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Mit echtem Hundertwasser gebraut

Brauereien besichtigt man ja vor allem, weil am Ende der Tour die Bierprobe wartet. Das ist zwar auch beim Kuchlbauer im niederbayerischen Abensberg so, jedoch mit dem Unterschied, dass man beim angeregten Gespräch über das soeben Geschaute wahrscheinlich völlig aufs Trinken vergißt, so groß ist die Fülle der Eindrücke entlang der Braukunstspur und insbesondere beim Ersteigen des dunkelbunt verspielten, von einer goldenen Kuppel gekrönten Turmes, dessen Entwurf von keinem Geringeren stammt als vom Ausnahmekünstler Friedensreich Hundertwasser. Man sollte sich danach auch nicht zu lange beim Weizenbock aufhalten, liefe man doch Gefahr, beim anschließenden Besuch des Kunsthauses dessen seltsam verdrehte Architektur für eine direkte Folge des eigenen Alkoholzuspruchs zu halten. Dabei resultiert all das Schiefe und Schräge in Hundertwassers Architekturstil doch lediglich aus der konsequenten Anwendung seiner Überzeugung, die gerade Linie sei gottlos.

Er war schon ein außergewähnlicher Mensch, dieser Hundertwasser. Als der Besitzer der Brauerei ihn Ende der 1990er Jahre um ein Konzept für die Umgestaltung des Brauereigebäudes bat, war er schon so schwer herzkrank, dass er noch nicht einmal mehr den Baubeginn erleben durfte, geschweige denn die Vollendung des Projektes. Immerhin blieb ihm dadurch aber der Streit mit der Baubehörde um die zulässige Höhe seines bunten und weithin sichtbaren Turms erspart.

Das von Hopfengärten umgebene, weil am Rande der Hallertau gelegene Städtchen Abensberg erreicht man recht komfortabel mit der Bahn. Es empfiehlt sich jedoch, eine Zeitreserve einzuplanen, denn die Umsteigezeiten sind knapp: aus fünf Minuten können, wenn der Zug mit bahnüblicher Verspätung in Ingolstadt einläuft, ganz schnell auch einmal 59 Minuten werden. Der Verfasser hatte aber Glück, denn auch der Anschlusszug fuhr an diesem Tag mit Verspätung ab.

Für die Brauerei samt Turm ist eine Führung obligatorisch, das Kunsthaus darf frei besichtigt werden. Eine Führung empfiehlt sich jedoch auch hier, vermittelt sie doch einen viel lebendigeren Eindruck von der Person Hundertwasser, seinen Ideen und Zielen und der Konsequenz, mit der er sie umsetzte. Will man beide Führungen wahrnehmen, empfiehlt es sich, die Brauereiführung entweder auf 11 Uhr zu legen oder auf 15 Uhr, denn durchs Kunsthaus wird derzeit nur um 13.30 Uhr geführt, und man will ja die Zeit auf dem Turm und im Biergarten ohne Hektik genießen können.

Die „Braukunstspur”, ebenfalls eine Hundertwasser-Idee, veranschaulicht in künstlerisch-abstrakter Weise die Arbeitsschritte der Bierproduktion: vorbei an den kupfernen Sudkesseln und den großen Gärkesseln trifft man im nächsten Raum auf die Figur des Aloysius, der seinen Kummer über das im Himmel vermißte Kuchlbauer-Bier zum besten gibt. Worauf es beim Bierbrauen ankommt, vermittelt nebenan die Riege der Weißbierzwerge. Allerlei altes Brauereigerät unterstreicht, dass auch der Wegweiser „Museum“ hier durchaus seine Berechtigung hat. Auch begleiten diverse Kurzfilme und ein Blick in die moderne Abfüllanlage die Besucher auf ihrem Weg, der nach einer guten Stunde schließlich im Keller des auffälligsten aller Brauereigebäude endet: dem Kuchlbauer-Turm. Den Weg hinauf in die Kuppel per Fahrstuhl zu bewältigen wäre zwar bequem, die abwechslungsreiche Einzigartigkeit des Gebäudes mit seinen Arkadenbögen und den markant auskragenden Türmchen läßt sich jedoch nur zu Fuß erleben.

Welches war doch gleich nochmal die Lieblings-Biersorte des Aloysius? Säße er jetzt irgendwo da unten im Biergarten zu Füßen des Turmes, inmitten der vom Schauen durstig gewordenen Besucher, bräuchte man ihm nur aufs Bierglas zu schauen. Letztlich ist es aber egal, ob man sich nun für Turmweisse, Alte Liebe oder Sportsfreund entscheidet, den authentischen Weißbiergenuß hat man beim Kuchlbauer immer.

Der Architekt, der den Turmbau nach Hundertwassers Tod schließlich realisierte, zeichnet auch für das bemerkenswerte Kunsthaus verantwortlich und tritt damit in Fußstapfen, die ihm durchaus nicht zu groß sind, weshalb man das Gebäude ihm zu Ehren das Peter-Pelikan-Haus nennt. Natürlich ist allein schon der Baustil mit den bunten Fußböden, den krummen Balustraden und den versetzten Ebenen eine Hommage an Hundertwasser. Aber hat man es erst einmal betreten, sich vielleicht gar der Führung anvertraut, wird man sich der Faszination der dunkelbunten Hundertwasser‘schen Gedankenwelt kaum mehr entziehen können – und verläßt das Gebäude schließlich anders, als man es eine gute Stunde vorher betreten hat.

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Viel Verkehr heute

Für unseren letzten Reisetag haben wir uns zwei weitere Museen vorgenommen: das Verkehrszentrum des Deutschen Museums und das Schloss Oberschleißheim. Vorher statten wir noch der Probebühne des Münchner Residenztheaters einen kurzen Besuch ab, denn dort will die Liebste demnächst unter der Leitung von Anna Tsuri für „Peter und der Wolf“ proben.

Und noch vorherer frühstücken wir. Nicht im Hotel, sondern in einem kleinen Konditorei ganz in der Nähe. Laut Internet öffnet sie um 8 Uhr. Durch die Schaufenster ist jedoch zu sehen, dass drinnen die Stühle auf den Tischen stehen. Dabei ist es bereits kurz vor halb neun! Nun, wahrscheinlich sind gerade Betriebsferien, denke ich mir, schaue aber vorsichtshalber auf die Eingangstür. Zu meinem Erstaunen steht sie offen. Wir gehen also hinein und machen uns bemerkbar. Eigentlich öffnen wir erst um neun Uhr, gibt eine freundliche Stimme Auskunft. Und so steht es auch auf den Speisekarten, die nun auf den zwischenzeitlich korrekt von Stühlen umstellten Tischchen stehen. Aber wir könnten gerne auch schon jetzt ein Frühstück haben.

Solcherart gestärkt suchen wir jetzt unsere U-Bahn-Station auf. Die U2 muss zur Zeit baustellenbedingt im Bahnhof Wettersteinplatz wenden. Und das bedeutet, dass alle Fahrgäste hier aussteigen müssen. Auch wir, die wir gerade erst eingestiegen sind und Platz genommen haben? Das Mißverständnis ist schnell geklärt. Am Hauptbahnhof gilt es dann, in die U4 oder U5 umzusteigen – je nachdem, welche zuerst kommt. Die U4 gewinnt zwar, fährt aber heute verkürzt, so dass es letztlich eben doch die U5 wird.

Das Verkehrszentrum befindet sich in den alten Münchner Messehallen. Von der U-Bahn kommend muss man, um zum Eingang zu gelangen, erst noch den großen gepflasterten Platz überqueren. Dann aber steht man auch schon in der ersten von insgesamt drei Hallen. Es geht hier um Autos und um Nahverkehr. Wie klein doch die PKWs früher waren! Und das gilt nicht nur für den Heinkel Kabinenroller, sondern auch für den daneben geparkten Opel GT, zu seiner Zeit ein Traumauto. Haupt-Blickpunkt ist aber natürlich der große blaue Münchner U-Bahn-Wagen der ersten Generation, flankiert von einer grünen Nürnberger Straßenbahn und ihr gegenüber einer alten Fahrradwerkstatt. Ja, genauso sah in den 1960er Jahren die Werkstatt aus, die ich als Kind so oft aufgesucht hatte, um mit dem Nachbarsjungen im Hof Fußball zu spielen. In der zweiten Halle stehen eine wuchtige Dampflok und ein moderner ICE Seite an Seite, man kann zwischen ihnen entlang laufen und im weiteren Verlauf auch noch so allerhand weiteres Rollmaterial bewundern, ein Schweizer Krokodil zum Beispiel. Vor der rückseitigen Längswand stehen ein paar weitere Autos versammelt, und an der Stirnseite schaut man einer Zahnradbahn auf die Zahnräder. Der Übergang zur dritten Halle befindet sich im oberen Stockwerk. Um drüben wieder hinunter auf den Flur zu gelangen, kann man sich einer Rutsche anvertrauen: huiii, was für ein Spaß! Dabei wären auch die Exponate in der oberen Etage des Anschauens wert gewesen. Aber es gibt ja schließlich Treppen, und die funktionieren in beide Richtungen. Oben stehen die Konzeptfahrzeuge, unten der Rennsport, und ganz hinten gibt es noch eine Sonderausstellung über den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof, Stichwort Stuttgart 21.

Unser Auto parkt derweilen brav im Schatten eines Giesinger Baumes gleich neben der Probebühne, verkehrsgünstig zu erreichen via U1 und den Bahnhof, der genauso heißt wie sein Stadtteil. Denn da wir noch einen weiteren Besuch planen und für dieses Ziel an die nördliche Peripherie müssen, verbinden wir auf diese Weise ökonomisch Nahverkehr und spätere Heimreise.

In Schleißheim kennen wir uns ja bereits ganz gut aus, vorgestern habe ich im Bereich des Alten Schlosses einen schönen Parkplatz mit schattenspendenden Bäumen erspäht, den wir nun ansteuern. Zwar hätte auch das Neue Schloss einen Parkplatz gehabt, noch dazu näher am Eingang, dafür aber völlig schattenlos. Wo genau befindet sich denn überhaupt dieser Eingang? Nun, folgen wir einfach der zielstrebig auf die nordwestliche Ecke zusteuernden Familie vor uns! Wie sich herausstellt, wollen die aber gar nicht ins Schloss, sondern in den Park. Der Schlosseingang wäre, vom falschen Parkplatz her nicht sichtbar, in der Mitte der langen Westfront gewesen.

Und dann stehen wir endlich im ersten Saal, einer Säulenhalle mit prächtigem Dekor. Man weiß gar nicht, wohin man zuerst weitergehen soll, in die angrenzenden Säle oder die marmorne Treppe hinauf, wo einen weitere Säle erwarten, einer schöner als der andere, wir können uns kaum losreißen von den bunten Deckengemälden. Vor lauter Bewunderung hätten wir beinahe die bemerkenswerten Stuckköpfe im Treppenhaus übersehen. Doch was ist das, meldet sich da etwa schon wieder der Kleine Hunger? Drüben im Alten Schloss haben wir vorhin einen schönen großen Biergarten mit SB-Restaurant gesehen: zwei Portionen Rostbratwürste mit Sauerkraut und ein kühles Getränk sind genau das, was wir jetzt brauchen. Und dann marschiert auch noch die Blaskapelle einer Hochzeitsgesellschaft auf. Man hebt die Krüge, um die Braut hochleben zu lassen, aber was ist das denn? Den Trinkspruch „Eins – Zwei – Getrunken!“ hatte ich irgendwie anders in Erinnerung?! Egal, die Stimmung jedenfalls könnte nicht besser sein.

Unser Tischnachbar freut sich, dass es uns in Schleißheim so gut gefällt, schließlich seien das hiesige Schloss und der Park mindestens genauso schön wie das von den Touristen favorisierte Nymphenburg. Auf dem Weg zur Autobahn nach Nürnberg könne man übrigens recht günstig bei Allguth tanken. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und finden die besagte Tankstelle. Oder vielmehr dessen Preistafel. Aber wo sind hier die Zapfsäulen? An der Hauptstraße nicht, und hinten bei der Einfahrt zur Waschstraße auch nicht. Jemand der aussieht, als kenne er sich hier aus,  schickt uns in die Straße gegenüber, der wir einfach nur ein Stück weit folgen müßten. Leider haben wir aber erneut kein Glück, fahren kreuz und quer, befragen das Navi nach Tankstellen in der Nähe und entdecken schließlich einen Wegweiser, der aus der anderen Fahrtrichtung nicht zu erkennen war, da hinter Strauchwerk versteckt. Nun steht der entspannten Heimfahrt nichts mehr im Wege, um Punkt 20 Uhr 15 sind wir zuhause.

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Die Grotte des Kini

Heute vor 139 Jahren, am 14 Juni 1886, ertrank König Ludwig II. von Bayern auf ungeklärte Weise im Starnberger See. Schon wenige Tage später wurden seine Prachtbauten für gewöhnliche Besucher geöffnet. Für ungläubiges Staunen sorgte dabei die „Wundergrotte“, die sich der „Kini” im Park von Schloss Linderhof hatte erbauen lassen: eine künstliche Höhle mit einem Höhlensee, darauf ein Muschelboot als Requisite für den Tannhäuser aus Richard Wagners gleichnamiger Oper. In diesem einzigartigen Theater gab es nur einen einzigen Zuschauer, nämlich den König selbst. Sein Platz war oben auf dem Pfauenthron, zu dem einige Stufen hinaufführen.

Die Führungen in der nunmehr wieder zugänglichen Grotte beginnen um 9 Uhr und dann alle 20 Minuten. Ob man es in die erste Guppe des Tages schafft, hängt natürlich von der Situation an der Kasse ab: hatte man Pech und eine Reiseleiterin mit einer Tasche voller Bargeld vor sich, reicht die verbliebene Zeit nicht mehr aus, um noch die erste Führung des Tages zu erreichen, denn zur Grotte heißt es ein Stück weit bergan zu laufen, eine Viertelstunde etwa, je nach Kondition. Wie man uns oben sagt, hat heute kein einziger Besucher die Herausforderung bewältigt, an ein Zeitfensterticket schon für 9 Uhr zu kommen, um vor den ersten Reisegruppen an den Gestaden des Grottenmeeres zu stehen und aus verborgenen Lautsprechern Richard Wagners zauberhaften Klängen zu lauschen, während sich zugleich blaues, von der gleichnamigen Grotte auf Capri inspiriertes Licht über die Szenerie ergießt.

Die Wundergrotte, deren Steintür sich jetzt wieder hinter uns schließt, ist aber nicht das einzige faszinierende Bauwerk hier oben. Nur einige Schritte entfernt steht auf einer Terrasse mit malerischer Aussicht der Maurische Kiosk, dessen Inneres durch die bunten Glasfenster in zauberhaftes Licht getaucht erscheint. Ganz hinten schlagen drei kristallene Pfauen ihr farbenprächtiges Rad. Natürlich darf kein Besucher dort hinein, aber die bodentiefen Glasfenster gewähren einen ausreichenden Einblick.

Der Weg hinab zum Königsschlößchen führt über den offenen grünen Musikpavillon und dann durch einen herrlichen Laubengang. Eigentlich sind es sogar deren zwei, einer links und einer rechts der Wasserkaskade. Unten angekommen heißt es, sich in die richtige Warteschlange für die Schlossführung einzureihen. Zum Glück ist unsere Schlange nur genau zwei Personen lang, nämlich wir beide, und erst kurz bevor es losgeht, kommen noch eine Handvoll weitere hinzu. Drinnen geht es im Uhrzeigersinn durch die verschiedenen Räume, das königliche Schlafzimmer liegt nach hinten hinaus und der Speisesaal mit dem berühmten Tischlein-deck-dich an der Ostseite. Hatten wir nicht vorhin schon einen dieser schönen Porzellanpfauen? Richtig, es gibt nämlich zwei davon, und immer wenn der König anwesend war, standen sie draußen vor der Tür.

Die große Wasserfontäne im Schlossteich wird immer nur für kurze Zeit in Betrieb genommen, wahrscheinlich reicht der Wasserdruck nicht für Dauerbetrieb. Punkt 11 Uhr baut sich der gischtende Strahl auf und verbreitet angenehme Kühle, denn heute ist ein sonniger und warmer Frühsommertag.

Der Schlosspark hat abseits der verspielten neubarocken Wasserkunst noch viel mehr zu bieten, vorausgesetzt man ist einigermaßen gut zu Fuß und scheut auch nicht den langen Weg bis hinunter zum Verbotenen Tor ganz am Ende des Parks, denn dort in der Nähe steht die Hundinghütte. Es ist nicht mehr dieselbe wir zu König Ludwigs Zeiten und steht auch nicht mehr am ursprünglichen Platz, denn das Original war dort 1945 abgebrannt, und die Rekonstruktion ist aus diversen Gründen hier im Schlosspark besser aufgehoben. Damit sie nicht dasselbe Schicksal erneut ereilt, hat die Schlösserverwaltung einen Aufpasser abkommandiert. Ob wir Wagnerianer seien, versucht der sympathische Baum- und Schwerthüter unser Vorwissen zu testen, während ich ihm zugleich seinen Arbeitsplatz neide, denn es ist ein sehr angenehmer und verträumter Ort, der mit seinem Waldweiher zum Verweilen und Philosophieren einlädt, wie es dazumal wohl auch der Märchenkönig ausgiebig praktiziert hat. Der Baum freilich, um den die Hütte herum konstruiert ist, will mir ein wenig exotisch erscheinen, denn eine Buche trägt für gewöhnlich kein Eschenlaub.

Vorbei an Gurnemanz’ Einsiedelei wenden wir uns nun wieder dem westlichen Parkteil zu, wobei wir uns zum Glück für den Weg über die Hügel entscheiden, denn der ist mit Tafeln garniert, welche die geplanten, aber nicht realisierten Parkbauten erläutern. Auch der marmorne Pavillon am Endpunkt des Weges war eigentlich als Platzhalter für den Theaterbau gedacht, der hier entstehen sollte: im schlosswärtigen Hang sind noch die heute grasbewachsenen Rampen für die Pferdekutschen erkennbar, und der Blick von hier oben auf das Königsschlößchen ist so märchenhaft, dass man, hätte man an einen Rucksack mit Verpflegung gedacht, durchaus länger hier verweilen könnte und möchte. Letztlich gewinnt aber die Sehnsucht nach einem schattigen Biergarten die Oberhand, und nach einer kurzen Visite im Raum, der direkt neben den Kassenschaltern die Sanierung der Venusgrotte dokumentiert, schlägt das entsprechend instruierte Navi vor, sich nach Oberammergau zu wenden. Den dortigen Biergarten gibt es zwar, leider aber heute ohne Bewirtung. Immerhin versorgt uns aber der nebenan gelegene Supermarkt mit dem nötigsten: Wurst, Brötchen und Bierdosen. Wenn wir jetzt noch einen hübschen schattigen Parkplatz fänden? Im Idealfall, bevor wir die Autobahn erreichen? Letztlich wird es, rund eine Stunde später, aber dann doch der vertraute Stellplatz hinter dem Hotel.

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Zum Gärtnerplatz via Flugwerft

Unsere Landeshauptstadt München verfügt nicht nur über ein attraktives kulturelles Angebot, sondern auch über einen hervorragenden Nahverkehr, der allerdings einen großen Nachteil hat: nach dem Ende der Vorstellung erreicht man den letzten Regionalzug zurück nach Nürnberg nicht mehr. Da man andererseits aber ja auch nicht mit dem Auto ins Stadtzentrum fahren will, steigt man idealerweise in eine U-Bahn um, die einen vom nördlichen Stadtrand direkt bis vor das gewünschte Ziel bringt. Für das Gärtnerplatztheater wäre das die U2, die in Feldmoching ihre nördliche Endstation hat. Man könnte sich dann, so man wollte, tagsüber auch noch der einen oder anderen Attraktion von Schleißheim widmen und hätte somit ein optimales Tagesprogramm.

Allerdings wollen wir tags drauf auch noch in den Ammergau, um im Graswangtal die frisch restaurierte und vor kurzem neu eröffnete Venusgrotte von Schloss Linderhof zu besuchen. Hierfür sucht man sich dann doch besser eine Operationsbasis im Süden von München, um von dort möglichst frühzeitig beim Schloss Linderhof einzutreffen, in dessen Park sich die Grotte befindet. Schön und gut, aber dann entfiele ja Schleißheim?! Samt Flugwerft und Schloss! Das kommt natürlich nicht in Frage, und so lautet der Plan schließlich: von Schleißheim mit dem Auto zum Motel One Campus München, abends dann mit der U1 zum Gärtnerplatz und nach der Vorstellung wieder zurück, am nächsten Morgen per Auto nach Linderhof und ebenfalls wieder zurück, am dritten Tag schließlich das Auto an der U2 parken, mit dieser und der U5 zum Verkehrszentrum und wieder zurück zum Auto und nach Schleißheim, um dort in angenehmer Nähe zur heimwärts führenden Autobahn das Besichtigungsprogramm abzuschließen. Kompliziert? Mitnichten.

Die kleine Straße zu Flugwerft in Schleißheim unterquert zunächst zwei Torbögen, die Teil des Alten Schlosses sind, und endet an einem Parkplatz, auf dem nur gerade eine Handvoll Autos steht. Es ist ein heißer Sommertag, der erste in diesem Jahr, und wir sind froh, noch einen Parkplatz im Schatten zu ergattern. In der Flugwerft, einer Außenstelle des Deutschen Museums München, ist heute ausgesprochen wenig Publikumsverkehr. Die Verwaltung hat die Halle gut aufgeräumt, der rote Fokker-Dreidecker und seine insgesamt 6 Tragflächen stehen alle ordentlich nebeneinander. Am Flugsimulator hängt ein Schild „außer Betrieb“. Es scheint in dieser ersten Halle um die Pionierzeit der Fliegerei zu gehen, mit allerlei Schulungsflugzeugen wie der Udet Flamingo oder der Etrich-Rumpler Taube, dem rumpflosen Nurflügel-Segelflugzeug Horten IV, bei dem der Pilot bäuchlings im Mittelsegment unterkam, und einem Fluggerät der Gebrüder Wright, das auf den ersten Blick seltsam asymmetrisch aussieht: warum hat man den Motor denn nicht mittig plaziert? Nun, so ein Flugzeug braucht ja auch einen Piloten, und schon stimmte die Masseverteilung wieder.

Der deutlich größere Teil der Ausstellung befindet sich im Hangar, den man über ein Verbindungsgebäude mit allerlei Kleinexponaten, vorwiegend Modelle, erreicht. Hier drüben stehen so wuchtige Maschinen wie die als Berliner Rosinenbomber bekannte DC-3 oder die Heinkel He 111, aber auch Hubschrauber aller Art, der berühmte Senkrechtstarter DO-31, das Experimentalflugzeug VFW ATTAS mit der ungewohnten Anordnung der Strahltriebwerke über den Tragflächen statt darunter, einige Hubschraubern wie die Bo 105 und am hinteren Ende der Halle eine Versammlung von Kampfjets wie Starfighter oder Alphajet. Bei der großen alu-verkleideten Walze mit den vier gigantischen Trichtern am einen Ende handelt es sich um die erste Stufe der letzten gebauten Europarakete F15, die dann aber nicht mehr zum Einsatz kam. Und auch die zweite Stufe hat ihren Weg hierher in die Halle gefunden. Das größte Exponat des Museums aber steht draußen auf der Freifläche: es ist eine olivgrüne Transall, also ein Militärtransporter.

Schade, dass das Museum über keinerlei Gastronomie verfügt, aber drüben beim Parkplatz hatten wir den Aushang einer Pizzeria gesehen. Sie befindet sich nur hundert Schritte entfernt und lockt mit schattigen Tischen und freundlicher Bedienung. Vom Flugzeugbesichtigen schon etwas ermattet, ordern wir je eine Pizza, ehe wir schließlich zu unserem Hotel aufbrechen.

Wie immer, wenn man mit dem Auto anreist, stellt sich die Frage: wo parken? Das Motel One preist natürlich seine Tiefgarage an, aber der Parkschein oben an der Straße, wo das Auto jetzt steht, ist um ganze vier Euro günstiger. Man kann den Apparat mit Münzgeld füttern, aber wer trägt schon 11 Euro in klein mit sich herum? Scheine nimmt er nicht, Karten auch nicht. Man kann ihm auch keine SMS mit der Autonummer und der gewünschten Parkzeit schicken. Und so bleibt nur noch die Möglichkeit, die zugehörige App herunterzuladen – und sich darin erst einmal zu registrieren. Eingeweihte ahnen schon, was jetzt passiert: man vergibt einen Benutzernamen und ein Passwort, muss dann auf einer zweiten Seite weitere Daten über sich preisgeben und ebenso auf einer dritten. Adresse, Geburtsdatum, Handynummer, Schuhgröße – inwiefern bitte ist das alles fürs Parken relevant? Und bin ich jetzt fertig? Nein, jetzt muss noch das Auto registriert werden. Und jetzt? Zahlungsdaten! Natürlich, die App muss das Geld ja von irgendwo einziehen. Also Visa-Karte herauskramen und alles eingeben, samt Karteninhaber, Ablaufdatum und Prüfziffer. Abgelehnt! Habe ich mich vertippt, oder hakt es technisch wieder mal irgendwo? Aha, es wird auch Lastschrift angeboten, sprich: Kontoinhaber und IBAN, also jene 18 Ziffern, für die man eigentlich drei Hände bräuchte, um sie ins Smartphone zu übertragen. Jetzt fertig? Nein, ein Fehler ist aufgetreten. Wahrscheinlich hat das alles viel zu lange gedauert, und ich stehe ja auch schon seit einer Viertelstunde quasi illegal auf dem Parkplatz. Aber dann funktioniert es plötzlich doch, ich kann den Bezahlvorgang starten und habe nun Ruhe bis morgen früh um 9 Uhr. Zudem können wir jetzt überall in München, wo diese Automaten stehen, das Parken direkt vom Auto aus per Knopfdruck starten. Wir werden darauf zurückkommen.

Wie kommen wir denn nun von hier zum Gärtnerplatz? Der übrigens nicht so heißt, weil er so schön mit Blumenrabatten gestaltet ist, sondern weil damit der Architekt Friedrich von Gärtner geehrt werden soll, Erbauer des Aschaffenburger Pompejianums und der Kelheimer Befreiungshalle. Wie dem auch sei, es ist ein wunderschönes Theater und eine ebenso schöne Operette, wie bei Johann Strauss nicht anders zu erwarten war. Vorher aber müssen wir anhand der Reihen- und Platznummer unsere Stühle finden. Nur beginnt die zweite Reihe nicht mit 18 und 20 wie die dritte, sondern mit 26 und 28, und ein Stück weiter rechts wären ja schon im Bereich von Tür 2. Die Saaldienerin verweist uns auf die Reihe 3, wir lehnen natürlich ab. Des Rätsels Lösung ist, dass die zweite Reihe über deutlich mehr Plätze verfügt als die dritte, daher die Diskrepanz. Und wer sitzt nun genau zwischen uns auf der 19? Niemand, denn genau wie bei den Hausnummern gibt es rechts nur gerade und links nur ungerade Zahlen.

Ob Johann Strauss es so geplant hatte, dass seine Waldmeisterbowle-Besoffenen sich im dritten Akt, spärlich bekleidet, erotisch so nah kommen wie gezeigt? Nun, wie sagte doch der bekannte Juror eines RTL-Tanzwettbewerbs so schön: dran ist nicht drin. Zum Abschluß gab es viel Applaus, denn es war wirklich eine sehr gelungene Aufführung.

Bei der Rückfahrt zum Hotel heißt es aufpassen, denn von der Fraunhoferstraße gehen mehrere Linien ab, von denen nur die U1 den Ast befährt, an dem auch unser Ziel liegt: der Wettersteinplatz.

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Vom Frauenschuh zum Glücksdrachen

Es gibt einen Berghang in der Fränkischen Schweiz, den ich mit meinem Papa in den vergangenen Jahren so oft aufgesucht hatte, dass wir uns dort schon fast wie zuhause fühlten: mit jedem Baum und jedem Strauch waren wir quasi per Du, kannten jede Wegbiegung und natürlich auch jede Stelle, an der es sich lohnte, ein paar Augenblicke lang zu verweilen, um den Blick in die Ferne zu genießen, das Summen der Insekten, den Duft der Wiesenkräuter oder das Zwitschern eines Vogels.

Ganz besonders liebten wir aber die botanischen Raritäten entlang des Weges und erfreuten uns an deren jährlichem Stelldichein an den vertrauten Stellen: das Heckenrosengestrüpp etwa, bei dem sich Jahr für Jahr ein paar Blütenstände der Bocksriemenzunge zeigten, jener heimischen Orchidee, deren Einzelblüten ungewühnlich lang und an ihren Enden spiralig aufgerollt sind, und die angeblich nach Ziegenbock riecht. Weit weniger auffällig sind im Vergleich dazu die kleinen Bienen-Ragwurze, die sich ganz in der Nähe um ein ähnliches Gesträuch gruppieren. Hat man erst einmal seine Augen an einer der insektengroßen Blüten geschärft, entdeckt man ringsum meist noch ein paar weitere. Heute aber nicht: entweder hatte die Art ein schlechtes Vorjahr, oder aber die Knospen verbergen sich noch so tief in den Blattrosetten, dass man sie nicht vom Gras unterscheiden kann.

Am liebsten würde ich an diesem herrlichen Fleckchen Erde noch für einige Zeit verweilen, den Blick am Hochsitz vorbei über das weite Land schweifen lassen und dabei an meinen Papa denken, der diese Fernsicht auch stets sehr genossen hatte, bevor wir wieder zurückliefen zum Wanderparkplatz. In den letzten Jahren strengte ihn der Weg und vor allem die kleine Steigung jedoch zunehmend an, und wir wanderten auch nicht mehr weiter zum Aussichtspunkt mit den Sitzbänken. Seit diesem Jahr ist er nun nur noch in meinen Gedanken mit von der Partie.

Ganz sicher hätte er auch heuer wieder vorgeschlagen, jenes Wäldchen aufzusuchen, wo unsere schönste heimische Orchidee, der Frauenschuh, in recht beträchtlicher Zahl vorkommt. Man muss die Stelle in einem lockeren Buchenlaubwald allerdings kennen, sonst findet man sie nicht. Und da sind sie auch schon: zuerst nur ein paar einzelne verstreute Blüten, aber schon ein Stück weiter heißt es dann aufpassen, wohin man tritt. Jede Pflanze trägt nur eine oder zwei Blüten, die aus jeweils einer pantoffelförmigen gelben Insektenfalle und vier weiteren rostroten Blütenblättern besteht. Eigentlich sind es sogar deren fünf, von denen zwei so verwachsen sind, dass nur die doppelte Spitze das kleine Geheimnis verrät.

Nun ist es aber an der Zeit, zum eigentlichen Ziel unserer heutigen Fahrt aufzubrechen: wir wollen auf der Bühne der Luisenburg-Festspiele eine öffentliche Probe miterleben. Um die Fahrt ins rund 100 Kilometer entfernte Wunsiedel etwas interessanter zu gestalten, wählen wir nicht die Autobahn, sondern nehmen von Pegnitz die Strecke über Kemnath. Leider hat die Erinnerungsstätte für den Heldentenor Peter Hoffmann gerade nicht geöffnet, und auch den Gedenkraum für den Komponisten Max Reger lassen wir ebenso links liegen wie zuvor schon das Wurzelmuseum in Tremmersdorf. Denn allmählich melden sich gewisse Hungergefühle, und an der Luisenburg gibt es, wie wir von unserem letzten Besuch wissen, ein SB-Restaurant. Dummerweise hat es aber geschlossen.

Fündig werden wir allerdings unten im Ort bei Lydias Bratwursthaisl, wo es hinter der Imbißhütte einen kleinen Biergarten gibt – so klein, dass nur gerade einmal vier oder fünf Tische darin Platz gefunden haben. Was für ein bezaubernder Ort, um hier mit einer Halben Bier je einen Bratwurst-Cheeseburger hinunterzuspülen.

Den Parkplatz vor der Luisenburg-Bühne kennen wir bereits von unserem ersten Versuch, hier oben an eine warme Mahlzeit zu kommen. Dass wir ein zweites Mal für den Parkplatz bezahlen müssen, ist zum Glück nicht der Fall: das System erfaßt von jedem einfahrenden Auto das Kennzeichen, das man sodann beim Bezahlen in den Kassenautomaten tippen muss. Unterläßt man es, wird eine saftige Vertragsstrafe fällig. Auf dem Hinweisschild steht aber, dass das Ticket 24 Stunden gilt.

Und Hinweisschilder sagen ja bekanntlich immer die Wahrheit: unterhalb der letzten Treppe steht zum Beispiel eines, das auf eine öffentliche Toilette hinweist, mit einem Pfeil in Richtung eben dieser Treppe. Aber wo befindet sich das ersehnte Örtchen denn nun? Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes werden wir fündig. Leider ist aber die Tür versperrt. Und das, obwohl eine Besucherin sagt, sie habe dort vor wenigen Minuten noch jemanden herauskommen sehen. Ich frage am Eingang des Felsenlabyrinths, wie das denn sein kann? Wir schließen in einer halben Stunde, so die Auskunft, also haben wir das Klo geputzt und abgeschlossen. Dann müssen Sie aber doch auch Ihr Hinweisschild wegräumen, mache ich meinem Ärger Luft. Welches Schild? Da unten, unterhalb der Treppe, ein großer Aufsteller mit einem Pfeil drauf! Es stellt sich heraus, dass nicht der Angesprochene, sondern das Hotelrestaurant dieses Schild aufgestellt hat, wahrscheinlich weil bei denen immer wieder Besucher nach einem Klo begehrten. Ich hatte meine Kritik an die falsche Person gerichtet.

Die öffentliche Probe der Festspielbühne läuft etwas schleppend an. Zwar sind die Tickets bereits kontrolliert, aber die Türen zur Tribüne bleiben bis zur letzten Minute geschlossen. Zum Glück stehen wir ganz vorne: der frühe Vogel fängt den Wurm des guten Platzes. Ist ein Arzt anwesend, will plötzlich jemand wissen. Wir haben nämlich einen Notfall. Und müssen deshalb ganz weit zur Seite rücken, werden schließlich sogar durch den kleinen Seiteneingang in den Zuschauerbereich geführt, mit den am längsten Anstehenden als unfreiwilligen Schlußlichtern. Das macht aber nichts, denn die guten Plätze reichen für alle. Und so harren wir der Dinge, die da kommen sollen.

Heute wird die Szene mit dem Spinnennetz geprobt, in welchem sich der arme Glücksdrache verfangen hat, jedoch mit einer List wieder freikommt. Später hat Fuchur, der ganz allerliebst die Augen aufschlagen kann, auch noch eine Szene, in der er seine Flügel ausbreitet und fliegt. Leider mußten eben diese Flügel noch einmal zurück in die Werkstatt, so dass wir nur einen Kopf auf einer Metallkonstruktion zu sehen bekommen. Aber in der Unendlichen Geschichte geht es ja gerade um Phantasie, das passt dann schon. 

Aus den oberen Felsen der Naturbühne tritt soeben eine Stimme heraus. Liegt es an ihren eurythmischen Bewegungen, dass wir die Stimme auch sehen können? Die Stimme wiederum spricht nicht nur, sondern hört auch zu, versteht allerdings nur Gereimtes. Genau hier hat nun das schüchterne Menschenkind Bastian seinen ersten Auftritt, denn Atreju, der nie eine Schule besucht hat, kann nicht reimen. In Wunsiedel wird der Held übrigens von einer athlethischen jungen Frau verkörpert, denn „auch Mädchen können Helden sein“. Wie es mit der Geschichte um das Land Phantasien und seiner Kindlichen Kaiserin weitergeht, wird heute noch nicht verraten.

Es war ein sehr schöner Einblick in die Probenarbeit der Festspielbühne, den wir da bei freiem Eintritt erleben durften, und wir sind schon sehr gespannt auf die fertige Vorstellung – die einzige übrigens, die von den Rechteinhabern autorisiert wurde. Die Fahrt zurück nach Nürnberg verläuft ohne besondere Vorkommnisse.

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Modelleisenbahn im Maßstab 1:1

Als die Menschen noch mehr Zeit hatten als heute, störte sich wohl kaum jemand daran, dass man während der Fahrt von Ebermannstadt nach Behringersmühle quasi einen Blumenstrauß hätte pflücken können, so gemächlich zuckelt das Bähnlein durch die idyllische Landschaft des oberen Wiesenttals. Die Wagen haben Plattformen an beiden Enden, so dass man während der Fahrt in einen anderen Wagen umsteigen könnte, wenn man denn wollte oder der Schaffner wäre, den wir vorhin schon hinter dem Fahrkartenschalter gesehen hatten. Hier auf der DFS, der Dampfbahn Fränkische Schweiz, ist eben alles noch so wie früher. Auf die vorgespannte Dampflokomotive müssen wir heute allerdings verzichten, sie kommt nur jeden zweiten Sonntag zum Einsatz. Man kann eben nicht alles auf einmal haben.

Abfahrt in Ebermannstadt ist um 10.05 Uhr, natürlich warten wir aber auf den etwas verspätet eintreffenden Regionalzug aus Forchheim. Schon bald erblicken wir auf einem Felssporn die markante Ruine Neideck. Von hier weg wird das Tal nun enger, die Felsen rücken näher an die eingleisige Strecke heran, und stellenweise bleibt gerade noch Platz genug für Straße, Flüßchen, Bahngleis und Wanderweg. Hinter Behringersmühle entfällt dann auch das Bahngleis, aber davon später. Zunächst einmal passieren wir den Bahnhof Muggendorf, der heute ein Naturpark-Infozentrum samt Modelleisenbahn beherbergt. Detailliert in H0 dargestellt ist ein Teil des Streckenabschnitts, den wir gerade befahren.

Man könnte hier also aussteigen und dann auch gleich noch hinüberlaufen zum Modelleisenbahnmuseum der Familie Häntzschel mit seinen Anlagen in unterschiedlichen Spurweiten, insbesondere der seltenen Spur S. Oder aber einen der zahlreichen markierten Wanderwege begehen, die es hier gibt. In zwei Stunden käme dann der nächste historische Zug vorbei, um einen wieder mitzunehmen bis zum Endbahnhof, denn wer würde schon freiwillig au den Rest der Fahrt verzichten und gleich hier den Gegenzug nehmen?

Wer wenig Zeit hat oder weder Lust auf Wandern noch Einkehren verspürt, kann im Bahnhof Behringersmühle auch einfach im Abteil sitzen bleiben, verpaßt dann aber das Rangieren der Lok vom einen Ende des Zuges zum anderen. Wir warten noch, bis der Zug pfeifend wieder in Richtung Westen verschwunden ist, dann laufen wir in der entgegengesetzten Richtung los, denn wir wollen nach Tüchersfeld. Natürlich nicht die Straße entlang, sondern auf der anderen Talseite. Aber welches Tal ist das richtige? Ein suchender Blick und die hilfsbereite Auskunft einer Ortskundigen sind quasi eines: wir müssen die Straße und eine Brücke queren und dann einfach nur den Weg folgen. Anfangs noch breit, wird der allerdings immer sparsamer und schließlich zum Trampelpfad. Sind wir hier wirklich richtig? Eine Wegmarkierung, die Gelbe Raute, beseitigt unsere Zweifel, und dann wird der Weg auch wieder besser und führt, von raschelndem Laub bedeckt, am Talrand entlang bis zu einer Fußgängerbrücke, der wenig später eine Straßenbrücke folgt. Von hier weg müssen wir ein Stück weit der Straße folgen, denn unser Wanderweg führt an ein anderes Ziel, irgendwo bergauf. Aber es sind ja nur wenige hundert Meter, die uns noch vom Ziel trennen: dem ikonischen Felsendorf Tüchersfeld.

Ikonisch deshalb, weil hier eine markante Felsengruppe zwischen den Häusern aufragt. Etwa auf halber Höhe zeigt sich einer der Fachwerkgiebel des Fränkische-Schweiz-Museums. Hier könnte man durchaus ein paar Stunden zubringen – oder den Besuch auf einen anderen Tag verschieben, denn wir wollen ja rechtzeitig wieder am Bahnhof sein und vorher auch noch etwas essen. Zum Beispiel im Gasthof zum Fahnenstein, der nach der zweiten markanten Felsgruppe im Ort benannt ist. Um zum Gipfel mit der Fahne zu gelangen, hieße es allerdings Treppen steigen, und das auf leeren Magen. Mit Bier und Schnitzel im Bauch fiele die Tour allerdings erst recht schwer. Kurzerhand streichen wir Gasthaus und Aussichtspunkt und laufen von hier erst einmal den Wanderweg zurück nach Behringersmühle, von wo aus der Rest des Weges überschaubarer ist.

Kuchen und dunkles Bier sind zwar eine eher unübliche gastronomische Kombination, aber die Wirtin hat nichts dagegen einzuwenden, und so runden wir diesen schönen Wandertag hier ab, nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt, wo Punkt 17.05 Uhr der Zug zurück nach Ebermannstadt abdieselt. Es ist der letzte für heute und auch der letzte in diesem Jahr, denn der kommende Sonntag und die Nikolausfahrten stehen beide im Zeichen des Dampfes.

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Bei Rembrandt in der U-Bahn

Wir frühstücken beim „Lukas”, das ist ein Bäckerei-Café ganz in der Nähe der Nicolaikirche, das auch sonntags schon sehr früh öffnet, auch wenn der Andrang zu weniger unchristlichen Zeiten sicher deutlich größer ist und die Serviceroboter, die wir gestern schon bemerkt hatten, sicher mehr zu tun haben als heute. Auch von den drei Bestellterminals macht niemand Gebrauch, obwohl es zu Stoßzeiten sicher sehr angenehm ist, seine Wünsche einfach in den Bildschirm zu tippen und sich dann nach dem Bezahlen per Karte samt PUK, so heißen die kleinen Piepser, an einen freien Tisch zu setzen und auf Robby oder Wally zu warten. Woher wissen die beiden elektronisch Beflissenen eigentlich, wo der Gast Platz genommen hat? Nun, der PUK wird es ihnen verraten haben. Unser Tablett müssen wir natürlich selbst vom Roboter herunternehmen und ihm den PUK übergeben, damit das Maschinchen dann wieder in die Küche rollen und den nächsten Gast bedienen kann. Ciao, Wally.

Viel zu früh stehen wir wenig später vor einem der Eingänge des Museums der bildenden Künste. Es hat deren vier, einen pro Himmelsrichtung. Als um Punkt 10 Uhr der Aufschließer kommt, fällt er sogleich vor uns auf die Knie. Aber nicht aus Ergebenheit, sondern weil sich die Schlüssellöcher für die Glastüren im Fußboden befinden.

Das Museumsgebäude ist ein Kubus von gewaltigen Ausmaßen, wirkt aber dennoch leicht und luftig. Allein bei der Konzeption der Schließfächer hatte der Architekt einen schlechten Tag, denn die Gasse hinter der Kasse mit den Schränkchen zu beiden Seiten ist eng, und man steht sich selbst bei geringem Andrang gegenseitig im Weg. Dafür sind aber die Treppen, von denen es mehrere gibt, recht großzügig bemessen.

Der Bereich für die Sonderausstellungen befindet sich im Untergeschoss. Die sehr geschickte Raumaufteilung läßt keinen Zweifel daran, in welcher Reihenfolge man die Bilder und Zeichnungen betrachten soll. Jedoch kommt relativ schnell das Gefühl auf, man sei akustisch in eine U-Bahn geraten. Denn wer kennt nicht diese typische Geräuschkulisse, wenn sich zum Stimmengewirr im Großraumabteil des abfahrbereiten Zuges das immerfort schrillende Lülo-Lülo der sich auf Knopfdruck in Kürze öffnenden oder gleich schließenden Türen hinzu gesellt, mal laut und in der Nähe, mal weiter entfernt und oft auch gleichzeitig aus mehreren Richtungen? In der Rembrandt-Ausstellung des Leipziger MdbK kann man das ganz genauso erleben. Denn die Gemälde und insbesondere die Zeichnungen  Rembrandts und seiner Zeitgenossen sind lichtempfindlich und die Beleuchtung entsprechend gedimmt, während gleichzeitig die Texte auf den Täfelchen klein sind. Und so unterschreitet in der weitläufigen Hängungsrunde alle paar Sekunden ein sich vorbeugender Kopf oder eine auf Details zeigende Hand den per Bodenlinie markierten Sicherheitsabstand, so dass Alarm und Wachpersonal den Täter, so er sich denn als solcher wahrnimmt, zurückzucken und für den Rest seines Rundgangs mehr auf die Linie denn auf die Kunst achten läßt. Aber die akustische Sensibilisierung wirkt natürlich nur bei jenen, die einmal damit in Konflikt geraten sind, die neu Hinzukommenden hingegen wissen noch nichts von der hohen Empfindlichkeit der Abstandswarner.

Das MdbK verfügt auch über eine umfangreiche Dauerausstellung, die sich in den oberen Stockwerken befindet. Der Lift nach oben führt freilich ein etwas verstecktes Dasein und läßt sich auch sehr lange bitten, so dass wir am Ende dann doch die lange Treppe nehmen. Oben angekommen, tut sich eine Welt auf. Eine Welt voller Gemälde, von denen viele Weltruf genießen, Caspar David Friedrichs Lebensalter zum Beispiel oder Claude Monets „Boote am Strand von Etretat”. Das Lieblingsmotiv des Verfassers ist hingegen weit weniger spektakulär. Es zeigt ein Gerippe, das gerade einem dringenden Bedürfnis nachgeht. Den „pinkelnden Tod” nannte Max Klinger sein Werk.

Wer mit der Bahn fährt, kann das Leben in vollen Zügen genießen. Und das sogar, wenn in der Fahrplanauskunft „geringe Auslastung“ stand. In der Sitzgruppe gegenüber hat sich eine junge Frau niedergelassen, die über geschlossene Kopfhörer mit irgend jemandem telefoniert. Sich akustisch in einer anderen Umgebung wähnend, spricht sie natürlich viel zu laut und bekommt auch nicht mit, dass sie die anderen Fahrgäste mit ihren intimsten und privatesten Details beschallt. So weiß schon bald das ganze Abteil, wann und wo sie sich mit ihrem Gesprächspartner treffen will. Und dass sie der Freundin, die morgen Geburtstag hat, eigentlich den weißen Pullover schenken wollte, den sie nun aber schon hat. Als der Zug in einem Bahnhof hält, schreckt sie auf: wo sind wir hier eigentlich? Und wie aus einem Mund antworten die Mitreisenden: „In Breitengüßbach!“

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Ein Tag voller Musik

Um nach Leipzig zu gelangen, haben wir uns für eine sehr ökonomische Lösung entschieden, nämlich den Regionalzug. Die Verbindung besteht aus zwei Teilstrecken, einmal von Nürnberg nach Saalfeld über Bamberg, Schweinfurt und den ehemaligen Grenzbahnhof Probstzella, und dann noch einmal von Saalfeld über Gera nach Leipzig Hauptbahnhof. Der erste Zug ist ein Doppeldecker, der zweite ein relativ kleiner und bis auf den letzten Platz ausgelasteter Dieseltriebwagen. Heute ist ein herrlicher Herbsttag, die höher steigende Sonne läßt Nebelschwaden aus den frisch gepflügten Feldern emporsteigen. Abgesehen von einem lautstark schnarchenden Mitreisenden, der für die Fahrkartenkontrolle erst mühsam geweckt werden muss, haben wir recht angenehme Mitreisende, insbesondere den Achtjährigen, der voller Stolz berichtet, er sei mit seinen Eltern und dem kleinen Bruder unterwegs zum Rummel nach Leipzig, der viel größer und schöner sei als zuhause in Gera.

Leipzig ist ein Kopfbahnhof, man läuft vom Bahnsteig schnurstracks hinaus auf den Vorplatz, überquert ein paar Straßenbahngleise und ist dann auch schon in der verkehrsberuhigten Altstadt, wo wir nach wenigen hundert Metern zur Rechten das Motel One vorfinden. Das Zimmer ist noch nicht bezugsfähig, aber wahrscheinlich sehen wir so ermattet aus, dass die freundliche Rezeptionistin verspricht, uns in einem der ersten unterzubringen, die heute frei werden, und stellt auch unsere Koffer unter, so dass wir uns frei in der Stadt bewegen können.

Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, denn wir haben uns für die zwei Tage einiges vorgenommen. Auf dem Besuchsprogramm steht zunächst einmal das Museum für Musikinstrumente, das ein Teil des Grassimuseums ist und mit einem viertelstündigen Fußmarsch erreichbar.

Wie groß mag das Museum wohl sein? Man ist ja immer gut beraten, sich vorab zu überlegen, wie viel Zeit man hat und wieviel man davon in die einzelnen Säle und Themen investieren will. Aber wie viele gibt es? Kann man sich auch Zeit für die eine oder andere Hörprobe nehmen? Die hier nicht wie anderswo über einen Hörer eingespielt werden, sondern stets den ganzen Raum beschallen? Was je nach Besucherstruktur aber durchaus Vorteile hat, besonders wenn jedes Instrument über einen anderen Lautsprecher eingespielt wird.

Sehen wir uns also den ersten Saal an. Es geht um Streichinstrumente mit 18 Saiten, die weiß der Geier wie gestrichen wurden, Im zweiten dann um Klaviere mit geteilten Obertasten und im dritten um das Musikleben zu Bachs Zeiten. Als nächstes folgt nun der Konzertsaal mit der berühmten Silbermann-Orgel, und zu guter Letzt führt der Weg durch drei weitere Säle wieder hinaus ins Foyer mit den Kassen und dem Übergang zum anderen Museum im Grassi, dem Museum für Völkerkunde. Aber das heben wir uns für einen anderen Besuch auf.

Was uns bei den Instrumenten auffiel waren vor allem die vielen Möglichkeiten, die Tafeln mit den einführenden Texten unterzubringen. Mal hingen sie an der Wand wie in anderen Museen auch, dann wieder seitlich an der Vitrine und einmal sogar an der rückseitigen Vitrinenwand. Und dann die vielen exotischen Instrumente! Was wie (eine Kommode mit vielen seitlich ineinander gesteckten Schüsselchen) die Auslage eines Porzellanladens aussieht, ist eine Glasharmonika. Sie wird mit angefeuchteten Fingern gespielt, das Schwämmchen dafür liegt griffbereit. Eindruck machen auch die selbstspielenden Geräte in allen Größen, von der Lochstreifen-Mundharmonika bis hin zum schrankgroßen Orchestrion des Leipziger Herstellers Hupfeld.

Zurück im Hotel ist das Zimmer 330 soeben fertig geworden. Die Innenstadtlage hat den Vorteil, dass wir nicht lange nach einem Imbiß suchen müssen, die Wahl fällt auf den Asiaten gleich nebenan. Reis mit Stäbchen zu essen ist übrigens eine echte Herausforderung.

Heute Abend haben wir Karten für die Musikalische Komödie. Gegeben wird die wohl bekannteste Operette von Johann Strauß: „Die Fledermaus”. Zuerst aber gilt es, die im Stadtteil Lindenau gelegene Spielstätte zu finden. Wir nehmen die Straßenbahn zur Haltestelle „Angerbrücke“ und plaudern während der Fahrt mit einer jungen Mutter über deren Pläne, den aufgeweckten Sohn nächstes Jahr bei den Thomanern einzuschulen, wo er vielleicht eines Tages Chorknabe wird. Das letzte Stück Weges gehen wir zu Fuß. Schneller als erwartet, denn der Park war nur ein Grünstreifen und der Fluß nur ein Bach, stehen wir vor einem eingerüsteten Bau und wären beinahe daran vorbei gelaufen, hätten wir nicht die vielen vor dem Eingang wartenden Leute bemerkt. 

Der Theaterbau strahlt samt Personal den nüchternen Charme der DDR aus, aber wir haben gute Sicht auf die Bühne und sind schon bald von der pfiffig inszenierten Handlung und der schönen Musik begeistert. Es geht um einen Mann, der wegen Beleidigung einer Amtsperson eine Haftstrafe antreten und deshalb seine hübsche junge Frau für ein paar Tage allein lassen muss. Beide nutzen die Gelegenheit, sich bis zum Morgen ohne Wissen des anderen zu amüsieren: er beim Maskenball des Prinzen Orlowsky, sie mit ihrem heimlichen Liebhaber, der dann aber für den vermißten Häftling gehalten wird und sich, um die Dame nicht zu kompromittieren, abführen lassen muss. Ganz nebenbei weilt auch die Kammerzofe keineswegs bei ihrer angeblich kranken Tante, sondern auf dem bewußten Ball. Verständlich, dass sich nun allerhand Verwicklungen ergeben, insbesondere als auch noch die Ehefrau maskiert die Szene betritt und ihrem Mann, der sie nicht erkennt, als Beweis seiner Untreue die Taschenuhr abluchst. Zudem wird die Zofe im rosa Fummel ihrer Herrin, momentan aber eben ohne denselben, angetroffen. Mehr soll aber nun wirklich nicht verraten werden.

Die Rückfahrt mit der Straßenbahn zum Hotel verläuft relativ ereignislos.

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Meisterhafte Häuser

Der Tag ist noch jung, und die Rückreise nach Nürnberg wird knapp 5 Stunden in Anspruch nehmen. Welches attraktive Zwischenziel könnten wir uns vornehmen? Die Wahl fällt auf das Bauhausmuseum in Dessau, die zugehörige Adresse ist schnell gefunden. Zwei Stunden später stehen wir vor dem markanten bauhaustypischen Gebäude. Der Eintritt ist frei, denn heute ist Tag des offenen Denkmals. Und um ein solches handelt es sich ja auch.

Dass er sich in einem ehemaligen Schulgebäude befindet, würde hier selbst ein Blinder merken. Für Sehende gibt es einen Lageplan: Bauhausgebäude, Meisterhäuser, Bauhaus Museum. Aha, das Museum befindet sich also ein Stück abseits. Dies ist einer jener Augenblicke, in welchem sich von jetzt auf gleich ein jahrelang gepflegter Irrtum lichtet: Bauhausgebäude und Bauhausmuseum sind keineswegs ein- und dasselbe. Der Wegweiser draußen an der Straße verrät, dass die Wegstrecke zwischen beiden fast eineinhalb Kilometer beträgt.

Nun gut, dann besichtigen wir eben zuerst die Reihe der Meisterhäuser, denn die liegen nur 600 Meter entfernt. Auf dem Lageplan ist das praktisch gegenüber. Aber der Lageplan ist nicht maßstäblich. Nach gefühlt einem Kilometer Fußmarsch stehen wir vor dem ersten Haus – und werden etwas unfreundlich empfangen: nein, die Bauhaus-Eintrittskarten gelten hier nicht. Nein, es sind auch in den nächsten zwei Stunden keine Zeitfenster-Tickets mehr verfügbar. Dass der Fussmarsch umsonst gewesen sein soll, will mir nicht in den Kopf. Nach gutem Zureden der Liebsten lasse ich mich aber umstimmen, und wir buchen das nächst mögliche Zeitfenster.

Hier lebten vor 90 Jahren Klee, Kandinsky und Feininger mit ihren Familien

Aber wo ist denn nun das Museum? Da mir der Sinn nicht nach Wandertag steht, laufen wir erst einmal zum Auto zurück. Und bleiben prompt am Bauhaus-Café hängen, wo hungrigen Besuchern leckere Burger serviert werden. Nach dem Verzehr derselben ist das Zeitfenster auf eine Stunde geschrumpft. Stand da vorhin nicht auch ein Wegweiser zur Anhaltischen Gemäldegalerie? Die ist zwar, so viel ich weiß, schon seit Jahren wegen Renovierung geschlossen, aber ob das überhaupt noch aktuell ist?

Fünf Minuten später stehen wir vor einem Gebäude, das sich mittels beschrifteter Auslegerflagge als die gesuchte Galerie ausweist. Aber wo ist der Eingang? An der rückwärtigen Tür wird darum gebeten, die Ausstellung nur mit Maske zu betreten. Aber die Tür ist verschlossen, und es sind auch keine Öffnungszeiten angeschrieben. Eine Passantin vermutet die Galerie im Nebengebäude. Aber das Nebengebäude ist dafür viel zu klein. Und nun? Intuitiv mache ich im Hintergrund zwischen den Bäumen ein weiteres Gebäude aus. Vielleicht dort? Der Haupteingang des Schlösschens ist versperrt, aber am Seiteneingang werden wir fündig: „Das Museum ist geschlossen, die Neueröffnung wird mit ausreichendem Vorlauf angekündigt werden.” Na, das ist doch mal etwas. Denn auf der Website steht nur „bald”, und man weiß ja aus Erfahrung, wie aktuell Websites oft sind.

Ein weiteres Museum ist das Technikmuseum Hugo Junkers, unschwer zu erkennen an ein paar alten Flugzeugen, die auf dem Museumsgelände parken. Leider reicht die Zeit nicht mehr für einen Besuch.

Denn nun steht ein Besuch bei Prominenten an, wir beginnen bei Walter Gropius. Dessen Haus ist zwar nicht mehr das Original, aber man hat es nach seinen Plänen wieder aufgebaut. Leider wirkt das weiß gestrichene Gebäude mit seinen verbarrikadierten Fenstern von außen eher wie ein unfertig aufgegebener Rohbau. Im Haus von Paul Klee am anderen Ende der kleinen Reihensiedlung wiederum fühlt man sich sofort wohl: wären da nicht die heute nicht mehr gebräuchlichen Drehlichtschalter, man könnte glauben, in einem modernen Neubau zu stehen, so zukunftsweisend war die Architektur des Bauhausgründers. Undeutsch, nannten die Nazis diesen Baustil und lehnten ihn ab. Klee und seine Nachbarn Kandinsky, Feininger und Moholy-Nagy sahen das naturgemäß völlig anders. aber das alles ist lange her, auf die Auflösung der Bauhausschule folgten Krieg und DDR. Heute hat man sich wieder besonnen und den Häusern den Rang eines Weltkulturerbes verliehen. Wie anders wäre die Weltgeschichte doch verlaufen, hätte man sich damals an den Genies orientiert statt an den Populisten.

Der Vollständigkeit halber steht nun aber nun doch noch der Besuch im neuen Bauhausmuseum an, ein gläserner Kasten im Stadtzentrum, dessen Anliegen es ist, das Bauhaus als einen lebendigen Ort darzustellen, an dem gelernt und gelehrt, künstlerisch experimentiert und an industriellen Prototypen gearbeitet wurde. Die damals ausgesprochenen Verfemungen sind ein Teil dieser Geschichte und werden im Foyer vorgetragen.

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Schrecklich schöne Ausstellungen

Das Humboldt Forum bietet Raum für mehrere Ausstellungen, teils temporär und teils dauerhaft. Eine davon haben wir gestern schon besucht, für heute haben wir weitere drei Zeitfenster reserviert und beginnen im ersten Obergeschoss mit „Nach der Natur”. Hier steht ein Relief des Aletschgletschers neben einer Sammlung chemischer Farben, das bunte Skelettmodell eines frühen Landlebewesens, eine Zusammenstellung diverser Mineralien und eine kleine Sammlung von PCs der frühen 80er-Jahre: Apple IIe, IBM PC, Macintosh Classic, Osborne. Genau genommen stehen aber nur die Exponate, die Vitrinen hängen allesamt von der Decke und schaukeln, wenn man sich versehentlich dagegen lehnt. Wahrscheinlich erleichtert es die Reinigung des Fußbodens. Aber was verbindet all diese exemplarisch angerissenen Themen? Nun, es geht wohl um die Humboldt Universität, wir haben es also mit einer interdisziplinären Ausstellung zu tun. Man könnte sich, entsprechende Interessen vorausgesetzt, stundenlang mit den dargestellten Themen beschäftigen, allein der sprachgeschichtliche Abschnitt bietet Dutzende von Audioaufnahmen diverser Sprachen und Mundarten. Zugleich lockt aber ja auch das nächste gebuchte Zeitfenster.

„Schrecklich schön” sollen die Exponate der Ausstellung über Elefanten und Elfenbein sein, die uns im Erdgeschoss erwartet. Auch dieses Thema bietet sehr viele Aspekte, von der Eiszeitkunst, die mit einem kleinen Mammutfigürchen vertreten ist, über riesige Stosszähne und Schädel zu allerlei Schnitzwerk aus dem edlen Material. Immer wieder wird daran erinnert, dass Elefanten vor allem wegen ihrer wertvollen Stoßzähne gejagt werden, ein Wandteppich zeigt eine dazu passende Jagdszene. Und über alledem liegt ein Geräusch, das entfernt an das Brüllen eines Raubtieres erinnert. Ist es aber nicht: was die Besucher vernehmen, aber zunächst nicht einordnen können, ist der schwere Atem einer sterbenden Elefantenkuh. Man hat hier wirklich keinen Aspekt ausgelassen. Was passiert, wenn Elefantenbullen wütend werden, zeigt ein völlig demolierter Geländewagen, dessen Insassen die Attacke aber überlebt haben sollen.

Als drittes Zeitfenster erwartet uns abschließend noch der Schlosskeller. Denn es wurden ja nur die oberen Teile des alten Gebäudes dem Erdboden gleich gemacht. Man steigt also hinab und erfährt, wo die Köche die Hühner gehalten haben, bevor sie zubereitet und den feudalen Herrschaften serviert wurden. Auch Porzellanscherben hat man gefunden und sogar die Zapfhähne einiger Weinfässer. Ein interaktiver Leuchttisch fordert zum Wegwischen der virtuellen Sandschicht auf, in Coronazeiten natürlich mit Handschuhen. Zum Vorschein kommen allerlei Abbildungen von Gebäuden und Grundrissen.

Unser heutiges Abendprogramm und eigentlicher Grund der Reise ist die neue Show „Arise” des Friedrichstadt-Palastes. Wir sitzen ziemlich weit rechts, aber so nah an der Bühne, dass wir den Tänzern und Tänzerinnen quasi direkt in die Augen schauen – falls sie nicht gerade weit oben im Trapez ihre atemberaubende Artistik darbieten. Wie eng und auf Präzision gearbeitet die Nummern gestrickt sind, zeigt sich in Form zweier Stürze ins Sicherheitsnetz. Natürlich gibt es auch wieder eine Einlage mit Wasser auf der Bühne. Und wie es sich für eine Varietéshow gehört, begleiten Licht- und Nebeleffekte die Vorstellung. Natürlich vergeht die Zeit wie im Flug, aber erfreulicherweise liegt ja das Hotel nur einen Katzensprung vom Palast entfernt.

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