Zauberhaftes

Zur Alten Nationalgalerie kommt man am besten, indem man am Bahnhof „Hackescher Markt“ aus der S-Bahn steigt statt mit der U5 zur Museumsinsel fährt. Da ich nur kurz Spitzweg und Segantini sehen will, wartet die Liebste unten auf mich, bevor wir zum Magicum weitergehen. Dieses zauberhafte private Museum über Magie befindet sich ebenfalls in fußläufiger Entfernung zum Hackescher Markt, allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Das urige Ambiente könnte nicht besser gewählt sein: vom Eingangsbereich heißt es ein paar enge Stufen in den Keller hinabsteigen, wo sich zur Linken der Blick in ein geheimnisvolles Alchimielabor auftut. Es folgt ein längerer, den fünf Weltreligionen gewidmeter Flur mit Kartentischen zur Rechten wie zur Linken, die allerlei Orakelhaftes offenbaren, ehe man ein Stück weiter dann in die Folterkammer gelangt, mit schauderhaften Werkzeugen, denen man sich besser nicht ausgeliefert sehen möchte. Ein ganz erstaunliches Objekt ist im folgenden Raum die Klangschüssel, die durch Reiben ihrer beiden Griffe mit angefeuchteten Händen einen so durchdringenden Ton erzeugt, dass das Wasser in der Schüssel zu sprudeln beginnt. Bei welcher Lautstärke das passiert, probieren wir lieber nicht aus, denn just in diesem Moment beginnt im nächsten Raum die Zaubershow. Der Magier, dem die Beherrschung der Voodoo-Künste schier ins Gesicht geschrieben steht, jongliert zunächst ein wenig mit Glaskugeln und bittet dann einige Zuschauer zu sich auf die Bühne, die dort erstaunlicherweise allerlei unsichtbare Berührungen an sich wahrnehmen. Sein wichtigstes Kunststück ist aber, mit verbundenen Augen zu erkennen, was ein Mädchen aus der Zuschauerriege auf ein Stück Papier gemalt hat. Damit alle außer dem Magier es sehen können, hält das Mädchen den Zettel hoch, woraufhin eine andere begeisterte kleine Zuschauerin ruft: „ein Herz!”. So war das natürlich nicht gedacht, aber immerhin wissen jetzt auch die Allerkleinsten, wie wichtig es manchmal sein kann, Geheimnisse nicht auszuplaudern. Im letzten und größten Raum, dem sich noch ein kleines Spiegelkabinett anschließt, darf dann wieder alles angefaßt werden: die magischen Pendel, ein Fingerlabyrinth, die Kristallkugeln. Auch erfährt man hier allerlei Interessantes etwa über Hexenkräuter, die Sternzeichen der Chinesen und der Kelten, den Halloween-Brauch und seine Hintergründe. Richtig, heute ist ja Halloween.

Wie immer um diese Zeit meldet sich nun der kleine Hunger zu Wort. Zum Glück gibt es in derselben Straße und nur wenige Schritte vom Magicum entfernt eine vietnamesische Garküche, wo wir unter etwas beengten Verhältnissen eine ebenso wohlschmeckende wie preiswerte Stäbchenmahlzeit einnehmen. Unter der Hand sei aber verraten: sie haben dort auch Gabeln und sogar Löffel.

Beim Stöbern in diversen Prospektständern haben wir noch eine weitere Attraktion entdeckt, nämlich das Lighthouse of Digital Art mit seinem Programm „The Grand Tour” zu den Planeten des Sonnensystems und darüber hinaus. Das Eckhaus an der Revaler Straße in Berlin-Friedrichshain und die kopfsteiggepflasterten Zuwege zum Gebäude sehen zwar wenig einladend aus, die Transformation zum attraktiven Medienzentrum ist aber bereits im vollen Gange.

Wie bei immersiven Shows üblich erstreckt sich die Projektion raumhoch über alle vier Wände des Zuschauerraums und bezieht auch den Fußboden mit ein, auf dem allerlei Liegekissen zum entspannten visuellen Genuss einladen. Die faszinierenden Bilder der diversen NASA-Missionen dürfte wohl jeder schon einmal gesehen haben, aber ganz sicher nicht in dieser, den gesamten Gesichtskreis füllenden Größe. So ungefähr muss das Universum einem Astronauten erscheinen, wenn er Jupiter, Saturn oder auch nur den Mond in unmittelbarer Nähe passiert.

Auch unsere Milchstraße sieht auf solchen Fotos immer sehr eindrucksvoll aus, aber Moment mal: sprachen die Astronomen und Astronauten nicht immer davon, wie messerscharf sich die Himmelskörper von der schwarzen Leere des Weltraums abheben? Hier nun konkurrieren aber die dünnen Ringe des Saturn mit der hell leuchtenden Galaxie im Hintergrund. Und was ist das? Der Uranus und der Neptun haben ja ebenfalls Ringe! Das ist zwar durchaus korrekt und wurde von der Voyager-Sonde und den Weltraumteleskopen auch bestätigt, aber speziell die Neptunringe sehen keineswegs so geschlossen aus wie das projizierte Bild glauben machen will. Auch dass es die Astronauten von Apollo 8 waren, die am 24. Dezember 1968 zum ersten Mal die Erde über der kargen Oberfläche des Mondes aufgehen sahen, trifft durchaus zu, jedoch kam die Landefähre, die in diesem Augenblick über die Leinwand schwebt, dort erst ein halbes Jahr später zum Einsatz.

Bevor wir gehen, sehen wir uns noch die Großbildschirme im Nebenraum an. Sie wirken irgendwie schärfer und brillianter, aber das liegt sicher am kurzen Betrachtungsabstand.

In Berlin gibt es übrigens einen sehr schönen Halloween-Brauch: die Kinder ziehen verkleidet durch die Ladengassen z.B. der Einkaufspassage am Potsdamer Platz und erhalten vom Verkaufspersonal Süßes. Läßt man sich also mit seiner Eiswaffel hier irgendwo nieder, kann man ausgiebig die phantasievollen Verkleidungen der kleinen und manchmal auch großen Passanten bewundern. Ein fataler Fehler wäre freilich, statt in die Passage versehentlich in die Fahrradgarage des Europacenters hinunterzusteigen, wie uns das vorhin passiert ist, denn das Umfeld des Potsdamer Platzes ist wegen des im Aufbau begriffenen Weihnachtsrummels samt Schlittenbahn zur Zeit etwas unübersichtlich.

Category: Allgemein, Berlin 2024
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