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Ein Stift ohne Garten

Wien war wieder einmal sehr schön, einziger Wermutstropfen ist und bleibt die lange Autofahrt, die aber dem Wunsch geschuldet war, endlich auch einmal das Stift Melk zu besuchen, das etwa 100 Kilometer westlich von Wien an der Donau liegt, markant und weithin sichtbar auf einem Felssporn über dem gleichnamigen Ort. Manchmal erweist es sich als Glücksfall, einen Wegweiser verpaßt zu haben, denn das verschlafene kleine Städtchen bietet einen viel schöneren Zugang als der Besucherparkplatz weiter oben. Ein schmaler und auch nicht sehr langer Fußweg führt hinauf.

Das Kloster verfügt über ein Museum zu klösterlichen Themen, einen Marmorsaal, eine prachtvolle Bibliothek und eine nicht minder schöne Barockkirche mit herrlichen Deckengemälden. Saal und Bibliothek sind durch eine Terrasse verbunden, die einen weiten Ausblick auf das Donautal gewährt.

Auf der talabgewandten Seite gibt es noch eine Bastion mit ebenfalls einer Dachterrasse, zu deren Füßen sich der Stiftsgarten erstreckt. Leider liegt er noch im Winterschlaf, und seine Tore sind verschlossen. Schade. Aber es bräuchte ohnehin noch ein paar mehr solcher warmer Frühlingstage wie heute, damit sich im irdischen Paradies das erste Grün zu regen beginnt. Und so findet der Besuch von Stift Melk seinen Abschluß unten im Städtchen bei Kaiserschmarren und Pizza.

Man tankt in Österreich übrigens deutlich günstiger als zuhause, insbesondere wenn man zwischen Linz und Passau die Landstraße entlang der Donau nimmt und dort auf eine Automaten-Tankstelle trifft: 1.448 € pro Liter, also rund 25 Cent weniger als zuhause. Hinderlich ist aber natürlich, so lange noch an der neuen Umfahrung gebaut wird, die Strecke durchs Linzer Stadtgebiet.

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Die seltsame Kaiserin

Schloss Schönbrunn erreicht man mit der U-Bahn-Linie 4, hat dann aber noch ein gutes Stück Fußweg zum Schlosstor. Oder man nimmt den Linienbus, der einen fast direkt bis ans Ziel bringt, inklusive einer Sightseeing-Tour durch eher selten besuchte Stadtbezirke von Wien. Den weitläufigen Vorhof muss man freilich in jedem Fall überqueren, ehe man schließlich samt Audioguide im ersten Saal steht. Aber welche Nummer eintasten? Irgendwo muss das Täfelchen ja sein! Über der Tür zum nächsten Saal steht ganz groß eine Eins. Aha, das „O“ über dem Eingang stand gar nicht für „Ostflügel“, sondern war eine Null.

Wie beschwingt es sich doch durch die Geschichte wandern läßt, wenn Johann Strauß die Hintergrundmusik beisteuert! Der Sohn im ersten, und im zweiten der Vater: dessen Radetzkymarsch paßt ja auch viel besser zum Gardezimmer als der Donauwalzer. Von wem wohl der Billardtisch im nachfolgenden Zimmer bespielt wurde? Und warum zeigen Wände und Möbel im nachfolgenden Schlafzimmer ausgerechnet ein Stechpalmendekor? Vielleicht, damit einem das Rosenblütenmuster im folgenden Raum umso wohltuender ins Auge springt?

Jeder Raum hat seinen eigenen, oft sehr speziellen Charakter. Es gibt ein Nußholzzimmer, ein Laternenzimmer, einen Gobelinsalon oder Jagdzimmer. Das „Millionenzimmer“ ist mit Rosenholz vertäfelt und von indischen Miniaturen durchwoben. Im Spiegelsaal soll der sechsjährige Mozart 1762 ein Konzert gegeben und danach die Kaiserin abgebusselt haben. Oder vielleicht auch umgekehrt. Und im Speisezimmer erfährt man ganz nebenbei, welches die Leibgerichte des Kaisers waren: Wiener Schnitzel, Rindsgulasch, Tafelspitz und natürlich Kaiserschmarrn. Darum heißt er ja auch so.

Der Schlosspark ist um diese Jahreszeit noch relativ uninteressant, weil winterlich kahl. Bestenfalls zeigen sich an sonnenexponierten Stellen ein paar Gelbsternchen oder blaue Veilchen. Aber man sich eine Bank suchen und die wärmende Frühlingssonne genießen. Wenn jetzt noch ein freundlicher Kellner vorbei käme und die Bestellung für einen Apfelstrudel und einen Verlängerten aufnähme! Nun, den besten Strudel von Wien soll es im Café Museum am Karlsplatz geben – vorausgesetzt, man findet den richtigen U-Bahn-Ausgang. Operngasse, hier muss es sein! Tatsächlich kann man das Café schon von der Rolltreppe aus sehen, und auch ein Platz an der Sonne ist schnell gefunden.

Den richtigen Aufgang muss auch finden, wer vom Karlsplatz den Linienbus 2A zum Sisi-Museum nehmen will. Natürlich käme man im aktuellen Verkehrsgewühl zu Fuß schneller voran, allerdings eben auch deutlich stressiger.

Der Eingang zum Sisi-Museum ist schnell gefunden, man darf sich nur nicht davon irritieren lassen, dass zuerst noch die Kordel beiseite genommen werden muss. Wahrscheinlich versucht man so die Besucherströme etwas zu entzerren, denn im Museum geht es relativ eng zu. Vermittelt wird die Lebensgeschichte einer Frau, die ihren Untertanen oft ein wenig seltsam vorgekommen sein muss, vor allem ihrer ausgiebigen Reiselust wegen, die angeblich ihrer Gesundheit dienen sollten, im Grunde genommen aber eher eine Flucht vor dem strengen Regiment ihrer Schwiegermutter darstellten, der nachgesagt wurde, sie sei der einzige Mann bei Hofe. Zudem liebte Elisabeth die Natur und das Meer. Besondere Schaustücke des Museums sind die beiden nachgeschneiderten Kleider, das Polterabendkleid und das Ungarische Krönungskleid.

Kaum weniger drangvoll geht es in den Kaiserappartements zu, denn es sind zwischenzeitlich auch einige geführte Touren unterwegs. Die Kaiserin hatte sich hier ein Turnzimmer einrichten lassen mit allerlei Geräten, an denen sie sich schlank und fit trainierte. Das Kaiserpaar hatte getrennte Schlafzimmer: spartanisch der Kaiser, seine Kaiserin mehr weiblich-blumig.

Der heutige, letzte Abend steht im Zeichen der Czardasfürstin, deren Neuinszenierung heute in der Wiener Volksoper Premiere hat. Wie man am besten mit den Öffis hinkommt? Nun, es gibt eine U-Bahn-Station mit dem Namen „Volkstheater“. Ist man dort ausgestiegen, muss man sich für den einen oder den anderen Ausgang entscheiden. Hilfreiche Hinweise fehlen leider, und wie Murphy‘s Gesetz so einen Fall regelt, ist ja bekannt. Aber es kommt noch härter: hier ist das falsche Haus, die Wiener Volksoper ist ganz woanders. Noch bleibt aber genug Zeit, um an den Schwedenplatz und von dort mit der Linie 41 zur Währinger Straße zu gelangen, nicht ohne ein paarmal nervös registriert zu haben, dass Wiener Straßenbahnen manchmal recht lange an roten Ampeln warten müssen.

Das Haus und die Vorstellung sind die Mühe aber definitiv wert, und selbst wer die Spielhandlung vorab nachlesen mußte, wird dennoch so manche bekannte Melodie darin entdecken. Natürlich gehört zu jeder Operette immer auch eine gewisse Portion Humor, etwa wenn die zum Ball geladenen Gäste namentlich vorgestellt werden: Gräfin Mariza, Baron Ochs oder gar eine gewisse Fürstin Gloria von Theorie und Praxis.

Ohne den unbeabsichtigten Umweg über die falsche Spielstätte fällt der Nachhauseweg deutlich kürzer aus: mit der U6 zur Gumpendorfer Straße und von dort weiter mit der Straßenbahn 6 direkt zum Reumannplatz. So die vom Navi vermittelte Theorie. Leichte Bedenken weckt  allein der Umstand, dass aus der fahrenden Hochbahn heraus bereits die herannahende Straßenbahn auszumachen ist. Erfreulicherweise wartet sie aber mit offenen Türen auf umsteigende Gäste, um sie nach kurzer Wartezeit – nein, der Südtiroler Platz liegt eigentlich nicht auf der erwarteten Strecke. Das macht aber nichts, denn man kann von dort ja auch ganz ohne Zeitverlust die U1 nehmen.

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Krumme Böden und tickende Uhren

Das Kunst Haus Wien wird gerne für das Hundertwasserhaus gehalten, tatsächlich handelt es sich aber um zwei verschiedene Gebäude. Man erreicht sie, indem man am Schwedenplatz die Straßenbahn 1 nimmt, am Radetzkyplatz aussteigt und ein paar Schritte zu Fuß geht.

Im Kunsthaus ist alles anders als gewohnt: Treppen und Fußböden sind uneben, denn dem Künstler zufolge ist die gerade Linie gottlos. Und im Brunnen, der mit bunten Steinen aus aller Welt erbaut ist, fließt das Wasser bergauf.

Die erste Etage ist dem Maler Hundertwasser gewidmet. Hier finden sich seine markanten Spiralen und viele andere der für ihn typischen Werke. Ein Stockwerk weiter oben geht es dann um die Architektur Hundertwassers, exemplarisch veranschaulicht durch das Modell „Hügelwiesenland”, dessen Häuser so konzipiert sind, dass man von oben nur die begrünten Dächer oder auch Innenhöfe wahrnimmt und sonst nichts. Im kleinen Kino läuft in Dauerschleife ein Film über Hundertwassers Segelschiff „Regentag“, und man sieht den Künstler nackt wie Gott ihn geschaffen hat ein Ruderboot rudernd.

Vorgestellt werden auch Hundertwassers Projekte zur natürlichen Kreislaufwirtschaft wie etwa die Humustoilette oder die Pflanzenkläranlage.

Der Ausnahmekünstler hat übrigens auch Landesflaggen entworfen und Bücher geschrieben. Es ist zudem anzunehmen, dass er seine Korrespondenz mit Hundertwasser-Briefmarken frankiert hat. Sicher hat er zu seinen Lebzeiten auch das Café im Erdgeschoß des Museums besucht und dabei gelegentlich jenes Örtchen aufgesucht, zu dem ein pinkelndes Kachelmännchen den Weg weist.

Wieder draußen auf der Straße gilt es, das von Hundertwasser gestaltete Wohnhaus zu suchen. Es liegt ein paar Straßen weiter und praktischerweise direkt an einer Straßenbahnhaltestelle.

Irgendwo im Ersten Bezirk befindet sich an etwas versteckter Stelle ein kleines Museum, das auf drei Etagen die Geschichte der mechanischen Uhren veranschaulicht, angefangen vom Mittelalter mit seinen schweren Turmuhren über die Zeit des Biedermeier bis hin zu den modernen Chronometern der Gegenwart.

Wie viele Zeiger hat eine Uhr? Nun, vor der Erfindung der Digitalanzeige hätte man auf diese Frage sicher mit „zwei“ oder „drei“ geantwortet, aber was eine richtige astronomische Uhr ist, braucht erheblich mehr davon und kommt auch nicht mit nur einem Ziffernblatt aus: die Astronomische Kunstuhr des Augustinermönchs David a Sancto Cajetano, zu ihrer Zeit ein viel bestauntes Wunderwerk, zeigt nicht nur die Stunden und Minuten an, sondern auch die Umlaufzeiten der Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn, dazu diverse periodische Parameter der Mondbahn, den Sonnenzirkel und vieles mehr.

Bei aller Bewunderung für die wuchtigen Zeitmaschinen sollte man aber auch die kleinsten Objekte des Uhrenmuseums nicht links liegen lassen: hier eine Taschenuhr mit verborgenem erotischem Motiv, dort eine in Form einer kleinen Geige.

Jede Epoche hatte ihre eigenen Uhrentrends. Eine Bilderuhr zum Beispiel wirkt auf den ersten Blick wie ein Ölgemälde, das an irgendeiner Stelle einen Kirchturm oder ähnliches zeigt, mit einer funktionierenden Uhr als Bildbestandteil. Die Vogeluhr wiederum läßt zur vollen Stunde ein kleines mechanisches Vögelchen zwitschern, und die in der Gaslaterne verbaute Schaltuhr öffnet zur passenden Tageszeit ein kleines Ventil samt Zünder, um die Beleuchtung zu aktivieren.

Eine schrankgroße Zimmerorgel ist mit einer sich drehenden Walze ausgestattet, deren Stifte allerlei Melodien hervorbringen, darunter auch ein Werk von Johann Strauss. Hörbar wird das alles aber nur auf dem Smartphone oder vielleicht bei einer Führung.

Ach ja, die Musik! Alle wollten sie in Wien, der Hauptstadt der Musik, leben und arbeiten. Aber einer von ihnen hat im Laufe seines kurzen Lebens mehr Wohnungen bewohnt als alle seine Kollegen zusammen. Von Michaeli 1784 bis Georgi 1787 bewohnte er zum Beispiel eine Etage jenes Hauses in der Großen Schulerstraße, das danach lange Zeit als Figarohaus bekannt war, heute aber allgemein Mozarthaus genannt wird. In keiner Wohnung blieb Mozart so lange. Hier war 1785 sein Vater Leopold Mozart zu Gast, hier fand  im Februar desselben Jahres der denkwürdige Besuch Joseph Haydns statt, und im Frühjahr 1787 soll auch noch der junge Beethoven hier Gast gewesen sein. Viele bedeutende Werke sind hier entstanden, darunter die Oper „Le nozze di Figaro” und mehrere Klavierkonzerte. Auch Mozarts Sohn Thomas Leopold wurde 1786 hier geboren, starb aber im Alter von nur einem Monat.

Wie das Wolferl und sein Stanzerl gelebt haben und welche Möbel sie besaßen, geht aus einem Bestandsverzeichnis hervor, das nach seinem Tod aufgenommen wurde. Fest steht, dass Mozart auch über einen gut sortierten Weinkeller verfügte. Edle Tropfen findet man dort heute zwar keine mehr, sehr wohl aber ansprechende Konzerte.

Wie herrlich es doch ist, auf dem Nachhauseweg durch die abendlichen Gassen Wiens noch ein wenig über das Gehörte zu plaudern, ehe man sich schließlich der Wiener U-Bahn anvertraut und mit den anderen Fahrgästen ein wenig „Reise nach Jerusalem“ spielt, denn während man noch dem letzten Aussteigenden Platz macht, sieht man schon den einen oder anderen Fahrast, der an seiner Tür mehr Glück hatte, den letzten freien Platz ansteuern – Pech gehabt. Aber so eine Fahrt mit den Wiener Linien dauert ja nicht lange. Bei den Straßenbahnen ist das freilich anders, die stehen oft frustrierend lange an der roten Ampel. Aber vom Stephans- zum Reumannplatz geht ja die U1, und wir müssen noch nicht einmal umsteigen.

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Rund um den Zirkus

Man kann nach Wien mit dem Zug reisen oder mit dem Auto. Welche Variante vorteilhafter ist, hängt vom Preis der Bahnfahrt ab und von eventuellen Zwischenzielen. In der Donaumetropole selbst ist das Auto allerdings wenig nützlich und kann in der Tiefgarage Reumannplatz bleiben, ganz in der Nähe unserer Ferienwohnung „Steiner Residence”.

Ein charakteristisches Merkmal des Stadtviertels „Favoriten“ ist sein rechteckiges Straßenraster mit wechselnden Einbahnstraßen und jeweils einem Kurzparkstreifen. So bleibt noch genug Platz für den breiten, in beide Richtungen befahrbaren Fahrradstreifen. Die erlaubte Viertelstunde, für die man eigentlich einen Parkschein bräuchte, reicht gerade so zum Ausladen und Hochtragen der Koffer, denn wir sind im zweiten Stockwerk untergebracht, und das Haus hat keinen Lift.

Wohnungsgrundrisse gibt es in vielen Varianten, das Appartement 15 liegt genau über der Diele und hat auch die Form einer solchen: auf der rechten Seite folgen dem Klo zunächst die längs liegende Küchenzeile und dann das Duschbad, bevor man am Ende das quer eingebaute Doppelbett erreicht. In die andere Richtung führt der Weg über den Balkon ins sogenannte Wohnzimmer, das aber ein Esszimmer mit Tisch und zwei Stühlen ist. Natürlich gibt es einen Flachbildfernseher und einen Safe und in der Küche neben Kühlschrank, Herd und Spülmaschine ein Mikrowellengerät, eine Nespressomaschine sowie Gläser, Geschirr und Besteck. Hier werden wir uns wohl fühlen, zumal auch ein großer und schöner Hofer-Supermarkt nur ein paar Schritte entfernt liegt.

Für unseren ersten Abend in Wien haben wir eine Zirkusvorstellung gebucht. Es ist kein gewöhnlicher Zirkus, sondern der kanadische „Cirque du soleil” mit seinem Programm „Kurios“. Auf den Eintrittskarten ist zwar eine Adresse angegeben, aber leider keine Empfehlung für den Nahverkehr. Das Navi schlägt vor, an der Haltestelle Baumgasse der Straßenbahnlinie 18 auszusteigen und von dort ein paar hundert Meter zu Fuß zu gehen, teils an der Straße entlang und teils zwischen den Häusern hindurch. Wenn da nur kein Zaun wäre! Aber es gibt ja andere Suchende, die man fragen kann, und schon findet man die passierbare Lücke und steht – vor der Rückfront des riesigen Zirkuszeltes. Vielleicht hätten wir doch von der anderen Seite kommen sollen!

Abgesehen davon, dass wir zum Aufgang 7 müssen und es nur Aufgänge von 1 bis 4 gibt, kann nun nichts mehr unsere Vorfreude trüben, zudem nun auch die bisher vermißten Zugangstreppen enthüllt werden.

Das Zirkuszelt ist riesig, und rund um die Manege sind allerlei geheimnisvolle Gerätschaften angeordnet, deren Funktion sich sicher bald erschließen wird. Und dann kommen sie auch schon, die unglaublich phantasievoll kostümierten Clowns und Artisten, und fesseln uns mit einer Vorstellung voller waghalsiger Kunststücke, begleitet von Spannung und Live-Musik. Besonders in Erinnerung bleibt die pantomimische Raubtierschau, aber auch der auf einer wackeligen Stuhlpyramide balancierende Akrobat oder die waghalsig durch die Luft fliegenden Artisten.

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Mit Sisi durch die Unterwelt

Was wäre ein Besuch in Wien ohne eine Begegnung mit der berühmten „Sisi”, wie sie heute jeder nennen darf, auch wenn er nicht wie damals zum engsten Familienkreis gehört? Eine ganz neue Art, die liebreizende junge Kaiserin aus der Nähe kennenzulernen, ist die virtuelle Bootsfahrt, wie sie vom „Sisi Amazing Journey” in der Habsburgergasse angeboten wird.

Die Fahrplanauskunft der Wiener Linien sollte man allerdings besser nicht befragen, wie man vom Hotel aus dort hingelangt. Denn anstelle des Linienbusses, der seine Haltestelle direkt an der Oper hat und auch, kaum dass man dort aus der D ausgestiegen ist, auch schon angefahren kommt, schlägt sie einen viertelstündigen Fußmarsch vor. Ob man nun läuft oder fährt, ist letztlich aber egal, denn das gebuchte Zeitfenster ist ja in beiden Fällen dasselbe.

Die Tour beginnt mit einem Einführungsfilm, dann wird die kleine Gruppe zu einem Raum geleitet, in dessen Mitte ein hölzernes Boot steht, mit Sitzbänken, über denen für jeden Passagier ein VR-Headset baumelt. Man nimmt also Platz, setzt die Taucherbrille auf – und findet sich wenige Augenblicke später zwar in demselben Boot, jedoch in völlig veränderter Umgebung wieder. Zudem scheint der Bootsrumpf auf dem Wasser zu schaukeln, während eine sympathische Gestalt, die sich als Kaiserin Elisabeth vorstellt, im Bug Platz nimmt und auf eine gewinnend herzliche Art, die sicherlich auch der echten Kaiserin zu eigen war, Boot und Passagier – die Mitreisenden sind offenbar unsichtbar geworden oder sitzen woanders – durch die Wiener Unterwelten geleitet, wobei auch schon einmal falsch abgebogen wird. Welche Folgen das für den weiteren Verlauf der Tour hat, sei hier nicht verraten, nur so viel: der Bootsrumpf rüttelt und schwankt, und der Fahrtwind bläst einem ins Gesicht, als flöge man wirklich hinein ins Schloss und bis hinauf in den Schönbrunner Himmel.

Mit ähnlichen Elementen wartet auch die Time Travel Tour auf, die ihr Domizil auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat. Am Ende der langen, in die Tiefe führenden Treppe führen animierte Gemälde von Mozart, Sisi, einem Mönch, Maria Theresia und Sigmund Freud ein lockeres Gespräch quasi von Rahmen zu Rahmen, ehe auch hier die reale Welt hinter einer VR-generierten zurücktritt, in der die Besucher zudem auf ihren Sitzen ordentlich durchgeschüttelt werden. Und was man nicht alles zu sehen bekommt: die Pest, den Bau des Stephansdoms, die gewaltigen Stadtbefestigungen, die Belagerung durch die Türken: die Wiener Kaffeehauskultur soll aus dieser Zeit stammen. Wieder zurück in der realen Welt, gelangt man an einigen prominenten und durchaus gesprächigen Habsburgern vorbei in eine Grube mit Pesttoten wie jene, in der ein gewisser Bänkelsänger Augustin aus seinem Rausch erwacht sein soll, bevor sich im Anschluß die Welt der Wiener Malerei und natürlich der Wiener Musik für einen öffnet. Zur Geschichte Wiens gehört aber auch der Anschluß an das Deutsche Reich und der Bombenkrieg, vermittelt durch den Aufenthalt in einem düsteren Luftschutzkeller, dessen Boden spürbar unter den Explosionen erzittert, so dass man am Ende beklemmter wieder hinausgeht als man hereingekommen ist. Am Ende der Tour erwärmt, nun wieder per Brille dreidimensional, eine magische Fiakerfahrt das Herz des Besuchers, während zugleich echter Schnee vom Himmel rieselt. Aha, es hat jemand die Schneekugel geschüttelt.

Zweifellos zählt Johann Strauss zu den herausragendsten Persönlichkeiten Österreichs, aber es fallen einem auch noch viele andere Namen ein. So war etwa Marie Antoinette, als Ehefrau Ludwigs XVI. Königin der Franzosen, eine Wienerin. Auch der Judenretter Oskar Schindler wurde, obschon das mährische Zwittau heute als Svitavy zu Tschechien gehört, in Österreich geboren. Und „Governator” Arnold Schwarzenegger natürlich sowieso. Im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud im Wiener Prater sind sie alle versammelt, zusammen mit Größen aus Musikgeschichte und Unterhaltungsbranche wie Haydn, Mozart und der Wahl-Wiener Beethoven, aber auch Herbert von Karajan, Udo Jürgens, Andreas Gaballier sowie natürlich der unvergessene Peter Alexander. Und dann wäre da auch noch unsere geliebte „Sisi”, ihres Zeichens Kaiserin von Österreich und später eine Paraderolle für Romy Schneider, die – anders als ihr historisches Vorbild – eine echte Wienerin war.

Übrigens hat das VR-Zeitalter auch im Madame Tussauds Einzug gehalten: wer will, stürzt sich per Brille die virtuelle Berg-Isel-Schanze hinab oder nimmt, weit weniger exponiert, neben „Bergdoktor” Hans Sigl auf dem Beifahrersitz seines Mercedes Platz.

Drei Tage und zwei Nächte sind natürlich viel zu kurz, um Wien „in Strauss und Braus” wirklich auszukosten, aber es war immerhin ein Anfang, und das Jahr ist ja noch jung. Die Heimreise per ICE verläuft wie die Hinfahrt, nur in umgekehrter Reihenfolge: sowie der Zug deutsche Schienen unter den Rädern verspürt, wechselt er in den Pannenmodus. Aber das kennt man ja und kann es, die herrliche Musik von Johann Strauss noch im Ohr, entspannt über sich ergehen lassen.

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Strauss immersiv

Erst vor ein paar Wochen ist Wien um ein wichtiges Museum reicher geworden. Die Rede ist vom Johann-Strauss-Museum, untergebracht in einem schönen alten Gebäude am Karlsplatz. Derzeit besteht die Fassade allerdings aus bedruckten Stoffbahnen, hinter denen ein Gerüst um das ganze Gebäude herumreicht.

Obschon sich die Ausstellung inhaltlich so umfassend mit dem Leben und Werk des bekannten Komponisten befaßt, wie es sich eben für ein biographisches Museum gehört, ist hier nichts so, wie man es von anderswo kennt: es gibt weder Vitrinen noch Lesetexte, nicht als kleine Täfelchen und erst recht nicht in wandfüllenden Dimensionen. Alles, was dieses Museum zu erzählen hat, wird vielmehr automatisch in die am Eingang ausgegebenen Kopfhörer eingespielt, so bald man den Raum oder den Bereich vor dem Exponat betritt. Gegen versehentliches Verlassen des aktiven Abschnitts helfen Bodenmarkierungen, gegen versehentliches Stehenbleiben, weil einen die eingespielte Musik gerade so beschwingt, eigentlich nur ein Walzerschritt oder auch deren zwei. Und so gerät der Museumsbesuch über das intellektuelle Erlebnis hinaus vor allem auch zu einem akustischen.

Das gilt speziell auch für die Operettengasse mit darin eingeblendeten Vorstellungen der „Fledermaus”, des „Zigeunerbaron” oder auch des „Wiener Blut” – jene Zusammenstellung bekannter Strauss-Melodien, die der 73-jährige zwar noch autorisiert hatte, deren Uraufführung er jedoch nicht mehr erlebte. Schade nur, dass an dieser Stelle nicht der zum Bild passende Ton in die Kopfhörer eingespielt wird, sondern eine andere Stelle aus derselben Operette, was auf den Verfasser ein wenig irritierend wirkt.

Höhepunkt des Museums ist zweifellos der Immersivraum ganz am Ende des Rundgangs: hier werden alle vier Wände raumhoch mit rechnergestützten Projektionen bespielt, die auf diverse Lebensaspekte und Werke Bezug nehmen. Der konsequente Einbezug der Kopfhörer auch in diesem Bereich erlaubt zudem eine an den Standort des Betrachters angepaßte Zuspielung: erklingt in Raummitte noch das ganze Orchester, wird beim näheren Herantreten an eine Geige, ein Cello oder eine Klarinette der Ton selektiv auf eben dieses Instrument fokussiert. Nach demselben Prinzip läßt sich wenig später auch in Erfahrung bringen, was die Frauen, die in Strauss’ Leben eine Rolle spielten, zu sagen haben. Wer aber in diesem letzten Raum des Johann-Strauss-Museums einfach nur seine Musik im visuell anregenden Ambiente des Immersivkinos genießen will, braucht einfach nur auf die betreffende Passage zu warten. Es lebe der Donauwalzer!

Geht man vom Museum kommend die Operngasse hinauf und läßt hinter der Staatsoper die Albertina links liegen, steht man schon bald vor dem Wiener Theatermuseum mit seiner Sonderausstellung über Johann Strauss, die hier noch bis Mitte Juni 2025 zu sehen sein wird. Hierfür hat das im prachtvollen Palais Lobkowitz untergekommene Haus eigens seine Dauerausstellung teilweise ausquartiert, um Platz zu schaffen für die Fledermaus samt Original-Partitur, die – obschon eher unauffällig – eines der Highlights darstellt.

Natürlich geht es auch hier um das Leben und Werk des Wiener Operettenkönigs, aber auch um den Walzer an sich, dessen Grundschritt ein kleines Schulungsvideo vermittelt. Thematisiert werden auch die jährlich aus dem Musikvereinssaal weltweit übertragenen Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. Aber wer hat eigentlich die animierten Schaubilder für die diversen Orchesterbesetzungen entworfen, deren jeweils gezeigte Handhabung der Instrumente einem jeden Musiker die Haare zu Berge stehen läßt?

Vor dem Verlassen des Museums sei noch rasch ein Blick in die Sammlung Richard Techner mit den schönen asiatischen Stabpuppen geworfen, dann neigt sich die Aufnahmefähigkeit des Verfassers allmählich dem roten Bereich entgegen. Vielleicht noch ein kurzer Blick in den Stephansdom? Der ja sehr verkehrsgünstig liegt, da sich unter dem zugehörigen Platz die beiden wichtigsten U-Bahn-Linien kreuzen?

Wohin geht man in Wien, wenn man trotz aller Begeisterung für den Walzerkönig auch einmal etwas anderes sehen und hören möchte? Nun, die Wiener Bühnen bespielen nicht weniger als drei Spielstätten, von denen das Raimund-Theater derzeit eines der berühmtesten Musicals auf dem Spielplan hat, nämlich das „Phantom der Oper” in der deutsch gesungenen originalen Fassung von Andrew Lloyd Webber.

Abgesehen von ein paar Sitzen „mit Sichteinschränkung” hat das Raimund nur gute und sehr gute Plätze. Zum Glück versperrt die Säule vor dem ersten Platz der Reihe 8 ob ihrer Schlankheit die Bühne nicht wesentlich. Als noch glücklicher erweist sich jedoch der Umstand, dass trotz ausverkauftem Haus die Reihe 7 bei Vorstellungsbeginn fast vollkommen leer geblieben ist: da dürfte wohl eine geschlossene Gruppe irgendwo hängen geblieben sein. Und so beginnt, kaum dass die Saaltüren ins Schloss gefallen sind, ein großes Aufrücken mit dem Ziel der eigenen Lageverbesserung. Leider währt dieses Glück nicht lange, denn schon beim ersten Applaus nähert sich von links der Kegel einer Taschenlampe, gefolgt von einer Saaldienerin mit den Vermißten im Schlepptau. Am Ende sitzen dann alle wieder auf dem Platz, der auf ihrem Ticket steht.

Die nun folgende, wirklich großartige Vorstellung hat nicht nur ein raffiniert wandlungsfähiges Bühnenbild zu bieten, sondern auch einiges an Überraschungen, Stichwort Kronleuchter. Mehr sei hier aber nicht verraten, nur eines noch: man ist schneller und bequemer wieder zuhause, wenn man an der Haltestelle Mariahilfer Gürtel der Linie 18 aus- und auch wieder einsteigt statt wie empfohlen an der Gumpendorfer Straße. Warum? Weil man dort, wo dann die Massen zusteigen, bereits im Wagen ist.

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Johann Strauss, der Jubilar

Es gilt einen Geburtstag zu feiern. Der Jubilar heißt Johann Strauss und wurde am 25. Oktober 1825 in Wien geboren. Bis zum eigentlichen Festtag sind es zwar noch 10 Monate hin, aber eine für Wien und die ganze Welt so bedeutende Musiklegende wie der „Walzerkönig” verdient es doch, ein ganzes Jahr lang mit Aufführungen seiner Werke und Ausstellungen zu seinem Leben geehrt zu werden. Und so packen auch wir Abendrobe, Konzertkarten und Stadtplan in seinen Koffer und vertrauen uns dem Reiseunternehmen Ameropa an, das uns wunschgemäß ein Paket aus Bahnfahrt und Hotelaufenthalt geschnürt hat, ersteres sogar mit Platzreservierung im ICE.

Die Fahrt verläuft so, wie man es von der Deutschen Bahn kennt und erwartet. Ab Passau ändert sich nicht nur das Kolorit der Durchsagen, sondern es kommt auch der unermüdlich wiederholte Hinweis hinzu, die 20-minütige Verspätung sei von der DB übernommen worden.

Zum B&B Hotel Wien Hauptbahnhof sind es ein paar mehr Schritte als erwartet, was aber auch dem regnerischen Wetter und dem Streusplitt auf dem Gehweg geschuldet sein kann. Es ist eine sehr angenehme Unterkunft, und wenn man erst einmal herausgefunden hat, dass über die Straßenbahnlinie D eine gute und häufig bediente Verbindung zu allen für diese Reise relevanten Zielen besteht, fühlen wir uns hier den eigenen Ansprüchen gemäß bestens aufgehoben.

Der Tag ist noch jung und das erste Ziel nur ein paar Stationen von der Haltestelle Alfred-Adler-Straße entfernt, mit Umsteigen am Quartier Belvedere und Ausstieg mitten in St. Marx, also jenem Stadtteil, wo sich auch der Friedhof mit dem Mozartgrab befindet. Aktuell interessiert hier aber die immersive Show, die zur Zeit in der Marx-Halle gastiert, und die sich um die vom Vesuv im Jahr 79 verschüttete und im 18. Jahrhundert wiederentdeckte römische Provinzstadt Pompeji dreht. Der Begriff „immersiv“ bedeutet, dass die Besucher in die virtuelle Welt quasi eintauchen und die reale Umgebung dabei in den Hintergrund tritt. In der Marx-Halle passiert das, nachdem man den kleinen konventionellen Ausstellungsteil hinter sich gelassen hat, auf dreierlei Art: mit übergezogener VR-Brille auf einem Stuhl sitzend, in einem Saal die Rundum-Projektion betrachtend und schließlich, ausgestattet mit einem kabellosen VR-Headset, eine virtuelle römische Villa durchstreifend, als handle es sich dabei um eine ganz gewöhnliche Führung. Es muss von außen ein lustiger Anblick sein, eine Handvoll Menschen mit einer Art Taucherbrille auf dem Kopf aufmerksam in einem leeren Raum umherwandern zu sehen.

Das Erlebnis ist so perfekt, dass man durchaus auf die Idee kommen könnte, am Hausaltar nach den Äpfeln in der Opferschale zu greifen. Es wäre jedoch ein Griff ins Leere. Auch der Versuch, sich zum genußvolleren Betrachten des Gartens ein wenig über die Balustrade zu lehnen, endet in einem dezenten visuellen Hinweis auf die hier verlaufende Grenze der virtuellen Welt. Die hoch aufragende Marmorstatue im Eingangshof von allen Seiten zu betrachten ist jedoch problemlos möglich, man muss dabei nur aufpassen, nicht mit den Porträtbüsten zusammenzustoßen, die um einen herumschweben und dabei mal nach links, dann wieder nach rechts oder nach oben schauen, während sie sich auf die nächste Tür zubewegen: das sind nämlich die anderen Besucher im Raum. Und man sollte sich vor dem Nichts retten, das nach ein paar Minuten Wände und Objekte in Schemen verwandelt als Aufforderung, sich in den nächsten Abschnitt der Villa zu begeben, ganz als folgte man einer unsichtbaren Reiseleiterin.

Im letzten Raum verneigen sich alle noch einmal würdevoll. Nein, nicht wirklich, sie nehmen nur ihre Headsets ab und halten sie noch ein paar Sekunden lang in den Händen. Einen Augenblick später steht man, es ihnen gleich tuend, wieder in der realen Welt, wo sich nun auch ein gewisses Hungergefühl einstellt. Zum Glück passiert die Straßenbahnlinie 18 auf ihrem Weg durch den Süden Wiens auch den schönen neuen Hauptbahnhof, wo es Imbisse in Hülle und Fülle gibt.

Der heutige Abend steht ganz und gar im Zeichen des Komponisten, dessen 200sten Geburtstag wir heuer feiern. Seine Operette „Das Spitzentuch der Königin“ wird zwar auf den Bühnen der Welt kaum noch gegeben, heute aber eben doch, und zwar auf derselben Bühne, die 1880 auch schon die Uraufführung erlebt hat: das Theater an der Wien.

Die ehrenwerte, jedoch frisch renovierte Spielstätte steht zwar seit 1801 an derselben Stelle, allein vom namengebenden Flüßchen ist hier längst nichts mehr zu sehen, es ist zugunsten des Naschmarktes quasi in den Untergrund gegangen. Ähnliches können, so sie denn ortskundig sind, auch die Besucher tun, die an der Haltestelle Oper der Linie D aus der Straßenbahn steigen. Von dort gibt es nämlich eine unterirdische Passage zunächst zum Karlsplatz und dann weiter zum Ausgang beim Secessionsgebäude. Wenn man ihn denn findet. Kommt man hingegen anderenorts wieder an die Oberfläche, ist der Weg etwas weiter. In Wien baut man eben gerne unübersichtlich, was auch schon bei der Planung der etwas verwinkelten Bühne in der linken Wienzeile 6 so gewesen sein muss.

In jedem Theater gibt es gute uns schlechte Plätze. Und eine Proszeniumsloge. Je nach Reihe und Platz sitzt man dort entweder zwei Armlängen vom Bühnenparkett entfernt und hat zugleich einen schönen Blick auf Orchester und Dirigent, oder aber der Bühnenblick reicht gerade einmal so weit, dass der Vorhang während der Vorstellung genauso gut geschlossen bleiben könnte. Zum Glück erlauben die verrückbaren Stühle jedoch eine gewisse Optimierung, so dass die prächtig kostümierten Darsteller dann doch die meiste Zeit über im Sichtbereich verweilen. Bei einer Operette steht ja ohnehin die Musik im Mittelpunkt, vor allem, wenn ein Johann Strauss sie komponiert hat. Denn obschon das Bühnenwerk heute nur wenigen bekannt ist, stecken viele wohlbekannte Melodien darin, insbesondere der ohrwurmträchtige Walzer „Rosen aus dem Süden“ (wo die wilde Rose erblüht, hin es mich zieht…).

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Besser als ihr Ruf

Auf den Regionalverkehr bezogen ist die Deutsche Bahn besser als ihr Ruf. Man sitzt zwar immer, wenn es heißt „der Anschluß wird vsl. nicht erreicht”, eine Zeit lang wie auf Kohlen, aber im letzten Moment kommt in der Regel dann doch die Durchsage, dass der Anschlusszug auf die umsteigenden Fahrgäste warten wird. Ein weiteres Loblied sei an dieser Stelle auch auf das Deutschlandticket gesungen: für den Preis eines Einzelfahrscheins nach Berlin und zurück läßt es sich damit rund drei Monate lang entspannt quer durch ganz Deutschland reisen, und den Nahverkehr am Zielort gibt es noch obendrauf.

Ein einigermaßen glückliches Händchen hatten wir auch bei der Wahl unseres Hotels. Zwar war es immer ein wenig schwierig, ans hintere Bett und ans Fenster zu kommen, dafür hatten wir aber ein gutes Frühstück, und es war alles sehr sauber. Unsere Ziele in Berlin konnten wir zudem leicht mit dem Bus oder der U-Bahn erreichen, da beide Haltestellen nur ein paar Schritte vom Motel Blue entfernt liegen. Eine dieser Nahverkehrsverbindungen, nämlich die U3 mit anschließender S-Bahn-Ringlinie bringt uns nun heute samt Koffern zum Umsteigeknoten Berlin-Südkreuz, wo wir dank üppiger Zeitreserve schon so früh eintreffen, dass wir einen anderen Zug nach Elsterwerda nehmen können als den ursprünglich geplanten. Das verkürzt zwar nicht unsere Gesamtreisezeit, jedoch ist die Regionalbahn über Zossen, Baruth, Luckau und Doberlug deutlich weniger frequentiert als die Flughafenstrecke. Und so nimmt auch niemand Anstoß daran, dass wir mit unseren Koffern ein ganzes Viererabteil belegen, denn eine Ablage gibt es hier nicht.

Das ändert sich erst im Zug nach Chemnitz, wo nun auch fröhliches Kinderspiel das Abteil erfüllt: es sind nur zwei, aber sie könnten es an Lautstärke mit jedem Kindergarten aufnehmen. Und natürlich steigen sie genau wie wir am Chemnitzer Hauptbahnhof in den Zug nach Hof um. Eile ist dieses Mal übrigens nicht geboten, sehr wohl aber beginnt irgendwo zwischen Sachsen und Bayern wieder das bekannte Spielchen: erreichen wir den Anschlusszug nach Nürnberg, oder erreichen wir ihn nicht? Wahrscheinlich wiegt der hundertfache Ärger über einen unfreiwilligen einstündigen Aufenthalt am zugigen Bahnsteig dann doch mehr als der ebenso hundertfache über ein paar Minuten Verspätung bei der Abfahrt. Mit anderen Worten: der Anschluss wartet. Und holt die Verzögerung dann entlang der Pegnitzstrecke wieder auf. Denn die hat Gefälle.

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Zauberhaftes

Zur Alten Nationalgalerie kommt man am besten, indem man am Bahnhof „Hackescher Markt“ aus der S-Bahn steigt statt mit der U5 zur Museumsinsel fährt. Da ich nur kurz Spitzweg und Segantini sehen will, wartet die Liebste unten auf mich, bevor wir zum Magicum weitergehen. Dieses zauberhafte private Museum über Magie befindet sich ebenfalls in fußläufiger Entfernung zum Hackescher Markt, allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Das urige Ambiente könnte nicht besser gewählt sein: vom Eingangsbereich heißt es ein paar enge Stufen in den Keller hinabsteigen, wo sich zur Linken der Blick in ein geheimnisvolles Alchimielabor auftut. Es folgt ein längerer, den fünf Weltreligionen gewidmeter Flur mit Kartentischen zur Rechten wie zur Linken, die allerlei Orakelhaftes offenbaren, ehe man ein Stück weiter dann in die Folterkammer gelangt, mit schauderhaften Werkzeugen, denen man sich besser nicht ausgeliefert sehen möchte. Ein ganz erstaunliches Objekt ist im folgenden Raum die Klangschüssel, die durch Reiben ihrer beiden Griffe mit angefeuchteten Händen einen so durchdringenden Ton erzeugt, dass das Wasser in der Schüssel zu sprudeln beginnt. Bei welcher Lautstärke das passiert, probieren wir lieber nicht aus, denn just in diesem Moment beginnt im nächsten Raum die Zaubershow. Der Magier, dem die Beherrschung der Voodoo-Künste schier ins Gesicht geschrieben steht, jongliert zunächst ein wenig mit Glaskugeln und bittet dann einige Zuschauer zu sich auf die Bühne, die dort erstaunlicherweise allerlei unsichtbare Berührungen an sich wahrnehmen. Sein wichtigstes Kunststück ist aber, mit verbundenen Augen zu erkennen, was ein Mädchen aus der Zuschauerriege auf ein Stück Papier gemalt hat. Damit alle außer dem Magier es sehen können, hält das Mädchen den Zettel hoch, woraufhin eine andere begeisterte kleine Zuschauerin ruft: „ein Herz!”. So war das natürlich nicht gedacht, aber immerhin wissen jetzt auch die Allerkleinsten, wie wichtig es manchmal sein kann, Geheimnisse nicht auszuplaudern. Im letzten und größten Raum, dem sich noch ein kleines Spiegelkabinett anschließt, darf dann wieder alles angefaßt werden: die magischen Pendel, ein Fingerlabyrinth, die Kristallkugeln. Auch erfährt man hier allerlei Interessantes etwa über Hexenkräuter, die Sternzeichen der Chinesen und der Kelten, den Halloween-Brauch und seine Hintergründe. Richtig, heute ist ja Halloween.

Wie immer um diese Zeit meldet sich nun der kleine Hunger zu Wort. Zum Glück gibt es in derselben Straße und nur wenige Schritte vom Magicum entfernt eine vietnamesische Garküche, wo wir unter etwas beengten Verhältnissen eine ebenso wohlschmeckende wie preiswerte Stäbchenmahlzeit einnehmen. Unter der Hand sei aber verraten: sie haben dort auch Gabeln und sogar Löffel.

Beim Stöbern in diversen Prospektständern haben wir noch eine weitere Attraktion entdeckt, nämlich das Lighthouse of Digital Art mit seinem Programm „The Grand Tour” zu den Planeten des Sonnensystems und darüber hinaus. Das Eckhaus an der Revaler Straße in Berlin-Friedrichshain und die kopfsteiggepflasterten Zuwege zum Gebäude sehen zwar wenig einladend aus, die Transformation zum attraktiven Medienzentrum ist aber bereits im vollen Gange.

Wie bei immersiven Shows üblich erstreckt sich die Projektion raumhoch über alle vier Wände des Zuschauerraums und bezieht auch den Fußboden mit ein, auf dem allerlei Liegekissen zum entspannten visuellen Genuss einladen. Die faszinierenden Bilder der diversen NASA-Missionen dürfte wohl jeder schon einmal gesehen haben, aber ganz sicher nicht in dieser, den gesamten Gesichtskreis füllenden Größe. So ungefähr muss das Universum einem Astronauten erscheinen, wenn er Jupiter, Saturn oder auch nur den Mond in unmittelbarer Nähe passiert.

Auch unsere Milchstraße sieht auf solchen Fotos immer sehr eindrucksvoll aus, aber Moment mal: sprachen die Astronomen und Astronauten nicht immer davon, wie messerscharf sich die Himmelskörper von der schwarzen Leere des Weltraums abheben? Hier nun konkurrieren aber die dünnen Ringe des Saturn mit der hell leuchtenden Galaxie im Hintergrund. Und was ist das? Der Uranus und der Neptun haben ja ebenfalls Ringe! Das ist zwar durchaus korrekt und wurde von der Voyager-Sonde und den Weltraumteleskopen auch bestätigt, aber speziell die Neptunringe sehen keineswegs so geschlossen aus wie das projizierte Bild glauben machen will. Auch dass es die Astronauten von Apollo 8 waren, die am 24. Dezember 1968 zum ersten Mal die Erde über der kargen Oberfläche des Mondes aufgehen sahen, trifft durchaus zu, jedoch kam die Landefähre, die in diesem Augenblick über die Leinwand schwebt, dort erst ein halbes Jahr später zum Einsatz.

Bevor wir gehen, sehen wir uns noch die Großbildschirme im Nebenraum an. Sie wirken irgendwie schärfer und brillianter, aber das liegt sicher am kurzen Betrachtungsabstand.

In Berlin gibt es übrigens einen sehr schönen Halloween-Brauch: die Kinder ziehen verkleidet durch die Ladengassen z.B. der Einkaufspassage am Potsdamer Platz und erhalten vom Verkaufspersonal Süßes. Läßt man sich also mit seiner Eiswaffel hier irgendwo nieder, kann man ausgiebig die phantasievollen Verkleidungen der kleinen und manchmal auch großen Passanten bewundern. Ein fataler Fehler wäre freilich, statt in die Passage versehentlich in die Fahrradgarage des Europacenters hinunterzusteigen, wie uns das vorhin passiert ist, denn das Umfeld des Potsdamer Platzes ist wegen des im Aufbau begriffenen Weihnachtsrummels samt Schlittenbahn zur Zeit etwas unübersichtlich.

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Virtuelles und Schattenloses

Man ist nicht in Berlin gewesen, wenn man nicht auch im Humboldtforum war. Zur Zeit läuft dort die interessante Ausstellung über die gerade einmal 14 Jahre währende Geschichte des „Palast der Republik“, der einst das altehrwürdige Berliner Stadtschloss ablöste und dann, weil asbestverseucht, seinerseits vom rekonstruierten Schloss abgelöst wurde.

Aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Erstens vergingen zwischen dem Abriß der kriegszerstörten Schlossruine und der Wiederbebauung des leeren Platzes in der Mitte Berlins noch etliche Jahre. Zweitens war der DDR-Prunkbau nach der Sanierung asbestfrei und hätte vielleicht sogar weitergenutzt werden können. Und drittens sieht der Neubau dem alten Schloss zwar äußerlich ähnlich, ist in seinem Inneren aber ein modernes und vielseitig nutzbares Gebäude. Das alles läßt sich in der Sonderausstellung „Hin und weg“ sehr gut nachvollziehen.

Eine Medienstation zeigt zudem, welche Großveranstaltungen der je nach Bühnengröße bis zu 4.442 Zuschauer fassende Saal im Laufe der Jahre gesehen hat. Udo Lindenberg trat dort auf, Carlos Santana, Miriam Makeba, Mikis Theodorakis, natürlich auch die DDR-Rockband „Puhdys” oder der Schlagersänger Frank Schöbel in ”Ein Kessel Buntes“, „Schlag(er) auf Schlag(er)” oder beim Festival des politischen Liedes. Und dann gab es ja auch noch die Parteitage der SED und die Kongresse diverser Organisationen sowie im nördlichen Gebäudeteil die Räume der Volkskammer. Das alles brauchte viel viel Platz.

Als besonderes Highlight wird in einem Nebenraum eine Mixed-Reality-Installation des Künstlerduos „Cyberräuber” angeboten, bei der man mit einer VR-Brille auf dem Kopf frei im Raum herumgehen kann, während ringsum gitterartige Elemente scheinbar im Raum schweben. Man kann sie mit der Hand beiseite schieben, so dass sie mit anderen Elementen in der Nähe kollidieren. Aber das ist nur zum Eingewöhnen, wenig später füllt sich der Raum mit geisterhaften Sitzgruppen, in deren Polstern man sich aber besser nicht niederlassen sollte: es würde mit schmerzhaftem Bodenkontakt enden. Oben an der Decke schweben derweil jene typischen Beleuchtungskörper, die dem Gebäude dereinst den Spitznamen „Erichs Lampenladen“ eingetragen hatten. Seine Mitbesucher wie auch die eigenen Hände samt Armbanduhr sieht man übrigens ebenso schemenhaft, manchmal sogar mit einem Menüsymbol zwischen Daumen und Zeigefinger.

Nach etwa zehn Minuten beginnt sich der Raum mit schwebenden Fotografien zu füllen, die an der Seite jeweils ein blaues Griffstück haben. Man kann sie an dieser Stelle anfassen und zu sich heranziehen, falls notwendig ins Hochformat drehen oder auch einmal von hinten betrachten. Die Motive sind samt und sonders aus den hinterlassenen Notizen anderer Besucher KI-generiert, die Cyberräuber nennen das Erinnerungsspende und geben uns abschließend den Tipp, auch noch die mit VR-Technik arbeitende Ausstellung „Kunst als Beute” in der dritten Etage anzuschauen.

Gesagt, getan! Gleich hinter dem Eingang zu besagter Ausstellung hilft uns eine sympathische junge Frau beim Anlegen der VR-Brillen, die hier die tatsächliche Umgebung vollkommen ausblenden. Aber wo sind wir? Ringsum stapeln sich große Holzkisten, und an der Wand lehnen diverse gerahmte Bilder, darunter das Rembrandt-Selbstporträt, das wir gerade eben erst real in der Ausstellung gesehen haben, und das in der Zeit des Zweiten Weltkriegs im Salzbergwerk Altaussee verborgen war. Und genau an diese Stelle versetzt uns die VR-Technik. Die Minenarbeiter, deren Schatten sich auf den Kistenwänden abzeichnen, schafften es damals, die Sprengung des Bergwerks zu verhindern. Es ist ein faszinierender Ort, den man auch real besuchen könnte, nur eben nicht zu jener Zeit, als der Rembrandt dort eingelagert und vom Totalverlust bedroht war.

Auch die zweite Virtual-Reality-Erfahrung gilt einem Objekt, das im Original in der Ausstellung zu sehen ist und beinahe vollständig verloren gegangen wäre, nämlich die Quadriga auf den Brandenburger Tor. Nach dem Einmarsch Napoleons in die deutsche Hauptstadt 1806, den man oben auf dem Tor stehend miterlebt, gelangte sie zerlegt als Kriegstrophäe nach Paris und wurde dort restauriert, aber nie öffentlich ausgestellt. Nach dem Sturz Napoleons 1814 kehrte die Figurengruppe nach Berlin zurück. Unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie, durch Einschüsse stark beschädigt, als Demonstration des Sieges über den Hitlerfaschismus vom Tor gestürzt, demontiert und eingeschmolzen. Allein der Kopf des rechten Pferdes entkam diesem Schicksal, denn er lagerte im Keller eines Berliner Wohnhauses.

Das dritte VR-Bild rankt sich um den balinesischen Dolch aus dem Ethnologischen Museum, den der getötete Wächter im Tempel Goa Lawah noch in der Hand hält. Die niederländischen Truppen hatten hier 1849 während des dritten Bali-Krieges Hunderte Balinesen getötet. Als Schenkung eines deutschen Sammlers, der auf den Inseln Sumatra und Java für die niederländische Kolonialverwaltung tätig gewesen war, gelangte der Dolch 1851 nach Berlin.

Zu den Benin-Bronzen im hinteren Teil der Ausstellung sowie zu den übrigen Beutekunst-Objekten gibt es kein VR-Erlebnis, wir gelangen von dort quasi übergangslos in die neue, sehr weitläufige Dauerausstellung „Asien”. Der sich allmählich meldende Hunger läßt uns nach einem Aufzug Ausschau halten, schließlich wissen wir irgendwo unter uns im Erdgeschoß das Bistro „Lebenswelten”, auf dessen Speisekarte leckere Königsberger Klopse stehen. Allerdings verbindet der Lift nur die beiden Ausstellungs-Etagen, der Weg zur Futterkrippe führt über die Rolltreppen im Foyer. 

Unseren Rückweg zum Hotel vertrauen wir dieses Mal den U-Bahnen U5, U6 und U3 an. Viel Zeit haben wir nicht, denn heute abend steht nun die Opernaufführung der „Frau ohne Schatten” auf dem Programm. Staatsoper und U-Bahnhof tragen zwar beide den Namen „Unter den Linden”, aber der Berliner Prachtboulevard ist lang, deshalb bemühen wir noch kurz den Bus 100 und vertreiben uns die gottlob kurze Wartezeit mit einem Blick ins DRIVE der Volkswagen Gruppe, wo im Eingangsbereich unter anderem ein alter Brezelkäfer und ein schmucker weiß-roter Samba-Bus ausgestellt sind. Warum sich aber die Bushaltestelle trotz des eindeutigen Namens nicht direkt vor dem Operneingang befindet, weiß wohl nur die BVG.

Die Staatsoper unter den Linden ist ein frisch renoviertes Opernhaus mit drei Rängen, wir sitzen im zweiten links, ganz vorne in der ersten Reihe. Die Handlung der Oper, für deren Libretto der Dichter Hugo von Hofmannsthal zeichnet, rankt sich in ihrem Kern um die Probleme des Färbers Barak mit seiner zänkischen Ehefrau („Sie haben mir gesagt, dass ihre Rede seltsam sein wird und ihr Tun befremdlich die erste Zeit”) und um die Frage, ob die Frau ihren für Fruchtbarkeit und menschliche Empathie stehenden Schatten nicht an die Kaiserin abtreten könnte, die als Tochter des Geisterkönigs dringend einen solchen gewinnen muss, weil anderenfalls der Kaiser nach Ablauf der gesetzten Frist zu Stein erstarren wird. Dreh- und Angelpunkt des Dramas ist natürlich die Menschlichkeit, die sich allmählich im Mitgefühl der Kaiserin für einem gepeinigten Menschen zeigt, und die sie die ihr unwissentlich auferlegte Prüfung dann schließlich auch bestehen läßt, denn sie möchte nicht ihr eigenes Glück auf Kosten der Färbersleute erkaufen.

Das alles zieht sich über drei Akte hin, mit zwei Pausen dazwischen, in denen sich wieder einmal bewahrheitet, dass Zeit relativ ist: ohne Pausenbier dauert eine Pause relativ lang, mit Pausenbier relativ kurz, und am kürzesten ist sie für diejenigen, die an der Theke für ihr Pausenbier anstehen müssen. Damit uns dieses Schicksal erspart bleibt, ordern wir es im voraus. Prompt steht es einladend auf Tisch 27 für uns bereit, direkt neben der Warteschlange: oh je, und wir sollen doch Empathie für gepeinigte Mitmenschen zeigen! Ob wir jetzt unseren Schatten verlieren? Der Egoist, der ein paar Sitze weiter in Blickrichtung Bühne seine volle Leiblichkeit samt Ellbogen über der Brüstung hängt, damit er alles gut sehen kann, glaubt jedenfalls ganz fest an seine Durchsichtigkeit.

Erstaunlich finden wir auch, dass an den Zuschauerrängen dieses Theaters insgesamt mehr als 100 Bühnenscheinwerfer montiert sind, die eigentlich gar nicht gebraucht werden: unsere Oper heißt ja „Die Frau ohne Schatten” und nicht „Die schattenfrei ausgeleuchtete Frau”.

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