Sint Maarteen

Das unterste Passagierdeck auf der MSC Seaside ist das Deck 5, also das mit den runden Bullaugen, durch die wir täglich beim Frühstück hinaussehen, ob das Schiff schon angelegt hat. Direkt darüber, auf Deck 6, befindet sich das Restaurant Ipanema, wo uns der Tisch mit der Nummer 621 zugeteilt ist. So steht es in unseren Unterlagen, auf den Bordkarten und in der MSC-App.

Am ersten Abend, wir kamen wegen diverser Komplikationen etwas verspätet ins Restaurant, war dieser Tisch jedoch bereits besetzt, das uns unbekannte Paar hatte ebenfalls die Nummer 621 zugeteilt bekommen. Und nun? Der Kellner bat uns an die benachbarte 623, wo wir nun während der ganzen bisherigen Reise saßen, ohne dass jemals ein anderer Passagier Anspruch auf diesen Platz erhoben hätte. Heute nun, wir hatten bereits angefangen zu essen, baute sich der Restaurantmanager neben und auf, begehrte in einem Tonfall, als täten wir etwas Unerlaubtes, unsere Bordkarten zu sehen, und verwies uns an den Tisch 621. Das zum Teil bereits servierte Abendessen dürften wir aber noch am aktuellen Tisch einnehmen.

Wissend, dass der Tisch 621 doppelt vergeben worden war und es zu Irritationen kommen würde, wenn das Paar aus Zirndorf an den ihm ebenfalls zugewiesenen Platz käme, wollten wir uns die Bezichtigung, falsch zu sitzen, nicht bieten lassen. Der Manager faselte nun etwas von einem Vierertisch, den man uns zugeteilt habe, weil wir miteinander bekannt seien. Dass der nächste Tisch in der Reihe aber die 619 trug und auch bereits besetzt war, schien ihn nicht zu interessieren. Leider erschien das Paar aus Zirndorf, dem wie uns der Tisch 621 zugewiesen worden war, heute nicht, so dass wir dem Manager die doppelte Belegung auch nicht unter die Nase reiben konnten. Wir rutschten also mitsamt der bereits servierten Speisen und Getränke an deren leeren Tisch und hatten eine nette Unterhaltung mit dem rumänischen Paar auf 619: auf deutsch mit ihm und mit ihr auf englisch. Etwas später am Abend bat dann noch unser Tischkellner um Entschuldigung für das Auftreten seines Chefs. Ab heute werden wir nun allerdings auf 619 sitzen, die Schiffs-IT hat die Plätze im System und damit auch in der App korrigiert.

Heute überquerten wir zweimal eine Grenze, von der nur wenige wissen, dass es sie gibt bzw. gab, nämlich zwischen den Niederlanden und Frankreich. Aber da ist doch Belgien dazwischen, wird jetzt mancher einwenden. Auf dem europäischen Festland schon, aber nicht zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der kleinen Antilleninsel, die wir heute besuchen. Seit aber deren niederländischer Teil Sint Maarteen vor ein paar Jahren ein unabhängiger Staat geworden ist, handelt es sich genau genommen jetzt um eine EU-Außengrenze, denn der französische Inselteil Saint Martin gehört nach wie vor zu Frankreich (wahrscheinlich aber nicht zum Schengenraum).

Unsere Tourleiterin, die uns mit einem „Lollipop” – so nennt man die hochgehaltene, einem Tischtennisschläger nicht unähnliche Tafel mit der Ausflugsnummer – am Ende des Piers erwartet, ist in Frankreich geboren und in Deutschland aufgewachsen, was eine gute Konstellation wäre, hätten wir nicht auch Gäste im Bus, die weder deutsch noch französisch verstehen. Deshalb wird in der Sprache moderiert, die auch die meistgesprochene dieser Insel ist, nämlich englisch. Gleichwohl gibt es im französischen Teil französische Schulen, und jeder noch so kleine Ort hat hier eine Bäckerei.

Ein Hurrikan hat hier vor ein paar Jahren fast alle Häuser zerstört, und einige davon sind es bis heute, denn die wichtigste Lebensgrundlage hier ist der Tourismus, und der lag bekanntlich wegen Corona darnieder. Jetzt herrscht aber wieder reger Luftverkehr auf dem internationalen Airport, der vor allem für seine niedrigen Anflüge über die Köpfe der Strandbesucher hinweg bekannt ist. Im Vorbeifahren sehen wir einige geparkte Privatjets, deren Besitzer wohl dieselben sind wie die der Luxusyachten, an denen unser Katamaran wenig später vorbei schippert, denn es steht eine einstündige Rundfahrt über die Lagune auf dem Programm. Mit All-you-can-drink-Rumpunsch bis zum Abwinken. Da weiß man irgendwann nicht mehr so recht, ob nun das Schiff schwankt oder man selbst.

Als wir am frühen Nachmittag aufs Schiff zurückkehren, ist im Büffetrestaurant auffallend wenig Betrieb. Wahrscheinlich sind die meisten beim zollfreien Einkauf.

Es muss ein majestätisches Bild sein, wenn so ein Dreihundertmeterschiff ablegt. Die MSC Seaside verfügt über ein Promenadendeck, das stellenweise ein paar Meter über die Außenkante des Schiffsrumpfes hinausragt. Von dort haben wir die letzte offene Ladeluke samt Rampe gut im Blickfeld. Ein paar Crewmitglieder stehen auf oder neben der Rampe: sie scheinen noch auf etwas oder jemanden zu warten. Dabei rückt der Zeiger immer weiter auf 19 Uhr. Ob wir wohl noch pünktlich wegkommen werden? Die Antwort ist Nein. Endlich kommen zwei Leute mit Rollkoffern, der Kleidung nach Schiffsoffiziere, den Pier entlang gelaufen und gehen an Bord. Jetzt kann das Ablegen beginnen. Oder doch nicht? Es dauert von da weg noch noch eine ganze Weile, bis eine weitere Person von einem Elektromobil zur Rampe gebracht und nach Übergabe eines Schriftstücks an Bord genommen wird. Nun sind wir aber wirklich ablegebereit, die Rampe wird eingefahren, die Luke geschlossen, und schon im nächsten Augenblick wird der Spalt zwischen Pier und Schiffsrumpf breiter und breiter, während zugleich eine deutliche Vorwärtsbewegung einsetzt. Wir haben abgelegt. Und auch das Kreuzfahrtschiff Celebrity am anderen Pier tut es uns gleich. Zurück bleiben nur die beiden Großsegler Club Med 2 und Sea Clous Spirit.

Im Schiffstheater ist heute wieder Zaubershow angesagt. Zunächst wird ein langes weißes Seil in der Mitte durchschnitten, und jeder kann sehen, dass es nun zwei lose Seilenden gibt. Zusammenknoten, den Knoten lösen, und das Seil ist wieder ganz. Verblüffend! Als nächstes wird ein zufällig ausgewähltes Mädchen auf die Bühne gebeten und auf eine überdimensionale Spielkarte gesetzt. Es muss einen Stapel Karten teilen und die eine Hälfte des Stapels hinter sich werfen. Dasselbe mit dem Rest des Stapels noch einmal. Zum Schluss bleibt eine Karte übrig. Es ist natürlich dieselbe, auf deren vergrößerter Version das Mädchen sitzt. Wie macht er das nur? Der darauffolgende Trick ist leicht durchschaubar: ein Zuschauer schreibt seinen Namen auf eine Karte, sie wird in den Stapel gesteckt, wo der Magier sie dann mit den Lippen erfühlen will. Natürlich erkennt er sie in Wirklichkeit am Geruch der Farbe. Und auch den schwebende Tisch führt er so offensichtlich mit der rechten Hand, dass man den verborgenen Bügel fast sehen, zumindest aber erahnen kann. Bei einem weiteren Trick mit Zuschauerbeteiligung – ein zufällig gewähltes deutsches Paar, das sich anfangs ein wenig sträubt – wandern drei Spielkarten von einem verschlossenen Umschlag in einen anderen. Wir vermuten, dass sie von Anfang an in der betreffenden Tüte waren, aber es sah überzeugend aus.

Category: Allgemein, Karibik 2023
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