Maya-Pyramiden

Die Nacht dauert heute eine Stunde länger, denn wir sind in einer neuen Zeitzone. Doch wie soll man wissen, ob sich die eigenen Uhren korrekt umgestellt haben, wenn man weder Tageslicht noch Internet noch GPS in der Kabine hat? Die Lösung des Problems ist eigentlich ganz einfach: es gibt eine Schiffszeit. Und die steht nicht nur auf den Displays der Aufzüge, sondern auch in der Schiffs-App „MSC and me“, mit der man hier an Bord alles organisiert. Wie der Vergleich zeigt, haben sich die Smartphone-Uhren noch nicht umgestellt, wir gewinnen also eine Stunde Schlaf hinzu.

Yucatan ist eine Weltgegend, die auf den ersten Blick wenig zu bieten hat, es gibt keine Berge, keine Hügel, und so weit das Auge reicht, noch nicht einmal richtige Bäume, sondern viel Strauchwerk mit vereinzelten Zwergpalmen. Unser Bus, einer von fünf, legt eine Strecke von rund einer Stunde zurück, deren einzige Auffälligkeit eine leichte Linkskurve bei Kilometer 36 ist. Wir erreichen eine Hauptstraße, folgen ihr ein Stück weit und biegen gleich wieder ab, denn hier gibt es nach 75 Kilometern Fahrtstrecke nun doch etwas Besonderes, nämlich die Maya-Ruinen von Chacchoben.

Bevor wir in Costa Maya losfuhren, fragte ich den sympathisch dreinblickenden Herrn mit Strohhut auf dem Kopf und der Lollipop-Tafel mit der Nummer 8 in der Hand, ob er denn deutsch spreche. Eigentlich nein, nur ein bißchen, antwortete er. Wie sich nun aber herausstellt, war das eine ziemliche Untertreibung. Zwar stützt er sich für die Führung durch die Ruinenstätte auf ein Manuskript, aber das darf man auch, wenn man Deutsch als Fremdsprache gelernt hat und mit einem Mal zu einer deutschen Reisegruppe von Stufenpyramiden und Menschenblutopfern oder von Würgefeigen und ihren Wirtsbäumen sprechen soll. Die erste Pyramide, auf die wir stoßen, sieht so aus wie man sich eine Maya-Pyramide eben vorstellt, mit gestuften Flanken und einer langen zentralen Steintreppe. Aber schon die zweite ist schlicht nur ein von Urwaldbäumen bewachsener Steinhaufen, denn sie ist noch nicht ausgegraben. Die auffälligste Pyramide steht auf einer größeren steinernen Plattform und hat eine kleinere Schwester nebenan. Von oben hätte man sicher eine wundervolle Aussicht, aber man darf sie als Tourist nicht betreten, allein schon wegen der Unfallgefahr.

Zwei Stunden voller interessanter Erklärungen auch über die Pflanzenwelt an der Ruinenstätte vergehen wie im Flug, und schon bald sind wir wieder am Schiff oder besser gesagt auf dem Schiff. Da wir das Abendessen heute ausfallen lassen, bekommen wir zum ersten Mal ein Ablegemanöver zu Gesicht. Zuerst werden die Taue schiffseitig etwas gelockert, damit die Schlinge von zwei Helfern vom Poller abgehoben werden kann. Liegt sie erst einmal im Wasser des Hafenbeckens, wird sie vom Schiff komplett eingezogen – falls sich nicht die Pilotleine irgendwo an einer schwer zugänglichen Stelle verhakt. Ein wenig Ratlosigkeit bei den Seilboys, ein Funkgespräch mit der Brücke, dann die Lösung: das Pilotseil wird mittels Motorkraft brachial abgerissen. Schon sind wir frei und setzen, heftige Wasserwirbel verursachend, unsere 200.000 Tonnen wieder in Bewegung.

Category: Allgemein, MSC 2025
You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed.Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.