Der langweiligste Job auf dem Schiff ist heute der des Bademeisters in jenem überdachten Schiffsbereich, den sie „Botanischer Garten“ nennen, obwohl dort sämtliches Grün aus Plastik ist. Aber die Palmwedel haben doch braune Spitzen? Richtig, aber das macht sie nur fürs Auge etwas echter.

Und warum hat der Bademeister heute Langeweile? Nun, weil heute ein besonderer Tag ist: wir haben eine ganze Insel allein für uns! Also nicht wir beide, sondern wir sechseinhalbtausend, wohlgemerkt. Und die verteilen sich alle irgendwo draußen auf jenem Viertel Quadratkilometer, den das Eiland groß ist. Es gibt einen Leuchtturm, der ungefähr halb so hoch ist wie unser Schiff, eine Lagune, acht verschiedene Strände sowie diverse Bars mit Barkeepern, die gegen Vorlage der Cruise Card alle nur denkbaren Cocktails herausreichen. An uns zum Beispiel eine Margarita (Tequila, Limettensaft, Orangenlikör, Salzrand) und eine Bahama Mama (Rum, Ananassaft, Grenadine).
Verlaufen kann sich hier niemand, noch nicht einmal ein Blinder. Denn sämtliche Wege auf der Insel werden bis hinaus zum letzten Sandkorn mit Bodenlautsprechern beschallt. Davon abgesehen hat MSC keine Mühe gescheut, den einstigen Industriestandort in ein bahamisches Paradies zu verwandeln: gepflanzt wurden rund 5000 Kokospalmen, Frangipani-Bäume und andere, rot und gelb blühende Sträucher, die alle von einem ausgeklügelten Bewässerungssystem profitieren, denn natürlich verfügt das Inselchen über keinerlei eigene Ressourcen. Alles hat man im Verlauf der letzten Jahre auf die Insel gebracht, „auch mich“, merkt der rastagelockte Fahrer des offenen kleinen Elektrobusses an, der uns eine knappe Stunde lang über die Insel chauffiert und uns alle ihre Eigenheiten zeigt und erklärt.
Und davon gibt es eine ganze Menge. Von den meisten Badegästen unbemerkt tummeln sich zum Beispiel einige Leguane auf den Uferfelsen. Auch ein junges, leuchtend grünes Exemplar zeigt sich uns, allerdings erst am späten Nachmittag, als fast alle Gäste bereits wieder zurück auf dem Schiff sind. Es ist ein fast schon beängstigendes Phänomen auf Ocean Cay, dass pünktlich um 16 Uhr nur noch eine einzige Bewegungsrichtung auf den Fußwegen zu existieren scheint: zurück zum Schiff. Erst jetzt zeigt sich so richtig, wie viele Menschen so eine kleine Insel doch aufnehmen kann. Und welch geringen Stellenwert die Ruhe und das schöne Licht des späten Nachmittags bei den meisten unserer Mitreisenden doch haben.