Der Tag ist noch jung, und die Rückreise nach Nürnberg wird knapp 5 Stunden in Anspruch nehmen. Welches attraktive Zwischenziel könnten wir uns vornehmen? Die Wahl fällt auf das Bauhausmuseum in Dessau, die zugehörige Adresse ist schnell gefunden. Zwei Stunden später stehen wir vor dem markanten bauhaustypischen Gebäude. Der Eintritt ist frei, denn heute ist Tag des offenen Denkmals. Und um ein solches handelt es sich ja auch.
Dass er sich in einem ehemaligen Schulgebäude befindet, würde hier selbst ein Blinder merken. Für Sehende gibt es einen Lageplan: Bauhausgebäude, Meisterhäuser, Bauhaus Museum. Aha, das Museum befindet sich also ein Stück abseits. Dies ist einer jener Augenblicke, in welchem sich von jetzt auf gleich ein jahrelang gepflegter Irrtum lichtet: Bauhausgebäude und Bauhausmuseum sind keineswegs ein- und dasselbe. Der Wegweiser draußen an der Straße verrät, dass die Wegstrecke zwischen beiden fast eineinhalb Kilometer beträgt.
Nun gut, dann besichtigen wir eben zuerst die Reihe der Meisterhäuser, denn die liegen nur 600 Meter entfernt. Auf dem Lageplan ist das praktisch gegenüber. Aber der Lageplan ist nicht maßstäblich. Nach gefühlt einem Kilometer Fußmarsch stehen wir vor dem ersten Haus – und werden etwas unfreundlich empfangen: nein, die Bauhaus-Eintrittskarten gelten hier nicht. Nein, es sind auch in den nächsten zwei Stunden keine Zeitfenster-Tickets mehr verfügbar. Dass der Fussmarsch umsonst gewesen sein soll, will mir nicht in den Kopf. Nach gutem Zureden der Liebsten lasse ich mich aber umstimmen, und wir buchen das nächst mögliche Zeitfenster.
Aber wo ist denn nun das Museum? Da mir der Sinn nicht nach Wandertag steht, laufen wir erst einmal zum Auto zurück. Und bleiben prompt am Bauhaus-Café hängen, wo hungrigen Besuchern leckere Burger serviert werden. Nach dem Verzehr derselben ist das Zeitfenster auf eine Stunde geschrumpft. Stand da vorhin nicht auch ein Wegweiser zur Anhaltischen Gemäldegalerie? Die ist zwar, so viel ich weiß, schon seit Jahren wegen Renovierung geschlossen, aber ob das überhaupt noch aktuell ist?
Fünf Minuten später stehen wir vor einem Gebäude, das sich mittels beschrifteter Auslegerflagge als die gesuchte Galerie ausweist. Aber wo ist der Eingang? An der rückwärtigen Tür wird darum gebeten, die Ausstellung nur mit Maske zu betreten. Aber die Tür ist verschlossen, und es sind auch keine Öffnungszeiten angeschrieben. Eine Passantin vermutet die Galerie im Nebengebäude. Aber das Nebengebäude ist dafür viel zu klein. Und nun? Intuitiv mache ich im Hintergrund zwischen den Bäumen ein weiteres Gebäude aus. Vielleicht dort? Der Haupteingang des Schlösschens ist versperrt, aber am Seiteneingang werden wir fündig: „Das Museum ist geschlossen, die Neueröffnung wird mit ausreichendem Vorlauf angekündigt werden.” Na, das ist doch mal etwas. Denn auf der Website steht nur „bald”, und man weiß ja aus Erfahrung, wie aktuell Websites oft sind.
Ein weiteres Museum ist das Technikmuseum Hugo Junkers, unschwer zu erkennen an ein paar alten Flugzeugen, die auf dem Museumsgelände parken. Leider reicht die Zeit nicht mehr für einen Besuch.
Denn nun steht ein Besuch bei Prominenten an, wir beginnen bei Walter Gropius. Dessen Haus ist zwar nicht mehr das Original, aber man hat es nach seinen Plänen wieder aufgebaut. Leider wirkt das weiß gestrichene Gebäude mit seinen verbarrikadierten Fenstern von außen eher wie ein unfertig aufgegebener Rohbau. Im Haus von Paul Klee am anderen Ende der kleinen Reihensiedlung wiederum fühlt man sich sofort wohl: wären da nicht die heute nicht mehr gebräuchlichen Drehlichtschalter, man könnte glauben, in einem modernen Neubau zu stehen, so zukunftsweisend war die Architektur des Bauhausgründers. Undeutsch, nannten die Nazis diesen Baustil und lehnten ihn ab. Klee und seine Nachbarn Kandinsky, Feininger und Moholy-Nagy sahen das naturgemäß völlig anders. aber das alles ist lange her, auf die Auflösung der Bauhausschule folgten Krieg und DDR. Heute hat man sich wieder besonnen und den Häusern den Rang eines Weltkulturerbes verliehen. Wie anders wäre die Weltgeschichte doch verlaufen, hätte man sich damals an den Genies orientiert statt an den Populisten.
Der Vollständigkeit halber steht nun aber nun doch noch der Besuch im neuen Bauhausmuseum an, ein gläserner Kasten im Stadtzentrum, dessen Anliegen es ist, das Bauhaus als einen lebendigen Ort darzustellen, an dem gelernt und gelehrt, künstlerisch experimentiert und an industriellen Prototypen gearbeitet wurde. Die damals ausgesprochenen Verfemungen sind ein Teil dieser Geschichte und werden im Foyer vorgetragen.