Vom Kochel- zum Walchensee

Das gestrige Abendessen im Griesbräu, aus dessen Fenstern Kandinsky dereinst die Hauptstraße des Ortes malerisch verewigte, war touristengerecht, sprich: man hat anderswo schon besser gegessen. Was aber in Erinnerung bleibt ist das „Drachenblut” genannte Rotbier mit Räuchergeschmack.

Unsere Reiseleiterin heißt Andrea Welz, stammt aus Stuttgart und ist für den erkrankten Dr. Walter Appel „kurzfrischtig” eingesprungen. Heute führt sie uns durch die malerische Landschaft hinüber nach Kochel, wo der Bus zunächst am Friedhof mit dem Grab von Franz und Maria Marc stoppt. Der Maler fiel zwar 1916 in den Schlachtfeldern von Verdun, wurde später aber auf Veranlassung Marias geborgen und auf den heimischen Friedhof überführt.

Beim heutigen Franz-Marc-Museum handelt es sich aber nicht um das ehemalige Wohnhaus der beiden, sondern um ein Gebäude, das erst ab 1985 für die Sammlung zur Verfügung stand und im Jahr 2008 gleich nebenan einen mächtigen Neubau erhielt.

Wie nicht anders zu erwarten, gilt es hier das eine oder andere Bild des pferdevernarrten Marc zu bewundern: die „Große Landschaft I” von 1910, das „Springende Pferd” von 1912 und der „Eselsfries” von 1911, dessen Vorlage ein ähnlich aufgebautes Bild aus einem altägyptischen Grab war. Natürlich ist auch Malerkollege August Macke mit einem bekannten Werk vertreten, nämlich der „Großen Promenade” von 1914. Dann begann der Krieg, Mark und Macke fielen auf den Schlachtfeldern.

Für das Franz-Marc-Museum sind die Werke seines Namensgebers nicht mehr als ein Teil der Sammlung, der hin und wieder auch gegenüber anderen Themen zurücktreten muss, wir hatten gerade noch das Glück, die genannten Werke noch hängen zu sehen, bevor sie für etliche Monate im Depot verschwinden werden.

Auf dem Weg zum Aussichtsfenster, einem „Dreiflügelaltar vor der Natur”, passieren wir ein gigantisches Werk des zeitgenössischen Malers Anselm Kiefer, das eher an eine Kletterwand als an ein Gemälde erinnert, so dick und knubbelig sind die Farben aufgetragen. Es soll schon vorgekommen sein, dass Kinder sich ein Stück davon abbrachen und in die Tasche steckten.

Bis zur Führung im Walchenseemuseum, der nächsten Station unserer Kulturreise, ist noch etwas Zeit, die wir in einem Café am Ufer des Walchensee verbringen.

Und dann steht er vor uns: Friedhelm Oriwol, knapp 90 Jahre alt und ebenso rüstig wie gesprächig: er kam als Flüchtlingskind 1945 von Königsberg nach München, absolvierte eine Maurerlehre, studierte dann auf eigene Kosten Ingenieurwissenschaften und brachte es schließlich zu Wohlstand, der ihm das Sammeln von Werken des ebenfalls aus Königsberg stammenden Malers Lovis Corinth ermöglichte. Corinth verbrachte seine letzten Lebensjahre hier im Ort Urfeld, sein Wohnhaus existiert noch.

Wie fast jedes Privatmuseum ist auch in diesem hier bis in die kleinsten Ecken mit Sammelgut bestückt, das sich den Gästen nur im Rahmen einer Führung erschließt, denn Schildchen unter den Exponaten sind Mangelware. Aber das macht nichts, denn die Führung lebt von der Begeisterung des Sammlers für die ausgestellten Werke.

Da ist zum Beispiel die Serie der Buchstaben des Alphabets, garniert mit Zeichnungen biblischer Szenen. Da sind Teile des Storyboards, die Corinth für den berühmten, 1920 von Ernst Lubitsch gedrehten Stummfilm „Anna Boleyn” angefertigt hat. Da sind diverse Gebrauchsgrafiken für alle möglichen Anlässe wie etwa die Einladung des weinseligen Jubelgreises zu seinem 60. Geburtstag.  Da sind aber auch die Gemälde der expressionistischen Malerin Charlotte von Maltzahn, die zu Lebzeiten nie damit an die Öffentlichkeit treten durfte, und derer sich die Oriwol-Stiftung vor ein paar Jahren angenommen hat.

Die Sammlung ist so vielseitig, dass man Stunden bräuchte, um sich alles erklären zu lassen. Und auch die Aussicht vom Balkon hinaus auf den Walchensee sucht ihresgleichen. Man darf gespannt sein, wie sich das Museum weiter entwickeln wird, denn trotz seiner 89 Lenze hat sich der Museumsgründer, den einer seiner Bewunderer lebensgroß in Öl gemalt hat, noch viel vorgenommen.

Die Rückfahrt zum Hotel führt heute über den Klosterort Benediktbeuern, der dem breiten Publikum als Fundort der „Carmina Burana” (lateinisch für Beurer Lieder oder Lieder aus Benediktbeuern) aus dem im 11. und 12. Jahrhundert bekannt ist. Der Komponist Carl Orff ließ sich davon zu einem Chorwerk inspirieren, das zu den bekanntesten Werkender klassischen Musik zählt – und bei der Einfahrt in den Ort natürlich über die Soundanlage des Reisebusses eingespielt wird.

Das Kloster und die Klosterkirche sind eindrucksvoll, aber nicht mehr als andere barocke Klöster auch. Und die historische Fraunhofer-Glashütte hat leider geschlossen, wie man aber leider erst erfährt, wenn man den 15-minütigen Fußmarsch hinter sich hat.

Category: Allgemein, Murnau 2021
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