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Modelleisenbahn im Maßstab 1:1

Als die Menschen noch mehr Zeit hatten als heute, störte sich wohl kaum jemand daran, dass man während der Fahrt von Ebermannstadt nach Behringersmühle quasi einen Blumenstrauß hätte pflücken können, so gemächlich zuckelt das Bähnlein durch die idyllische Landschaft des oberen Wiesenttals. Die Wagen haben Plattformen an beiden Enden, so dass man während der Fahrt in einen anderen Wagen umsteigen könnte, wenn man denn wollte oder der Schaffner wäre, den wir vorhin schon hinter dem Fahrkartenschalter gesehen hatten. Hier auf der DFS, der Dampfbahn Fränkische Schweiz, ist eben alles noch so wie früher. Auf die vorgespannte Dampflokomotive müssen wir heute allerdings verzichten, sie kommt nur jeden zweiten Sonntag zum Einsatz. Man kann eben nicht alles auf einmal haben.

Abfahrt in Ebermannstadt ist um 10.05 Uhr, natürlich warten wir aber auf den etwas verspätet eintreffenden Regionalzug aus Forchheim. Schon bald erblicken wir auf einem Felssporn die markante Ruine Neideck. Von hier weg wird das Tal nun enger, die Felsen rücken näher an die eingleisige Strecke heran, und stellenweise bleibt gerade noch Platz genug für Straße, Flüßchen, Bahngleis und Wanderweg. Hinter Behringersmühle entfällt dann auch das Bahngleis, aber davon später. Zunächst einmal passieren wir den Bahnhof Muggendorf, der heute ein Naturpark-Infozentrum samt Modelleisenbahn beherbergt. Detailliert in H0 dargestellt ist ein Teil des Streckenabschnitts, den wir gerade befahren.

Man könnte hier also aussteigen und dann auch gleich noch hinüberlaufen zum Modelleisenbahnmuseum der Familie Häntzschel mit seinen Anlagen in unterschiedlichen Spurweiten, insbesondere der seltenen Spur S. Oder aber einen der zahlreichen markierten Wanderwege begehen, die es hier gibt. In zwei Stunden käme dann der nächste historische Zug vorbei, um einen wieder mitzunehmen bis zum Endbahnhof, denn wer würde schon freiwillig au den Rest der Fahrt verzichten und gleich hier den Gegenzug nehmen?

Wer wenig Zeit hat oder weder Lust auf Wandern noch Einkehren verspürt, kann im Bahnhof Behringersmühle auch einfach im Abteil sitzen bleiben, verpaßt dann aber das Rangieren der Lok vom einen Ende des Zuges zum anderen. Wir warten noch, bis der Zug pfeifend wieder in Richtung Westen verschwunden ist, dann laufen wir in der entgegengesetzten Richtung los, denn wir wollen nach Tüchersfeld. Natürlich nicht die Straße entlang, sondern auf der anderen Talseite. Aber welches Tal ist das richtige? Ein suchender Blick und die hilfsbereite Auskunft einer Ortskundigen sind quasi eines: wir müssen die Straße und eine Brücke queren und dann einfach nur den Weg folgen. Anfangs noch breit, wird der allerdings immer sparsamer und schließlich zum Trampelpfad. Sind wir hier wirklich richtig? Eine Wegmarkierung, die Gelbe Raute, beseitigt unsere Zweifel, und dann wird der Weg auch wieder besser und führt, von raschelndem Laub bedeckt, am Talrand entlang bis zu einer Fußgängerbrücke, der wenig später eine Straßenbrücke folgt. Von hier weg müssen wir ein Stück weit der Straße folgen, denn unser Wanderweg führt an ein anderes Ziel, irgendwo bergauf. Aber es sind ja nur wenige hundert Meter, die uns noch vom Ziel trennen: dem ikonischen Felsendorf Tüchersfeld.

Ikonisch deshalb, weil hier eine markante Felsengruppe zwischen den Häusern aufragt. Etwa auf halber Höhe zeigt sich einer der Fachwerkgiebel des Fränkische-Schweiz-Museums. Hier könnte man durchaus ein paar Stunden zubringen – oder den Besuch auf einen anderen Tag verschieben, denn wir wollen ja rechtzeitig wieder am Bahnhof sein und vorher auch noch etwas essen. Zum Beispiel im Gasthof zum Fahnenstein, der nach der zweiten markanten Felsgruppe im Ort benannt ist. Um zum Gipfel mit der Fahne zu gelangen, hieße es allerdings Treppen steigen, und das auf leeren Magen. Mit Bier und Schnitzel im Bauch fiele die Tour allerdings erst recht schwer. Kurzerhand streichen wir Gasthaus und Aussichtspunkt und laufen von hier erst einmal den Wanderweg zurück nach Behringersmühle, von wo aus der Rest des Weges überschaubarer ist.

Kuchen und dunkles Bier sind zwar eine eher unübliche gastronomische Kombination, aber die Wirtin hat nichts dagegen einzuwenden, und so runden wir diesen schönen Wandertag hier ab, nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt, wo Punkt 17.05 Uhr der Zug zurück nach Ebermannstadt abdieselt. Es ist der letzte für heute und auch der letzte in diesem Jahr, denn der kommende Sonntag und die Nikolausfahrten stehen beide im Zeichen des Dampfes.

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Bei Rembrandt in der U-Bahn

Wir frühstücken beim „Lukas”, das ist ein Bäckerei-Café ganz in der Nähe der Nicolaikirche, das auch sonntags schon sehr früh öffnet, auch wenn der Andrang zu weniger unchristlichen Zeiten sicher deutlich größer ist und die Serviceroboter, die wir gestern schon bemerkt hatten, sicher mehr zu tun haben als heute. Auch von den drei Bestellterminals macht niemand Gebrauch, obwohl es zu Stoßzeiten sicher sehr angenehm ist, seine Wünsche einfach in den Bildschirm zu tippen und sich dann nach dem Bezahlen per Karte samt PUK, so heißen die kleinen Piepser, an einen freien Tisch zu setzen und auf Robby oder Wally zu warten. Woher wissen die beiden elektronisch Beflissenen eigentlich, wo der Gast Platz genommen hat? Nun, der PUK wird es ihnen verraten haben. Unser Tablett müssen wir natürlich selbst vom Roboter herunternehmen und ihm den PUK übergeben, damit das Maschinchen dann wieder in die Küche rollen und den nächsten Gast bedienen kann. Ciao, Wally.

Viel zu früh stehen wir wenig später vor einem der Eingänge des Museums der bildenden Künste. Es hat deren vier, einen pro Himmelsrichtung. Als um Punkt 10 Uhr der Aufschließer kommt, fällt er sogleich vor uns auf die Knie. Aber nicht aus Ergebenheit, sondern weil sich die Schlüssellöcher für die Glastüren im Fußboden befinden.

Das Museumsgebäude ist ein Kubus von gewaltigen Ausmaßen, wirkt aber dennoch leicht und luftig. Allein bei der Konzeption der Schließfächer hatte der Architekt einen schlechten Tag, denn die Gasse hinter der Kasse mit den Schränkchen zu beiden Seiten ist eng, und man steht sich selbst bei geringem Andrang gegenseitig im Weg. Dafür sind aber die Treppen, von denen es mehrere gibt, recht großzügig bemessen.

Der Bereich für die Sonderausstellungen befindet sich im Untergeschoss. Die sehr geschickte Raumaufteilung läßt keinen Zweifel daran, in welcher Reihenfolge man die Bilder und Zeichnungen betrachten soll. Jedoch kommt relativ schnell das Gefühl auf, man sei akustisch in eine U-Bahn geraten. Denn wer kennt nicht diese typische Geräuschkulisse, wenn sich zum Stimmengewirr im Großraumabteil des abfahrbereiten Zuges das immerfort schrillende Lülo-Lülo der sich auf Knopfdruck in Kürze öffnenden oder gleich schließenden Türen hinzu gesellt, mal laut und in der Nähe, mal weiter entfernt und oft auch gleichzeitig aus mehreren Richtungen? In der Rembrandt-Ausstellung des Leipziger MdbK kann man das ganz genauso erleben. Denn die Gemälde und insbesondere die Zeichnungen  Rembrandts und seiner Zeitgenossen sind lichtempfindlich und die Beleuchtung entsprechend gedimmt, während gleichzeitig die Texte auf den Täfelchen klein sind. Und so unterschreitet in der weitläufigen Hängungsrunde alle paar Sekunden ein sich vorbeugender Kopf oder eine auf Details zeigende Hand den per Bodenlinie markierten Sicherheitsabstand, so dass Alarm und Wachpersonal den Täter, so er sich denn als solcher wahrnimmt, zurückzucken und für den Rest seines Rundgangs mehr auf die Linie denn auf die Kunst achten läßt. Aber die akustische Sensibilisierung wirkt natürlich nur bei jenen, die einmal damit in Konflikt geraten sind, die neu Hinzukommenden hingegen wissen noch nichts von der hohen Empfindlichkeit der Abstandswarner.

Das MdbK verfügt auch über eine umfangreiche Dauerausstellung, die sich in den oberen Stockwerken befindet. Der Lift nach oben führt freilich ein etwas verstecktes Dasein und läßt sich auch sehr lange bitten, so dass wir am Ende dann doch die lange Treppe nehmen. Oben angekommen, tut sich eine Welt auf. Eine Welt voller Gemälde, von denen viele Weltruf genießen, Caspar David Friedrichs Lebensalter zum Beispiel oder Claude Monets „Boote am Strand von Etretat”. Das Lieblingsmotiv des Verfassers ist hingegen weit weniger spektakulär. Es zeigt ein Gerippe, das gerade einem dringenden Bedürfnis nachgeht. Den „pinkelnden Tod” nannte Max Klinger sein Werk.

Wer mit der Bahn fährt, kann das Leben in vollen Zügen genießen. Und das sogar, wenn in der Fahrplanauskunft „geringe Auslastung“ stand. In der Sitzgruppe gegenüber hat sich eine junge Frau niedergelassen, die über geschlossene Kopfhörer mit irgend jemandem telefoniert. Sich akustisch in einer anderen Umgebung wähnend, spricht sie natürlich viel zu laut und bekommt auch nicht mit, dass sie die anderen Fahrgäste mit ihren intimsten und privatesten Details beschallt. So weiß schon bald das ganze Abteil, wann und wo sie sich mit ihrem Gesprächspartner treffen will. Und dass sie der Freundin, die morgen Geburtstag hat, eigentlich den weißen Pullover schenken wollte, den sie nun aber schon hat. Als der Zug in einem Bahnhof hält, schreckt sie auf: wo sind wir hier eigentlich? Und wie aus einem Mund antworten die Mitreisenden: „In Breitengüßbach!“

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Ein Tag voller Musik

Um nach Leipzig zu gelangen, haben wir uns für eine sehr ökonomische Lösung entschieden, nämlich den Regionalzug. Die Verbindung besteht aus zwei Teilstrecken, einmal von Nürnberg nach Saalfeld über Bamberg, Schweinfurt und den ehemaligen Grenzbahnhof Probstzella, und dann noch einmal von Saalfeld über Gera nach Leipzig Hauptbahnhof. Der erste Zug ist ein Doppeldecker, der zweite ein relativ kleiner und bis auf den letzten Platz ausgelasteter Dieseltriebwagen. Heute ist ein herrlicher Herbsttag, die höher steigende Sonne läßt Nebelschwaden aus den frisch gepflügten Feldern emporsteigen. Abgesehen von einem lautstark schnarchenden Mitreisenden, der für die Fahrkartenkontrolle erst mühsam geweckt werden muss, haben wir recht angenehme Mitreisende, insbesondere den Achtjährigen, der voller Stolz berichtet, er sei mit seinen Eltern und dem kleinen Bruder unterwegs zum Rummel nach Leipzig, der viel größer und schöner sei als zuhause in Gera.

Leipzig ist ein Kopfbahnhof, man läuft vom Bahnsteig schnurstracks hinaus auf den Vorplatz, überquert ein paar Straßenbahngleise und ist dann auch schon in der verkehrsberuhigten Altstadt, wo wir nach wenigen hundert Metern zur Rechten das Motel One vorfinden. Das Zimmer ist noch nicht bezugsfähig, aber wahrscheinlich sehen wir so ermattet aus, dass die freundliche Rezeptionistin verspricht, uns in einem der ersten unterzubringen, die heute frei werden, und stellt auch unsere Koffer unter, so dass wir uns frei in der Stadt bewegen können.

Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, denn wir haben uns für die zwei Tage einiges vorgenommen. Auf dem Besuchsprogramm steht zunächst einmal das Museum für Musikinstrumente, das ein Teil des Grassimuseums ist und mit einem viertelstündigen Fußmarsch erreichbar.

Wie groß mag das Museum wohl sein? Man ist ja immer gut beraten, sich vorab zu überlegen, wie viel Zeit man hat und wieviel man davon in die einzelnen Säle und Themen investieren will. Aber wie viele gibt es? Kann man sich auch Zeit für die eine oder andere Hörprobe nehmen? Die hier nicht wie anderswo über einen Hörer eingespielt werden, sondern stets den ganzen Raum beschallen? Was je nach Besucherstruktur aber durchaus Vorteile hat, besonders wenn jedes Instrument über einen anderen Lautsprecher eingespielt wird.

Sehen wir uns also den ersten Saal an. Es geht um Streichinstrumente mit 18 Saiten, die weiß der Geier wie gestrichen wurden, Im zweiten dann um Klaviere mit geteilten Obertasten und im dritten um das Musikleben zu Bachs Zeiten. Als nächstes folgt nun der Konzertsaal mit der berühmten Silbermann-Orgel, und zu guter Letzt führt der Weg durch drei weitere Säle wieder hinaus ins Foyer mit den Kassen und dem Übergang zum anderen Museum im Grassi, dem Museum für Völkerkunde. Aber das heben wir uns für einen anderen Besuch auf.

Was uns bei den Instrumenten auffiel waren vor allem die vielen Möglichkeiten, die Tafeln mit den einführenden Texten unterzubringen. Mal hingen sie an der Wand wie in anderen Museen auch, dann wieder seitlich an der Vitrine und einmal sogar an der rückseitigen Vitrinenwand. Und dann die vielen exotischen Instrumente! Was wie (eine Kommode mit vielen seitlich ineinander gesteckten Schüsselchen) die Auslage eines Porzellanladens aussieht, ist eine Glasharmonika. Sie wird mit angefeuchteten Fingern gespielt, das Schwämmchen dafür liegt griffbereit. Eindruck machen auch die selbstspielenden Geräte in allen Größen, von der Lochstreifen-Mundharmonika bis hin zum schrankgroßen Orchestrion des Leipziger Herstellers Hupfeld.

Zurück im Hotel ist das Zimmer 330 soeben fertig geworden. Die Innenstadtlage hat den Vorteil, dass wir nicht lange nach einem Imbiß suchen müssen, die Wahl fällt auf den Asiaten gleich nebenan. Reis mit Stäbchen zu essen ist übrigens eine echte Herausforderung.

Heute Abend haben wir Karten für die Musikalische Komödie. Gegeben wird die wohl bekannteste Operette von Johann Strauß: „Die Fledermaus”. Zuerst aber gilt es, die im Stadtteil Lindenau gelegene Spielstätte zu finden. Wir nehmen die Straßenbahn zur Haltestelle „Angerbrücke“ und plaudern während der Fahrt mit einer jungen Mutter über deren Pläne, den aufgeweckten Sohn nächstes Jahr bei den Thomanern einzuschulen, wo er vielleicht eines Tages Chorknabe wird. Das letzte Stück Weges gehen wir zu Fuß. Schneller als erwartet, denn der Park war nur ein Grünstreifen und der Fluß nur ein Bach, stehen wir vor einem eingerüsteten Bau und wären beinahe daran vorbei gelaufen, hätten wir nicht die vielen vor dem Eingang wartenden Leute bemerkt. 

Der Theaterbau strahlt samt Personal den nüchternen Charme der DDR aus, aber wir haben gute Sicht auf die Bühne und sind schon bald von der pfiffig inszenierten Handlung und der schönen Musik begeistert. Es geht um einen Mann, der wegen Beleidigung einer Amtsperson eine Haftstrafe antreten und deshalb seine hübsche junge Frau für ein paar Tage allein lassen muss. Beide nutzen die Gelegenheit, sich bis zum Morgen ohne Wissen des anderen zu amüsieren: er beim Maskenball des Prinzen Orlowsky, sie mit ihrem heimlichen Liebhaber, der dann aber für den vermißten Häftling gehalten wird und sich, um die Dame nicht zu kompromittieren, abführen lassen muss. Ganz nebenbei weilt auch die Kammerzofe keineswegs bei ihrer angeblich kranken Tante, sondern auf dem bewußten Ball. Verständlich, dass sich nun allerhand Verwicklungen ergeben, insbesondere als auch noch die Ehefrau maskiert die Szene betritt und ihrem Mann, der sie nicht erkennt, als Beweis seiner Untreue die Taschenuhr abluchst. Zudem wird die Zofe im rosa Fummel ihrer Herrin, momentan aber eben ohne denselben, angetroffen. Mehr soll aber nun wirklich nicht verraten werden.

Die Rückfahrt mit der Straßenbahn zum Hotel verläuft relativ ereignislos.

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Meisterhafte Häuser

Der Tag ist noch jung, und die Rückreise nach Nürnberg wird knapp 5 Stunden in Anspruch nehmen. Welches attraktive Zwischenziel könnten wir uns vornehmen? Die Wahl fällt auf das Bauhausmuseum in Dessau, die zugehörige Adresse ist schnell gefunden. Zwei Stunden später stehen wir vor dem markanten bauhaustypischen Gebäude. Der Eintritt ist frei, denn heute ist Tag des offenen Denkmals. Und um ein solches handelt es sich ja auch.

Dass er sich in einem ehemaligen Schulgebäude befindet, würde hier selbst ein Blinder merken. Für Sehende gibt es einen Lageplan: Bauhausgebäude, Meisterhäuser, Bauhaus Museum. Aha, das Museum befindet sich also ein Stück abseits. Dies ist einer jener Augenblicke, in welchem sich von jetzt auf gleich ein jahrelang gepflegter Irrtum lichtet: Bauhausgebäude und Bauhausmuseum sind keineswegs ein- und dasselbe. Der Wegweiser draußen an der Straße verrät, dass die Wegstrecke zwischen beiden fast eineinhalb Kilometer beträgt.

Nun gut, dann besichtigen wir eben zuerst die Reihe der Meisterhäuser, denn die liegen nur 600 Meter entfernt. Auf dem Lageplan ist das praktisch gegenüber. Aber der Lageplan ist nicht maßstäblich. Nach gefühlt einem Kilometer Fußmarsch stehen wir vor dem ersten Haus – und werden etwas unfreundlich empfangen: nein, die Bauhaus-Eintrittskarten gelten hier nicht. Nein, es sind auch in den nächsten zwei Stunden keine Zeitfenster-Tickets mehr verfügbar. Dass der Fussmarsch umsonst gewesen sein soll, will mir nicht in den Kopf. Nach gutem Zureden der Liebsten lasse ich mich aber umstimmen, und wir buchen das nächst mögliche Zeitfenster.

Hier lebten vor 90 Jahren Klee, Kandinsky und Feininger mit ihren Familien

Aber wo ist denn nun das Museum? Da mir der Sinn nicht nach Wandertag steht, laufen wir erst einmal zum Auto zurück. Und bleiben prompt am Bauhaus-Café hängen, wo hungrigen Besuchern leckere Burger serviert werden. Nach dem Verzehr derselben ist das Zeitfenster auf eine Stunde geschrumpft. Stand da vorhin nicht auch ein Wegweiser zur Anhaltischen Gemäldegalerie? Die ist zwar, so viel ich weiß, schon seit Jahren wegen Renovierung geschlossen, aber ob das überhaupt noch aktuell ist?

Fünf Minuten später stehen wir vor einem Gebäude, das sich mittels beschrifteter Auslegerflagge als die gesuchte Galerie ausweist. Aber wo ist der Eingang? An der rückwärtigen Tür wird darum gebeten, die Ausstellung nur mit Maske zu betreten. Aber die Tür ist verschlossen, und es sind auch keine Öffnungszeiten angeschrieben. Eine Passantin vermutet die Galerie im Nebengebäude. Aber das Nebengebäude ist dafür viel zu klein. Und nun? Intuitiv mache ich im Hintergrund zwischen den Bäumen ein weiteres Gebäude aus. Vielleicht dort? Der Haupteingang des Schlösschens ist versperrt, aber am Seiteneingang werden wir fündig: „Das Museum ist geschlossen, die Neueröffnung wird mit ausreichendem Vorlauf angekündigt werden.” Na, das ist doch mal etwas. Denn auf der Website steht nur „bald”, und man weiß ja aus Erfahrung, wie aktuell Websites oft sind.

Ein weiteres Museum ist das Technikmuseum Hugo Junkers, unschwer zu erkennen an ein paar alten Flugzeugen, die auf dem Museumsgelände parken. Leider reicht die Zeit nicht mehr für einen Besuch.

Denn nun steht ein Besuch bei Prominenten an, wir beginnen bei Walter Gropius. Dessen Haus ist zwar nicht mehr das Original, aber man hat es nach seinen Plänen wieder aufgebaut. Leider wirkt das weiß gestrichene Gebäude mit seinen verbarrikadierten Fenstern von außen eher wie ein unfertig aufgegebener Rohbau. Im Haus von Paul Klee am anderen Ende der kleinen Reihensiedlung wiederum fühlt man sich sofort wohl: wären da nicht die heute nicht mehr gebräuchlichen Drehlichtschalter, man könnte glauben, in einem modernen Neubau zu stehen, so zukunftsweisend war die Architektur des Bauhausgründers. Undeutsch, nannten die Nazis diesen Baustil und lehnten ihn ab. Klee und seine Nachbarn Kandinsky, Feininger und Moholy-Nagy sahen das naturgemäß völlig anders. aber das alles ist lange her, auf die Auflösung der Bauhausschule folgten Krieg und DDR. Heute hat man sich wieder besonnen und den Häusern den Rang eines Weltkulturerbes verliehen. Wie anders wäre die Weltgeschichte doch verlaufen, hätte man sich damals an den Genies orientiert statt an den Populisten.

Der Vollständigkeit halber steht nun aber nun doch noch der Besuch im neuen Bauhausmuseum an, ein gläserner Kasten im Stadtzentrum, dessen Anliegen es ist, das Bauhaus als einen lebendigen Ort darzustellen, an dem gelernt und gelehrt, künstlerisch experimentiert und an industriellen Prototypen gearbeitet wurde. Die damals ausgesprochenen Verfemungen sind ein Teil dieser Geschichte und werden im Foyer vorgetragen.

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Schrecklich schöne Ausstellungen

Das Humboldt Forum bietet Raum für mehrere Ausstellungen, teils temporär und teils dauerhaft. Eine davon haben wir gestern schon besucht, für heute haben wir weitere drei Zeitfenster reserviert und beginnen im ersten Obergeschoss mit „Nach der Natur”. Hier steht ein Relief des Aletschgletschers neben einer Sammlung chemischer Farben, das bunte Skelettmodell eines frühen Landlebewesens, eine Zusammenstellung diverser Mineralien und eine kleine Sammlung von PCs der frühen 80er-Jahre: Apple IIe, IBM PC, Macintosh Classic, Osborne. Genau genommen stehen aber nur die Exponate, die Vitrinen hängen allesamt von der Decke und schaukeln, wenn man sich versehentlich dagegen lehnt. Wahrscheinlich erleichtert es die Reinigung des Fußbodens. Aber was verbindet all diese exemplarisch angerissenen Themen? Nun, es geht wohl um die Humboldt Universität, wir haben es also mit einer interdisziplinären Ausstellung zu tun. Man könnte sich, entsprechende Interessen vorausgesetzt, stundenlang mit den dargestellten Themen beschäftigen, allein der sprachgeschichtliche Abschnitt bietet Dutzende von Audioaufnahmen diverser Sprachen und Mundarten. Zugleich lockt aber ja auch das nächste gebuchte Zeitfenster.

„Schrecklich schön” sollen die Exponate der Ausstellung über Elefanten und Elfenbein sein, die uns im Erdgeschoss erwartet. Auch dieses Thema bietet sehr viele Aspekte, von der Eiszeitkunst, die mit einem kleinen Mammutfigürchen vertreten ist, über riesige Stosszähne und Schädel zu allerlei Schnitzwerk aus dem edlen Material. Immer wieder wird daran erinnert, dass Elefanten vor allem wegen ihrer wertvollen Stoßzähne gejagt werden, ein Wandteppich zeigt eine dazu passende Jagdszene. Und über alledem liegt ein Geräusch, das entfernt an das Brüllen eines Raubtieres erinnert. Ist es aber nicht: was die Besucher vernehmen, aber zunächst nicht einordnen können, ist der schwere Atem einer sterbenden Elefantenkuh. Man hat hier wirklich keinen Aspekt ausgelassen. Was passiert, wenn Elefantenbullen wütend werden, zeigt ein völlig demolierter Geländewagen, dessen Insassen die Attacke aber überlebt haben sollen.

Als drittes Zeitfenster erwartet uns abschließend noch der Schlosskeller. Denn es wurden ja nur die oberen Teile des alten Gebäudes dem Erdboden gleich gemacht. Man steigt also hinab und erfährt, wo die Köche die Hühner gehalten haben, bevor sie zubereitet und den feudalen Herrschaften serviert wurden. Auch Porzellanscherben hat man gefunden und sogar die Zapfhähne einiger Weinfässer. Ein interaktiver Leuchttisch fordert zum Wegwischen der virtuellen Sandschicht auf, in Coronazeiten natürlich mit Handschuhen. Zum Vorschein kommen allerlei Abbildungen von Gebäuden und Grundrissen.

Unser heutiges Abendprogramm und eigentlicher Grund der Reise ist die neue Show „Arise” des Friedrichstadt-Palastes. Wir sitzen ziemlich weit rechts, aber so nah an der Bühne, dass wir den Tänzern und Tänzerinnen quasi direkt in die Augen schauen – falls sie nicht gerade weit oben im Trapez ihre atemberaubende Artistik darbieten. Wie eng und auf Präzision gearbeitet die Nummern gestrickt sind, zeigt sich in Form zweier Stürze ins Sicherheitsnetz. Natürlich gibt es auch wieder eine Einlage mit Wasser auf der Bühne. Und wie es sich für eine Varietéshow gehört, begleiten Licht- und Nebeleffekte die Vorstellung. Natürlich vergeht die Zeit wie im Flug, aber erfreulicherweise liegt ja das Hotel nur einen Katzensprung vom Palast entfernt.

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Erster Besuch im Humboldt Forum

Hurra, wir fahren nach Berlin, und das aus zwei Gründen. Zum einen ist das Humboldt Forum endlich für die Öffentlichkeit zugänglich, zum anderen wartet der Friedrichstadt-Palast mit einer neuen Show auf. Mit dem „Arcotel Velvet” hatten wir zudem ein Hotel in fußläufiger Entfernung gefunden, noch nicht ahnend, dass das auch aus Gästesicht ein absoluter Glücksgriff war.

Denn das Oranienburger Tor liegt nicht nur günstig am Schnittpunkt einer U-Bahn mit einer Straßenbahn, es gibt dort auch einige Geschäfte in Laufweite – und einen Platz, um das Auto unterzustellen. Vorher werde ich noch gefragt, ob es denn kürzer als fünf und schmäler als zwei Meter sei und anklappbare Außenspiegel habe. Dann darf ich damit vor das Rolltor fahren und dasselbe per Chip öffnen: vor mir liegt eine Art Garage mit Rampen, auf die es einigermaßen exakt einzuparken gilt. Handbremse anziehen und Fahrzeug verlassen, dann schließt sich das Tor, und das Auto wird zu einem kompakten Würfel zusammengedrückt. Zumindest hört es sich so an. Kurze Zeit später steht an derselben Stelle ein Audi. Er gehört aber dem Mann, der neben mir steht und ebenfalls einen Chip in den Händen hält. Ich hoffe, das funktioniert übermorgen mit meinem Prius genauso.

Im Hotel bewohnen wir das Zimmer 405. In den Aufzug nach oben steigt auf der dritten Etage ein Staubsauger ein. Nur der Schlauch, denn der stand wohl angelehnt draußen. Die zugehörige Putzkraft entschuldigt sich, dann geht es weiter. Das Zimmer ist geräumig, hat eine vom Naßraum getrennte Toilette und verfügt über zwei Sitzgelegenheiten: in vielen Hotels leider keine Selbstverständlichkeit.

Als wir wieder auf die Straße treten, ist sie nass. Aha, es hat geregnet. Aber nur bis zur Straßenmitte. Demnach war es wohl doch die Straßenreinigung. Wir beschließen, den nach 452 Kilometern Fahrt deutlich aufkommenden Hunger mit einem Nudelgericht aus der PHO-Noodlebar gegenüber zu stillen. Deren Mitnehmgerichte sind zwar nicht ganz billig, dafür aber reichhaltig und wohlschmeckend.

Frisch gestärkt geht es sodann zu Fuß, vorbei an Bodemuseum und Lustgarten, zum neuen Berliner Schloss hinüber. Dessen Ähnlichkeit mit dem 1950 abgerissenen Stadtschloss ist aber in weiten Teilen nur äußerlich, im Inneren erwartet uns ein moderner Zweckbau mit großzügigem Foyer, einem einladenden Innenhof, einer Passage, einer Treppenhalle sowie funktionalen Räumen auf vier Etagen plus Keller. Allein die inneren Seiten der fünf Eingangsportale und drei Seiten des Schlüterhof genannten Innenhofs erstrahlen in derselben barocken Ausstattung wie früher.

Die Wiedererstehung des Schlosses ist im Skulpturensaal dokumentiert, wo auch einige gerettete Architekturteile des ursprünglichen Baus ausgestellt sind. Über die Geschichte des Platzes wiederum informiert das Videopanorama direkt neben dem Nikolaiportal.

Es ist schon ein skurriles Bauwerk, das da nun den Platz des früheren Berliner Schlosses einnimmt: teils rekonstruiert, teils modern, auf keinen Fall aber etwas, das man als Schloss bezeichnen könnte. Denn auch wenn es exakt denselben Luftraum ausfüllt und exakt dieselben Außenfassaden zeigt: es ist im Inneren ein völlig anderes Gebäude, das eher an ein modernes Einkaufszentrum erinnert, mit langen Rolltreppen, viel Glas und Cafés mit Sitzgelegenheiten, wo man herrlich entspannt seinen Cappuchino schlürfen und dabei über die soeben besuchte Ausstellung sprechen kann.

Und deren gibt es im Humboldt Forum gleich mehrere. Noch am Anreisetag besuchen wir „Berlin global”, eine Ausstellung, bei der die Besucher mit einem Abstimmgerät ausgestattet werden und dann unter anderem verschiedene Türen durchschreiten müssen: will ich eine offene Stadt? Oder lieber eine soziale Stadt? Will ich Bewährtes schützen oder lieber Neues wagen? Und in welcher Form würde ich mich an einer Revolution beteiligen? Die gesellschaftlichen Hintergründe solcher Fragen liefern die Bilder und Videos an den Wänden, aber auch die Ausstellungsstücke selbst. Wofür interessierten sich die Berliner während des Kaiserreichs, in der Zwischenkriegszeit oder während des Kalten Krieges, als mitten durch Berlin eine trennende Mauer verlieft?

Die hereinbrechende Nacht beschert den Berlinern heute bunt beleuchtete öffentliche Gebäude, das markante Bode-Museum sieht aus wie eine Jahrmarktsbude. Und alles was Beine hat ist unterwegs.

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Blumenstadt Erfurt

Der Erfurter Egapark hat eine lange Geschichte, von der Westdeutsche nur wenig wissen: fragte man uns nach namhaften Veranstaltungsorten der IGA, der Internationalen Gartenbauausstellung, so fielen uns wahrscheinlich auf Anhieb der Hamburger Planten-un-Blomen-Park, der Stuttgarter Killesberg oder der Münchner Westpark ein, während die „Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder” von 1961 als deren Gegenveranstaltung wohl kaum jemandem geläufig wäre. 30 Jahre nach der Wende darf Erfurt auf dem historischen Gelände nun heuer mit der Buga 2021 erneut eine große Gartenschau ausrichten.

Die lange Tradition Erfurts als „Blumenstadt” zeigt sich auch darin, dass im Hauptgebäude der Zitadelle Cyriaksburg seit nunmehr 60 Jahren auch das Deutsche Gartenbaumuseum untergebracht ist. In der Buga-Zeit kann man nur beides zusammen besuchen, also beginnen wir unseren Rundgang erst einmal dort. Gezeigt wird die Geschichte des Gartenbaus, die Biologie der Pflanzen sowie deren Züchtung, Anbau und Vermarktung, sei es nun in Form von Gartenerzeugnissen oder im Sinne der Erholung und Entspannung.

Die kinetische Pflanze „Valentine” ist Anschauungsobjekt und Kunstwerk zugleich: durch Plastikschläuche fließen, für die Besucher gut sichtbar, Wasser und Nährstoffe, es wird Umgebungsluft aufgenommen und in Pflanzenmasse umgewandelt, dargestellt durch einen sich aufspreizenden Laubrechen. Man könnte ihr stundenlang dabei zusehen.

Die heutige Cyriaksburg ist der verbliebene Teil einer einst viel größeren Zitadelle. Deshalb befindet sich der Tiefbrunnen auch nicht direkt unter dem Gebäude, sondern ist über einen langen unterirdischen Gang erreichbar, an dessen Ende man in die schaurige Tiefe hinunterblicken kann.

Wieder draußen im Gelände, meldet sich der Hunger auf Thüringer Rostbratwurst. Zuerst steht aber noch der Besuch im Zwei-Zonen-Klimahaus „Danakil” an, denn man braucht für den Eintritt ein Zeitfenster, und wir haben unseres für 11:45 Uhr gebucht. Der Weg führt zuerst durch das Wüstenhaus, dann durch das Regenwaldhaus. Im ersten ist außer Sand und allerlei Kakteen nicht viel zu sehen, denn die Tiere sind offenbar gewerkschaftlich organisiert und haben gerade Mittagspause. Das gilt auch für das wachhabende Erdmännchen: schaute es bei unserem allmählichen Näherkommen noch aufmerksam in die Runde, ist es damit Punkt 12 Uhr vorbei, und es kommt auch keine Ablösung. Schade. Dafür ist aber das Tropenhaus voller Leben, wir ergötzen uns an frei fliegenden Schmetterlingen, sehen ein Weilchen den Blattschneider-Ameisen zu, entdecken zwischen den Blättern ein Paar grellgelbe Pfeilgiftfrösche und sehen dem Chamäleon in die Augen: abwechselnd mal ins linke, dann wieder ins rechte. Ob das Erdmännchen inzwischen wieder Posten bezogen hat? Leider nein. Den ganzen Weg durch beide Häuser noch einmal laufen gefällt uns nicht, wir wenden also – und werden dafür gerüffelt.

Draußen dann endlich Rostbratwurst. Mit Senf. Im Brötchen. Denn die Wurst will ja irgendwie in der Mitte festgehalten werden.

Die Buga verteilt sich auf zwei Hauptstandorte: Egapark und Petersberg. Im Geländeplan zwar ist beides eingezeichnet, aber leider nicht, wie man von einem Gartenteil in den anderen gelangt. Zudem sind beide Pläne unterschiedlich orientiert. Gravierendstes Manko ist aber die Regel, dass man den verlassenen Parkteil nicht erneut betreten darf: eine Veranstaltung im anderen Gartenteil besuchen ist also nicht drin. Außer man fragt in der Info nach dem Weg, dann erhält man ein Bändchen für den Wiedereintritt.

Gelohnt hat sich die zweimalige Fahrt mit der Straßenbahn dennoch nicht, denn meine Pressekarte gilt für diesen Ausstellungsteil nicht, und Einzelkarten gibt es auch nicht.

Zurück im Egapark steht nun der lange Rundweg über Blumenhalle, Begrüßungsbeet, verschiedene alte und neue Themengärten und das Rosencafé an, wo ein Alleinunterhalter Schrammelmusik zum besten gibt, in deren Texten sich „Wien” auf „gern” reimt. Aber wer hört schon so genau hin, wenn er doch mit dem Verarbeiten der vielen visuellen Eindrücke beschäftigt ist?

Die Wasserspiele der Lilienterrasse fügen einen weiteren hinzu, denn sie schleudern Stakkatos in die Luft, die eher zu einem Tango als zu einem Wiener Walzer passen würden.

Inzwischen ist es 5 Uhr nachmittags geworden, und das Gelände leert sich bemerkenswert rasch und gründlich. Dabei verbleiben doch noch ganze zwei Stunden bis zur Schließung! Wir können also noch den Aussichtsturm besteigen, mit herrlichem Rundblick über die Stadt und die Berge des Thüringer Waldes, und den ausgedehnten japanischen Garten mit seinen Felsen und Wasserspielen durchstreifen. Und da wir in der Nähe des unteren Eingangs geparkt haben, müssen wir von dort auch nicht wieder hochlaufen.

Acht Stunden hat unser Aufenthalt gedauert, und wir haben noch längst nicht alles gesehen. Das ist wohl auch der Grund, warum es neben den Tageskarten auch Zweitageskarten gibt.

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Ohrwaschl

Für uns Kinder, die wir unsere Kalchreuther Heimat gern kreuz und quer per Fahrrad durchstreiften, war die „Ohrwaschl” der verbotenste Ort, den man sich nur vorstellen konnte. Die Tabuzone begann schon am Waldrand, genauer gesagt dort, wo hin und wieder ein amerikanischer Soldat die Schranke über den Waldweg bewachte, der tief hineinführte in das verbotene Gelände des Truppenübungsplatzes. Denn an solchen Tagen wurde weit drinnen im Wald das Schießen geübt. Aber auch in Zeiten, in denen nur Schilder auf das Betretungsverbot hinwiesen, hätten wir uns niemals weiter hinein gewagt als jene paar hundert Meter, die das flaue Gefühl im Magen gerade noch zuließ.

Der Truppenübungsplatz begann eigentlich erst jenseits der Sperrzone. Aber verirrte Projektile fliegen eben manchmal weit, und vor dieser Gefahr hatten nicht nur wir Kinder einen Heidenrespekt: auch von den Erwachsenen trauten sich nur wenige tiefer hinein in den Wald, wo es sommers die besten Schwarzbeeren und im Herbst die meisten Pilze gab. Man stelle sich vor, die Amis hätten plötzlich zu schießen begonnen, wie wäre man dann schnell genug aus der Gefahrenzone gekommen?

Und das kilometerweit im Sperrgebiet liegende Zentrum all jener Gefahr war eben – die Ohrwaschl.

In den 90ern aber brach, wie wir alle wissen, eine neue Zeit an. Die amerikanischen Truppen zogen ab, und der Sebalder Reichswald war kein Sperrgelände mehr. Noch durften wegen der Gefahr herumliegender Munition die Wege nicht verlassen werden, noch fühlte sich alles irgendwie fremd und exotisch an. Einiges kannte man schon, weil man den Wald eben doch hin und wieder schon durchquert hatte oder auf der „Heide” spazieren gegangen war, wenn gerade keine Gefahr drohte. Denn die Amis schossen inzwischen nur noch selten, die Waldwege waren unbewacht, und die Schilder und Schranken setzten allmählich Rost an.

Die Ohrwaschl war einst ein Wirtshaus gewesen, ein Ausflugsziel mitten im tiefsten Reichswald, an der Verbindungsstraße zwischen Neunhof und Dormitz. Dass es in der Zeit der Pferdefuhrwerke völlig normal war hier entlangzufahren, hatten auch die älteren längst vergessen. Und ebenso, dass es auf halber Strecke hier ein Wirtshaus gegeben hatte, mit einem schattigen Biergarten.

Vom Wirtshaus blieb nur der Keller übrig, eine Sandsteinmauer mit einem vergitterten Tor darin. Uralte Eichen säumen an dieser Stelle die Straße, die heute nur noch ein Waldweg ist wie alle anderen. Und auch der einstige Sandsteinbruch läßt sich nur noch erahnen.

Aber noch immer ist ein wenig von der einstigen Faszination des Ortes spürbar.

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Mit Papa beim Sumpfwurz

Der oder die Weiße Sumpfwurz ist als heimische Orchideen nicht ganz so spektakulär wie der Frauenschuh, aber dennoch hübsch anzusehen und vor allem auch genauso selten wie dieser. Im Nürnberger Land soll es einen Standort geben, den mein Papa vor vielen Jahren schon einmal zusammen mit einem anderen Naturfreund besucht hat. Das war zwischen G-Berg und E-Tal. Oder doch zwischen G-Dorf und E-Berg? Wenn doch nur die Namen nicht so ähnlich wären, gerade recht, um sie zu verwechseln.

Wohin müssen wir abbiegen? Papa meint, eher rechts, das Navi hält links für die bessere Wahl. Also erst einmal links, wo wir schon bald die Verbindungsstraße von G-Berg nach E-Tal erreichen. Nein, hier kann es nicht gewesen sein, wir befinden uns nördlich eines Höhenzuges, und der Orchideenstandort war südlich. Wir müssen also, der schönen Landschaft zum Trotz, wenden und zurückfahren.

Wenige Minuten später parken wir neben der Ortsverbindung von G-Dorf nach E-Berg. War es hier? Papa läßt den Blick schweifen: nein, hier war es auch nicht. Und auch der Ort, der nun vor uns liegt, habe ganz anders ausgesehen. Vielleicht müssen wir aber ja zum jenseitigen Ortsausgang? Wir fahren durch das Dorf und einen steilen Berg hinauf. Nein, hier war es auch nicht. Aber vielleicht könnten wir den Orchideenfreund kurz anrufen?

Ja, wenn das so einfach wäre! Papa hat die Telefonnummer nicht parat, aber es gibt ja das Internet, und so bemühe ich die mobile Suche. Die aber braucht ein Netz. Und ein Netz gibt es hier oben nicht. Sehr wohl aber im nächsten Ort, auf der anderen Seite des Berges. Von hier weg wären wir genauso schnell in E-Tal wie in E-Berg, aber fragen wir doch erst einmal jemanden, der es weiß.

„Nein, Ihr müßt zurück auf die Straße von E-Berg nach G-Dorf”, weist uns der Freund telefonisch ein. „Und dann 200 Meter vom Ortsausgang rechts den Feldweg hinauf. Der ist leicht zu finden, weil es der einzige ist.”

Wir finden den Feldweg, stellen das Auto ab und folgen der offenbar selten befahrenen Wegspur an einem alten Jägersitz vorbei und bis zum Waldrand, wo dichtes Brennessel-Gestrüpp den weiteren Weg versperrt. Nein, hier war es nicht, meint Papa. Gibt es vielleicht doch noch einen zweiten Feldweg?

Direkt am Ortsrand bestellt eine Frau mittleren Alters ihren Garten. Ob sie wüßte, ob hier noch ein anderer ein Weg zum Waldrand hinaufführt? Mir ist nämlich der Gedanke gekommen, dass diese Häuserzeile damals noch gar nicht gebaut war. „Wie lange steht Ihr Haus denn schon?”, will ich wissen. Sie runzelt ein wenig die Stirn über die seltsame Frage, antwortet aber brav: „6 Jahre”. Aha, dann könnte der beschriebene Ortsrand vielleicht gar nicht mehr derselbe sein? Und der Feldweg von damals inzwischen eine Straße für die Neubausiedler weiter oben?

Wir laufen an den Gartenzäunen entlang ein Stück weit hinauf in der Hoffnung, weglos an den Standort zu gelangen. Zwar erweist sich die Aussicht von da oben als beeindruckend, vor allem wegen der vom M-Berg her aufziehenden Quellwolken, die sich schon bedrohlich vor die Sonne schieben. Aber: hier war es auch nicht.

Kurzerhand denken wir uns die Neubauten weg und erproben noch einen weiteren Feldweg. Doch auch dieser Versuch erweist sich als nicht zielführend. Geneigt, unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu fahren, erblicken wir mitten im ansonsten recht ausgestorben wirkenden Ort eine Frau, die wir fragen könnten. Die meisten Leute wissen aber gar nichts von den botanischen Raritäten in der Umgebung, wage ich einzuwenden. Egal, wir versuchen es.

Die Befragte kennt zwar weder die Pflanze noch den Standort, aber „als wir unsere Felder noch hatten, kamen hin und wieder Männer vorbei, die nach irgendwelchen Orchideen gesucht haben.” Wo denn das war? „Gleich am Ortsausgang, rechts den Feldweg hinauf, dann durch das kleine Wäldchen und weiter über den Wall.” Aber da waren wir schon?! „Sie müssen den linken Weg nehmen, nicht den rechten!”

Wir versuchen es, folgen wieder dem bereits bekannten Feldweg, halten uns dann aber vor dem Waldrand links, durchqueren ein Auwäldchen, überklettern einen kleinen Wall und gelangen schließlich an eine ungemähte Wiese, aus der ein paar rote Händelwurzblüten grüßen. Das ist zwar auch eine heimische Orchidee, aber nicht die gesuchte.

Erst beim Näherkommen sehe ich, dass der Händelwurz nicht die einzige Orchidee in dieser versteckt gelegenen Wiese ist: die Sumpfwurzblüten sind nur auf die Entfernung gesehen weniger auffällig. Ihre geringe Fernwirkung machen sie aber durch ihre ausgesprochen aparten Blütenstände bei weitem wieder wett. Endlich!

Als wir uns sattgesehen haben, schauen wir uns die Umgebung noch einmal genauer an, und Papa stellt fest: nein, hier war es auch nicht: offenbar haben wir einen ganz anderen Standort gefunden.

Bevor wir nach Hause fahren, wollen wir uns noch bei der Tippgeberin bedanken und klingeln an ihrer Haustür. Nichts rührt sich, sie wird wohl nicht mehr zuhause sein. Wir bitten die Nachbarin, ihr Grüße zu bestellen. „Vielleicht ist sie aber auch nur im Garten, gehen Sie doch mal ums Haus!” Gesagt, getan. Plötzlich steht ein Mann in der Haustür und fragt mürrisch, was wir denn auf seinem Grundstück zu suchen hätten. Ihre Frau, antworte ich, und der Mürrische verschwindet, ein paar unverständlichen Laute von sich gebend, wieder im Haus. Wieder passiert eine ganze Weile nichts, wieder bestellen wir der Nachbarin Grüße, besteigen unser Auto, fahren los. Gerade noch rechtzeitig bemerke ich, dass nun die richtige Person in der Haustür steht, so dass wir unsere Dankesworte doch noch persönlich an sie richten können.

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Die Odyssee zum Schaukelpferd

Das uns zugedachte Mietauto, Typ Fiesta oder ähnlich, ist nicht verfügbar. Wir können zwischen Kombi, Sportwagen oder SUV wählen, wollen eigentlich aber keines von alledem. Notgedrungen entscheiden wir uns für den Megane. Eine Stunde später ruft uns die Hertz Station an und möchte, daß wir das Auto zurückbringen. Als ob wir nichts anderes zu tun hätten, schließlich mieten wir ja nicht zum Spazierenfahren, sondern haben ein paar Termine. Irgendwie scheinen sie sich dann aber doch anders zu behelfen. Wir hingegen müssen am nächsten Morgen zuerst einmal eine Tankstelle aufsuchen, denn das Auto meldet einen zu geringen Reifendruck.

Bei ESSO kosten 5 Minuten Luft einen Euro. Einen Zeiger für den Reifendruck sucht man an der Luftpistole allerdings vergeblich, und um während des Prüfens das Display an der Luftsäule beobachten zu können, bräuchte man ein gläsernes Auto. Die Wiederherstellung des notwendigen Reifendrucks findet jedoch schon vorher ein unerwartet jähes Ende, denn mit vernehmlichem Zischen legt sich das Auto vorne links 10 Zentimeter tiefer und läßt sich auch nicht mehr aufpumpen.

Die Hertz Pannenhilfe möchte, daß wir das Reserverad montieren. Wir halten das für eine Zumutung und möchten das Auto lieber gegen ein anderes tauschen. Das ginge aus zwei Gründen nicht, meint die freundliche Telefonstimme. Erstens sei eine Fahrzeugübergabe abseits der Vermietstation bei Hertz nicht vorgesehen, und zweitens die Station um diese Uhrzeit auch noch gar nicht besetzt, so daß sich die Verfügbarkeit eines Ersatzfahrzeuges leider erst in etwa einer Stunde feststellen ließe. Sie könnten uns aber ein Pannenhilfsfahrzeug an den Ort unserer Havarie schicken.

Eine halbe Stunde später ist der Gelbe Engel vor Ort. Er weiß nicht nur, wie man das Reserveradfach eines Megane öffnet, er findet nach erfolgtem Radwechsel auch noch das vom Reifen ausgespuckte Ventil. Seiner Überzeugung nach wurde es mit einer Zange unsachgemäß behandelt, denn es ist völlig deformiert. Und da auch noch ein anderes Rad Druckprobleme gemeldet hatte, legt er uns nahe, das Auto möglichst nur noch für die Fahrt zur nächsten Vermietstation zu nutzen.

Dort erhalten wir nun endlich ein Auto in der gebuchten Klasse: einen roten Corsa. Leider haben wir uns von der Größe des Megane dazu verleiten lassen, Kurier zu spielen und auch noch eine sperrige Deckenlampe mit an Bord zu nehmen, und nun ist der kleine Corsa bis unter den Dachhimmel beladen. Wohin sollen wir denn jetzt noch das Schaukelpferd packen, das wir heute bei Poncy abzuholen gedenken?

Erstaunlicherweise findet aber auch das Riesenstofftier noch Platz, und wir können unsere Mission „ein Schaukelpferd für die kleine Maya” erfolgreich zum Abschluß bringen.

Eine kleine Begebenheit will freilich auch noch geschildert sein: als wir am Hotel eintreffen, prangt an der Türe ein Schild „komme gleich wieder”. Hallo? Wann, bitte, ist denn dieses „gleich“? Unter der genannten Telefonnummer meldet sich ein Herr, der uns hinreichend überzeugend darüber aufklärt, daß er mit dem Hotel nichts am Hut hat. „Sie haben ja auch einen Zahlendreher in der Nummer”, meint wenig später die inzwischen eingetroffene Rezeptionistin. Nein, haben wir nicht, sehr wohl aber der an der Tür aushängende Zettel.

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