Hamburg bot, auch wenn die Hanseaten eher Kaufleute als Künstler waren, auch so manchem heute berühmten Komponisten eine Heimstatt, zumindest für ein paar Jahre. Einer von ihnen, Johannes Brahms, ist hier sogar geboren und hat deshalb in der Peterstraße sein eigenes kleines Museum, das Johannes-Brahms-Haus. Es ist ein recht übersichtliches Gebäude mit einer Wohndiele, an der zwei Zimmer liegen und von wo eine weiß lackierte und leicht gewendelte Holztreppe nach oben steigt in den „Komponistenhimmel”: diese Teilreplik eines berühmten Züricher Deckengemäldes ziert nämlich die obere Wand des Treppenaufgangs, wo uns erneut ein Haupt- und zwei Nebenräume erwarten. Einer von ihnen ist zur Zeit dem mit Brahms befreundeten Zwölftonpionier Arnold Schönberg gewidmet, im anderen steht jenes Tafelklavier von Baumgardten & Heins, auf dem der junge Brahms einem Fräulein aus gutem Hause Unterricht erteilt hat. Es gehörte damals der Familie seiner Schülerin und wird heute noch hin und wieder bespielt.
Während seiner Wiener Zeit war Brahms mit Arnold Schönberg befreundet, dem Entwickler der Zwölftontechnik in der Komposition. Im Ausstellungsraum des Museums illustriert derzeit eine Sonderausstellung die Person und das Lebenswerk Schönbergs, der keineswegs nur Komponist war, sondern unter anderem auch ein Schachspiel für vier Spieler erfand, das er „Koalitionsschach” nannte.
In derselben Häuserzeile, nur wenige Schritte vom Brahmshaus entfernt, befindet sich mit dem Komponistenquartier ein weiteres bemerkenswertes Museum. Mehrere Einzelmuseen sind hier so zusammengefaßt, daß man nacheinander Georg Philipp Telemann (1681-1767), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), Johann Adolph Hasse (1699-1783), Fanny und Felix Mendelssohn (1805-1847 und 1809-1847) sowie dem melancholisch-verschrobenen Gustav Mahler (1860-1911) gewidmete Räume besuchen kann.
Ein besonderes Ausstellungsstück ist hier das Welte-Reproduktionsklavier: ein Konzertpiano von Steinway & Sons, das die Einspielung eines Pianisten in einen Lochstreifen ermöglichte, inklusive seiner Anschlagsdynamik. Im Repertoire der Firma befanden sich Lochstreifenrollen von Komponisten, die ihre eigenen Werke einspielten, so dass man deren Spiel noch heute wiedergeben kann, als säße die Person selbst am Klavier. Für Besucher sind diese Aufnahmen natürlich nur als Aufzeichnungen verfügbar, immerhin ist aber eine der originalen Rollen zu sehen. Sie trägt die Aufschrift „Sopran Solo aus der IV. Symphonie Das himmlische Leben G. Mahler, gespielt von…” und darunter die originale Unterschrift Mahlers, denn das war als Nachweis der Authentizität und der vom Künstler geprüften Qualität üblich. Vermerkt ist auch das Datum 9. XI. 05.
Ein ebenfalls bemerkenswertes Exponat ist das Modell einer barocken Opernbühne samt Schiebekulissen, Wolkenfahrstuhl und Wellenmaschine im Abschnitt über den Komponisten Johann Adolph Hasse. Vom einmanualigen Cembalo mit 4 5/6 Oktaven nach Francois Étienne Blanchet ist weltweit nur ein einziges Original erhalten, das im Telemann-Raum gezeigte Instrument ist ein Nachbau. Original ist aber die Viola d‘amore von 1727 sowie einige weitere Instrumente und Notenbücher aus dieser Zeit.
Wie wäre es, noch ein paar Augenblicke in Fanny Mendelssohns efeuumrankter Laube Platz zu nehmen und den Tonaufnahmen zu lauschen, die dort über Kopfhörer angeboten werden? Die Hörer können am Empfangstresen des Museums ausgeliehen werden und vermitteln in jedem Abschnitt, worum es zwischen all den Exponaten und Tafeln geht: um klassische Musikwerke mit Bezug zu Hamburg.
Vorbei an einem Supermarkt und der Michaeliskirche wenden wir uns nun den Landungsbrücken zu, wo um 14.30 Uhr unsere einstündige Hafenrundfahrt starten soll. Wo genau? Wir fragen am Auskunftschalter nach und erfahren, dass diese Fahrt leider ausfalle, wir sollten aber sicherheitshalber noch einmal am Pier nachfragen. Dort weiß man zwar nichts von einem Ausfall, wir könnten aber das Boot für die 14-Uhr-Tour besteigen, denn das läge gerade noch abfahrtbereit am Kai. Das lassen uns natürlich nicht zweimal sagen.
Kurze Zeit später passiert unsere Barkasse die beiden Museumsschiffe und den soeben ablegenden Mississippi-Dampfer, der weder ein Dampfer ist noch jemals Mississippi-Wasser unterm Kiel hatte. Das nahe Kehrwiederfleet wird seit einigen Jahren von der Brücke überspannt, die beide Gebäude des Miniatur-Wunderlandes verbindet, wir sehen die Besucher zu uns herabwinken. Am immer noch nicht eröffneten Westinghouse und der imposanten Elphi vorbei gelangen wir an die jenseitige Hafenkante und bewundern die Blohn&Voss Werft, die Hafenkräne und als krönenden Abschluss die neue „Mein Schiff 7”, deren fabrikneuer Anker offenbar noch nie im Wasser war. Der Steuermann unserer kleinen Barkasse tut uns Fahrgästen seine persönliche Meinung zu Kreuzfahrten kund, dann geht es zurück zur Anlegestelle, wo unsere Mini-Kreuzfahrt endet.
Jetzt aber schnell zurück zum Hotel, denn um 18.30 Uhr beginnt schon die Einführung zur Oper „Carmen“ in der traditionsreichen Hamburger Staatsoper. Die liegt zum Glück an derselben Buslinie wie unser Hotel, wir müssen nur vom Ziel Stephansplatz ein paar Schritte in Richtung Stadtmitte laufen. Allerdings sieht keines der Gebäude an dieser Straße wie ein Opernhaus aus. Das liegt schlicht daran, dass es sich um einen Neubau aus den 1950er-Jahren handelt mit entsprechend minimalistischen Erscheinungsbild, auch im Inneren.
Dem Operngenuss tut das freilich keinen Abbruch, und auch die Inszenierung ist zwar modern und ausgesprochen farbenfroh, fügt der Handlung aber gottseidank nichts Irritierendes hinzu. Im Gegenteil, die Aufführung gerät zu einem Erlebnis der Spitzenklasse und wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.
Für den letzten Tag haben wir keine besonderen Pläne mehr. Wie wäre es, dem berühmten Hagenbeck-Zoo einen Besuch abzustatten? Der liegt zwar etwas abseits vom Stadtzentrum, scheint mit der U-Bahn-Linie 2 aber gut erreichbar zu sein. Was die kleine Navigationshilfe in unseren Händen aber nicht wissen kann ist, dass es am Berliner Tor baustellenbedingt eine lange lange Holztreppe hinaufzusteigen gilt. Und auch der Bahnknoten selbst wartet mit langen Wegen auf, aber irgendwann sitzen wir dann doch im richtigen Wagen.
Der Hagenbeck umfaßt einen Zoo und ein Tropen-Aquarium, die Entscheidung für das eine, das andere oder beides fällt an der Kasse, denn es gibt ein Kombiticket. Heute ist ein eher unfreundlicher Tag, was sich zwar nicht auf die Laune der Kassenkraft auswirkt, sehr wohl aber auf unsere Entscheidung. Und so schieben wir wenig später die Tür auf, die das Drinnen vom Draußen trennt, um die kommenden Stunden in angenehm tropischer Wärme zu verbringen.
Natürlich wird auch hier das beliebte Suchspiel „wo ist das Tier?” gespielt. Welches? Selbst ein Blinder hätte damit keinerlei Problem, er müßte lediglich auf die Kommentare der anderen Besucher achten: „Schau mal Mama/Papa, ein/e <Name des Tieres>!”. Natürlich sind alle Tiere zuhause, was bliebe ihnen denn auch anderes übrig? Und ebenso erwartungsgemäß sind auch alle Kinder begeistert, wenn sie denn so einen Terrariumsbewohner entdeckt haben: „Papa/Mama schau! Jetzt schau doch mal!” Unsereiner interessiert sich natürlich mehr dafür, wo das Tier seinen natürlichen Lebensraum hat, und ob dieser Lebensraum möglicherweise bedroht ist, was leider eher die Regel ist als die Ausnahme.
Im Raum mit den beiden großen Bullaugen kehren sich die Verhältnisse plötzlich um: nun sind es wir Besucher, die aus ihrem engen U-Boot hinausschauen in die Weite der Unterwasserwelt, in der Rochen und Haie majestätisch dahinziehen. Diesem ersten Blick auf Aquarien voller bunter Fische und Korallen folgen im Verlauf des Rundgangs noch viele weitere. Vorbei an Nemos bunter Verwandtschaft gelangen wir in einen Raum, der einerseits von einer gläsernen Wand gewaltigen Ausmaßes und andererseits von mehreren Sitzreihen geprägt ist. Sich hier niederzulassen und den Schwärmen der diversen Meeresbewohner zuzusehen hat etwas Beruhigendes und Entspannendes. Im Hintergrund des Wasserbeckens sind zwei Bullaugen zu sehen: es sind dieselben, durch die wir vorhin von der anderen Seiten her das große Aquarium bewundert haben. Welch ein Erlebnis!
Der Rundgang führt nun ohne weitere Höhepunkte hinauf in den Gastronomiebereich, wo sich, gebührenden Abstand zu uns haltend, allerlei frei fliegende Vögel tummeln. Wie gut, dass das Krokodil zwei Etagen weiter unten wohnt.
Und dann ist dieser Besuch auch schon wieder zu Ende. Das weitere Programm sieht so aus, dass wir unsere Koffer aus dem Hotel holen und uns an den Bahnsteig begeben, wo um 18 Uhr unser ICE nach Nürnberg startet. Hamburg, ade und bis bald wieder.