Zuckerrohr am Wendekreis

Je weiter wir nach Norden kommen, desto angenehmer werden die Temperaturen. Das wissen auch die Sydneysider und all die anderen Menschen, die in New South Wales oder Victoria leben: wer kann, entflieht dem kühlen Winter und reist in die Region, wo die Strelizien gedeihen oder, wenn es noch ein paar hundert Kilometer mehr sein dürfen, Königspalmen und Zuckerrohr. Es ist gerade Erntezeit, die maschinell geernteten Rohrstücke werden per LKW oder Schmalspurbahn in die Fabriken gefahren, deren dampfende Schlöte zeigen, daß er Verarbeitungsprozeß in vollem Gang ist. Einige Felder stehen gerade in Blüte, die weißen Rispen über dem frischen Grün sehen sehr attraktiv aus.

Die Wohnwagengespanne, die den Highway Number One verstopfen, nennt man die „Grauen Nomaden”: den kühlen Wintermonaten entfliehen sie gen Norden, im schwülen Sommer wiederum flüchten sie nach Süden. Beides dauert mit dem Wohnwagen im Schlepp mehrere Tage, in Australien ist es erlaubt, auf speziellen Plätzen kostenlos zu nächtigen.

Im Supermarkt werden wir, als wir gerade unseren frisch erworbenen Imbiß einnehmen, von einem freundlichen Australier gefragt, ob wir schon Wails gesehen hätten. Wails? Ach so, er meint Wale. Das hiesige Englisch klingt für europäische Ohren oft etwas ungewohnt.

Bei Rockhampton quert der Bruce Highway den Wendekreis des Steinbocks. Eine Sonnenuhr und eine hohe Stele markieren den Punkt, wo die Sonne an genau einem Tag des Jahres um 12 Uhr mittags Ortszeit genau senkrecht steht. Gleich nebenan will eine botanische Kuriosität bewundert werden: ein Leberwurstbaum. Seine Früchte sehen so aus, als hingen sie an langen Schnüren von der Decke einer Räucherkammer. Gleich nebenan steht ein Orchideenbaum in voller Blüte. Botanisch handelt es sich dabei um eine Bauhinie, aber die Blüten haben etwas Orchideenhaftes und sollen auch so ähnlich riechen. Das könnten allerdings nur die bunten Vögel beurteilen, die man hier beobachten kann.

Da wir wieder eine recht lange Tagesetappe zurückzulegen haben, nutzen wir einen Tankstopp, um uns ein wenig die Füße zu vertreten. Hinter der Tankstelle haben sich ein paar Leute einem alten Linienbus zur Wohnung erkoren, und daneben noch einen zweiten: ein Mobile Home der besonderen Art. Aber wer will schon hinter einer Tankstelle leben?

Was ist eigentlich ein Billabong? Die Landschaft sieht hier recht trocken aus, die hellgrauen Buckelrinder scheinen aber dennoch satt zu werden. Warum auch nicht, sie können ja von Heu leben, wenn es genug Wasser gibt. Solche Wasserlöcher nennt man hier Billabong, das schöne Lied „Waltzing Mathilda”, die heimliche Nationalhymne der Australier, erwähnt ein solches. Wie der darin besungene Wanderarbeiter es jedoch schafft, sein erlegtes Schaf im Proviantbeutel zu verstauen, erklärt das Lied nicht.

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