Johann Strauss, der Jubilar

Es gilt einen Geburtstag zu feiern. Der Jubilar heißt Johann Strauss und wurde am 25. Oktober 1825 in Wien geboren. Bis zum eigentlichen Festtag sind es zwar noch 10 Monate hin, aber eine für Wien und die ganze Welt so bedeutende Musiklegende wie der „Walzerkönig” verdient es doch, ein ganzes Jahr lang mit Aufführungen seiner Werke und Ausstellungen zu seinem Leben geehrt zu werden. Und so packen auch wir Abendrobe, Konzertkarten und Stadtplan in seinen Koffer und vertrauen uns dem Reiseunternehmen Ameropa an, das uns wunschgemäß ein Paket aus Bahnfahrt und Hotelaufenthalt geschnürt hat, ersteres sogar mit Platzreservierung im ICE.

Die Fahrt verläuft so, wie man es von der Deutschen Bahn kennt und erwartet. Ab Passau ändert sich nicht nur das Kolorit der Durchsagen, sondern es kommt auch der unermüdlich wiederholte Hinweis hinzu, die 20-minütige Verspätung sei von der DB übernommen worden.

Zum B&B Hotel Wien Hauptbahnhof sind es ein paar mehr Schritte als erwartet, was aber auch dem regnerischen Wetter und dem Streusplitt auf dem Gehweg geschuldet sein kann. Es ist eine sehr angenehme Unterkunft, und wenn man erst einmal herausgefunden hat, dass über die Straßenbahnlinie D eine gute und häufig bediente Verbindung zu allen für diese Reise relevanten Zielen besteht, fühlen wir uns hier den eigenen Ansprüchen gemäß bestens aufgehoben.

Der Tag ist noch jung und das erste Ziel nur ein paar Stationen von der Haltestelle Alfred-Adler-Straße entfernt, mit Umsteigen am Quartier Belvedere und Ausstieg mitten in St. Marx, also jenem Stadtteil, wo sich auch der Friedhof mit dem Mozartgrab befindet. Aktuell interessiert hier aber die immersive Show, die zur Zeit in der Marx-Halle gastiert, und die sich um die vom Vesuv im Jahr 79 verschüttete und im 18. Jahrhundert wiederentdeckte römische Provinzstadt Pompeji dreht. Der Begriff „immersiv“ bedeutet, dass die Besucher in die virtuelle Welt quasi eintauchen und die reale Umgebung dabei in den Hintergrund tritt. In der Marx-Halle passiert das, nachdem man den kleinen konventionellen Ausstellungsteil hinter sich gelassen hat, auf dreierlei Art: mit übergezogener VR-Brille auf einem Stuhl sitzend, in einem Saal die Rundum-Projektion betrachtend und schließlich, ausgestattet mit einem kabellosen VR-Headset, eine virtuelle römische Villa durchstreifend, als handle es sich dabei um eine ganz gewöhnliche Führung. Es muss von außen ein lustiger Anblick sein, eine Handvoll Menschen mit einer Art Taucherbrille auf dem Kopf aufmerksam in einem leeren Raum umherwandern zu sehen.

Das Erlebnis ist so perfekt, dass man durchaus auf die Idee kommen könnte, am Hausaltar nach den Äpfeln in der Opferschale zu greifen. Es wäre jedoch ein Griff ins Leere. Auch der Versuch, sich zum genußvolleren Betrachten des Gartens ein wenig über die Balustrade zu lehnen, endet in einem dezenten visuellen Hinweis auf die hier verlaufende Grenze der virtuellen Welt. Die hoch aufragende Marmorstatue im Eingangshof von allen Seiten zu betrachten ist jedoch problemlos möglich, man muss dabei nur aufpassen, nicht mit den Porträtbüsten zusammenzustoßen, die um einen herumschweben und dabei mal nach links, dann wieder nach rechts oder nach oben schauen, während sie sich auf die nächste Tür zubewegen: das sind nämlich die anderen Besucher im Raum. Und man sollte sich vor dem Nichts retten, das nach ein paar Minuten Wände und Objekte in Schemen verwandelt als Aufforderung, sich in den nächsten Abschnitt der Villa zu begeben, ganz als folgte man einer unsichtbaren Reiseleiterin.

Im letzten Raum verneigen sich alle noch einmal würdevoll. Nein, nicht wirklich, sie nehmen nur ihre Headsets ab und halten sie noch ein paar Sekunden lang in den Händen. Einen Augenblick später steht man, es ihnen gleich tuend, wieder in der realen Welt, wo sich nun auch ein gewisses Hungergefühl einstellt. Zum Glück passiert die Straßenbahnlinie 18 auf ihrem Weg durch den Süden Wiens auch den schönen neuen Hauptbahnhof, wo es Imbisse in Hülle und Fülle gibt.

Der heutige Abend steht ganz und gar im Zeichen des Komponisten, dessen 200sten Geburtstag wir heuer feiern. Seine Operette „Das Spitzentuch der Königin“ wird zwar auf den Bühnen der Welt kaum noch gegeben, heute aber eben doch, und zwar auf derselben Bühne, die 1880 auch schon die Uraufführung erlebt hat: das Theater an der Wien.

Die ehrenwerte, jedoch frisch renovierte Spielstätte steht zwar seit 1801 an derselben Stelle, allein vom namengebenden Flüßchen ist hier längst nichts mehr zu sehen, es ist zugunsten des Naschmarktes quasi in den Untergrund gegangen. Ähnliches können, so sie denn ortskundig sind, auch die Besucher tun, die an der Haltestelle Oper der Linie D aus der Straßenbahn steigen. Von dort gibt es nämlich eine unterirdische Passage zunächst zum Karlsplatz und dann weiter zum Ausgang beim Secessionsgebäude. Wenn man ihn denn findet. Kommt man hingegen anderenorts wieder an die Oberfläche, ist der Weg etwas weiter. In Wien baut man eben gerne unübersichtlich, was auch schon bei der Planung der etwas verwinkelten Bühne in der linken Wienzeile 6 so gewesen sein muss.

In jedem Theater gibt es gute uns schlechte Plätze. Und eine Proszeniumsloge. Je nach Reihe und Platz sitzt man dort entweder zwei Armlängen vom Bühnenparkett entfernt und hat zugleich einen schönen Blick auf Orchester und Dirigent, oder aber der Bühnenblick reicht gerade einmal so weit, dass der Vorhang während der Vorstellung genauso gut geschlossen bleiben könnte. Zum Glück erlauben die verrückbaren Stühle jedoch eine gewisse Optimierung, so dass die prächtig kostümierten Darsteller dann doch die meiste Zeit über im Sichtbereich verweilen. Bei einer Operette steht ja ohnehin die Musik im Mittelpunkt, vor allem, wenn ein Johann Strauss sie komponiert hat. Denn obschon das Bühnenwerk heute nur wenigen bekannt ist, stecken viele wohlbekannte Melodien darin, insbesondere der ohrwurmträchtige Walzer „Rosen aus dem Süden“ (wo die wilde Rose erblüht, hin es mich zieht…).

Category: Allgemein, Wien 2025
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