Auch für heute ist in Venedig wieder Acqua alta angesagt. Da wir nun schon wissen, wie hoch die Straßen überflutet sein können, und auch eines der beiden Überschuh-Paare die gestrigen Strapazen überlebt hat, starten wir zuversichtlich zur Kirche Santa Maria della Salute, die sich markant auf der Halbinsel gegenüber vom Markusplatz erhebt. Der Weg dorthin führt über die Academia-Brücke und durch ein wirklich malerisches Stadtviertel mit bunten Wohnhäusern und Kanälen, die alle auf kleinen Brücken überquert werden wollen. Bei Hochwasser passen die Boote nicht mehr unter ihnen hindurch, was die Verkehrsmöglichkeiten in der Stadt ziemlich einschränkt. Aber noch kommt man ja trockenen Fußes voran.
Das Gotteshaus glänzt mit einem Wandgemälde von Tizian, wobei glänzen genau der richtige Ausdruck ist, denn wegen der etwas unglücklichen Beleuchtung läßt sich nur schwer ein geeigneter Standort für den Kunstgenuß finden. Hoffentlich ist die zweite Kirche, die wir uns vorgenommen haben, in dieser Hinsicht besser.
Zu Fuß wäre der Weg dorthin recht weit, und zudem erschließen sich einige typische Ansichten Venedigs nur vom Wasser des Canal grande aus. Darum wird flugs ein Vaporetto bestiegen. Das wichtigste beim öffentlichen Schiffsverkehr ist, daß man in der richtigen Fahrtrichtung zusteigt, sprich: den richtigen Steg betritt. Und der kann auch mal erst hinter dem nächsten Häuserblock liegen.
Da ziehen sie nun an uns vorüber, die Palazzi. Zum Glück bleiben wir auf dem Boot vom Wolkenbruch verschont, der sich soeben über die Lagunenstadt ergießt. Vom Bahnhof aus sind es dann nur ein paar Straßen bis zur gotischen Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari mit ihrem Tizian-Altar, dem monumentalen Grabmal seines Malers und einigen anderen Sehenswürdigkeiten.
Während wir drinnen die sakrale Kunst bewundern, füllt sich draußen der Vorplatz mit Wasser. Wir sind aber vorbereitet. Deshalb sieht man schon bald eine Frau mit wasserfesten Überschuhen bis zum Knie und einen barfüßigen Mann mit hochgekrempelten Hosenbeinen und einem an den Stadtrucksack gebundenen Paar Schuhe durch überflutete Straßen in Richtung Rialtobrücke waten.
Kurz vor der Brücke zeigt sich zur Linken ein Brunnen, dessen Beckenrand schon vollkommen abgetaucht und damit sinnlos geworden ist. Stadt der Tauben bevölkern Möwen die kleinen Plätze. Trockene Füße behält man jetzt nur noch auf den Brücken, alles andere versinkt immer tiefer im Wasser. Einige Läden schaffen es, die Flut draußen zu halten, andere ergeben sich ihrem Schicksal. Und ein paar Unentwegte sitzen an Tischen auf Stühlen, unter denen das Wasser schwappt.
Kurz bevor wir das Hotel erreichen, helfen auch die Überschuhe nicht mehr, denn sie reichen ja nur bis kurz unter das Knie. Aber dann sind wir endlich im Trockenen – und können das Bemühen der anderen Passanten von unserem Balkönchen im zweiten Stock aus beobachten.