Die seltsame Kaiserin

Schloss Schönbrunn erreicht man mit der U-Bahn-Linie 4, hat dann aber noch ein gutes Stück Fußweg zum Schlosstor. Oder man nimmt den Linienbus, der einen fast direkt bis ans Ziel bringt, inklusive einer Sightseeing-Tour durch eher selten besuchte Stadtbezirke von Wien. Den weitläufigen Vorhof muss man freilich in jedem Fall überqueren, ehe man schließlich samt Audioguide im ersten Saal steht. Aber welche Nummer eintasten? Irgendwo muss das Täfelchen ja sein! Über der Tür zum nächsten Saal steht ganz groß eine Eins. Aha, das „O“ über dem Eingang stand gar nicht für „Ostflügel“, sondern war eine Null.

Wie beschwingt es sich doch durch die Geschichte wandern läßt, wenn Johann Strauß die Hintergrundmusik beisteuert! Der Sohn im ersten, und im zweiten der Vater: dessen Radetzkymarsch paßt ja auch viel besser zum Gardezimmer als der Donauwalzer. Von wem wohl der Billardtisch im nachfolgenden Zimmer bespielt wurde? Und warum zeigen Wände und Möbel im nachfolgenden Schlafzimmer ausgerechnet ein Stechpalmendekor? Vielleicht, damit einem das Rosenblütenmuster im folgenden Raum umso wohltuender ins Auge springt?

Jeder Raum hat seinen eigenen, oft sehr speziellen Charakter. Es gibt ein Nußholzzimmer, ein Laternenzimmer, einen Gobelinsalon oder Jagdzimmer. Das „Millionenzimmer“ ist mit Rosenholz vertäfelt und von indischen Miniaturen durchwoben. Im Spiegelsaal soll der sechsjährige Mozart 1762 ein Konzert gegeben und danach die Kaiserin abgebusselt haben. Oder vielleicht auch umgekehrt. Und im Speisezimmer erfährt man ganz nebenbei, welches die Leibgerichte des Kaisers waren: Wiener Schnitzel, Rindsgulasch, Tafelspitz und natürlich Kaiserschmarrn. Darum heißt er ja auch so.

Der Schlosspark ist um diese Jahreszeit noch relativ uninteressant, weil winterlich kahl. Bestenfalls zeigen sich an sonnenexponierten Stellen ein paar Gelbsternchen oder blaue Veilchen. Aber man sich eine Bank suchen und die wärmende Frühlingssonne genießen. Wenn jetzt noch ein freundlicher Kellner vorbei käme und die Bestellung für einen Apfelstrudel und einen Verlängerten aufnähme! Nun, den besten Strudel von Wien soll es im Café Museum am Karlsplatz geben – vorausgesetzt, man findet den richtigen U-Bahn-Ausgang. Operngasse, hier muss es sein! Tatsächlich kann man das Café schon von der Rolltreppe aus sehen, und auch ein Platz an der Sonne ist schnell gefunden.

Den richtigen Aufgang muss auch finden, wer vom Karlsplatz den Linienbus 2A zum Sisi-Museum nehmen will. Natürlich käme man im aktuellen Verkehrsgewühl zu Fuß schneller voran, allerdings eben auch deutlich stressiger.

Der Eingang zum Sisi-Museum ist schnell gefunden, man darf sich nur nicht davon irritieren lassen, dass zuerst noch die Kordel beiseite genommen werden muss. Wahrscheinlich versucht man so die Besucherströme etwas zu entzerren, denn im Museum geht es relativ eng zu. Vermittelt wird die Lebensgeschichte einer Frau, die ihren Untertanen oft ein wenig seltsam vorgekommen sein muss, vor allem ihrer ausgiebigen Reiselust wegen, die angeblich ihrer Gesundheit dienen sollten, im Grunde genommen aber eher eine Flucht vor dem strengen Regiment ihrer Schwiegermutter darstellten, der nachgesagt wurde, sie sei der einzige Mann bei Hofe. Zudem liebte Elisabeth die Natur und das Meer. Besondere Schaustücke des Museums sind die beiden nachgeschneiderten Kleider, das Polterabendkleid und das Ungarische Krönungskleid.

Kaum weniger drangvoll geht es in den Kaiserappartements zu, denn es sind zwischenzeitlich auch einige geführte Touren unterwegs. Die Kaiserin hatte sich hier ein Turnzimmer einrichten lassen mit allerlei Geräten, an denen sie sich schlank und fit trainierte. Das Kaiserpaar hatte getrennte Schlafzimmer: spartanisch der Kaiser, seine Kaiserin mehr weiblich-blumig.

Der heutige, letzte Abend steht im Zeichen der Czardasfürstin, deren Neuinszenierung heute in der Wiener Volksoper Premiere hat. Wie man am besten mit den Öffis hinkommt? Nun, es gibt eine U-Bahn-Station mit dem Namen „Volkstheater“. Ist man dort ausgestiegen, muss man sich für den einen oder den anderen Ausgang entscheiden. Hilfreiche Hinweise fehlen leider, und wie Murphy‘s Gesetz so einen Fall regelt, ist ja bekannt. Aber es kommt noch härter: hier ist das falsche Haus, die Wiener Volksoper ist ganz woanders. Noch bleibt aber genug Zeit, um an den Schwedenplatz und von dort mit der Linie 41 zur Währinger Straße zu gelangen, nicht ohne ein paarmal nervös registriert zu haben, dass Wiener Straßenbahnen manchmal recht lange an roten Ampeln warten müssen.

Das Haus und die Vorstellung sind die Mühe aber definitiv wert, und selbst wer die Spielhandlung vorab nachlesen mußte, wird dennoch so manche bekannte Melodie darin entdecken. Natürlich gehört zu jeder Operette immer auch eine gewisse Portion Humor, etwa wenn die zum Ball geladenen Gäste namentlich vorgestellt werden: Gräfin Mariza, Baron Ochs oder gar eine gewisse Fürstin Gloria von Theorie und Praxis.

Ohne den unbeabsichtigten Umweg über die falsche Spielstätte fällt der Nachhauseweg deutlich kürzer aus: mit der U6 zur Gumpendorfer Straße und von dort weiter mit der Straßenbahn 6 direkt zum Reumannplatz. So die vom Navi vermittelte Theorie. Leichte Bedenken weckt  allein der Umstand, dass aus der fahrenden Hochbahn heraus bereits die herannahende Straßenbahn auszumachen ist. Erfreulicherweise wartet sie aber mit offenen Türen auf umsteigende Gäste, um sie nach kurzer Wartezeit – nein, der Südtiroler Platz liegt eigentlich nicht auf der erwarteten Strecke. Das macht aber nichts, denn man kann von dort ja auch ganz ohne Zeitverlust die U1 nehmen.

Category: Allgemein, Wien 2025
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