Strauss immersiv

Erst vor ein paar Wochen ist Wien um ein wichtiges Museum reicher geworden. Die Rede ist vom Johann-Strauss-Museum, untergebracht in einem schönen alten Gebäude am Karlsplatz. Derzeit besteht die Fassade allerdings aus bedruckten Stoffbahnen, hinter denen ein Gerüst um das ganze Gebäude herumreicht.

Obschon sich die Ausstellung inhaltlich so umfassend mit dem Leben und Werk des bekannten Komponisten befaßt, wie es sich eben für ein biographisches Museum gehört, ist hier nichts so, wie man es von anderswo kennt: es gibt weder Vitrinen noch Lesetexte, nicht als kleine Täfelchen und erst recht nicht in wandfüllenden Dimensionen. Alles, was dieses Museum zu erzählen hat, wird vielmehr automatisch in die am Eingang ausgegebenen Kopfhörer eingespielt, so bald man den Raum oder den Bereich vor dem Exponat betritt. Gegen versehentliches Verlassen des aktiven Abschnitts helfen Bodenmarkierungen, gegen versehentliches Stehenbleiben, weil einen die eingespielte Musik gerade so beschwingt, eigentlich nur ein Walzerschritt oder auch deren zwei. Und so gerät der Museumsbesuch über das intellektuelle Erlebnis hinaus vor allem auch zu einem akustischen.

Das gilt speziell auch für die Operettengasse mit darin eingeblendeten Vorstellungen der „Fledermaus”, des „Zigeunerbaron” oder auch des „Wiener Blut” – jene Zusammenstellung bekannter Strauss-Melodien, die der 73-jährige zwar noch autorisiert hatte, deren Uraufführung er jedoch nicht mehr erlebte. Schade nur, dass an dieser Stelle nicht der zum Bild passende Ton in die Kopfhörer eingespielt wird, sondern eine andere Stelle aus derselben Operette, was auf den Verfasser ein wenig irritierend wirkt.

Höhepunkt des Museums ist zweifellos der Immersivraum ganz am Ende des Rundgangs: hier werden alle vier Wände raumhoch mit rechnergestützten Projektionen bespielt, die auf diverse Lebensaspekte und Werke Bezug nehmen. Der konsequente Einbezug der Kopfhörer auch in diesem Bereich erlaubt zudem eine an den Standort des Betrachters angepaßte Zuspielung: erklingt in Raummitte noch das ganze Orchester, wird beim näheren Herantreten an eine Geige, ein Cello oder eine Klarinette der Ton selektiv auf eben dieses Instrument fokussiert. Nach demselben Prinzip läßt sich wenig später auch in Erfahrung bringen, was die Frauen, die in Strauss’ Leben eine Rolle spielten, zu sagen haben. Wer aber in diesem letzten Raum des Johann-Strauss-Museums einfach nur seine Musik im visuell anregenden Ambiente des Immersivkinos genießen will, braucht einfach nur auf die betreffende Passage zu warten. Es lebe der Donauwalzer!

Geht man vom Museum kommend die Operngasse hinauf und läßt hinter der Staatsoper die Albertina links liegen, steht man schon bald vor dem Wiener Theatermuseum mit seiner Sonderausstellung über Johann Strauss, die hier noch bis Mitte Juni 2025 zu sehen sein wird. Hierfür hat das im prachtvollen Palais Lobkowitz untergekommene Haus eigens seine Dauerausstellung teilweise ausquartiert, um Platz zu schaffen für die Fledermaus samt Original-Partitur, die – obschon eher unauffällig – eines der Highlights darstellt.

Natürlich geht es auch hier um das Leben und Werk des Wiener Operettenkönigs, aber auch um den Walzer an sich, dessen Grundschritt ein kleines Schulungsvideo vermittelt. Thematisiert werden auch die jährlich aus dem Musikvereinssaal weltweit übertragenen Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. Aber wer hat eigentlich die animierten Schaubilder für die diversen Orchesterbesetzungen entworfen, deren jeweils gezeigte Handhabung der Instrumente einem jeden Musiker die Haare zu Berge stehen läßt?

Vor dem Verlassen des Museums sei noch rasch ein Blick in die Sammlung Richard Techner mit den schönen asiatischen Stabpuppen geworfen, dann neigt sich die Aufnahmefähigkeit des Verfassers allmählich dem roten Bereich entgegen. Vielleicht noch ein kurzer Blick in den Stephansdom? Der ja sehr verkehrsgünstig liegt, da sich unter dem zugehörigen Platz die beiden wichtigsten U-Bahn-Linien kreuzen?

Wohin geht man in Wien, wenn man trotz aller Begeisterung für den Walzerkönig auch einmal etwas anderes sehen und hören möchte? Nun, die Wiener Bühnen bespielen nicht weniger als drei Spielstätten, von denen das Raimund-Theater derzeit eines der berühmtesten Musicals auf dem Spielplan hat, nämlich das „Phantom der Oper” in der deutsch gesungenen originalen Fassung von Andrew Lloyd Webber.

Abgesehen von ein paar Sitzen „mit Sichteinschränkung” hat das Raimund nur gute und sehr gute Plätze. Zum Glück versperrt die Säule vor dem ersten Platz der Reihe 8 ob ihrer Schlankheit die Bühne nicht wesentlich. Als noch glücklicher erweist sich jedoch der Umstand, dass trotz ausverkauftem Haus die Reihe 7 bei Vorstellungsbeginn fast vollkommen leer geblieben ist: da dürfte wohl eine geschlossene Gruppe irgendwo hängen geblieben sein. Und so beginnt, kaum dass die Saaltüren ins Schloss gefallen sind, ein großes Aufrücken mit dem Ziel der eigenen Lageverbesserung. Leider währt dieses Glück nicht lange, denn schon beim ersten Applaus nähert sich von links der Kegel einer Taschenlampe, gefolgt von einer Saaldienerin mit den Vermißten im Schlepptau. Am Ende sitzen dann alle wieder auf dem Platz, der auf ihrem Ticket steht.

Die nun folgende, wirklich großartige Vorstellung hat nicht nur ein raffiniert wandlungsfähiges Bühnenbild zu bieten, sondern auch einiges an Überraschungen, Stichwort Kronleuchter. Mehr sei hier aber nicht verraten, nur eines noch: man ist schneller und bequemer wieder zuhause, wenn man an der Haltestelle Mariahilfer Gürtel der Linie 18 aus- und auch wieder einsteigt statt wie empfohlen an der Gumpendorfer Straße. Warum? Weil man dort, wo dann die Massen zusteigen, bereits im Wagen ist.

Category: Allgemein, Wien 2025
You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed.Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.