gehen, um nicht hier eingeschlossen zu werden. Da hören wir auch schon die Kette rasseln, mit der die Aufseherin soeben das Tor verschlossen hat. Und jetzt? Sie verweist uns auf den Haupteingang, und während wir ihr eilig folgen, läuten nun auch die Kirchenglocken von sv. Petra a Pavla mit einer angenehmen Melodie die abendliche Friedhofsruhe ein. Hier draußen finden wir, während das Haupttor hinter uns verschlossen wird, nun auch den Belegungsplan des Friedhofs. Die meisten Prominenten sind uns aber natürlich vollkommen unbekannt.

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Mit dem Zug nach Prag

Bei der Deutschen Bahn ein Zugticket nach Prag zu erwerben ist leicht. Der Preis einer länderübergreifenden einfachen Fahrt für zwei Personen beträgt 79 Euro. Man kann das Ticket aber auch bei der tschechischen Bahn kaufen, dann kostet es je nach gewählter Fahrtstrecke deutlich weniger oder erheblich mehr. Die günstigere Strecke sagt uns aber zeitlich nicht so recht zu. Als dritte Alternative gibt es dann noch die Kombination aus Bayern-Böhmen-Ticket und tschechischem Ticket für die restliche Strecke von Pilsen bis Prag. Ersteres gilt jedoch nur im Nahverkehr, und man kann wochentags frühestens ab 9 Uhr fahren. Das passt gut zu unseren Plänen, aber es gibt dennoch ein kleines Problem: die Preisauskunft für die von uns präferierte Verbindung berücksichtigt das günstige Ticket nicht. Muss uns das interessieren? Länderticket ist Länderticket: wir investieren also knapp 40 Euro für die Strecke bis Pilsen und dann noch einmal gute 8 Euro für den Rest.

Punkt 9 Uhr den Bus besteigend, dürfen wir uns aber weder in Nürnberg noch in Schwandorf beim Umsteigen vertrödeln, sonst geht der ganze schöne Plan daneben. Wohlweislich haben wir uns für das etwas teurere tschechische Flexticket entschieden statt für das zuggebundene, denn die 6 Minuten in Schwandorf erscheinen uns reichlich knapp und schrumpfen mit wachsender Verspätung des Zuges auch noch immer mehr zusammen. Werden wir den Anschlusszug erreichen? Erst beim Aussteigen erfahren wir, dass sich auch dieser um fast 30 Minuten verspäten wird.

Aber auch vorher gab es schon Stress: der Zug wird nämlich bei Neukirchen geteilt, die eine Hälfte fährt über Schwandorf nach Regensburg und die andere fernab von Schwandorf nach Weiden und Hof. Sind wir denn im richtigen Zugteil? Als sich mir die Frage erstmals stellte, saßen wir ja bereits im Abteil. Im richtigen oder im falschen? Leider ist auch die Durchsage wenig erhellend: man möge bitte auf das Display achten. Dort steht aber nur „Ausstieg links” im Wechsel mit „nächster Halt Neukirchen”. Zum Glück ging alles gut.

In Schwandorf hat noch ein weiterer Zug Verspätung, nämlich der nach Hof, auf demselben Gleis. Da kommt er auch schon, und natürlich bleiben wir seelenruhig auf dem Bahnsteig sitzen, denn es stand ja „Hof” auf dem Zieldisplay der Lokomotive. Aber müßte er nicht allmählich das Gleis räumen für den Zug nach Prag? Und warum steht eigentlich ganz klein „Praha” auf der Zieltafel neben dem Einstieg? Wir fragen nach und erfahren, dass der Zug hier in Schwandorf geteilt wird, und wir einfach nur in einen der hinteren Waggons steigen müssen. Leute! Transparenz geht anders!

Ein offenbar asiatischer Passagier hat ein ganz anderes Problem, er hatte einen Zug nach Hof bestiegen und fand sich in Tschechien wieder. Wahrscheinlich war er noch vor der Teilung auf der Suche nach einem Sitzplatz im Zug nach hinten gelaufen. Das käme hier öfter vor, erklärt ihm der Zugbegleiter. Ja, dann gestaltet halt eure Bahnsteigdisplays so, dass man sie versteht!

Auf der eingleisigen Strecke entlang diverser böhmischer Dörfer kann unser Zug die Anfangsverspätung nicht mehr einholen, so dass wir mit einer halben Stunde Verspätung in Prag eintreffen. Wir haben aber ja keinen Termin, den wir versäumen könnten.

Nach sieben Stationen mit der Straßenbahn 26 stehen wir schließlich vor dem Hotel Don Giovanni, einem großen freistehenden Gebäude. Wo ist der Eingang? Wir vermuten ihn links. Aber dort ist er nicht. Und auch nicht auf der anderen Gebäudeseite. Beim Parkplatz ist er auch nicht. Am Ende haben wir unseren Rollkoffern eine nahezu komplette Runde um den Hotelkomplex gegönnt. Ach, wären wir doch nach rechts gelaufen!

Warum trägt das Hotel den Namen einer Mozart-Oper? Nun, hier in Prag wurde die Oper komponiert und vor gut 235 Jahren uraufgeführt. Und es ist nicht nur der Name, der hier Komponist und Werk zelebriert: eine Statue schmückt die Eingangshalle, im Aufzug läuft Musik von Mozart, die Teppiche tragen ein Violinschlüssel-Dekor, die Flure zieren Szenenfotos aus dem Film „Amadeus”, und von der Wand des großzügig dimensionierten Zimmers mit der Nummer 742 grüßen Bilder diverser Musikinstrumente.

Wir leisten uns noch eine erste Orientierungsrunde durch die Altstadt und auf der berühmten Karlsbrücke über die Moldau zum Rathausplatz mit der bemerkenswerten Rathausuhr, ehe wir nach einem Abstecher in den gegenüber befindlichen Lidl-Markt ermattet wieder im Hotel eintreffen. Mit dem Schlummertrunk „Pilsner Urquell” hatten wir uns schon am Bahnhof eingedeckt, das Hotel steuerte dann noch eine Flasche Prosecco bei. Und daher heißt es nun: gute Nacht Prag, es gefällt uns hier.

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Nationalmuseum

Bevor wir von Oslo zur Fähre Malmö-Travemünde aufbrechen, haben wir noch ein paar Stunden Aufenthalt, die wir für einen Besuch des Nationalmuseums nutzen. Dieser ganz neue und futuristische Kunsttempel befindet sich unweit des ebenfalls markanten Rathauses. Vom Hauptbahnhof, wo wir in gut drei Stunden wieder abgeholt werden, müssen wir also zuerst ein Stück weit durch die Fußgängerzone, dann mit Blick auf das Königsschloss durch einen kleinen Park und zum Schluss noch an besagtem Rathaus vorbei, wo uns eine lange Warteschlange mit festlich in Nationaltracht gekleideten Menschen auffällt. Der Anlass erschließt sich uns aber nicht.

Im Museum gilt der erste Besuch den Schließfächern. Brauchen wir eine Münze, frage ich den Aufseher, und der antwortet: nein, aber ein gutes Gedächtnis. Die Fächer haben nämlich ein Zahlenschloss. Und wo kein Schlüssel, da eben auch keine aufgedruckte Nummer. Ein Handyfoto erfüllt jedoch den gleichen Zweck.

Die kulturhistorischen Sammlungen befinden sich laut Orientierungstafel in der ersten Etage, die Gemälde in der zweiten. Hier in Norwegen ist mit 1 aber das Erdgeschoss gemeint, folglich müssen wir nur eine einzige Treppe hochsteigen. Oben führt uns der erste Weg sogleich in den Munch-Saal, er trägt die Nummer 60. Zwar finden sich, wie wir später feststellen werden, auch in den anderen Sälen immer wieder Werke dieses wohl bekanntesten norwegischen Malers, der Saal 60 ist aber ausschließlich ihm gewidmet. Der berühmte „Schrei“ hängt an der Wand gegenüber, wo ihn ein Aufseher keine Sekunde aus den Augen läßt: man hat ja bereits einschlägige Erfahrungen mit Klimaklebern machen müssen, drüben im Munch-Museum.

Wie leicht zu erraten ist, gibt es noch Dutzende weitere Säle, mit Gemälden, die zumeist norwegische Landschaften zeigen, von Malern, die uns nur selten geläufig sind, wenn man von Dürer, Cranach, Gauguin oder Cezanne absieht. Die letzteren waren aber wohl nie in Norwegen und mussten daher auf andere Motive ausweichen: nackte Schönheiten oder auch allerlei Obst.

Ein Saal mit mystischen Landschaften wird dezent mit klassischer Musik bespielt, wahrscheinlich von Edvard Grieg, und begleitet von Meeresrauschen, Vogelgezwitscher und Donnerhall. Das ist sehr stimmungsvoll. Auch im unteren Stockwerk gibt es hin und wieder leise Hintergrundmusik, für einen Streifzug durch wahrscheinlich ebenso viele Säle wie oben wird nun aber die Zeit knapp, schließlich müssen wir noch durch die inzwischen gut gefüllte Fußgängerzone zurück zum Treffpunkt laufen: zehn Minuten hätten wir noch gehabt.

Der Rückweg zur Fähre ist derselbe, den wir vor 5 Tagen gekommen sind: über die Svinesund-Brücke, diesmal die neue, nach Schweden und dann 500 Kilometer bei herrlichem Wetter durch so viel Bullerbü-Landschaft mit gelben Rapsfeldern und falunrot gestrichenen Häusern, dass wir in Göteborg dringend eine Pause einlegen müssen. Busfahrer Stefan kennt dort jemanden, der uns zu einem Café führen wird, wo es die besten Zimtschnecken der Welt geben soll. Der Weg führt, wie sollte es in Göteborg anders sein, um eine große Baustelle herum und an einer Kirche mit schiefem Turmhelm vorbei in die Innenstadt mit ihren malerischen Holzhäusern, von denen eines das besagte Café beherbergt. Aber während wir noch überlegen, wie Zimtschnecke denn wohl auf englisch heißt, tönt es schon hinter dem Tresen hervor: Zimtschnecken sind aus! Schade. Aber es ist ja auch schon später Nachmittag, und wir werden wohl ein anderes Mal wiederkommen müssen, denn auch ein zweites Café in der Nähe hat die begehrte Gebäcksorte nicht mehr vorrätig.

Bis es auf der Fähre heute ein Abendessen gibt, ist noch etwas Geduld angesagt. Zwar treffen wir rechtzeitig am Check-in ein, aber das Personal dort ist wohl etwas überfordert heute. Endlich steht aber der Bus im Parkdeck und wir vor dem ersehnten Buffet. Auch die Kabine ist etwas anders als bei der Hinfahrt, sie hat nämlich ein Fenster – zum LKW-Deck zwar, aber es geht ja ums Tageslicht.

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Flåmsbana

Die Flåmbahn verbindet den kleinen Ort Flåm am Aurlandsfjord mit der Bergenbahn, also der Bahnstrecke von Oslo nach Bergen. Das war früher wichtig, um die Region am oberen Sognefjord mit dem Rest der Welt zu verbinden. Heute ist die 20 Kilometer lange Strecke, die auch einen enormen Höhenunterschied von 865 Metern überwindet, nur mehr eine Touristenattraktion. Die Bahnfahrt ist allerdings nicht Teil des Reiseprogramms. Für die Mitreisenden, die nicht 3 Stunden wartend herumstehen wollen, ist als Alternativprogramm ein Spaziergang auf dem Aurlandsvegen vorgesehen.

Nun gibt es jedoch ein Problem: der Aurlandsvegen ist ein Gebirgspaß, liegt auf 1.300 Meter Meereshöhe – und hat im Mai noch Wintersperre. Stefan, Busfahrer und Reiseleiter in Personalunion, schlägt daher vor, den Umweg über Flåm auszulassen, denn es ist noch ein weiter Weg von Fossestrand nach Oslo. Da hatte er jedoch die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn eine Handvoll Reisegäste bestanden darauf, die im Programm aufgeführte Option sei ein unverzichtbarer Reisebestandteil. In der Folge wurden Fahrpläne gewälzt und telefoniert, sowohl mit der Bahngesellschaft (gibt es überhaupt noch Karten?) als auch mit dem Büro des Reiseveranstalters (bei nur 3 Interessenten entfällt die Flåmbahn). Das Ende vom Lied war schließlich: die Fahrt findet statt.

Und so sitzen wir, das Grüppchen ist auf 10 Personen angewachsen, pünktlich um ½10 Uhr auf roten Plüschsesseln in einem der historischen grünen Waggons, um die einstündige Fahrt hinauf nach Myrdal zu erleben. Die rechte Seite sei die schönere, empfahl die Ticketverkäuferin. Und recht hatte sie: von rechts sieht man auf das Tal, auf den Wasserfall gegenüber und auf die 21 Kehren der Straße, die für den Bau der Bahnlinie angelegt wurde und heute eine beliebte Wander- und Bikestrecke ist, denn sie ist schmal und unbefestigt und für Autos ungeeignet.

Vom Wasserfall Kjosfossen wiederum werden alle etwas haben, hieß es, denn der Zug hält dort für ein paar Minuten an, damit alle aussteigen und das gewaltige Tosen aus der Nähe bestaunen können. Dass die die Plattform glitschig sein könne, wird vorab gewarnt, und dass man sich zum Schutz vor der Gischt Regenzeug überwerfen sollte.

Der Zug hält an, alles steigt aus – aber wo ist der Wasserfall? Ungläubig staunend stehen Dutzende von Fahrgästen, die hier den Höhepunkt der nicht ganz billigen Bahnfahrt erwartet hatten, vor einer trockenen Felswand. Kein Wasserfall! Hinter einer Hausruine tritt nun zwar eine rot gewandete Fee hervor und wiegt sich tanzend zur Musik aus dem Off, aber auch sie kann das Wasser nicht herbeizaubern. Und so setzt der Zug seine Fahrt ohne die Hauptattraktion fort nach Myrdal, wo fast alle Fahrgäste den Zug verlassen, während andere zusteigen. Unser Zeitfenster gibt dergleichen nicht her, deshalb bleiben wir sitzen und erleben bei der Rückfahrt die Attraktionen noch einmal in umgekehrter Reihenfolge: den unsichtbaren Wasserfall samt Fee, die 21 Kehren der unbefestigten Paßstraße, das Tal mit den verstreuten kleinen Höfen, den Wasserfall am Berghang gegenüber und schließlich den Bahnhof von Flåm, wo der Bus wartet.

Der kleine Ort ist heute auf vier Arten erreichbar: mit dem Fjordschiff, mit der Flãmbahn, im kurzen nordischen Sommer über den Gebirgspass sowie ganz neu durch zwei Tunnel, von denen der Lærdalstunnel knapp 25 Kilometer lang ist – der längste Straßentunnel der Welt.

Über die restliche Fahrtstrecke nach Oslo gibt es nicht viel zu berichten. Wir queren einen über 1100 Meter hohen Gebirgspass, sehen diverse Skibergsteiger, die sich an der teilweise noch geschlossenen Schneedecke erfreuen, durchqueren eine allmählich immer grüner werdende Landschaft mit blühenden Bäumen und auch sonst allerlei Natur, und sind pünktlich zum Abendessen im Hotel.

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Die Stadt der schiefen Häuser

„Wenn man von Bergen aus den Fløyen sieht, wird es bald regnen. Und wenn nicht, regnet es bereits“, sagen die Einheimischen und fügen hinzu, dass die alte Hansestadt pro Jahr 300 Tage mit Regen verzeichnet. Heute ist zwar so ein Tag, aber der Regen setzt erst ein, als wir bereits wieder den Rückweg zum Quartier angetreten haben. Bis dahin genießen wir die Stadt bei bedecktem Himmel mit vereinzelten Wolkenlücken.

Der malerische Stadtteil Bryggen liegt direkt am Hafen und besteht aus ebenso bunten wie schiefen Holzhäusern. Nicht etwa, weil seine Erbauer mit Lot und Wasserwaage nichts anzufangen wußten, sondern weil der Untergrund im Laufe der Zeit abgesackt ist. Damit sie nicht irgendwann einstürzen, werden einige von ihnen aufwendig angehoben und saniert und sind deshalb mit Planen bedeckt, was das Bild aber nur geringfügig beeinträchtigt, schließlich ist außen aufgemalt, was innen gerade vor dem Zerfall gerettet wird. In den Häusern befinden sich allerlei Einzelhandelsgeschäfte, bei deren Preisschildern man sich fragt, ob man das Komma beim Umrechnen auf Euro wirklich nur um eine Stelle verschieben muss und nicht etwa um zwei.

Weiter stadtauswärts liegt ein großes Segelschiff vor Anker, die „Statsraad Lehmkuhl”. Und noch weiter hinten gibt es einen Tivoli mit allerlei Fahrgeschäften und insbesondere dem Riesenrad, das wir schon vom Fischmarkt aus gesehen hatten. Von dort sah es so aus, als stünde das Riesenrad auf dem Schiff, gestützt von dessen beiden Masten. Zur Rechten lockt ein markantes altes Gemäuer, um das wir nun herumlaufen und dabei einem wunderschönen blühenden Apfelbaum begegnen. Ob das der Baum ist, der unserer Reise den Titel „Obstbaumblüte” gegeben hat? Auch zahlreiche Rhododendren stehen in voller Blüte. Jetzt noch Sonne, und das Erlebnis wäre perfekt. Aber es ist kühl und windig, und zudem sind wir mit einer Stadtführerin verabredet und wollen ja nicht zu spät zurück am Fischmarkt sein.

Die sympathische junge Frau führt uns zunächst zu einem städtischen Gebäude, das ganz offiziell mit Graffiti bemalt werden durfte und auch wurde. Ein Mädchen ist da zu sehen, das ein rosa Schweinchen im Arm hält, daneben ein kleiner Junge, der einam Stockfisch ins aufgerissene Maul schaut. Die kombinierte Runde findet teils mit dem Bus und teils zu Fuß statt, wir sehen malerische weiße Holzhäuser und weitere Sehenswürdigkeiten und betreten am Ende sogar eines der schiefen Häuser von Bryggen. Danach haben wir noch etwas Freizeit, und nun setzt tatsächlich auch leichter Nieselregen ein. Eigentlich hatten wir aber einen für hiesige Verhältnisse recht schönen Tag erwischt.

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Nationalfeiertag

Das „Quality Hotel Expo” liegt gegenüber dem Messezentrum von Oslo und kann offenbar sehr viele Gäste auf einmal unterbringen und verpflegen. Angerichtet ist jedoch nur für uns, und es gibt auch nur eine einzige Hauptmahlzeit. Werden wir auch das Frühstücksbüffet für uns alleine haben? Mitnichten, die japanische Reisegruppe startet genau zur gleichen Zeit, und es gibt ein wenig Gedränge, das sich aber schnell legt.

Erstes Ziel der heutigen Etappe ist die Stabkirche von Heddar. Sie soll die größte und berühmteste von ganz Norwegen sein. Und sie ist geschlossen. Denn heute ist Nationalfeiertag, und da haben die Norweger besseres zu tun als den Touristen ihre Sehenswürdigkeiten zu öffnen. Überall wehen norwegische Flaggen, sogar an den Autos, und viele Menschen tragen schmucke Trachten. Aus der Stabkirche ertönt Orgelspiel, wahrscheinlich übt der Organist für den Gottesdienst. Und jenseits des Friedhofs kommt soeben eine Prozession den Weg heraufgezogen: bunt gekleidete Menschen mit Blumen und einer großen Flagge.

Eine ähnliche Prozession begegnet uns wenig später an der Straße hinauf zum Haukelivegen. Ein bunt geschmückter Traktor fährt vorneweg, die Polizei sichert nach hinten ab. Die Norweger grüßen und winken, wir winken zurück.

Auf den Bergen entlang der Straße liegt noch vereinzelt Schnee, und auch zwischen den Bäumen am Straßenrand zeigen sich Schneefelder. Wir sind jetzt schon relativ hoch. Hier oben werden die Schneefelder wieder weniger, genau genommen gibt es nur noch ein einziges, und das reicht von Horizont zu Horizont. Vom malerisch gelegenen See, an dessen Ufer die heutige Würstchenpause stattfinden soll, ist außer einer ebenen weißen Fläche nichts zu sehen. Und neben dem Parkplatz türmen sich weiße Schneemauern. Hier sollen wir picknicken? Der eine oder andere mag sich Apfelblüten vor weißen Berggipfeln vorgestellt haben. Nun, die verschneiten Berggipfel hätten wir. Und die Antwort auf die Frage „Pulli oder Windjacke” lautet heute: beides. Die heißen Würstchen schmecken mit klammen Fingern besonders gut, ob nun vor dem Bus oder auch drinnen.

Etliche Kehren und Tunnel später kehrt das Grün zurück, und neben der Straße zeigt der Bergbach durch seine Fließrichtung an, ob wir uns bergauf oder bergab bewegen. Momentan bergab. Und dann rauscht es zur Rechten, denn wir passieren einen mächtigen Wasserfall. Eigentlich sind es sogar deren zwei, die direkt nebeneinander gischtend herabstürzen. Wir haben heute sehr viel Glück mit dem Wetter, denn so ein Wasserfall ist bei Sonnenschein natürlich doppelt so schön. Haben sich alle sattgesehen? Gut, wenden wir uns nun den Fjorden und der Obstblüte zu.

Die Landschaft entlang des Sørfjorden ist ebenso malerisch wie die Straße schmal ist. Bei den Obstbäumen handelt es sich überwiegend um Spalierobst, viele Bäumchen sind allerdings bereits abgeblüht, insbesondere die Kirschen. Die Äpfel aber zeigen sich im schönsten Kleid, genau wie die Norweger, von denen wir noch viele sehen heute. Und überall wehen norwegische Fahnen.

Allmählich neigt sich der Tag dem Ende zu. Eine Attraktion haben wir noch vor uns. Eine, mit der niemand gerechnet hatte: es gibt hier einen Kreisverkehr mitten in einem Tunnel. Er ist indirekt beleuchtet, und es macht Spaß, ihn zu umrunden. Die erste Abfahrt führt nach etwa einem Kilometer direkt auf die große Hängebrücke hinaus. Zur zweiten kommen wir später, von der dritten sind wir gekommen. Jenseits der Brücke verschwindet die Straße in einem weiteren Tunnel mit einem weiteren Kreisverkehr. Da wir vorhin schon die bewußte zweite Ausfahrt hätten nehmen müssen, drehen wir hier eine volle Runde und dann, auf besonderen Wunsch der Fahrgäste, noch eine weitere, fast wie im Eberhofer-Krimi. Dann erneut über die Brücke und in die verpaßte Abfahrt zum Aussichtspunkt. Und von dort, nach kurzem Fotostop, das ganze Programm nochmal von vorne.

Etliche Tunnel später erreichen wir unser Tagesziel: im „Vossestrand Hotel” werden wir zwei Nächte zubringen. Das Objekt mitten im Skigebiet ist urig, und das Zimmer eine Ferienwohnung samt Küchenzeile. Aber wo sind die Betten? Man muss um die Küche herumgehen, und sie sind ein wenig schmal. Nun, das wird schon gehen, aber wie stellt man den Ventilator der Dunstabzugshaube ab? Man möge bitte den Schalter betätigen, steht auf dem Zettel an der Türe. Welchen Schalter? Der herbeigebetene Rezeptionist verrät uns das Geheimnis. Endlich können wir uns nun dem Abendessen zuwenden. Mag das Hotel auch älter und schlichter und abgewohnter sein, seine Küche ist besser in Oslo. Oder es liegt am Nationalfeiertag.

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Über Schweden nach Norwegen

Die Nummer 827 ist eine Innenkabine, hat also kein Fenster. Und Internet gibt es hier auch keines. Das Schiff soll bereits um 7.00 Uhr in Malmö anlegen, wer also nicht schon um 6.00 Uhr am Frühstücksbüffet steht, muss hungrig und ohne Kaffee in den Tag starten. Wir sind bereits schon vor der Zeit da, wollen wir doch durchs Bugfenster einen Blick auf die Öresundbrücke erhaschen. Leider ohne Erfolg: weit und breit keine Brücke.

Wer auf der Finnlines-Fähre frühstücksberechtigt ist, darf sich gegen Abgabe seiner Karte ein Tablett nehmen: ohne Tablett kein Frühstück. Es gibt allerlei Brot, Käse, Schinken, Ei gerührt oder im ganzen, Joghurt mit oder ohne Müsliflocken, Orangensaft ohne Geschmack sowie natürlich Kaffee. Beim Eingang lagen Messer und Gabeln, aber keine Löffel. Die finden sich beim Joghurt.

Und immer noch keine Öresundbrücke. Dabei ist die Küste zur Linken bereits ganz nah. Dann schwenkt das Schiff auch schon in den Fährhafen von Malmö ein. Und endlich kommt auch die Brücke in Sicht: weit, weit hinter uns.

So ein Autodeck auf einer Autofähre ist kein sonderlich heimeliger Platz. Schon gar nicht, wenn all die großen Sattelschlepper ihre Motoren anwerfen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns aber bereits zum Bus durchgeschlängelt und warten darauf, dass sich die Bugklappe öffnet und einer nach dem anderen über die Rampe hinausrollt ins „malerische” Industrieviertel von Malmö. Zum Glück verlassen wir diese öde Gegend schon bald und befinden uns nun auf der Autobahn, die entlang der Westküste Schwedens bis hinauf an die norwegische Grenze führt, vorbei am schönen Städtchen Göteborg, das wir aber erst auf dem Rückweg besuchen werden.

Busfahrer Stefan hat Würstchen eingekauft, zuhause bei seiner Stamm-Metzgerei in seinem Heimatdorf bei Augsburg. Auch Getränke sind in ausreichender Menge an Bord. Zudem gibt es eine Bordküche, geeignet um darin eine Kaffeemaschine zu betreiben oder während der Fahrt Würstchen zu wärmen. Aber wer lenkt, während der Fahrer hinten beschäftigt ist, den Bus? Niemand, denn das passiert bei einem kurzen Zwischenstopp. Und schon geht es weiter und zurück auf die Autobahn. Zurück ist das richtige Stichwort, denn Stefan biegt in die falsche Richtung ein und muss zerknirscht zugeben, dass das ein Fehler war und wir an der nächsten Ausfahrt wenden müssen. Die kommt zum Glück schon nach drei Kilometern. Hätte jemand das Intermezzo verschlafen, was nach der kurzen Nacht auf der Fähre kein Wunder wäre, erlebte er soeben ein seltsames Deja-vu: waren wir hier nicht schon einmal?

Eine halbe Stunde später stehen Bus und verzehrfertige Wiener und Debrecziner auf einem kleinen Parkplatz zwischen Sattelschleppern. Jetzt wären ein paar Tische recht, um Papierteller und Getränke darauf abzustellen. Da kommt ein Truck, der soeben neben uns einrollt, gerade recht. Die Fahrerin, die uns noch gegrüßt hatte, bevor sie in Richtung Rasthaus verschwunden war, staunt nicht schlecht: sind ihr Fahrzeug und dessen Anbauten doch zwischenzeitlich Teil einer improvisierten Gastronomie geworden.

Je weiter wir nach Norden kommen, desto weniger Siedlungen und desto mehr Wald gibt es. Schon nähern wir uns der Grenzbrücke nach Norwegen. Sollten wir nicht, um uns Unannehmlichkeiten zu ersparen, besser einen kleinen Umweg über die alte Straßenbrücke nehmen? Gesagt getan, und wir erhaschen einen schönen Blick auf die markante neue Hängebrücke ein paar Kilometer flußabwärts.

Und dann sind wir in Oslo. Oder eigentlich erst einmal darunter. Denn Oslo kann man seit einigen Jahren mittels eines kilometerlangen Tunnels unterfahren. Der führt sozusagen genau unter dem neuen Opernhaus hindurch. Wir haben aber im weiteren Verlauf des Nachmittags noch Gelegenheit, den eigenwilligen Bau zu bewundern, den wir beide im vergangenen Spätsommer ja bereits ausgiebig inspiziert hatten.

Leitner Reisen hat für uns einen Stadtführer engagiert, der irgendwo am Straßenrand auf uns wartet. Aber wo genau? An der Straße zur Burg hinauf steht ein Mann mit einem Fahrrad und winkt und deutet auf sich selbst. Das muß er sein! Er heißt Thomas und erzählt nun im weiteren Verlauf der Stadtrundfahrt unterhaltsam, was sich uns da so darbietet: das „neue” Oslo mit der Oper und dem Munch-Museum, die wichtigen Gebäude der Stadt samt Königspalast, der Vigelandpark. Letzteren durchstreifen wir zu Fuß, denn nur so kann man die zahlreichen Bronzeskulpturen des Bildhauers so richtig bewundern. Bekannteste Figur im Park ist ein trotziger kleiner Junge, der offenbar seinen Willen nicht bekommen hat. Ihn zu berühren soll Glück bringen, und die Stelle ist auch schon ganz abgegriffen. Nein, nicht diese. Die geballte Faust ist gemeint.

Abschließend fahren wir noch hinauf zum Holmenkollen mit seiner neuen Skiflugschanze. Hier soll sich bei einem live übertragenen Wettbewerb ein Vorfall mit einem Hund ereignet haben, der ein Millionenpublikum erheiterte. Nun steht er da in Bronze gegossen.

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