Der Textilunternehmersohn Eusebi Güell hat sich vom Meister Gaudí im Stadtteil El Raval ein Wohnhaus gestalten lassen, wie es wohl auf der Welt kein zweites gibt. Um es zu besichtigen, müssen wir den Bus H14 nehmen, erwischen aber versehentlich den bereits abfahrbereiten H16. Es heißt also am Arc de Triomf wieder aussteigen und sich eine neue Verbindung suchen. Die gibt es auch, in Gestalt der Buslinie 120. Aber wo das Navi die Haltestelle zeigt, ist keine. Und zur genannten Abfahrtszeit kommt auch kein Bus. Wie aber plant man aber eine Route, wenn einen das Navi immer wieder dorthin zurück schickt? Endlich finden wir eine Haltestelle der Buslinie, die wir von Anfang an hätten nehmen sollen. Viel Umweg für nichts.
Die Rambla ist die platanengesäumte Prachtstraße, die vom Hafen hinauf ins Stadtzentrum führt. Wir sind von zahlreichen Kreuzfahrt-Touristen in kurzen Hosen umgeben, und das bei unter 10 Grad Lufttemperatur. Hoffentlich wollen die nicht alle in den Palau Güell. Zwölf Euro soll der Eintritt kosten pro Person, zu unserer Überraschung will der Kassierer aber nur jeweils fünf von uns, warum auch immer.
Das Haus wirkt mit seinen vielen Eisengittern vor den Fenstern irgendwie abweisend, und diese Architektur setzt sich auch im Inneren fort, fast wie in einem Gefängnis. Aber ein Gefängnis hätte keine teppichbelegten Treppen, keine Marmorsäulen, keine geschnitzten Holzdecken und keine Wandgemälde, um nur einige Merkmale der Innenarchitektur aufzuzählen. An einigen Stellen treten zudem schwarz gestrichene Eisenträger zutage.
Plötzlich erfüllt wuchtige Orgelmusik den hohen Zentralraum. Eine Orgel in einem Wohnhaus? Oder ist die Wohnung etwa ins Innere einer Kirche gebaut? Nun, der Bauherr hat sich hier wohl einen etwas exzentrischen Wunsch erfüllen lassen. Es soll auch einen Altar gegeben haben, von dem aber nur die raumhohe, goldgeschmückte Nische übrig geblieben ist. Eine Fremdenführerin schreit gerade gegen die Orgel an: die einen verstehen nichts, den anderen trübt es den authentischen Klanggenuß. Und dann ist das Orgelstück auch schon wieder vorbei, in einer halben Stunde folgt das nächste. Bis dahin sind wir aber, vorbei am gefliesten Badezimmer mit ebenfalls gefliester Kloschüssel, schon ganz oben auf dem Dach angelangt, wo sich in der Mitte eine Art Pagode erhebt. Von ganz unten konnte man die kleinen Fenster darin als Sterne wahrnehmen.
Wieder draußen auf der Rambla, genehmigen wir uns je ein Foccaçia und dazu einen Cappuccino, ehe wir am Palau de la Música Catalana vorbei zum Hotel laufen, um den Nachmittag auf der Dachterrasse und im Park vor dem Hotel zu verbringen. Für den heutigen letzten Abend steht ein Opernbesuch in eben diesem Palau, der ebenfalls ein Werk von Gaudí ist, auf dem Programm: sie geben Rossinis „Barbier von Sevilla”. Aber nicht nur die Aufführung selbst ist interessant, sondern auch das Ambiente dazu, denn wann hat man schon die Gelegenheit, eine Oper in einem Jugendstilbau wie diesem zu erleben: kleinteilig-bunt verglaste Wände, mosaikverzierte Säulen, ein ornamentales Kunstwerk über dem Zuschauerraum. Und auch wenn die Übertitel auf katalanisch und damit für das Verständnis der Oper wenig hilfreich sind, agieren die Darsteller auf der Bühne doch so, dass man der Handlung gut folgen kann. Allein der stark nach Duschgel riechende Herr, der vor mir sitzt, neigt sich – wohl um mehr zu sehen – nach rechts wie der schiefe Turm von Pisa. Und ich muss es ihm zu meinem Leidwesen gleich tun.
Der Palau faßt zwar nicht übermäßig viele Zuschauer, aber doch so viele, dass sich an der Pausentheke und vor den Toiletten lange Schlangen bilden. Vielleicht gibt es auch einfach zu wenig Schankpersonal und zu wenige Toiletten, jedenfalls schaffen wir es nicht, vor dem zweiten Pausenton etwas zu ergattern. Und man will das edle Getränk ja auch nicht rasch zwischen Tür und Angel hinunter kippen, während sich auf der Bühne schon wieder das Orchester bereit macht. Deshalb verschieben wir den alkoholischen Genuß lieber auf die Hotelbar. Ob wir statt der bestellten zwei Sangrias lieber eine Flasche möchten, will der Kellner wissen. Ja, wollen wir. Als letzte Gäste an diesem Abend verlassen wir leicht schwankend die Bar. Morgen um diese Zeit werden wir schon wieder in Nürnberg sein.