Die Eiger Lodge ist ein typisches Budget-Hotel. Also eines, das sich auf die Kunst des Weglassens versteht. Man verzichtet zum Beispiel auf Teppichböden. Das kommt uns entgegen. Und auf Kleiderstangen. Das gefällt uns weniger, denn das eine oder andere möchte man eben doch hängen können. Sehr gut gefällt uns, daß es am Kopfende des Bettes eine USB-Steckdose gibt. Für die Smart Devices. Und sogar eine mit USB-C. Für die allerneuesten Smart Devices.
Und dass man uns mit einem Freifahrtschein für den Ortsbus ausgestattet hat, von dem wir auch eifrig Gebrauch machen, gefällt uns auch. Die Linie 121 hat gleich neben der Lodge ihre Endhaltestelle, die andere befindet sich oben am Hotel Wetterhorn. Der Busfahrer, ein waschechter Grindelwalder und seit 1984 hier im Dienst, zeigt sich gesprächig. Wir sollten doch unbedingt das Museum besuchen, das sei sehr interessant. Dabei bin ich dort doch schon längst akkreditiert.
Eine Frau mittleren Alters, die gerade mittels einer Motorsense eine Wiese pflegt, wird akustisch gegrüßt. „Die kann sie nicht hören“, kläre ich dem Busfahrer auf, „die hat einen Gehörschutz auf“. Nun wird der Weißhaarige noch mitteilsamer als schon zuvor: „Das ist die schönste Frau Grindelwalds“, verrät er uns, „und arbeitet wie ein Pferd“. Was ihn konkret zu dieser Einschätzung veranlaßt, erfahren wir nicht. Wird aber schon stimmen.
Gleich neben dem Hotel Wetterhorn steht eine Seilbahnkabine, die eher aussieht wie ein alter Eisenbahnwagen, bei dem die Räder versehentlich aufs Dach montiert wurden. Auf der Texttafel steht zu lesen, dass der Wetterhornaufzug die erste Luftseilbahn der Welt war, erbaut 1908 und bis 1915 in Betrieb. Danach blieben kriegsbedingt die Gäste aus, die Bahn wurde abgebaut, und die Gebäude verfielen. Vom unteren stehen nur noch ein paar mit Eisenteilen garnierte Mauerreste, die Bergstation grüßt noch immer aus schier unerreichbarer Höhe herab.
Als ich um 1980 herum zum ersten Mal in Grindelwald war, bot sich von hier noch ein spektakulärer Blick auf das Ende des oberen Grindelwaldgletschers, den man ein Stück weiter oben sogar von innen betrachten konnte: die Eisgrotte war ein geradezu magischer Ort. Auch ein paar Jahre später folgte das „ewige Eis“ noch der schräg herabziehenden Schlucht direkt hinter dem glatt geschliffenen Felsriegel, dem „Nollen“. Und heute? Vom Gletscher ist weit und breit nichts mehr zu sehen, und sogar die Holztreppe, an deren oberem Ende man ihn noch ein paar Jahre lang sehen konnte, ist verfallen. Denn der Gletscher tut es dem Unteren Grindelwaldgletscher gleich und stirbt, Diagnose: Klimawandel.
Gegen Abend tragen die Berge wieder Wolkenmützen, aber sie sind weit weniger dick als die gestrigen.