Siebenbürgen

Brașov und das Hotel mit den vielen Bildern liegt hinter uns. Durch eine Landschaft, die wegen ihres Hopfenanbaus stellenweise der Hallertau gleicht, erreichen wir schon bald Schäßburg, das „Rothenburg des Ostens“. Inmitten der malerischen Häuser im siebensächstischen Stil entdecken wir eine Büste des Raketen-Pioniers Hermann Oberth, der ein paar Jahre seines Lebens hier zugebracht hat. Ein schmales gepflastertes Sträßchen führt hinauf zum mächtigen Uhrturm mit einen vier Eckzinnen, die für die Gerichtsbarkeit des Ortes stehen. Durch den Torbogen und über einen malerischen Platz gelangen wir zur berühmten überdachten Schülertreppe mit ihren 186 Holzstufen. Als Lohn der Mühe winken oben die deutsche Schule, in der sämtlicher Unterricht auf deutsch gehalten wird, dessen Schüler aber vor der Tür rumänisch sprechen. Gleich daneben befindet sich die Bergkirche von 1514 mit freigelegten Fresken, einer bemerkenswerten Orgel und einem Sakramentshäuschen. Interessant ist auch der Friedhof, zeigt er doch ausschließlich deutsche Namen.

Ein weiteres Zwischenziel auf dem Weg nach Sibiu ist der kleine und etwas abseits der Hauptstraße gelegene Ort Birtälm. Wie so viele Orte in Siebenbürgen verfügt auch er über eine Wehrkirche. Ihr Mauerring ist zwar verschwunden, auf einem Hügel liegt sie aber immer noch, was den Weg zu den Toiletten etwas erschwert, denn die liegen jenseits des Hügels: hinauf und wieder hinunter, und dann noch einmal hinauf und … nein, inzwischen ist auch der Kirchenführer heraufgestiegen gekommen. Von ihm erfahren wir, dass der Altar ursprünglich ein Marienstandbild zeigte, das später durch eine Kreuzigungsszene ersetzt wurde, wobei die Muttergottes jedoch ihren Heiligenschein zurückließ. Die Sakristei zur Rechten verfügt über ein bemerkenswertes Türschloß mit hoch kompliziertem Mechanismus. Umgeben ist die Kirche von mehreren Türmen unterschiedlicher Funktion. Dazwischen befindet sich in einem kleinen Gebäude das „Ehegefängnis“: scheidungswillige Paare mußten sich hier so lange Bett, Stuhl und Besteck teilen, bis sie dem Pfarrer schließlich gelobten, sich wieder zu vertragen.

Die siebenbürgische Landschaft, durch die wir jetzt fahren, ist von Straßendörfern mit den typischen kleinen Siebenbürger Häusern geprägt – es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Zwar wurden die meisten Deutschen von hier vertrieben, aber irgendwie fühlen sich die Ortschaften immer noch „deutsch“ an.

Auch die Stadt Sibiu, in der wir jetzt ankommen, kann ihre deutschen Wurzeln nicht verbergen. Wir erleben eine Stadtführung und darin eingeschlossen eine Führung durch die evangelische Stadtpfarrkirche mit ihren Epitaphien, Glasfenstern, den Orientteppichen und erneut einer schönen Kirchenorgel.

Untergebracht sind wir heute im „Golden Tulip“, einem modernen Bauwerk mit völlig unzureichenden Aufzügen und einem Restaurant in der elften Etage, das zwar über einen wunderschönen Ausblick, nicht aber über den via Menükarte in Aussicht gestellten Wein verfügt: angeblich hat ihn die gestrige Reisegruppe komplett weggetrunken. Aha, demnach müssen die auch ziemlich intensiv geduscht haben, denn in unserem Zimmer fehlen Handtücher. Zwar kann schließlich alles irgendwie ausgebügelt werden, aber ärgerlich ist es dennoch.

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