Die gewanderten Pharaonen

Eine schnurgerade Autostraße führt mitten durch die Wüste. Zur Rechten wie zur Linken zeigen sich ausgedehnte Wasserflächen, in denen sich die fernen Hügel spiegeln. Nein, das ist kein Wasser. Es ist eine Fata morgana. Auch über der Straße, an deren Rand eine Reisegruppe, eskortiert von bewaffneten Polizisten, um einen Bus mit Motorschaden herumsteht. Leider ist es unsere.

Fast drei Stunden vergehen, bis endlich der Ersatzbus aus Aswan (Assuan) eintrifft. Draußen ist es heiß und drinnen erst recht. Und eigentlich sollten wir längst um den gedeckten Mittagstisch sitzen.

Der Tag begann heute sehr früh, denn Abu Simbel liegt 260 Kilometer vom Damm entfernt, der hier den Nil zum Nasser-See aufstaut. Fast jeder kennt die Bilder von der Umsetzung der gewaltigen Sandsteinfiguren, um sie vor der Überflutung zu bewahren. Aber die steinernen Pharaonen sind nur die Overtüre, der eigentliche Tempel befand sich im Inneren des Berges. Decken und Wände, Säulen und Statuen, Seitenkammern mit Opfernischen sowie natürlich die unzähligen Reliefs, alles wurde aus dem massiven Felsen herausgemeißelt. Und da der kleine Zugang fast 3000 Jahre lang verschüttet war, sind die Figuren und Bilder hervorragend erhalten, wir erblicken Krieger auf pferdebespannten Streitwagen, besiegte Feinde und vor allem natürlich die markanten tierköpfigen Götter, denen allerlei Opfergaben überreicht werden. Hintergrund des Geschehen ist der Sieg Ramses II. gegen die Hethiter im Jahr 1274 vor Christus. Der etwas kleinere Nebentempel ehrt Nefertari, die Lieblingsfrau des Pharao. Die schöne Nubierin ist stellenweise so lebensnah wiedergegeben, daß ihre Ausstrahlung noch heute spürbar ist.

Der gesamte Felsen mit dem darin befindlichen Tempel wurde in den 60er Jahren in tausend Einzelblöcke zersägt, abgetragen, an einem sicheren Platz wieder aufgebaut und mit einem Hügel bedeckt, der den ursprünglichen Eindruck recht gut wiedergibt. Insbesondere fällt nach wie vor zweimal im Jahr das Licht der aufgehenden Sonne auf die allerhinterste Figurengruppe. Heute aber nicht.

Beim Weggehen haben wir die beiden Tempel noch einmal ganz allein für uns, denn die andere Reisegruppe hat den einzigartigen Ort bereits verlassen. Der Tourismus in Ägypten liegt darnieder. Umso mehr freuen sich die Händler über jeden, dem sie ihre Ware feilbieten können. Mit einem großen Koffer und viel mehr Zeit könnte man es sich überlegen.

Eigentlich hätte heute noch eine Bootsfahrt auf dem Programm gestanden, aber mit knurrendem Magen ist schlecht segeln. Auch halten die Schiffsköche immer noch das Mittagessen bereit. Einige von uns essen nur ganz wenig, da es ja in drei Stunden Abendessen gibt. Andere möchten normal essen und dafür das Abendessen absagen. Und so kommt es dann auch. Nun gut, legen wir halt einfach nochmal nach. Und das Personal verlegt seinen Abschied etwas vor. Alles eine Frage der Improvisation.

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