Die Walachei ist nicht nur der südlichste Landesteil, sondern auch der flachste. Wie schon in der Dobrudscha sieht man zur Linken wir zur Rechten riesige Felder, die sich scheinbar bis zum Horizont erstrecken, denn es gibt – von ein paar Strommasten abgesehen – weit und breit weder Haus noch Baum. Wahrscheinlich wird hier vorwiegend Weizen angebaut, denn jetzt im Herbst sind die meisten Felder leer.
Ziel der heutigen Etappe ist die Hauptstadt Bukarest. Das „Paris des Ostens“ verfügt über breite Boulevards, imposante Prachtbauten, einen Triumphbogen und den gigantischen, vom größenwahnsinnig gewordenen Diktator Ceauçescu errichteten Präsidentenpalast. Um das milliardenschwere Projekt zu finanzieren, ließ er die Bevölkerung hungern und Aufstände gewaltsam niederschlagen. Verantwortlich für Hunderte von Toten, wurden er und seine Frau schließlich hingerichtet.

Im Freilichtmuseum Dimitrie Gusti können wir die typischen Häuser der verschiedenen Landesteile noch einmal Revue passieren lassen, ehe wir uns quer durchs verkehrsreiche Stadtzentrum zum Hotel durchschlagen. Das obligatorische Abendessen schwänzend, gehen wir heute abend in die Oper. Die Karten haben wir bereits lange im voraus gebucht und bezahlt.
Zum Glück befindet sich die Nationaloper ganz in der Nähe des Hotels, so dass wir für den Weg dorthin nur eine gute Viertelstunde brauchen. Aber wie finden wir nun zu unseren Plätzen? Eine freundliche Dame schickt uns rechts zwei Treppen hinauf, eine weitere hinüber zur linken Seite. Die Reihe 17 ist auf der Empore die vorderste, aber wo die Sitzplatznummern stehen, bleibt zunächst rätselhaft. Eine deutsch sprechende Zuschauerin klärt uns auf: die Täfelchen sind so weit oben angebracht, dass man sie nur auf Zehenspitzen stehend lesen kann. Endlich werden wir fündig. Es sind sehr gute Plätze.

Die Oper „Oedipe“ stammt vom Nationalkomponisten George Enescu und wird im Rahmen des zur Zeit stattfindenden Enescu-Festivals aufgeführt. Die Handlung dürfte im Groben bekannt sein: das grausame Schicksal läßt Ödipus seinen Vater töten und seine Mutter ehelichen. Natürlich sind die rumänischen Übertitel für das exaktere Verstehen des französischen Librettos nur wenig hilfreich, doch empfinden wir die minimalistische Inszenierung als durchaus gelungen.
Zurück im Hotel, setzen wir uns zu den noch anwesenden Mitreisenden, die ihre Gläser jedoch bereits geleert haben, so dass wir schließlich – wen wundert‘s? – die letzten sind, die den Restaurantbereich verlassen.