Als die Menschen noch mehr Zeit hatten als heute, störte sich wohl kaum jemand daran, dass man während der Fahrt von Ebermannstadt nach Behringersmühle quasi einen Blumenstrauß hätte pflücken können, so gemächlich zuckelt das Bähnlein durch die idyllische Landschaft des oberen Wiesenttals. Die Wagen haben Plattformen an beiden Enden, so dass man während der Fahrt in einen anderen Wagen umsteigen könnte, wenn man denn wollte oder der Schaffner wäre, den wir vorhin schon hinter dem Fahrkartenschalter gesehen hatten. Hier auf der DFS, der Dampfbahn Fränkische Schweiz, ist eben alles noch so wie früher. Auf die vorgespannte Dampflokomotive müssen wir heute allerdings verzichten, sie kommt nur jeden zweiten Sonntag zum Einsatz. Man kann eben nicht alles auf einmal haben.
Abfahrt in Ebermannstadt ist um 10.05 Uhr, natürlich warten wir aber auf den etwas verspätet eintreffenden Regionalzug aus Forchheim. Schon bald erblicken wir auf einem Felssporn die markante Ruine Neideck. Von hier weg wird das Tal nun enger, die Felsen rücken näher an die eingleisige Strecke heran, und stellenweise bleibt gerade noch Platz genug für Straße, Flüßchen, Bahngleis und Wanderweg. Hinter Behringersmühle entfällt dann auch das Bahngleis, aber davon später. Zunächst einmal passieren wir den Bahnhof Muggendorf, der heute ein Naturpark-Infozentrum samt Modelleisenbahn beherbergt. Detailliert in H0 dargestellt ist ein Teil des Streckenabschnitts, den wir gerade befahren.
Man könnte hier also aussteigen und dann auch gleich noch hinüberlaufen zum Modelleisenbahnmuseum der Familie Häntzschel mit seinen Anlagen in unterschiedlichen Spurweiten, insbesondere der seltenen Spur S. Oder aber einen der zahlreichen markierten Wanderwege begehen, die es hier gibt. In zwei Stunden käme dann der nächste historische Zug vorbei, um einen wieder mitzunehmen bis zum Endbahnhof, denn wer würde schon freiwillig au den Rest der Fahrt verzichten und gleich hier den Gegenzug nehmen?
Wer wenig Zeit hat oder weder Lust auf Wandern noch Einkehren verspürt, kann im Bahnhof Behringersmühle auch einfach im Abteil sitzen bleiben, verpaßt dann aber das Rangieren der Lok vom einen Ende des Zuges zum anderen. Wir warten noch, bis der Zug pfeifend wieder in Richtung Westen verschwunden ist, dann laufen wir in der entgegengesetzten Richtung los, denn wir wollen nach Tüchersfeld. Natürlich nicht die Straße entlang, sondern auf der anderen Talseite. Aber welches Tal ist das richtige? Ein suchender Blick und die hilfsbereite Auskunft einer Ortskundigen sind quasi eines: wir müssen die Straße und eine Brücke queren und dann einfach nur den Weg folgen. Anfangs noch breit, wird der allerdings immer sparsamer und schließlich zum Trampelpfad. Sind wir hier wirklich richtig? Eine Wegmarkierung, die Gelbe Raute, beseitigt unsere Zweifel, und dann wird der Weg auch wieder besser und führt, von raschelndem Laub bedeckt, am Talrand entlang bis zu einer Fußgängerbrücke, der wenig später eine Straßenbrücke folgt. Von hier weg müssen wir ein Stück weit der Straße folgen, denn unser Wanderweg führt an ein anderes Ziel, irgendwo bergauf. Aber es sind ja nur wenige hundert Meter, die uns noch vom Ziel trennen: dem ikonischen Felsendorf Tüchersfeld.
Ikonisch deshalb, weil hier eine markante Felsengruppe zwischen den Häusern aufragt. Etwa auf halber Höhe zeigt sich einer der Fachwerkgiebel des Fränkische-Schweiz-Museums. Hier könnte man durchaus ein paar Stunden zubringen – oder den Besuch auf einen anderen Tag verschieben, denn wir wollen ja rechtzeitig wieder am Bahnhof sein und vorher auch noch etwas essen. Zum Beispiel im Gasthof zum Fahnenstein, der nach der zweiten markanten Felsgruppe im Ort benannt ist. Um zum Gipfel mit der Fahne zu gelangen, hieße es allerdings Treppen steigen, und das auf leeren Magen. Mit Bier und Schnitzel im Bauch fiele die Tour allerdings erst recht schwer. Kurzerhand streichen wir Gasthaus und Aussichtspunkt und laufen von hier erst einmal den Wanderweg zurück nach Behringersmühle, von wo aus der Rest des Weges überschaubarer ist.
Kuchen und dunkles Bier sind zwar eine eher unübliche gastronomische Kombination, aber die Wirtin hat nichts dagegen einzuwenden, und so runden wir diesen schönen Wandertag hier ab, nur einen Katzensprung vom Bahnhof entfernt, wo Punkt 17.05 Uhr der Zug zurück nach Ebermannstadt abdieselt. Es ist der letzte für heute und auch der letzte in diesem Jahr, denn der kommende Sonntag und die Nikolausfahrten stehen beide im Zeichen des Dampfes.