Heute unternehmen wir einen Ausflug. Mit dem Bus. Also dem Ausflugsbus. Denn es gäbe ja auch noch den Linienbus, aber damit kennen wir uns nicht so gut aus, und deshalb haben wir die Tour direkt bei TUI gebucht. Das geht relativ einfach, sei hier aber nicht das Thema.
Um 9:00 Uhr sollen wir direkt vor dem Hotel abgeholt werden. Dort steht auch schon 10 Minuten vor der Zeit – oder vielleicht länger, wir treten ja gerade erst vor die Tür – ein hellfroschgrüner Bus, allerdings ohne das für Tourbusse so typische Täfelchen hinter der Frontscheibe. Es wird also wohl nicht unser Bus sein. Aber es kommt auch kein anderer. Ob er für die TUI fährt, frage ich den wartenden Fahrer. Der schaut mich nur verständnislos an, also zeige ich ihm den Voucher. Er wirft einen Blick darauf und schüttelt den Kopf.
Fünf Minuten später tritt der Mann wieder auf mich zu und fragt, ob wir die Familie von Natascha seien. Nun ist es an mir, den Kopf zu schütteln. Und an ihm, mir etwas zu zeigen, denn offenbar ist er sich bei der Aussprache der deutschen Namen nicht so sicher. Und was sehe ich auf dieser Liste? Uns! Er hat uns auf seiner Liste. Warum nicht gleich so? Nun können wir endlich losfahren. Leider ohne Natascha, denn die stand samt Partner 50 Meter weiter unten an der Haltestelle des Linienbusses, wurde letztlich dann aber doch noch mitgenommen.
Zuerst einmal lernen wir die Hotellerie unseres Urlaubsortes und seiner Nachbarorte kennen, einschließlich der verwinkelten Einbahnstraßen, auf denen man sie anfahren kann. Hier ein wartendes Paar, dort ein Paar oder auch einmal zwei zugleich, nach einer Stunde sind wir immer noch in der Küstenregion, aber dann geht es endlich ins Inselinnere. Was für eine grandiose Landschaft aus Vulkankegeln, denen die Erosion bisher noch nicht allzu viel anhaben konnte.
Ob wohl noch ein Tourguide zusteigen wird? Immerhin stand ja das erste Ziel, das von einem gewissen Jesús Soto erbaute Anwesen „LagOmar”, bereits am Straßenrand angeschrieben. Große Erleichterung, als auf dem Parkplatz des LagOmar eine Dame namens Raquel zusteigt, uns in drei Sprachen begrüßt und zur geführten Besichtigung mit anschließender Gelegenheit zum freien Rundgang einlädt.
Das in eine Felsformation aus Lavatuff eingepaßte Anwesen wurde einst vom Schauspieler Omar Sharif erworben und gehörte ihm genau einen Tag lang, dann verlor er es im Spiel gegen einen ihm unbekannten Gegner, den er wohl massiv unterschätzt hatte: der vermeintliche Immobilienmakler war nämlich der amtierende Weltmeister im Bridge.
Die Zimmer dieses außergewöhnlichen Hauses sind in verschiedenen Höhen halb in die Felsen eingelassen und durch allerlei schmale und steile Treppen, teils im Inneren und teils frei, miteinander verbunden. Es gibt weiter oben ein Schlafzimmer und sogar ein Badezimmer, dazu allerlei Balkone und Nischen mit umlaufenden Sitzbänken aus Stein, und an zentraler Stelle einen Swimmingpool. Raquels spanische und französische Ausführungen sind uns zu langatmig, bis die englische Version an der Reihe ist, haben die anderen Teilnehmer längst ihren Vorsprung genutzt, und die ersten kommen die engen Treppen bereits wieder herunter. Folglich verzichten wir auf die Teilnahme an der Führung und halten uns an die deutschsprachigen Texte der Wandtafeln.
Die gute Raquel redet wie ein Wasserfall, muss sie doch auf der relativ kurzen Fahrt zum nächsten Etappenziel die dreifache Menge an Text unterbringen als bei einer einsprachig geführten Tour. Das schafft sie zwar recht gut, aber da dem englischen sofort wieder ein spanischer Text folgt und man erst am Ende der französischen Version wieder Verständliches vernimmt, liegt man akustisch beständig auf der Lauer: sind das jetzt spanische Wörter? Oder französische? Nein, es sind englische, also wieder zuhören!
Wir erreichen den „Jardin de Cactus”, also den Kaktusgarten. Das ist ein von Steilhängen und Mauern umgebenes Stück Land mit tausenden von Kakteen und Euphorbien aus allen Teilen der Welt, in den abenteuerlichsten Wuchsformen und gekrönt von einer Windmühle, in der sich dem Andrang zufolge irgend etwas Interessantes befinden muss, wahrscheinlich das Café.
Ermahnt, pünktlichst wieder am Bus zu sein, da wir ansonsten die Abfahrt des Schiffes versäumen könnten, tun wir wie geheißen, und so klappt das Ablegen samt nachfolgender Überfahrt auf die Insel La Graziosa wie am Schnürchen. Vorher amüsieren wir uns aber noch über ein ausgelassen grölendes und klatschendes Grüppchen von Jugendlichen: Leute, wenn Ihr Euch schon gegenseitig in Titanic-Pose, also mit ausgestreckten Armen am Schiffsbug stehend, fotografieren müßt, warum geduldet Ihr Euch dann nicht, bis im Hintergrund offenes Meer zu sehen ist anstelle der Hafenkneipe?
Der kleine Fischereihafen auf der Insel samt zugehörigem Ort La Caletta del Sebo hat nicht eine einzige befestigte Straße. Wozu auch, hier müssen ja ohnehin alle Autos geländetauglich sein, sonst nützen sie bestenfalls, um damit sonntags 500 Meter zur Kirche zu fahren. Ein durchaus bemerkenswerter Bau übrigens: der Altar ist ein Anker, das Altarbild ein Schiff, ein Steuerrad dient als Predigtpult, und zwei hölzerne Fische halten jeweils eine Kerze im Maul.
Gegen 14 Uhr erwartet uns ein Mittagessen, für das eigens ein zweites Schiff bereitgestellt wurde, mit Tischen anstelle der Sitzreihen. Serviert wird eine klassische Paella mit allerlei Getränken, die alle wild durcheinander zu konsumieren im Hinblick auf die bevorstehende Rückfahrt wenig ratsam erscheint. Dennoch versuchen wir es: zuerst ein Schluck Cava, also Sekt, dann Wein, dann wieder Cava, dann ein Stamperl mit leckerem Honigrum, dann ein zweites, nochmal Wein und zum Abschluss nochmal Rum, bis Schiff und Insel zu schwanken beginnen. Allein die Bierdosen packen wir weg, man will ja nicht trocken heimfahren.
Zurück auf dem Festland, also der größeren Insel, macht sich eine gewisse Schwere in den Beinen bemerkbar, aber zum Glück wartet ja in Órzola bereits der Bus.