Was wäre ein Besuch in Wien ohne eine Begegnung mit der berühmten „Sisi”, wie sie heute jeder nennen darf, auch wenn er nicht wie damals zum engsten Familienkreis gehört? Eine ganz neue Art, die liebreizende junge Kaiserin aus der Nähe kennenzulernen, ist die virtuelle Bootsfahrt, wie sie vom „Sisi Amazing Journey” in der Habsburgergasse angeboten wird.
Die Fahrplanauskunft der Wiener Linien sollte man allerdings besser nicht befragen, wie man vom Hotel aus dort hingelangt. Denn anstelle des Linienbusses, der seine Haltestelle direkt an der Oper hat und auch, kaum dass man dort aus der D ausgestiegen ist, auch schon angefahren kommt, schlägt sie einen viertelstündigen Fußmarsch vor. Ob man nun läuft oder fährt, ist letztlich aber egal, denn das gebuchte Zeitfenster ist ja in beiden Fällen dasselbe.
Die Tour beginnt mit einem Einführungsfilm, dann wird die kleine Gruppe zu einem Raum geleitet, in dessen Mitte ein hölzernes Boot steht, mit Sitzbänken, über denen für jeden Passagier ein VR-Headset baumelt. Man nimmt also Platz, setzt die Taucherbrille auf – und findet sich wenige Augenblicke später zwar in demselben Boot, jedoch in völlig veränderter Umgebung wieder. Zudem scheint der Bootsrumpf auf dem Wasser zu schaukeln, während eine sympathische Gestalt, die sich als Kaiserin Elisabeth vorstellt, im Bug Platz nimmt und auf eine gewinnend herzliche Art, die sicherlich auch der echten Kaiserin zu eigen war, Boot und Passagier – die Mitreisenden sind offenbar unsichtbar geworden oder sitzen woanders – durch die Wiener Unterwelten geleitet, wobei auch schon einmal falsch abgebogen wird. Welche Folgen das für den weiteren Verlauf der Tour hat, sei hier nicht verraten, nur so viel: der Bootsrumpf rüttelt und schwankt, und der Fahrtwind bläst einem ins Gesicht, als flöge man wirklich hinein ins Schloss und bis hinauf in den Schönbrunner Himmel.

Mit ähnlichen Elementen wartet auch die Time Travel Tour auf, die ihr Domizil auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat. Am Ende der langen, in die Tiefe führenden Treppe führen animierte Gemälde von Mozart, Sisi, einem Mönch, Maria Theresia und Sigmund Freud ein lockeres Gespräch quasi von Rahmen zu Rahmen, ehe auch hier die reale Welt hinter einer VR-generierten zurücktritt, in der die Besucher zudem auf ihren Sitzen ordentlich durchgeschüttelt werden. Und was man nicht alles zu sehen bekommt: die Pest, den Bau des Stephansdoms, die gewaltigen Stadtbefestigungen, die Belagerung durch die Türken: die Wiener Kaffeehauskultur soll aus dieser Zeit stammen. Wieder zurück in der realen Welt, gelangt man an einigen prominenten und durchaus gesprächigen Habsburgern vorbei in eine Grube mit Pesttoten wie jene, in der ein gewisser Bänkelsänger Augustin aus seinem Rausch erwacht sein soll, bevor sich im Anschluß die Welt der Wiener Malerei und natürlich der Wiener Musik für einen öffnet. Zur Geschichte Wiens gehört aber auch der Anschluß an das Deutsche Reich und der Bombenkrieg, vermittelt durch den Aufenthalt in einem düsteren Luftschutzkeller, dessen Boden spürbar unter den Explosionen erzittert, so dass man am Ende beklemmter wieder hinausgeht als man hereingekommen ist. Am Ende der Tour erwärmt, nun wieder per Brille dreidimensional, eine magische Fiakerfahrt das Herz des Besuchers, während zugleich echter Schnee vom Himmel rieselt. Aha, es hat jemand die Schneekugel geschüttelt.
Zweifellos zählt Johann Strauss zu den herausragendsten Persönlichkeiten Österreichs, aber es fallen einem auch noch viele andere Namen ein. So war etwa Marie Antoinette, als Ehefrau Ludwigs XVI. Königin der Franzosen, eine Wienerin. Auch der Judenretter Oskar Schindler wurde, obschon das mährische Zwittau heute als Svitavy zu Tschechien gehört, in Österreich geboren. Und „Governator” Arnold Schwarzenegger natürlich sowieso. Im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud im Wiener Prater sind sie alle versammelt, zusammen mit Größen aus Musikgeschichte und Unterhaltungsbranche wie Haydn, Mozart und der Wahl-Wiener Beethoven, aber auch Herbert von Karajan, Udo Jürgens, Andreas Gaballier sowie natürlich der unvergessene Peter Alexander. Und dann wäre da auch noch unsere geliebte „Sisi”, ihres Zeichens Kaiserin von Österreich und später eine Paraderolle für Romy Schneider, die – anders als ihr historisches Vorbild – eine echte Wienerin war.

Übrigens hat das VR-Zeitalter auch im Madame Tussauds Einzug gehalten: wer will, stürzt sich per Brille die virtuelle Berg-Isel-Schanze hinab oder nimmt, weit weniger exponiert, neben „Bergdoktor” Hans Sigl auf dem Beifahrersitz seines Mercedes Platz.
Drei Tage und zwei Nächte sind natürlich viel zu kurz, um Wien „in Strauss und Braus” wirklich auszukosten, aber es war immerhin ein Anfang, und das Jahr ist ja noch jung. Die Heimreise per ICE verläuft wie die Hinfahrt, nur in umgekehrter Reihenfolge: sowie der Zug deutsche Schienen unter den Rädern verspürt, wechselt er in den Pannenmodus. Aber das kennt man ja und kann es, die herrliche Musik von Johann Strauss noch im Ohr, entspannt über sich ergehen lassen.