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Siebenbürgen

Brașov und das Hotel mit den vielen Bildern liegt hinter uns. Durch eine Landschaft, die wegen ihres Hopfenanbaus stellenweise der Hallertau gleicht, erreichen wir schon bald Schäßburg, das „Rothenburg des Ostens“. Inmitten der malerischen Häuser im siebensächstischen Stil entdecken wir eine Büste des Raketen-Pioniers Hermann Oberth, der ein paar Jahre seines Lebens hier zugebracht hat. Ein schmales gepflastertes Sträßchen führt hinauf zum mächtigen Uhrturm mit einen vier Eckzinnen, die für die Gerichtsbarkeit des Ortes stehen. Durch den Torbogen und über einen malerischen Platz gelangen wir zur berühmten überdachten Schülertreppe mit ihren 186 Holzstufen. Als Lohn der Mühe winken oben die deutsche Schule, in der sämtlicher Unterricht auf deutsch gehalten wird, dessen Schüler aber vor der Tür rumänisch sprechen. Gleich daneben befindet sich die Bergkirche von 1514 mit freigelegten Fresken, einer bemerkenswerten Orgel und einem Sakramentshäuschen. Interessant ist auch der Friedhof, zeigt er doch ausschließlich deutsche Namen.

Ein weiteres Zwischenziel auf dem Weg nach Sibiu ist der kleine und etwas abseits der Hauptstraße gelegene Ort Birtälm. Wie so viele Orte in Siebenbürgen verfügt auch er über eine Wehrkirche. Ihr Mauerring ist zwar verschwunden, auf einem Hügel liegt sie aber immer noch, was den Weg zu den Toiletten etwas erschwert, denn die liegen jenseits des Hügels: hinauf und wieder hinunter, und dann noch einmal hinauf und … nein, inzwischen ist auch der Kirchenführer heraufgestiegen gekommen. Von ihm erfahren wir, dass der Altar ursprünglich ein Marienstandbild zeigte, das später durch eine Kreuzigungsszene ersetzt wurde, wobei die Muttergottes jedoch ihren Heiligenschein zurückließ. Die Sakristei zur Rechten verfügt über ein bemerkenswertes Türschloß mit hoch kompliziertem Mechanismus. Umgeben ist die Kirche von mehreren Türmen unterschiedlicher Funktion. Dazwischen befindet sich in einem kleinen Gebäude das „Ehegefängnis“: scheidungswillige Paare mußten sich hier so lange Bett, Stuhl und Besteck teilen, bis sie dem Pfarrer schließlich gelobten, sich wieder zu vertragen.

Die siebenbürgische Landschaft, durch die wir jetzt fahren, ist von Straßendörfern mit den typischen kleinen Siebenbürger Häusern geprägt – es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Zwar wurden die meisten Deutschen von hier vertrieben, aber irgendwie fühlen sich die Ortschaften immer noch „deutsch“ an.

Auch die Stadt Sibiu, in der wir jetzt ankommen, kann ihre deutschen Wurzeln nicht verbergen. Wir erleben eine Stadtführung und darin eingeschlossen eine Führung durch die evangelische Stadtpfarrkirche mit ihren Epitaphien, Glasfenstern, den Orientteppichen und erneut einer schönen Kirchenorgel.

Untergebracht sind wir heute im „Golden Tulip“, einem modernen Bauwerk mit völlig unzureichenden Aufzügen und einem Restaurant in der elften Etage, das zwar über einen wunderschönen Ausblick, nicht aber über den via Menükarte in Aussicht gestellten Wein verfügt: angeblich hat ihn die gestrige Reisegruppe komplett weggetrunken. Aha, demnach müssen die auch ziemlich intensiv geduscht haben, denn in unserem Zimmer fehlen Handtücher. Zwar kann schließlich alles irgendwie ausgebügelt werden, aber ärgerlich ist es dennoch.

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Die Burg des Grafen der Finsternis

Ausgerüstet mit Kreuz, Knoblauch, Holzpfahl, Gummistiefeln und regenfester Kleidung brechen wir nach dem Frühstück zur 30 Kilometer von Kronstadt entfernten Törzburg auf, die als die Burg des Grafen Dracula bekannt ist. Die ersten drei führen wir nur in Gedanken mit uns, das vierte hätten wir gern, und um das letzte sind wir froh, denn vom Busparkplatz bis hinauf zum Eingang der Burg sind es einige hundert Meter Fußweg. Die tief hängenden Wolken und die um die Berge ziehenden Nebelfetzen stören aber nicht, im Gegenteil: sie unterstreichen sogar noch das düstere Gefühl, das diese Namen einst in uns auslösten: Transsylvanien als eine Gegend, in der man sich nachts lieber nicht aus dem Haus wagt, und der nach Blut dürstende Untote, dessen Burg wir nun zu betreten im Begriff sind.

Eigentlich handelt es sich aber um eine ganz normale, wenn auch ungewöhnlich verwinkelte Burg mit kleinen und kleinsten Zimmerchen und vielen engen Treppen, deren eine zwar lange geheim geblieben war, heute aber durch einen Wegweiser gekennzeichnet ist. Ein wenig gruselig wird es erst ganz oben, wo auf einer Leinwand Ausschnitte aus diversen Spielfilmen gezeigt werden, angefangen bei F.W. Murnaus „Nosferatu“ von 1922 bis hin zum Zeichentrick-Dracula aus „Hotel Transsilvanien“. Die Ängste, die man hier oben auszustehen hat, resultieren aber vor allem aus dem Gedränge, das von den vielen nachrückenden Besuchern ausgeht, denn es gilt dieselbe enge Wendeltreppe wieder hinabzusteigen, über die man gekommen ist. Auf der kleinen Loggia wird es dann sogar richtig heimelig, blickt man von hier doch regengeschützt hinab in den Burghof und hinaus auf die umgebende Landschaft. Der Regen hat inzwischen aber ohnehin aufgehört. Vorbei am kleinen Kino, das Filmdokumente aus der Kaiserzeit zeigt, gelangen wir schließlich über weitere enge Treppen hinab in den Burghof und von dort wieder hinaus ins Freie. Unten gibt es dann noch einen königlichen Park mit kleinem See und schönem Blick auf die Burg – und eine Geisterbahn!

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Märchenschloss und wehrhafte Kirche

Die Hauptstadt Bukarest liegt inmitten der Walachei, also dem südlichsten Landesteil Rumäniens, wo die Landschaft vollkommen eben ist. Fährt man von hier nach Norden, erreicht man aber schon bald die Südkarpaten, eine Region mit zweienhalbtausend Meter hohen Bergen, von denen einige mit Bergbahnen erschlossen sind. Um die Jahrhundertwende herum hat sich König König Carol I. von Rumänien in dieser malerischen Landschaft ein Schloss errichten lassen, das unseren bayerischen Märchenschlössern in nichts nachsteht. Leider hat es ausgerechnet heute geschlossen, sa dass wir es nur von außen besichtigen können. Zehn Minuten sind dafür veranschlagt, plus weitere 20 Minuten für den Fußweg vom Parkplatz und wieder dorthin zurück. Natürlich reicht die Zeit trotz herbstbedingt abgedrehter Springbrunnen und abgeblühter Blumenbeete bei weitem nicht. Wir tun aber unser bestes.

Das Peleș-Schloss gehört bereits wieder zu Siebenbürgen. In dieser burgenreichen Region galt es in geschichtlicher Zeit offenbar immer wieder, sich vor anrückenden Feinden in Sicherheit bringen zu müssen. Und so verfügte jedes Dorf über eine burgähnlich ausgebaute Wehrkirche, hinter deren Mauern die Bevölkerung sich nicht nur der Angriffe, sondern sogar einer länger andauernden Belagerung erwehren konnte, denn neben den kleinen Wohnparzellen gab es auch Lebensmittellager und sogar Ställe fürs Vieh, fein säuberlich numeriert wie draußen die Wohnhäuser. Wir besichtigen, nachdem Reiseführer Mihal für uns einundzwanzig einzelne Tickets aus dem Automaten gezogen und uns damit durch das Drehkreuz geschleust hat, die kleine Schule und nachfolgend den Wehrgang samt Todesorgel, für den die Kirchenburg von Tartlau berühmt ist. Das waschbrettähnliche Gerät erlaubte den blitzschnellen Wechsel einer Reihe kleiner Kanonen von der Lade- in die Schußposition, während die zweite Reihe bereits wieder geladen werden konnte. Wie gut für unseren im Zielgebiet stehenden Bus, dass von alledem nur noch die rotierbare Halterung vorhanden war. Natürlich besichtigen wir auch die kleine Kirche, in der noch heute Gottesdienste in deutscher Sprache abgehalten werden.

Unser Hotel „Ambiente“ befindet sich nahe dem Zentrum der Stadt Brasov und verfügt nicht nur über dreieckige Panorama-Aufzüge, sondern auch über die Besonderheit, dass die eine Hälfte der Zimmer nur über den orangenen und die andere nur über den grünen Aufzug erreichbar ist. Abgesehen davon ist das Hotel sehr ansprechend, und die Zimmer sind ungewöhnlich groß.

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Opernbesuch in Bukarest

Die Walachei ist nicht nur der südlichste Landesteil, sondern auch der flachste. Wie schon in der Dobrudscha sieht man zur Linken wir zur Rechten riesige Felder, die sich scheinbar bis zum Horizont erstrecken, denn es gibt – von ein paar Strommasten abgesehen – weit und breit weder Haus noch Baum. Wahrscheinlich wird hier vorwiegend Weizen angebaut, denn jetzt im Herbst sind die meisten Felder leer.

Ziel der heutigen Etappe ist die Hauptstadt Bukarest. Das „Paris des Ostens“ verfügt über breite Boulevards, imposante Prachtbauten, einen Triumphbogen und den gigantischen, vom größenwahnsinnig gewordenen Diktator Ceauçescu errichteten Präsidentenpalast. Um das milliardenschwere Projekt zu finanzieren, ließ er die Bevölkerung hungern und Aufstände gewaltsam niederschlagen. Verantwortlich für Hunderte von Toten, wurden er und seine Frau schließlich hingerichtet.

Im Freilichtmuseum Dimitrie Gusti können wir die typischen Häuser der verschiedenen Landesteile noch einmal Revue passieren lassen, ehe wir uns quer durchs verkehrsreiche Stadtzentrum zum Hotel durchschlagen. Das obligatorische Abendessen schwänzend, gehen wir heute abend in die Oper. Die Karten haben wir bereits lange im voraus gebucht und bezahlt.

Zum Glück befindet sich die Nationaloper ganz in der Nähe des Hotels, so dass wir für den Weg dorthin nur eine gute Viertelstunde brauchen. Aber wie finden wir nun zu unseren Plätzen? Eine freundliche Dame schickt uns rechts zwei Treppen hinauf, eine weitere hinüber zur linken Seite. Die Reihe 17 ist auf der Empore die vorderste, aber wo die Sitzplatznummern stehen, bleibt zunächst rätselhaft. Eine deutsch sprechende Zuschauerin klärt uns auf: die Täfelchen sind so weit oben angebracht, dass man sie nur auf Zehenspitzen stehend lesen kann. Endlich werden wir fündig. Es sind sehr gute Plätze.

Die Oper „Oedipe“ stammt vom Nationalkomponisten George Enescu und wird im Rahmen des zur Zeit stattfindenden Enescu-Festivals aufgeführt. Die Handlung dürfte im Groben bekannt sein: das grausame Schicksal läßt Ödipus seinen Vater töten und seine Mutter ehelichen. Natürlich sind die rumänischen Übertitel für das exaktere Verstehen des französischen Librettos nur wenig hilfreich, doch empfinden wir die minimalistische Inszenierung als durchaus gelungen.

Zurück im Hotel, setzen wir uns zu den noch anwesenden Mitreisenden, die ihre Gläser jedoch bereits geleert haben, so dass wir schließlich – wen wundert‘s? – die letzten sind, die den Restaurantbereich verlassen.

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Vogelpirsch

Der gestrige Luftalarm stand im Zusammenhang mit einer russischen Drohne, die sich auf rumänisches Territorium verirrt hatte. Zum Glück hat der Vorfall keinen Einfluß auf unser heutiges Programm, das eine Schiffstour bis weit ins Delta hinein vorsieht. Gespannt erwarten wir also die Sichtung diverser Wasservögel entlang der Schiffsroute. Da, ein Reiher! Reglos späht der Vogel am Ufer nach Beute. Und sind das, was dort in großer Entfernung über den Himmel zieht, nicht Pelikane? Es sind Pelikane. Gesichtet werden zudem einige Ibisse, Kormorane, Raubvögel und Möven, die alle eines gemeinsam haben: sie befinden sich weit weit weg am Himmel. Die Tiersichtungen in Ufernähe hingegen beschränken sich auf etwas Rotfelliges, das in der Kürze der Zeit nicht eindeutig identifiziert werden kann, sowie einen sich direkt neben dem Bootsrumpf abstrampelnden Frosch.

Die Ursache der so nicht erwarteten Abstinenz deltatypischer Fauna ist schnell ausgemacht: es sind die Schnellboote, die eines nach dem anderen die Kanäle entlang rasen, als handle es sich um einen Aqua-Freizeitpark. Menschen, die vor Vergnügen kreischen, sind nun einmal nicht kompatibel mit schützenswerter Natur, zumal die Bugwellen der Boote auch die ufernahen Bruthöhlen der Eisvögel empfindlich stören. Der Müll, den die zahllosen wild campenden Angler entlang der Kanäle hinterlassen, fällt bei alledem schon gar nicht mehr ins Gewicht. Gewiß gäbe es Stellen im Bereich des Deltas, wo man relativ nahe an die Wasservögel herankäme, aber die befinden sich ganz gewiß nicht hier.

Immerhin vermittelt aber das Delta-Museum, das wir im Anschluss an die Bootstour noch besuchen, einiges an Informationen über den einzigartigen Naturraum. Die Dioramen und ihre Tierpräparate sehen allerdings etwas verstaubt und vertrocknet aus. Die Fische diverser Arten und Größen in der unteren Etage des Museums sind da ganz anders, sie schwimmen quicklebendig durch ihre mit Donauwasser gefüllten Aquarien.

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Das Tor zum Donaudelta

Hatten wir gestern noch etwas Streß mit der völlig unterdimensionierten und technisch wackeligen Kaffeemaschine am Frühstücksbuffet, ging es heute deutlich entspannter zu. Leider bietet die Fahrtstrecke nach Tulcea, dem „Tor zum Donaudelta“, außer schier endlosen Straßendörfern nur wenig Abwechslung. Ein Höhepunkt ist freilich die Überquerung der Donau auf der brandneuen Hängebrücke bei Brăila: noch vor ein paar Monaten hätte man hier die Autofähre nehmen müssen. Weil das Projekt von der EU finanziert wurde, ist die Benutzung erst einmal fünf Jahre lang mautfrei, aber die noch leeren Kassenhäuschen stehen bereits.

Dass die Donau auf ihrem Weg ins Delta ein gutes Stück weit nach Norden fließt, liegt am Herzynischen Gebirge, das geologisch älter ist als die Alpen und nur noch wenige hundert Meter hoch. Schon bald erreichen wir aber das Städtchen Tulcea mit dem Delta Hotel, von dem aus wir morgen per Schiff ins Donaudelta starten werden.

Vorher interessiert uns aber noch die sehenswerte Kirche der Lipowaner: Angehörige einer russischen Minderheit, die hier vor langer Zeit als Glaubensflüchtlinge untergekommen sind. Leider hatten wir vorhin nicht das Glück, uns nach dem Weg dorthin erkundigen zu können, und so sind wir auf das Ergebnis einer Recherche im Internet angewiesen. Es stimmt auch alles: Bild, Name der Kirche, Kartenpunkt. Etwa eine Viertelstunde haben wir zu laufen. Allerdings erwartet uns am Ziel nicht etwa die erwartete, in blau und weiß gedeckte Kathedrale, sondern ein ziemlich unscheinbares Gebäude, das nur an einem orthodoxen Kreuz als Kirchlein zu erkennen ist: das war ja wohl ein Schuß in den Ofen!

Und jetzt geht auf dem Smartphone auch noch ein schriller Alarmton los, verbunden mit der Aufforderung auf dem Display, sofort einen Schutzraum aufzusuchen oder sich zumindest in ein Gebäude zu begeben. Muß man das ernst nehmen? Greift Russland etwa die NATO an? Die Menschen ringsum gehen weiter ihren Geschäften nach, also laufen wir etwas angespannt und mit gelegentlichem Blick nach oben zum Hotel zurück. Dergleichen haben wir hier öfter, sagt Mihal, das hat mit dem Ukrainekrieg zu tun.

Wollen wir nach dem Abendessen noch ein wenig am Ufer der Donau promenieren? Eigentlich haben wir den besten Blick doch vom Balkon aus! Und wo kommt eigentlich die schöne Klaviermusik her? Wir machen als Schallquelle blau-gelb-rot beleuchtete Wasserspiele aus und lauschen dem ganzen mehrere Minuten lang, bis das Programm schließlich mit dem Donauwalzer endet – wie passend!

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Moldauklöster

Der heutige Reisetag beginnt mit einer Stippvisite in einer Manufaktur, die sich auf Keramik mit dunkel-metallischer Oberfläche spezialisiert hat. Wir erleben, wie auf der rotierenden Töpferscheibe Gefäß um Gefäß hochgezogen und auf die größeren mithilfe eines Kieselsteins das typische Streifendekor aufgebracht wird. Wie das alles aussieht, wenn es nach dem Trocknen gebrannt und teilweise auch geschmackvoll mit Blumen bemalt wurde, können wir im Verkaufsraum bewundern.

Im Kloster Sucevitza werden wir von Schwester Veronica empfangen, einer zierlichen Person, die uns die reichhaltige Freskierung der Außen- und Innenwände der Klosterkirche erläutert und uns auch den Tipp gibt, dass man aus den Fenstern des kleinen Klostermuseums einen besonders schönen Blick auf die Kirche genießen kann.

Die Umgebung von Suceava ist ein Mittelgebirge ähnlich unserem Schwarzwald. Unsere Straße führt auf gut tausend Meter hinauf und drüben wieder hinab. Die schöne Aussicht oben ist heute allerdings durch tief hängende Wolken gestört.

Im Kloster von Moldovitza werden wir von Schwester Tatjana empfangen, einer resoluten älteren Dame mit Gehstock und Brille, die uns in feldwebelartigem Tonfall und erfüllt von Sendungsbewußtsein die Ikonografie der alten Fresken an der Außenfassade der Klosterkirche erläutert, während sie den grünen Lichtpunkt des Laserpointers über die einzelnen Motive der christlichen Heilslehre wandern läßt. Wir erleben die Gottesmutter Eva als Höhle, erfahren den Unterschied zwischen Heiligen und Philosophen und noch vieles mehr. Leider ist das markanteste Motiv, die 33-stufige Himmelsleiter mit den Engeln, zur Zeit von einem Baugerüst verunstaltet. Der Erhalt und die Reinigung der Fresken sind aber enorm wichtig, schließlich handelt es sich um UNESCO-Weltkulturerbe. Das Prorramm setzt sich im Inneren der Kirche fort, wo es für jeden Tag des Jahres ein eigenes Bildmotiv gibt.

Bevor wir Voronetz, das dritte der sehenswerten Klöster in der Umgebung von Sucevitza erreichen, gehehmigen wir uns eine Mittagspause in einem kleinen Lokal, das mit lokalen Spezialitäten, insbesondere einem Steinpilzgericht, aufwartet. Da wir uns den Hunger für das Abendessen aufsparen wollen, begnügen wir uns aber mit Rindfleischsuppe und zum Nachtisch Palatschinken.

Im Kloster Voronetz findet gerade eine Lesung statt, die Gesänge der Nonnen werden nach draußen übertragen, was beim Betrachten des Bildprogramms für eine sakrale Atmosphäre sorgt. Besonders sehenswert sind hier die Darstellungen, denen man den Beinamen „Sixtinische Kapelle des Ostens“ gegeben hat. Und wie die anderen beiden Klöster ist auch dieses von einer Wehrmauer mit Türmen umgeben und der Raum dazwischen mit zahllosen Rosen in allen Farben bepflanzt. Rosen sind wie Menschen, sagte heute morgen Schwester Tatjana: jede ist anders, alle haben sie Dornen. Und sie passen nirgendwo besser hin als in den Paradiesgarten.

Letzter Programmpunkt dieses erlabnisreichen Tages ist, abgesehen von zwei schönen Hoftoren, das Kloster Humor, das aber vollständig eingerüstet ist. Auch der normale Eingang, man muss also hinten herum gehen.

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Holzkirchen in der Bukowina

Möglicherweise sind wir die einzige Reisegruppe im Hotel, denn der große Frühstückssaal ist, als wir ihn betreten, vollkommen leer. Leider läßt das Wetter etwas zu wünschen übrig: der Himmel ist bedeckt, Nebelfetzen hängen an den Bergen, und es sieht nach Regen aus. Da es hoffentlich im Laufe des Tages besser wird, lasse ich das Regenzeug im Koffer. Das war ein Fehler. Denn der Weg vom Parkplatz hinauf zum Kloster ist weit, und da es gerade in Strömen regnet, komme ich ziemlich durchnäßt oben an. Die Klosterkirche ist innen mit herrlichen Fresken ausgemalt, die Namen der Heiligen sehen auf den ersten Blick kyrillisch aus, sind es aber nicht: es ist altslawisch. Als hilfreich beim Entziffern erweisen sich bekannte Gestalten wie Adam, Eva oder auch Georg.

Orthodoxe Kirchen verfügen hinter der sogenannten Ikonostase über einen Altarraum, der nur vom Priester betreten werden darf. Wie organisiert man das aber in einem Nonnenkloster? Nun, der Klostervorsteher muss halt ein Mann sein. Der Ärmste.

Entlang der Straße nach Bogdan Voda sehen wir etliche dieser Kirchen, einige alt und aus Holz, andere frisch und modern. Eine dieser uralten Holzkirchen wollen wir besichtigen. Da sie nicht mehr aktiv genutzt wird, gibt es auch kein Licht im Inneren, so daß die ortskundige Führung eher einer Höhlenexpedition gleicht. Und was da nicht alles vom Schein der Taschenlampe aus dem Dunkel gerissen wird! Ein Teufel ist da zu sehen oder ein Mann, dem als Strafe das Gehör zerstört wird.

Die weitere Strecke führt nun ziemlich weit hinauf in die wolkenverhangenen Berge und über einen Pass, der im Winter Ausgangspunkt für ein Skigebiet mit Liftbetrieb ist. Leider ist die Aussicht hinab ins Tal heute benebelt, wie Mihal sagt.

Unser Hotelzimmer liegt heute, was uns sehr mißfällt, direkt zur stark befahrenen Straße hin. Auf Nachfrage bekommen wir ein anderes. Warum aber läßt sich trotz grünem Lichtsignal die Tür nicht öffnen? Nach einigen vergeblichen Versuchen bemühen wir die Rezeption, die uns sogleich jemanden heraufschickt. Der spricht von „verde“ und drückt die Klinke herunter – Tür offen! Aber nur bei ihm. Wir selbst bekommen den Kniff erst ein paar Versuche später heraus. Und es klappt auch nicht immer.

Zum Abendessen, das in einem großen und relativ leeren Speisesaal serviert wird, gibt es Krautwickel. Und Apfelstrudel.

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Heiterer Friedhof

Die Landschaft nordöstlich von Budapest ist geprägt von endlosen Feldern voller Mais, Sonnenblumen oder herbstlich leerem Ackerboden. Unser erstes Ziel in Rumänien heißt Satu Mare und liegt nade der Stelle, wo Ungarn mit Rumänien und der Ukraine ein Dreiländereck bildet. Die ungarische Autobahn M3 führt allerdings schnurstracks weiter in die Ukraine, wo wir nun ganz gewiß nicht hin wollen. Und so kommen wir stattdessen in den fragwürdigen Genuß einer endlosen Folge von engen und holprigen Ortsdurchfahrten. Endlich passieren wir die Grenze, deren Postenhäuschen aber seit der Erweiterung des Schengenraums nicht mehr gebraucht werden und leer stehen. Und dann kommt auch schon das Einkaufszentrum in Sicht, wo wir mit dem Reiseleiter verabredet sind. Er heißt Mikal, also Michael, hat zwei Reisetaschen bei sich und spricht nahezu perfekt deutsch.

Unser erstes Übernachtungsziel befindet sich im benachbarten Baia Mare, zu deutsch Frauenbach. Wir fahren allerdings nicht direkt dorthin, sondern nehmen vorher noch einen Umweg über den Ort Sapanta, wo es einen bemerkenswerten Friedhof gibt. Beides liegt so nahe an der ukrainischen Grenze, dass wir unsere Smartphones lieber in den Flugmodus versetzen, um nicht ungewollt in deren Handynetz zu geraten. Der Friedhof zeichnet sich durch blau-bunte Grabkreuze aus, auf denen unter einem farbig bemalten Reliefbild recht locker und humorvoll das Leben der Verstorbenen festgehalten ist: wir sehen diverse Nutztiere, Traktoren, Nähmaschinen und sogar einen Militärlaster. Natürlich wollen auch alle das Grab der bösen Schwiegermutter sehen.

Wir befinden uns in der Region Maramuresch. Bemerkenswert sind hier vor allem die überdachten Tore der Hofeinfahrten. Über einen kleinen Paß gelangen wir auf eine Straße, die zwischen Hügeln zur Linken und einem Flüßchen zur Rechten keinerlei Möglichkeiten bietet, dem Verkehrsstau auszuweichen, der uns hier recht hartnäckig am Vorankommen hindert. Erst eineinhalb Stunden später ist die Unfallstelle endlich geräumt – und das Abendessen verbrutzelt: höhere Gewalt.

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Mit echtem Hundertwasser gebraut

Brauereien besichtigt man ja vor allem, weil am Ende der Tour die Bierprobe wartet. Das ist zwar auch beim Kuchlbauer im niederbayerischen Abensberg so, jedoch mit dem Unterschied, dass man beim angeregten Gespräch über das soeben Geschaute wahrscheinlich völlig aufs Trinken vergißt, so groß ist die Fülle der Eindrücke entlang der Braukunstspur und insbesondere beim Ersteigen des dunkelbunt verspielten, von einer goldenen Kuppel gekrönten Turmes, dessen Entwurf von keinem Geringeren stammt als vom Ausnahmekünstler Friedensreich Hundertwasser. Man sollte sich danach auch nicht zu lange beim Weizenbock aufhalten, liefe man doch Gefahr, beim anschließenden Besuch des Kunsthauses dessen seltsam verdrehte Architektur für eine direkte Folge des eigenen Alkoholzuspruchs zu halten. Dabei resultiert all das Schiefe und Schräge in Hundertwassers Architekturstil doch lediglich aus der konsequenten Anwendung seiner Überzeugung, die gerade Linie sei gottlos.

Er war schon ein außergewähnlicher Mensch, dieser Hundertwasser. Als der Besitzer der Brauerei ihn Ende der 1990er Jahre um ein Konzept für die Umgestaltung des Brauereigebäudes bat, war er schon so schwer herzkrank, dass er noch nicht einmal mehr den Baubeginn erleben durfte, geschweige denn die Vollendung des Projektes. Immerhin blieb ihm dadurch aber der Streit mit der Baubehörde um die zulässige Höhe seines bunten und weithin sichtbaren Turms erspart.

Das von Hopfengärten umgebene, weil am Rande der Hallertau gelegene Städtchen Abensberg erreicht man recht komfortabel mit der Bahn. Es empfiehlt sich jedoch, eine Zeitreserve einzuplanen, denn die Umsteigezeiten sind knapp: aus fünf Minuten können, wenn der Zug mit bahnüblicher Verspätung in Ingolstadt einläuft, ganz schnell auch einmal 59 Minuten werden. Der Verfasser hatte aber Glück, denn auch der Anschlusszug fuhr an diesem Tag mit Verspätung ab.

Für die Brauerei samt Turm ist eine Führung obligatorisch, das Kunsthaus darf frei besichtigt werden. Eine Führung empfiehlt sich jedoch auch hier, vermittelt sie doch einen viel lebendigeren Eindruck von der Person Hundertwasser, seinen Ideen und Zielen und der Konsequenz, mit der er sie umsetzte. Will man beide Führungen wahrnehmen, empfiehlt es sich, die Brauereiführung entweder auf 11 Uhr zu legen oder auf 15 Uhr, denn durchs Kunsthaus wird derzeit nur um 13.30 Uhr geführt, und man will ja die Zeit auf dem Turm und im Biergarten ohne Hektik genießen können.

Die „Braukunstspur”, ebenfalls eine Hundertwasser-Idee, veranschaulicht in künstlerisch-abstrakter Weise die Arbeitsschritte der Bierproduktion: vorbei an den kupfernen Sudkesseln und den großen Gärkesseln trifft man im nächsten Raum auf die Figur des Aloysius, der seinen Kummer über das im Himmel vermißte Kuchlbauer-Bier zum besten gibt. Worauf es beim Bierbrauen ankommt, vermittelt nebenan die Riege der Weißbierzwerge. Allerlei altes Brauereigerät unterstreicht, dass auch der Wegweiser „Museum“ hier durchaus seine Berechtigung hat. Auch begleiten diverse Kurzfilme und ein Blick in die moderne Abfüllanlage die Besucher auf ihrem Weg, der nach einer guten Stunde schließlich im Keller des auffälligsten aller Brauereigebäude endet: dem Kuchlbauer-Turm. Den Weg hinauf in die Kuppel per Fahrstuhl zu bewältigen wäre zwar bequem, die abwechslungsreiche Einzigartigkeit des Gebäudes mit seinen Arkadenbögen und den markant auskragenden Türmchen läßt sich jedoch nur zu Fuß erleben.

Welches war doch gleich nochmal die Lieblings-Biersorte des Aloysius? Säße er jetzt irgendwo da unten im Biergarten zu Füßen des Turmes, inmitten der vom Schauen durstig gewordenen Besucher, bräuchte man ihm nur aufs Bierglas zu schauen. Letztlich ist es aber egal, ob man sich nun für Turmweisse, Alte Liebe oder Sportsfreund entscheidet, den authentischen Weißbiergenuß hat man beim Kuchlbauer immer.

Der Architekt, der den Turmbau nach Hundertwassers Tod schließlich realisierte, zeichnet auch für das bemerkenswerte Kunsthaus verantwortlich und tritt damit in Fußstapfen, die ihm durchaus nicht zu groß sind, weshalb man das Gebäude ihm zu Ehren das Peter-Pelikan-Haus nennt. Natürlich ist allein schon der Baustil mit den bunten Fußböden, den krummen Balustraden und den versetzten Ebenen eine Hommage an Hundertwasser. Aber hat man es erst einmal betreten, sich vielleicht gar der Führung anvertraut, wird man sich der Faszination der dunkelbunten Hundertwasser‘schen Gedankenwelt kaum mehr entziehen können – und verläßt das Gebäude schließlich anders, als man es eine gute Stunde vorher betreten hat.

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