Man merkt dem Schiffspersonal an, daß heute neue Gäste kommen, überall liegen Stapel mit frischer Bettwäsche herum und werden Vorräte aufgefüllt, den ganzen Morgen schon hängt der Geruch von Schiffsdiesel in der Luft. Unsere Gruppe wird aufgeteilt, die einen fahren direkt zum Flughafen, die Passagiere für die Nachmittags- und Abendmaschinen – das sind wir – kommen noch in den Genuß einiger Stunden Freizeit in der Innenstadt. Und der russische Himmel weint gerade ein paar Tränen.
Grifone sind Fabelwesen, bei denen sich der Bildhauer nicht zwischen Löwe und Möve entscheiden konnte. Die unseren tragen goldene Flügel und bewachen zu viert eine kleine Hängebrücke. Vom Platz der Künste, wo der Bus wartet, müssen wir durch eine Seitenstraße zum Невский проспект (Newski-Prospekt – nein, das ist keine Werbepublikation, sondern eine Straße), diesen ein Stück entlang, an der Kirche vorbei zum Kanal und diesem bis zur Biegung folgen. Inzwischen regnet es in Strömen, und die armen Grifone werden ganz naß.
Wir auch, aber wir können ja im Russischen Museum Zuflucht suchen, wo es erstens ein Museumscafé gibt und zweitens viele schöne Bilder an den Wänden. Auch Skulpturen. Nicht an den Wänden. Und Vasen. Und wieder Bilder. Noch ein letzter Espresso, dann heißt es endgültig Abschied nehmen von Rußland.
Unser Grüppchen wird kleiner und kleiner. Zuerst die Leute, die an ein anderes Gate müssen. Dann in Франкфурт – ach so, hier schreibt man ja wieder Frankfurt – die Gäste mit Anschlußflügen. Dann am Kofferband die mit anderen Bahnzielen. Im Zug nach Nürnberg sind wir dann nur noch vier. Immerhin.
Schon am Flughafen haben wir uns von Reiseleiterin Наташа (Natascha), eigentlich Наталья (Natalja), verabschiedet. Es hätte noch so vieles zu fragen gegeben, so viele russische Lieder blieben ungehört und russische Wörter ungelernt. Wir müssen halt einfach nochmal wiederkommen.