China oder Schottland?

Wasser, wohin man schaut. Links vom Schiff breitet sich ein See aus, in den Hügeln dahinter hängen Nebelfetzen, es fällt sanfter Regen, und die Morgenluft fühlt sich recht frisch an. Zur Rechten erstreckt sich ein breites grünes Ufer, und ein Weg zieht sich zum Ort auf dem Hügel hinauf. Und ein Stück weiter links – was ist das denn? Eilean Donan Castle? Eine 25 Meter hohe Betonmauer umschließt einen Felsen, zu dem eine Hängebrücke hinüber führt. An den Felsen lehnt sich eine Pagode mit roten Dächern an.

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S2170021Das ist 石寶寨 (Shibaozhai), die angelehnte Pagode. Noch vor wenigen Jahren überragten der Felsen und das Kloster einen kleinen Ort am Ufer des Yangtze. Heute stünde der Fuß der Pagode zeitweise im Wasser des Stausees, hätte man nicht um den ganzen Felsen herum die bewußte Mauer errichtet. Nirgendwo wird die drastische Veränderung der Landschaft deutlicher als an diesem kleinen ummauerten Stück Land, das einst ein Hügel war und zu dem man heute hinabsteigen muß, während ringsum kein Haus und kein Baum verblieben sind. Und auch kein Fluß. Nur ein riesiger See, dessen Wasserspiegel zudem im Jahresverlauf um mehr als 20 Meter schwankt. Dabei sind wir hier schon gute 300 Kilometer vom Dreischluchtendamm entfernt!

Für die Bewohner des versunkenen Ortes haben sie neue Häuser gebaut, oben auf dem Hügel, zu dem ein „Halloweg” hinaufführt. Halloweg deshalb, weil es einem von links und rechts so entgegenschallt, denn natürlich brauchen die einstigen Bauern eine neue Existenz. Und die soll im Verkauf von Andenkenschund an Touristen bestehen.

Die Brücke schwankt unter den Füßen, als ob man betrunken wäre. Einen Vorteil hat der Schutzdamm ja: es ist ein Panoramaweg entstanden, der auf halber Höhe um die Pagode und das gelbe Eingangstor herum führt, ehe man am Ende dann etliche Stufen hinabsteigt, um sie nach Durchschreiten des Tores im Inneren der Pagode wieder hinaufzusteigen. Die Holzstufen sind steil, und eine chinesische Gruppe mit megaphon-bestückter Führerin ist uns dicht auf den Fersen, aber immerhin haben wir endlich ein Dach über dem Kopf.

Und natürlich gibt es auch viel an Figuren und Altären zu sehen. Oben auf dem Felsen steht ein Tempelchen und dahinter noch eines, dazwischen haben die Hallo-Händler ihre Stände aufgebaut, mit Spielzeugwaffen zum Beispiel. Eine kleine Brücke soll demjenigen, der sie mit drei Schritten überquert, Glück bringen. Bei den heutigen Wetterverhältnissen brächte einen der Versuch wohl eher mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus.

Die Legende erzählt, daß einst Reis aus einer Öffnung im Felsen quoll, um die Mönche zu ernähren. Als aber einer von ihnen die Öffnung heimlich zu vergrößern versuchte, versiegte die Quelle. Wie sehr sich die Legenden der Völker doch gleichen.

S2170049Ob mit Regenschutz oder ohne, man wird in jedem Fall naß bei so einem Ausflug, denn die regendichte Hülle treibt einem den Schweiß aus den Poren. Aber wir haben ja das Schiff in der Nähe, um uns für das Mittagessen trockenzulegen. Und um die vielen Eindrücke dieses Ausflugs zu verarbeiten. Für den Nachmittag ist eine Besichtigung der Kommandobrücke angesagt.

Category: Allgemein, China 2014
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