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Wasserstraßen

Wir sind in einer Weltgegend unterwegs, die von Fjorden und hohen Bergen geprägt ist, aus transporttechnischer Sicht also von mächtigen Verkehrshindernissen. Man kann die Strecke von Alta nach Tromsø auf zwei Arten zurücklegen, entweder die Fjorde per Autofähre querend oder gaaanz weit außen herum durchs Hinterland. Die erste Variante ist natürlich die schönere, auch wenn uns heute das Wetter nicht ganz so gewogen ist wie gestern. Das gilt aber nur für den zweiten Teil der Strecke.

Zunächst führt unsere Fahrt an schönen Fjorden entlang durch liebliche grüne Täler mit typischen bunten Häusern. Das eine oder andere Mal nimmt die Hauptstraße auch eine Abkürzung mitten durch den Berg, so dass ein paar Kilometer Landschaft ungesehen bleiben, aber es gibt ja so viel davon, dass der Verlust verschmerzbar ist.

Auf der Passhöhe des Kvænangsveien erwartet uns ein herrlicher Ausblick auf den Fjord. Der Platz hat allerdings einen großen Nachteil: hier oben bläst ein so heftiger Sturm, dass wir uns kaum auf den Beinen halten können. Auch hat die Cafeteria für dieses Jahr bereits die Stühle hochgestellt, und so verkürzen wir die Kaffeepause auf einen Fotostop.

Schon bald zeigen sich nun erste Gipfel mit Schnee. Beim Näherkommen zeigt sich, dass es sich keineswegs nur um ein paar Reste vom Winterschnee handelt, sondern um mächtige Gletscher. Ein starker Wind sorgt auf dem Lyngenfjord für heftigen Wellengang, aber die Fähre ist so gross, dass ihr die Unbilden des norwegischen Wetters nichts anhaben können. Der Aufenthalt an Deck wäre heute allerdings unersprießlich, denn zum Sturm ist Regen gekommen, mitsamt schönem Regenbogen.

Der Fjordquerung folgt ein paar Kilometer weiter eine zweite, kürzere. Beim Verlassen der Fähre nach dem Anlegen tut sich allerdings ein kleines Hindernis auf: der PKW, der auf der mittleren Spur ganz vorne steht, hat eine Panne, die anscheinend auch das Wegschieben verhindert. Nach einigem vergeblichem Warten manövriert Busfahrer Thorsten den Bus in Millimeterarbeit am Pannenfahrzeug vorbei.

Und dann kommen endlich die Tromsø-Brücke und die Eismeerkathedrale in Sicht. Der markante Kirchenbau dürfte bei Dunkelheit zwar noch wesentlich faszinierender wirken, aber die bekannten Mitternachtskonzerte fallen derzeit leider aus. Schade.

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Rentiere!

Direkt auf der Straße von Honningsvåg zum Fatima-Tunnel stehen ein paar Rentiere herum und denken nicht daran, dem Bus auszuweichen. Es sind nicht die einzigen, die wir auf dieser Fahrt zu sehen bekommen. Mal stehen sie einzeln oder in Grüppchen auf einer Wiese, mal laufen sie ein Stück weit neben dem Bus her, weil sie genau dort über die Straße wollen. Ging anfangs noch der entzückte Ruf „Rentiere!“ durch den Bus, wenn einer welche erspäht hatte, schaute auf der Fahrt von Hammerfest zurück zur Hauptstraße, wenn wieder welche in Sicht kamen, kaum noch jemand hin.

Hammerfest mag beim Wettstreit um die nördlichste Stadt der Welt die Nase vorn haben, den Preis für die schönste Stadt der Welt wird es sicher auch in 100 Jahren niemals einstreichen. Sehenswert ist jedoch, abgesehen von der Meridiansäule, die moderne Kirche mit ihrer markanten Architektur und dem bunten dreieckigen Altarfenster.

Das Städtchen Alta ist im Vergleich dazu wesentlich interessanter. Zum einen gibt es hier die berühmten, in den Fels gepickelten Darstellungen von Jägern, Rentieren, Booten und Fischen zu bestaunen. Zum anderen ist seine neue Nordmeer-Kathedrale mit ihrem in sich geschraubten Kirchturm ein architektonisches Juwel ohnegleichen.

Auch das Thon Hotel in Alta ist ein Träumchen. Alles ist durchdacht, es gibt sogar einen Bluetooth-Lautsprecher. Warum sind eigentlich nicht alle Hotels so? Und im Fenster zeigt sich am Abendhimmel die zarte Sichel des zunehmenden Mondes.

Zunehmend? Am Abendhimmel? Ist das nicht eine astronomische Unmöglichkeit? Nicht im Land der Mitternachtssonne. Denn der Mond tut es ihr gleich und teilt sich seinen Umlauf genau wie diese in Phasen ein, in denen er mehrere Tage lang nicht untergeht, und andere, in denen er sich tagelang überhaupt nicht über dem Horizont blicken läßt. Der Unterschied ist nur, dass er diesen Zyklus innerhalb eines Monats durchläuft. Und so sehen wir heute abend quasi schon den Mond von morgen früh.

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Am Nordkap

Um die Insel Magerøya zu erreichen, deren Nordspitze man zum nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes erklärt hat, braucht man weder Schiff noch Brücke, denn es gibt seit 1999 den Nordkaptunnel unter der Meerenge hindurch. Die Norweger nennen ihn „Fatima”, das steht für „Fastlandsforbindelse til Magerøya“.

Die Landschaft hat sich während der heutigen Fahrt mehrmals verändert. Und das lag nicht am Wetterwechsel von bedeckt auf Regen und dann wieder auf stark bewölkt mit sonnigen Abschnitten. Und auch nicht am Grenzübertritt von Finnland nach Norwegen.

Fuhren wir anfangs noch durch eine locker bewaldete Region mit vielen Seen, wurden die Bäume später immer seltener und die Berge immer höher. Inzwischen gibt es ringsum praktisch nur noch Moose und Flechten und vereinzelt auch Wollgras oder Zwergsträucher mit bunten Beeren. Und sogar ein paar Rentiere konnten wir erspähen.

Im Museum von Inari geht es um die Kultur und den Lebensraum der Sami. Eineinhalb Stunden waren für diesen Besuch veranschlagt, und die braucht man auch. Eigentlich sogar noch mehr, denn jeder Aspekt ist nicht nur liebevoll mit schönen Exponaten dargestellt, sondern auch ausführlich und in vielen verschiedenen Sprachen beschrieben. Bleibende Eindrücke hinterlassen auch die raumhohen, hinterleuchteten Fotos der umgebenden Landschaft zu allen Jahreszeiten sowie die Dioramen mit lebensechten Tieren: Bär, Polarfuchs, Schneehuhn, Lemming und noch viele viele andere.

Die Sami haben in drei der vier Staaten, die den Norden Skandinaviens unter sich aufgeteilt haben, ein eigenes Parlament, wo sie Beschlüsse fassen, die für die Regierungen in Stockholm, Oslo und Helsinki aber nicht bindend sind. Immerhin werden ihre Interessen jedoch gehört und in der Regel auch ernst genommen. Das Parlamentsgebäude in Karasjok sieht wie ein Nomadenzelt aus – und ist heute geschlossen. Als Ersatz böte sich das Samische Museum an, das aber zur Überraschung der Reiseleiterin ebenfalls geschlossen hat, obwohl die Website etwas anderes behauptet. Nun werden auch wir zu Nomaden und teilen dieses Schicksal mit einer anderen Gruppe in einem anderen Bus, die ebenfalls auf der Suche nach einem Ort für die Mittagspause herumirrt.

Und dann geht es nach dem Abendessen endlich hinauf an den Sehnsuchtsort mit der markanten stilisierten Weltkugel. Warum die gut halbstündige Fahrt erst für 9 Uhr abends geplant ist, wo doch um 21.03 Uhr die Sonne untergeht, weiß wohl nur der Reiseveranstalter. Immerhin schaffen wir es, ein paar Minuten früher zu starten.

Man muss freilich wissen, dass Sonnenuntergänge in diesen hohen Breiten sehr lange dauern. Und so ist es dann auch: eindrucksvoll steht der Globus vor einem flammend roten Himmel, man kann sich gar nicht satt sehen. Natürlich sind auch andere Menschen da, und alle wollen sie mit dem Nordkap-Denkmal fotografiert werden. Aber das stört die besondere Stimmung nicht im geringsten. Zur Feier des besonderen Augenblicks gibt es für jeden einen Aquavit oder, wie ich sage, Rentierfutter im Glas, denn er wird ja aus Islandmoos gewonnen.

Zwei Stunden nach Sonnenuntergang ist der Himmel an der Stelle, wo sie versunken sein muss, immer noch tiefdunkelrot. Und das ist genauso faszinierend wie eine Mittsommersonne, die überhaupt nicht untergeht. Zudem ist der Bereich um das Denkmal herum nun so gut wie menschenleer. Das Nordkap erleben ist eine Sache, es so erleben wie wir heute eine andere. Dankbar nehmen wir Abschied und fahren über die nächtliche Insel zurück ins Hotel nach Honningsvåg.

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O du fröhliche

Wir befinden uns auf exakt 66° 32‘ 35“ nördlicher Breite. Eine weiße Linie auf dem Boden verrät, dass hier der Polarkreis verläuft. Das mag vielleicht zum Zeitpunkt der Vermessung so gewesen sein. Und wären da nicht der Äquatorwulst der Erde und die Anziehungskraft von Sonne, Mond und Planeten, befände er sich sicher auch heute noch dort. Aktuell verläuft er fast zweieinhalb Kilometer nördlich, aber wen interessiert das? Am wenigsten den Weihnachtsmann, der angeblich am Polarkreis wohnt und hier offenbar schwunghaften Handel mit allerlei Souvenirs betreibt. Insbesondere sind Artikel mit Weihnachtsbezug sehr gefragt. Und um die Kunden in die rechte Stimmung zu versetzen, dudeln im Hintergrund Weihnachts-Gassenhauer. O du fröhliche!

Erstes Tagesziel war heute das Arktikum in Rovaniemi, nur einen Katzensprung südlich des Polarkreises. Das recht umfangreiche Museum informiert ausgiebig über die Polarregion und zeigt Szenen aus der Lebenswelt der Sami. Veranschaulicht wird auch die Entstehung der Nordlichter und das himmelsmechanische Zusammenspiel von Erdbahn und Erdneigung, das zum Phänomen der Mitternachtssonne führt. Leider ist die Beschilderung recht inkonsequent: mal gibt es Texte sogar auf deutsch, dann wieder nur finnisch und englisch und einmal gar estnisch. Und um die markante Architektur angemessen zu bewundern, bräuchte man ein Boot.

Hier in Lappland wird die Vegetation nun allmählich immer spärlicher. Sind es anfangs noch dichte Kiefernmischwälder, die den Straßenrand säumen, werden die Bestände nach Norden hin zuehmend lichter und die Bäume niedriger. Dafür erhöht sich aber die Rentier-Dichte. Eines steht sogar mitten auf der Straße herum.

In Ivalo beziehen wir ein wunderschönes Hotel mit einem holzvertäfelten Zimmer.

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Am Busen der Ostsee

Der Kallavesi ist fast so groß wie der Bodensee, und die Stadt Kuopio liegt auf einer Halbinsel mitten im See, ist also nach fast allen Richtungen von Wasser umgeben. Und von Inseln, denn es gibt Hunderte davon. Vom Puijo-Fernsehturm überblickt man die ganze Wasserwelt dieser wirklich bemerkenswerten Region, denn auch das Wetter meint es heute gut mit uns.

Das haben wir uns auch redlich verdient, denn wir waren heute vormittag schon im „Riisa Suomen ortodoksinen Kirkkomuseo”, also dem orthodoxen Kirchenmuseum.

Dort hat man alles zusammengetragen, was die Kultur und Geschichte der karelischen orthodoxen Glaubensgemeinschaft ausmacht. Karelien gehörte wie Finnland lange Zeit zu Schweden, geriet dann aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter russische Herrschaft. Heute ist Karelien geteilt, und viele Karelier haben den russischen Teil verlassen. Das recht moderne Museum zeigt Ikonen in den verschiedensten Ausführungen, dazu wertvolle Textilien, einen Kirchenraum, kunstvoll bemalte Ostereier und vieles mehr.

Unsere Fahrt nach Norden wird heute von einem Picknick unterbrochen, und wir lernen eine Spezialität der Region kennen: den Qietschkäse. Der heißt natürlich nicht wirklich so (sondern Halloumi), aber dass er im Mund quietscht, davon konnten wir uns überzeugen. Und auch, dass Marmelade auf dem Käse durchaus keine perverse Kombination ist, vorausgesetzt es handelt sich dabei um einheimische Moltebeeren.

Finnisch ist übrigens ganz einfach, man muss nur an das bekannte Wort ein „i“ anfügen. Die Grillwurst zum Beispiel heißt auf finnisch Grilliwursti. Tomaten heißen Tomaatti, und die Kaffeepause heißt Kahvipaussi. Andere Wörter wiederum sind völlig unleserlich.

Erstaunlich ist, dass es so hoch im Norden immer noch Kornfelder gibt. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Sommer hier oben durchaus nicht kühler als bei uns, sondern einfach nur ein paar Wochen kürzer.

Am Abend erreichen wir Kemi. Wir unternehmen noch einen kurzen Spaziergang auf dem Senioripuisto, denn dort stehen viele Bänke, auf denen man sitzen und, den Blick über den Meerbusen schweifen lassend, die spätsommerliche Wärme genießen kann. Ein aufziehendes Gewitter läßt uns allerdings schnell wieder in die Unterkunft flüchten.

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Eine Burg auf einer Insel im See

Finnland nördlich der Hauptstadt, das sind Wälder und Seen und Kornfelder und Seen und Birken und Seen und ab und zu, eigentlich eher selten, ein kleines Haus am Waldrand oder an einem See. Weiter im Norden sollen noch weniger Menschen leben, aber bis dahin ist es noch ein gutes Stück Weg. Immerhin sind wir hier in Kuopio aber bereits nördlicher als wir je zuvor waren.

Unser erstes Etappenziel hieß heute Porvoo. Das ist eine Gemeinde nordöstlich von Helsinki, noch ganz nah am finnischen Meerbusen. Wir gehen eine kleine Runde durch den Ort und bewundern die schönen alten Holzhäuser sowie die Kirche, die aber leider abgeschlossen ist.

Hauptattraktion der heutigen Etappe durch das Land der 1000 Seen ist die Festung Olavinlinna, die auf einer Felseninsel im Saimaa-See liegt und als die nördlichste aller Mittelalterburgen gilt. Wir kommen in den Genuß einer deutschsprachigen, überaus kurzweiligen Führung durch eine recht hübsche, auf jeden Fall aber kompetente und redegewandte junge Dame names Angela, die auch allerlei Anekdoten zum besten zu geben weiß. Zum Beispiel, dass die schwedische Königin einmal mit ihrem Schuh unglücklich zwischen zwei Brückenplanken stecken geblieben war und man daraufhin die Brücke sicherheitshalber neu beplankte. Sie sei froh, dass die Monarchin nicht versucht habe, den Turm zu besteigen, sagt sie. Sonst hätten wir heute anstelle der engen Steinstufen vielleicht eine Rolltreppe.

Ja, es geht eng zu in den drei Türmen der Burg und auch alles andere als barrierefrei. Wir gelangen durch einen Vorratsraum auf die „Geisterbrücke“ und durch den Königssaal hinauf bis in die oberste Etage eines der drei Türme, der heute mit einem Kegeldach bedeckt ist, früher aber oben offen war. Als die Burg dereinst belagert wurde, flüchtete der schwarze Ziegenbock, der eigentlich geschlachtet werden sollte, in Panik vor Kanonenschüssen und Gewitterdonner auf eben jenen Turm, wo ihn die Feinde erspähten und wegen seiner Hörner für den leibhaftigen Teufel hielten, woraufhin sie die Belagerung einstellten. Und so kam das Tier als Retter in der Not zu Ehre und Gnadenbrot.

Eine andere Geschichte erzählt von einem Burgfräulein, das nachts heimlich ihren Verehrer in die Burg ließ. Der aber hatte ganz andere Eroberungsgelüste. Das sehr enttäuschte Fräulein wurde daraufhin zur Strafe lebendig eingemauert, und aus ihrer Zelle entsproß nach einiger Zeit eine Eberesche, in deren Blüten und Früchten sich die Tränen und das Herzblut der Verflossenen zeigten.

Und weiter geht die Fahrt durch Wälder und entlang von Seeufern, gefolgt von mehr Wäldern und weiteren Seeufern, bis nach Kuopio.

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Über die Ostsee nach Helsinki

Unser Fährschiff, die Silja Symphony, ist rund 200 Meter lang, hat ein durchgehendes, nach oben offenes Promenadendeck und Panoramaaufzüge. Es gibt Außenkabinen, Kabinen mit Fenster zum Innendeck und welche ganz ohne Fenster. Eine solche Kabine haben wir, sie hat die Nummer 11153 und liegt auf Deck 11. Aber nachts ist es ja ohnehin dunkel.

Da die Länder Schweden und Finnland in unterschiedlichen Zeitzonen liegen, haben die Uhren auf diesem Schiff zwei Stundenzeiger, einen mit einem gelbem Kreuz auf blauem Grund für die schwedische Zeit, und einen mit blauem Kreuz auf weißem Grund für die finnische. Unsere eigenen Uhren stellen sich automatisch um, kurz bevor wir die Insel Åland erreichen. Sie gehört nämlich, obwohl die Bevölkerung dort schwedisch spricht, bereits zu Finnland.

Das Hauptrestaurant serviert ein typisch skandinavisches Abendbuffet, bei dem sogar die alkoholischen Getränke inkludiert sind. Und an nächsten Morgen ein ebenso üppiges Frühstück, natürlich ohne Wein und Bier. Wie man von der Kabine zum „Grande Buffet” gelangt? Nun, man fährt mit dem Panoramalift hinunter auf Deck 6, findet dort nach einigem Herumirren einen Hinweis, dass es auf dieser Ebene keinen Durchgang zum Restaurant gibt und man wieder hinaufsteigen muss auf Deck 7, um dann am anderen Ende des Schiffes wieder hinunterzusteigen. Die Silja Symhony war bei ihrer Indienststellung übrigens das größte Kreuzfahrt-Fährschiff der Welt.

Sind wir denn schon bald da? Oder wie weit ist es noch bis Helsinki? Der Blick aufs Smartphone irritiert ein wenig: „Willkommen in Estland“. Offenbar sind wir so nahe an der estnischen Küste entlang gefahren, dass unsere Handys sich ins estnische Netz eingekoppelt haben. Rechnet man die Ablegezeit in Stockholm und die Dauer der Überfahrt zusammen, müßten wir die finnische Hauptstadt gegen 10 Uhr erreichen. Das ist zwar korrekt, aber eben schwedische Zeit. Also 9 Uhr finnische? Nein, 11 Uhr! Das Umstellen der Uhr bereitet doch immer und überall dieselben Probleme.

Völlig komplikationslos verläuft hingegen der Transfer zum Hotel „Scandic Grand Marina“, wenn man von einer kleinen Rempelei am unteren Ende der Rolltreppe absieht, die dadurch entsteht, dass die ohnehin schwerfälligen indischen Frauen ausgerechnet an dieser Stelle stehen bleiben, um ihr Gepäck neu zu ordnen. Nun ja, vielleicht lernen sie es ja noch.

Was muss man in Helsinki gesehen haben? Natürlich die Uspenski-Kathedrale. Das ist eine russisch-orthodoxe Kirche mit einer Ikonostase und einer schönen Kreuzkuppel. Und den innen wie außen weiß gestrichenen Dom, wo gerade eine Konzertprobe stattfindet. Die bemerkenswerteste aller Kirchen ist jedoch die Felsenkirche, die man sich am besten wie einen überdachten Steinbruch vorstellt, mit Spuren der Sprengarbeiten an den rohen Felswänden und einer kupfernen Kuppel aus hunderten konzentrischer Ringe, getragen von schlanken Streben, durch deren Zwischenräume ringsum viel Licht hereindringt. Von außen ist diese bemerkenswerte Kirche übrigens kaum wahrnehmbar.

Eigentlich wollten wir noch durch den großen Park laufen, um die Nationaloper, die Finnlandiahalle und das neue moderne Bibliotheksgebäude zu bewundern. Leider fängt es aber gerade zu regnen an, zudem hat sich die Reisegruppe bereits stark dezimiert. Und so besichtigen wir die genannten Gebäude auf eigene Faust und von der Straßenbahn aus.

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Stockholm und seine Attraktionen

Die typische Schäreninsel besteht aus einem Felsbuckel, zwei oder drei Bäumen, einem rot gestrichenen Häus’chen, einem Bootsanleger und einer schwedischen Fahne. Je weiter wir uns von Stockholm entfernen, desto kleiner und unbewohnter werden die Inseln. Die letzte, die wir in der zunehmenden Dunkelheit gerade noch erkennen können, sieht aus wie ein U-Boot: völlig kahl, in der Mitte ein Turm und darauf ein Blinklicht.

Ganz Stockholm ist eine einzige Baustelle. Wohin man auch schaut, überall sind Fassaden verhängt, oder es stehen Bauzäune und Container davor. Nicht so vor der Staatsoper, dort haben sie stattdessen eine temporäre Bühne aufgebaut.

Im selbstverständlich ebenfalls verhängten Stockholmer Dom bewundern wir die prächtige Innenausstattung, insbesondere die Statue des heiligen Georg bei seinem Kampf gegen den Drachen. Und im Königsschloss bewundern wir die Wachen in ihren schmucken blauen Uniformen. Wenn man genau hinschaut, handelt es sich erstaunlich oft um Wachinnen, denn in Schweden herrscht Gleichberechtigung.

Hauptattraktion der Tivoli-Insel ist nicht der Tivoli, sondern das Vasa-Museum, dessen größtes und wichtigstes Exponat das Schiff ist, das bei seiner Jungfernfahrt im Jahr 1628 gleich nach dem Auslaufen kenterte und vor den Augen König Gustavs II. im Hafenbecken versank. Dabei war es doch mit seinem reichen Schnitzwerk und den zwei Kanonendecks so ein schönes Schiff gewesen. Knapp 350 Jahre später hat man es gefunden, aus 30 Metern Tiefe geborgen und konserviert. Das Holz war so gut erhalten, dass nur gerade einmal 2% der originalen Substanz rekonstruiert werden mußten.

Das Schiff hat, wie es da in der großen Museumshalle steht, etwas Unheimliches. Denn natürlich ist das Holz im Lauf der Jahrhunderte schwarz geworden. Wir gehen um den Schiffsrumpf herum und bewundern das reiche Schnitzwerk, dann sehen wir uns im Museumskino die Animation des Untergangs und die Dokumentation der Bergung an, die in dem Fazit endet, dass wir das Schiff längst nicht mehr hätten, wäre es damals nicht gesunken. Es gibt auch weltweit kein zweites seiner Art.

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Unterwegs im Bullerbü-Land

Wir sind in Jönköping am Südende des Vättern, das ist ein See, fast viermal so groß wie der Bodensee. Wenn das Hotel das beste am Ort ist, wie müssen da erst die anderen sein? Das Zimmer abgewohnt, das Internet tot, die Luft stickig, also erst einmal das Fenster öffnen! Ja, wenn das so einfach wäre! Ein Sicherungsseil verhindert das Öffnen des Fensterflügels um mehr als 10 Zentimeter. Haben die etwa Angst, dass die Gäste aus Frust über die diversen Komfortmängel aus dem Fenster springen? Beim Überlisten der Kindersicherung kann die Rezeption helfen, beim Internet leider nicht. Das Problem löst sich jedoch im Verlauf des Abends von ganz allein.

Die Schnellstraße nach Norden führt direkt am Ostufer des Vättern entlang. Bei einer markanten Burgruine über dem See legen wir eine kleine Pause ein. Für den Vormittag steht dann die Besichtigung einer ehemaligen Klosterkirche des Birgittenordens an. Die Mönche und Nonnen haben den Ort trotz seiner malerischen Lage inmitten der herrlichen Büllerbü-Landschaft jedoch schon vor Jahrhunderten verlassen. Verschwunden sind allerdings auch allerlei Figuren und Figurenteile des alten Flügelaltars. Die übrig gebliebenen Darstellungen, das einfache Volk konnte ja nicht lesen, sind aber bei näherem Hinsehen durchaus unterhaltsam, etwa an der Stelle, wo die hölzernen Menschlein vom Höllenschlund verschlungen werden.

Gegen halb vier erreichen wir Schloss Gripsholm. Der Schriftsteller Kurt Tucholsky hat dem malerischen Bau, der natürlich an einem See steht, nicht nur ein literarisches Denkmal gesetzt, sondern sich auch ganz in der Nähe beisetzen lassen. Und damit die Toten auf dem Friedhof noch ein wenig Spass haben, verhelfen die aufgestellten Rasensprenger so manchem unserer Mitreisenden zu einer erfrischenden Überraschung.

Gegen Abend erreichen wir Stockholm. Morgen schon werden wir Schweden per Schiff wieder verlassen.

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Ein Dom „oben ohne“

Unser erstes Ziel in Schweden heißt Lund. Vorher fahren wir aber über die Öresundbrücke, die Dänemark mit Schweden verbindet. Obwohl die Dänen die Schweden eigentlich nicht mögen: „Warum wurde Jesus nicht in Schweden geboren? Weil sie drei weise Männer und eine Jungfrau brauchten.“

Vor der Weiterfahrt hält der Bus noch einmal an einer Stelle, von der aus sich ein herrlicher Blick auf die kilometerlange Brücke bietet. Warum wir nach Lund fahren? Weil es dort den ältesten Dom Skandinaviens gibt.

Eigentlich ist es ja üblich, dass der Kirchenbesucher die Mütze absetzt und nicht der Dom. Diesem hier aber hat man die pyramidenförmigen Dächer zwecks Renovierung abgenommen, auf den beiden eingerüsteten Türmen sitzt ersatzweise ein bierzeltförmiges Etwas als Regenschutz. Von Regen kann aber gottseidank nicht die Rede sein. Im Dom hat soeben der Sonntagsgottesdienst begonnen, so dass wir leider nicht hinein dürfen. Sie wechseln die Zeiten immer wieder mal, sagt die Reiseleiterin und empfiehlt uns für die nächsten eineinhalb Stunden an die lokale Gastronomie. Auch befände sich gegenüber im Dommuseum eine öffentliche Toilette. Aber das Dommuseum ist, wie auch alles andere, heute geschlossen. Gibt es noch andere öffentliche Toiletten? Tante Google kennt eine. Aber die existiert nicht mehr. Zufällig entdecken wir ganz in der Nähe eine andere. Aber sie ist außer Betrieb. Jetzt ist guter Rat teuer. Zum Glück läuft uns just in diesem Moment die Reiseleiterin über den Weg. Und empfiehlt uns erneut an die lokale Gastronomie: wenn man freundlich fragt, darf man bei den Schweden auch ohne etwas zu konsumieren aufs Klo. Gottseidank.

Knapp zwei Stunden nach unserem Eintreffen in Lund dürfen wir nun auch endlich in die Kirche. Wir bewundern die Architektur, den Altarraum samt Altar und die Krypta. Das eigentliche Schaustück aber ist die astronomische Uhr. Um 13 Uhr soll laut Tafel das mechanische Figurenspiel mit den drei Heiligen Königen laufen, die sich einer nach dem anderen vor Maria verneigen, genau wie an der Nürnberger Frauenkirche die Kurfürsten vor dem Kaiser. Aber auch die Heiligen haben sonntags frei. Der weitaus interessantere Teil der Uhr ist aber ohnehin das Zifferblatt mit dem exzentrischen Tierkreis. Der Sonnenzeiger, zu erkennen an einem Sonnensymbol an seiner Spitze, zeigt heute auf den Schwanz des Löwen, dem sich zur Linken die Jungfrau anschließt. Zur Linken? Nun, so sind die echten Sternzeichen ja auch am Firnament angeordnet. Auch einen Mondzeiger gibt es, und er zeigt sogar die Mondphasen. Um die vielen anderen Kreise und Bögen richtig deuten zu können, braucht es aber wohl einer fachkundigen Erläuterung. Ein weiteres Zifferblatt zeigt die Tage des Jahres und reicht von 1923, dem Jahr der Renovierung der Uhr, bis zum Jahr 2123. Bis dahin sind sicher auch die Turmdächer wieder dort, wo sie hingehören.

Bis Jönköping, unserem heutigen Etappenziel, sind es von hier noch gute zwei Stunden. Es ist eine sehr waldreiche Gegend, in der Elche leben sollen. Gesehen haben wir allerdings keinen einzigen.

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