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Pyramidenbauversuche

Eine Pyramide bauen will geübt sein. Der Versuch, eine Plattform auf eine Plattform zu stellen und so weiter, ergab ein Gebilde, das man noch heute als „Stufenpyramide“ bewundern kann. Es geht aber auch ganz ohne Stufen, nur sollte man den Winkel nicht zu steil wählen, sonst geht einem die Statik flöten, und das Werk gleicht am Ende der „Knickpyramide“, die dem Pharao so wenig gefiel, daß er gleich einen Neubau in Auftrag gab, die „rote Pyramide“. Die gesamte Bauhistorie steht irgendwo südlich von Kairo herum, einzeln stehende Palmen und die untergehende Sonne formen daraus ein Gesamtkunstwerk.

Wie jede anständige Pyramide verfügt auch die zuletzt genannte über Kammern tief in ihrem Inneren, wer das Abenteuer sucht, darf sich durch den engen und steilen Zugang zuerst hinein und dann wieder hinaus quälen. Als Belohnung winkt ein Mittagstisch mit gefüllten Täubchen, Köfte, Auberginen, Süßkartoffeln und vielen anderen Köstlichkeiten, gereicht in einer kleinen Pension, wo man eigentlich keine Pension vermutet, mitten auf dem Land bei Dashur, zwischen Dattelpalmenhainen und Bewässerungskanälen.

Am Abend erwacht der sonst so stumme Sphinx für uns zum Leben. Mal rot, dann wieder blau und zwischendurch auch orange erstrahlen die drei Gizeh-Pyramiden, wenn der steinerne Wächter sie und ihre Bebauer erwähnt. Die moderne Technik verleiht ihm dabei ungeahnte polyglotte Fähigkeiten, heute zum Beispiel spricht er spanisch zu uns. Wenn es nur nicht so dunkel wäre im Zuschauerbereich! Man wüßte doch zu gerne, wo man das Gerät für den deutschen Begleitton leiser stellen kann.

Und dann heißt es Abschied nehmen. Vom Reiseleiter Mohamed Osman. Von den Mitreisenden. Und von einem faszinierenden Land voller Gegensätze.

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46 Jahrhunderte

Vierzig Jahrhunderte blicken auf euch herab, soll Napoleon beim Anblick der Cheopspyramide seinen Soldaten zugerufen haben. Zwischenzeitlich sind nicht nur zwei weitere hinzu gekommen, sondern der steinerne Riese war auch damals schon etwas älter als vom großen Korsen vermutet, so daß uns heute aus rund 150 Metern Höhe volle 46 Jahrhunderte anschauen.

Ein Foto mit Pyramide und Kamel? Nein, dann schon lieber ein Ritt auf demselben. Für 200 Pfund, etwa 10 Euro, wird das Klischee Realität: ringsum Wüste, am Horizont die drei Pyramiden, und dann auf dem Wüstenschiff ein Stück weit dem Sonnenuntergang entgegen.

Der läßt aber noch auf sich warten, denn es ist ja erst früher Vormittag. Einmal eine Pyramide der Länge nach abschreiten und dabei die letzten noch vorhandenen Decksteine bewundern, die ihr einst ein glattes Äußeres verliehen und heute fast komplett fehlen. Einmal dem Sphinx in die steinernen Augen sehen. Und hundertmal die Händler spüren lassen, daß man weder eine kleine Pyramide noch einen Modellsphinx noch ein Buch, eine Postkarte, ein T-Shirt, eine Tischdecke oder sonstwas kaufen möchte.

Im Stadtzentrum wartet derweilen das Ägyptische Museum auf uns. Kairo mag einst eine schöne Stadt gewesen sein, heute ist sie streckenweise ein Albtraum aus unfertigen, teils leer stehenden Backsteinbauten, deren Flachdächer oft als Schuttplatz herhalten müssen. Und manchmal auch als Ziegenstall. Nein, hier möchte man nicht wohnen, trotz der pharaonischen Nachbarschaft.

Das Museum versteht sich mehr auf das Verwahren als auf das Präsentieren. Es ist ja auch schon alt, und ein neues ist direkt bei den Pyramiden im Bau. Wir bewundern Statuen in allen Größen und allerlei Hausrat für die Ewigkeit, insbesondere die Funde aus dem Grab des Tut Anch Amun. Wenn bereits ein als Pharao farblos gebliebener, früh verstorbener Jugendlicher derart reich ausgestattet wurde, wie mögen da erst die verlorenen Grabschätze wirklich bedeutender Pharaonen ausgesehen haben?

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Aus dem Stausee geholt

In den Kolonaden und Pylonen des Tempels von Philae haben die verschiedensten Epochen ihre Spuren hinterlassen. Besonders fällt auf, daß sie einst im Wasser gestanden haben müssen, zumindest zeitweise. Aber immer schön der Reihe nach.

Gewidmet war die Anlage der Isis. Die ersten Christen haben den Bau dann zur Kirche umgewidmet und die Halbreliefs der kuhgehörnten Göttin daher bis auf ein paar Reste abgeschlagen. Zusätzlich wurden stellenweise Kreuze in die steinernen Ornamente eingemeißelt. Um 1800 herum kamen dann napoleonische Offiziere ins Land und verewigten ihre Namen sowie die ermittelten Koordinaten weit oben in einer Mauer. Ob sie wohl eine Leiter hatten? Viel wahrscheinlicher ist, daß der Raum damals meterhoch mit Sand aufgefüllt war. Gut 100 Jahre später stand dem Tempel dann das Stauseewasser bis zum Hals, man konnte mit dem Schiff darin herumfahren. In den 70ern schließlich wurde alles auf eine etwas höhere Insel versetzt.

War der Damm von 1902 schon gewaltig, ist der neue, große Aswan-Damm noch um ein Vielfaches größer, der angestaute See reicht 500 Kilometer weit bis in den Sudan hinein. Staunend stehen wir auf der Dammkrone.

Und dann heißt es Abschied nehmen vom Niltal. Am Morgen hatten wir noch das Vergnügen einer Fahrt mit dem Segelboot, die eigentlich gestern schon hätte staffinden sollen. Gegen Mittag schließlich stehen wir alle im kleinen Flughafen und warten auf die 14-Uhr-Maschine nach Kairo. Eigentlich hätten einige von uns zu anderen Zeiten fliegen sollen, aber dank massiver Intervention füllen wir stattdessen nun die Plätze in der Premium Class auf. Daß damit auch unser Gepäck bevorzugt behandelt wird, ist zwar schön, aber sinnlos, da wir ja alle auf die standardabgefertigten Koffer der übrigen Gruppe warten müssen.

Und dann betreten wir, nach einer Durchquerung Kairos von Ost nach West und einer Odyssee zum Zimmer 3120 – der Weg führt an nicht weniger als 40 Zimmern mit kleineren Nummern vorbei, dann wegen Mängeln wieder zurück, nochmal hin und schließlich in die unverräucherte 5054 – endlich unser Zimmer mit Blick auf die Pyramiden. Sie liegen schon lange nicht mehr außerhalb der Stadt, wir könnten morgen fast zu Fuß hingehen.

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Die gewanderten Pharaonen

Eine schnurgerade Autostraße führt mitten durch die Wüste. Zur Rechten wie zur Linken zeigen sich ausgedehnte Wasserflächen, in denen sich die fernen Hügel spiegeln. Nein, das ist kein Wasser. Es ist eine Fata morgana. Auch über der Straße, an deren Rand eine Reisegruppe, eskortiert von bewaffneten Polizisten, um einen Bus mit Motorschaden herumsteht. Leider ist es unsere.

Fast drei Stunden vergehen, bis endlich der Ersatzbus aus Aswan (Assuan) eintrifft. Draußen ist es heiß und drinnen erst recht. Und eigentlich sollten wir längst um den gedeckten Mittagstisch sitzen.

Der Tag begann heute sehr früh, denn Abu Simbel liegt 260 Kilometer vom Damm entfernt, der hier den Nil zum Nasser-See aufstaut. Fast jeder kennt die Bilder von der Umsetzung der gewaltigen Sandsteinfiguren, um sie vor der Überflutung zu bewahren. Aber die steinernen Pharaonen sind nur die Overtüre, der eigentliche Tempel befand sich im Inneren des Berges. Decken und Wände, Säulen und Statuen, Seitenkammern mit Opfernischen sowie natürlich die unzähligen Reliefs, alles wurde aus dem massiven Felsen herausgemeißelt. Und da der kleine Zugang fast 3000 Jahre lang verschüttet war, sind die Figuren und Bilder hervorragend erhalten, wir erblicken Krieger auf pferdebespannten Streitwagen, besiegte Feinde und vor allem natürlich die markanten tierköpfigen Götter, denen allerlei Opfergaben überreicht werden. Hintergrund des Geschehen ist der Sieg Ramses II. gegen die Hethiter im Jahr 1274 vor Christus. Der etwas kleinere Nebentempel ehrt Nefertari, die Lieblingsfrau des Pharao. Die schöne Nubierin ist stellenweise so lebensnah wiedergegeben, daß ihre Ausstrahlung noch heute spürbar ist.

Der gesamte Felsen mit dem darin befindlichen Tempel wurde in den 60er Jahren in tausend Einzelblöcke zersägt, abgetragen, an einem sicheren Platz wieder aufgebaut und mit einem Hügel bedeckt, der den ursprünglichen Eindruck recht gut wiedergibt. Insbesondere fällt nach wie vor zweimal im Jahr das Licht der aufgehenden Sonne auf die allerhinterste Figurengruppe. Heute aber nicht.

Beim Weggehen haben wir die beiden Tempel noch einmal ganz allein für uns, denn die andere Reisegruppe hat den einzigartigen Ort bereits verlassen. Der Tourismus in Ägypten liegt darnieder. Umso mehr freuen sich die Händler über jeden, dem sie ihre Ware feilbieten können. Mit einem großen Koffer und viel mehr Zeit könnte man es sich überlegen.

Eigentlich hätte heute noch eine Bootsfahrt auf dem Programm gestanden, aber mit knurrendem Magen ist schlecht segeln. Auch halten die Schiffsköche immer noch das Mittagessen bereit. Einige von uns essen nur ganz wenig, da es ja in drei Stunden Abendessen gibt. Andere möchten normal essen und dafür das Abendessen absagen. Und so kommt es dann auch. Nun gut, legen wir halt einfach nochmal nach. Und das Personal verlegt seinen Abschied etwas vor. Alles eine Frage der Improvisation.

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Bilderbücher aus Stein

Unser Schiff, die La Traviata, hat sich heute nacht zwischen zwei Schwestern gleicher Größe gekuschelt. Um an Land zu gelangen, müssen wir durch das andere Schiff hindurch gehen. Das ist so üblich bei Flußschiffen. Draußen warten schon die Pferdekutschen, die uns zum Horustempel bringen werden. Die Pferde sind ebenso schmächtig wie die Kutscher, unseres heißt Macarena und muß sich bergauf mächtig anstrengen. Oben am Tempel begrüßen uns erst einmal Heerscharen hoffnungsvoller Händler. Man könnte sich stundenlang deren Postkarten, Tücher, Kleidungsstücke oder Andenken anschauen, aber wo bliebe dann die Sehenswürdigkeit?

Hier wie anderswo haben viele der Steine über die Jahrtausende hinweg längst eine Zweitverwendung gefunden, und wo sie stehen blieben, sind die schönen Relieffiguren größtenteils weggemeißelt: frühchristlicher Bildersturm. Was übrig blieb, ist aber noch immer eindrucksvoll. Anders als in Karnak ist hier die Decke der Säulenhalle noch vollständig geschlossen. Offenbar haben die beiden steinernen Horusfalken ihr Heiligtum gut beschützt.

Eine Flußkreuzfahrt ist sehr abewchslungsreich, man fährt mal näher an dem einen Ufer und dann wieder an dem anderen. Mal rücken die Berge im Westen näher heran, dann wieder die im Osten. In den Abendstunden erreichen wir Kom Ombo. Ist das schlanke Gebilde dort vor uns ein Obelisk? Nein, es ist ein Fabrikschlot. Vom Krokodiltempel stehen nur noch die Säulen der Säulenhalle und einige Wände. Die Reliefs der tierköpfigen Göttergestalten haben im Zwielicht der einsetzenden Dämmerung etwas Dämonisches.

Der Tempel ist relativ modern, er wurde erst in der griechischen Periode erbaut, ehrt aber ägyptische Gottheiten und Pharaonen. An einer Reliefwand ist ein komplettes Arztbesteck wiedergegeben, mit Zangen und Scheren und einer Apothekerwaage. An einer anderen ragt ein Paar menschlicher Ohren aus der Wand. Tief beeindruckt vom Tempel und der Stimmung tapsen wir bei Dunkelheit zum Schiff zurück. Das morgige Ziel heißt Abu Simbel, das wohl eindrucksvollste Bauwerk nach den Pyramiden.

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Die Unvollendeten

Es ist eine laue Sommernacht, das Rauschen des Wassers mischt sich mit dem Tuckern des Schiffsdiesels und dem Abendruf diverser Muezzine zu einer Symphonie, wie man sie wohl nur hier auf dem Nil erleben kann. Seit mehreren Stunden fahren wir nun schon flußaufwärts, werden von der Bordküche mit köstlichen Speisen und von der Landschaft mit atemberaubenden Bildern verwöhnt: Menschen und Tiere am Flußufer, fruchtbare Felder, Palmen und dahinter dann vollkommen vegetationslose Hügel. Welch ein Kontrast.

Einen Pharao würdig für sein Leben im Jenseits auszustatten war im alten Ägypten eine Aufgabe, die so viel Zeit und Mühe beanspruchte, daß man sie gleich zu Beginn seiner Regierungszeit in Angriff nahm. Und dennoch war die Spanne oft zu knapp, um die ganze jenseitige Herrlichkeit zu vollenden. Woher man das weiß? Der Pharao Ramses IV. zum Beispiel scheint unerwartet früh aus dem Leben gegangen zu sein, der hintere Teil des Zugangsschachtes zur Grabkammer ist ein unvollendeter Rohbau, die Kammer selbst nur notdürftig ausgemalt. Die Lebensspanne seines Namensvetters Ramses IX. hingegen reichte für eine durchgehend üppige Ausstattung, die nochdazu besonders gut erhalten geblieben ist, ihre Farben wirken auch nach dreieinhalbtausend Jahren noch wie neu.

Der berühmte Tut Anch Amun wiederum mußte, da schon im zarten Alter von 18 zur Mumie geworden, mit einer Kammer vorlieb nehmen, die sich aus dem beschriebenen Grund so wenig mit den anderen messen kann, daß ihr Besuch erst gar nicht auf dem Reiseprogramm stand. Wir besuchen sie auf eigene Faust. Die Ägypter sind sehr beflissene Menschen, da wir gesonderte Tickets brauchen und der Ticketschalter sich ganz unten am Taleingang befindet, nimmt der Fahrer des Shuttle unsere 200 ägyptischen Pfund einfach an sich und hält beim nächsten Transport tatsächlich zwei Tickets in der Hand.

Die Kunstschätze aus dem Grab befinden sich heute in Kairo, aber der Pharao ist noch anwesend, ebenso wie eine seiner Totenmasken.

Wir sind zwar die einzige Reisegruppe auf dem Schiff, so daß niemand auf uns warten müßte, dennoch wollen wir einer pünktlichen Abfahrt nicht im Wege stehen: die Uferlandschaft ist einfach zu schön, um sie der früh einsetzenden Dunkelheit zu opfern. Und so kürzen wir die Fahrt zum nächsten Besuchsziel, dem Tempel von Karnak, etwas ab und nehmen statt der flußaufwärts gelegenen Brücke die Personenfähre.

Der Karnak-Tempel ist ein Bauwerk der Superlative, seine Säulen und Obeliske sind, obschon von den Jahrtausenden arg in Mitleidenschaft gezogen, noch immer von sprachlos machender Größe und Mächtigkeit. Diese Höhe! Diese Reliefs! Und es sind so gut wie keine anderen Touristen hier.

Welch ein gelungener erster Tag einer Reise, die uns noch zu vielen weiteren pharaonischen Highlights führen wird. Wen kümmert es da noch, daß de lezte Nacht eine besonders kurze war, weil wir erst deutlich nach 23 Uhr von Kairo nach Luxor abflogen und ja nach dem einstündigen Flug, der Wartezeit an der Gepäckausgabe und dem Transfer zum Schiff auch noch unsere Kabine beziehen und einen Bissen essen mußten?

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