Zerfallene Paläste

Wir sind in Hue, das liegt in Mittelvietnam und spricht sich Hüeh, wahlweise auch Höeh. Das Personal des Regionalflughafens scheint den schlechten Eindruck, den die Kollegen in Hanoi hinterlassen haben, wettmachen zu wollen: kaum haben wir das Flugzeug über die Treppe verlassen, stehen wir auch schon vor dem Gepäckband, auf dem auch bereits unsere Koffer kreisen. So schnell waren wir noch nie irgendwo draußen.

Das wieder einmal ausgezeichnete Abendessen wird im Restaurant „Bananenblüte” eingenommen, eine sympathische junge Vietnamesin macht sich vor dem Fenster Hoffnungen auf Kundschaft für ihre Seidenstickereien, immer wieder blättert sie freundlich lächelnd ihre Mappe für uns durch. Aber sie hat heute kein Glück.

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In Hue herrscht gerade Regenzeit, das Hotel hält Schirme für die Gäste bereit, die dann zum Glück aber doch nicht benötigt werden. Wir durchstreifen zuerst die weitläufige Zitadelle, an der zwar fleißig restauriert wird, aber weil sie eben so weitläufig ist, liegen große Teile noch immer in Trümmern, eine Folge des Vietnamkrieges, den man hier „Amerikanischer Krieg” nennt. Einst gab es hier, genau wie in Peking, eine Verbotene Stadt. Den Bomben war’s egal. Wo die Mauern und Dächer noch stehen, sind sie entweder vom Zahn der Zeit stark angenagt, oder sie sehen ganz frisch aus. Uns gefallen die angenagten besser, andererseits vermitteln die Rekonstruktionen einen besseren Eindruck von einstiger Pracht.

Nach einem weiteren Besichtigungspunkt, einer Pagode mit einem Tempelbezirk, geht es auf dem Drachenboot entlang des Flusses, den man den Parfumfluß nennt, wieder zurück ins Zentrum. Die beiden Drachenköpfe am linken und rechten Rumpf des Katamarans haben keinerlei Funktion, sehen aber urig aus. Man könnte auch sagen: schön kitschig.

Ganz in der Nähe der Stadt hat sich ein Kaiser eine weitläufige Grabanlage errichten lassen, die er in seinen letzten Lebensjahren auch bewohnte. Inzwischen trägt auch sie den Charme des Zerfalls: was einst ein Bonsai war, ist heute ein mächtiger Baum, dessen Wurzeln die Pflanzschale umgreifen, was einst auf gepflegten Wegen die kaiserliche Seele zum Lustwandeln einludt, ist heute von Grün überwuchert. Und auf dem kaiserlichen See tummelt sich eine Schar Enten.

Der Reiseleiter erzählt von den über hundert Konkubinen des Kaisers und von deren Wohngemächern und verspricht, uns zu den Resten zu führen. Damit beschließen wir dann auch das heutige Besichtigungsprogramm. Reste von Konkubinen haben wir allerdings keine gesehen.

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