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Bleibende Erinnerung

Die Nachbearbeitung der Videoclips läßt einen die Wanderung quasi ein zweites Mal erleben, unterstrichen von passender musikalischer Umrahmung, für die beim Kurzfilm „Firstalm und Bachalpsee” das Schwyzerörgeli-Trio Sännebüeblä sowie das Schwyzerörgeliquartett Hansruedi Kappeler sorgen. Besten Dank dafür.

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Tiefblicke

Die Gemeinde Grindelwald und der frühere US-Präsident Trump scheinen denselben Berater zu haben, denn hier steht überall „Grindelwald First“. Gemeint ist aber natürlich die Bergbahn zur Firstalm samt zugehöriger Bushaltestelle. Heute wollen wir aber zur einzigen in diesem Urlaub noch nicht befahrenen Bahn, nämlich zum Pfingstegg.

Eigentlich ist das Pfingstegg ja ein Nachmittagsziel, denn es liegt im Schatten des Mättenbergs. Das macht aber nichts, denn das eigentliche Ziel ist heute der Weg zur Bäregg-Alm, hoch über dem Tal der Weißen Lütschine mit der Gletscherschlucht. Und dort oben scheint die Sonne bereits am Morgen hin. Man muss also nur dem Bergpfad folgen, der um die steile Flanke des Mettenbergs herumführt, immer so, dass man glaubt, die nächste Ecke wäre die Schlüsselstelle, wo man endlich aus dem Bergschatten heraustritt. Aber dann erblickt man von dort doch nur wieder eine weitere Schattenpassage. In einem ständigen Auf und Ab zieht sich der Weg unter steilen bis überhängenden Felspartien dahin, atemberaubende Tiefblicke auf die Schlucht unter uns inklusive.

Und dann, endlich, erreichen wir die Stelle, wo sich zugleich der Blick weitet und die Sonne scheint. Tief unten zeigt sich ein See mit milchig-grünem Wasser, und gleich daneben ein Wasserfall, dessen Wasser im Wind zerstiebt, bevor es unten ankommt. Der Weg, der nun vor uns liegt, wäre vor 150 Jahren noch dem Rand des Gletschers gefolgt. Heute erblickt man hier statt des ewigen Eises nur noch einen riesigen Felstrog, dessen Flanken zerbröselnd hinunter stürzen oder bereits schon gestürzt sind. Denn der See tief unten ist erst vor ein paar Jahren durch einen gewaltigen Felssturz entstanden.

Man könnte hier oben noch ein ganzes Stück weiter laufen, ohne dass die grandiose Sicht noch wesentlich grandioser würde, also lassen wir uns auf einem Bänkli nieder und genießen Blick und Sonne, bis uns der fortgeschrittene Tag wieder zurück zum Pfingstegg und ins Tal lockt.

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Ein Lost Place

Der Wegweiser zum Berggasthaus „Chalet Milchbach“ unweit der Bushaltestelle „Oberer Gletscher“ trägt den dezenten Hinweis „derzeit geschlossen“. Was nach Renovierung klingt, ist in Wirklichkeit eine Tragödie. Denn der kleine Gasthof hat seine Attraktion verloren: den Gletscher.

Ich war vor rund 35 Jahren schon einmal dort oben. Wegen der Eisgrotte: man konnte ein Stück weit in das grünblaue Gletschereis hineingehen und die faszinierende Lichtstimmung genießen. Damals war der Gletscher im Vorstoß begriffen, heute hat er sich jedoch so weit in die Schlucht hinauf zurückgezogen, daß vom Chalet aus kein Eis mehr zu sehen, geschweige denn zu erreichen ist.

Dennoch hat sich die Mühe des Aufstiegs gelohnt. Denn das Chalet hat sich seit seiner Schließung zu einem typischen „Lost Place“ entwickelt: das Fenster des SB-Schalters verrammelt, der Fußboden der Aussichtsterrasse durchgebrochen, der kleine Spielplatz, zu dem noch eine Rutsche hinabführt, mit Gestrüpp überwuchert. Es gibt noch das Drehkreuz, das einst irgendeinen Zugang geregelt hat. Natürlich, zur Eisgrotte. Ein Blick in die 100 Meter tiefe und mindestens ebenso breite Schlucht führt eindrücklich vor Augen, wie gewaltig die verschwundene Eismasse einst gewesen ist.

Der Aufstieg hier herauf war einer jener typischen Wege, bei denen man immer glaubt, an der nächsten Kurve das Ziel erspähen zu können, dann aber beim Erreichen derselben lediglich bis zu einer weiteren Kurve sehen kann, die nun aber ganz sicher die Stelle ist, von der aus man das Ziel sehen kann. Drauf und dran umzukehren erblicke ich einen Mann, den ich fragen kann. „Es ist gleich da oben“, sagt er, „ich weiß das, weil es gehört mir.“

Ein Gasthaus an einem Ort zu besitzen, der 100 Jahre lang ein spektakuläres Schauspiel bot, und den nun niemand mehr besuchen will, ist wahrlich ein trauriges Schicksal. Aber vielleicht wachsen die Gletscher ja eines Tages wieder.

Heute morgen waren wir noch im Grindelwalder Ortsteil Itramen unterwegs. Das ist eine Streusiedlung, die sich den südwestlichen Berghang hinaufzieht und von einer Ortsbuslinie erschlossen ist. Und das, obwohl die Straße stellenweise kaum breiter ist als der Bus. Man kann, wenn man wetterbedingt keine Lust auf große Bergtouren hat, dort oben herumwandern und den Blick über ganz Grindelwald schweifen lassen. Und ebenso über die Berge, die es umrahmen. Falls sie ihre Häupter nicht gerade dezent hinter Wolkenschleiern verbergen.

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Beim Marmorbruch

In der Lodge kochen sich die Gäste ihr Frühstücksei selbst: man nimmt einen Halter, hängt ein rohes Ei hinein und dann alles zusammen in den Topf mit kochendem Wasser, stellt sich eine Eieruhr und merkt sich die Farbe seines Eierhalters. Wenn man dann zurückkommt, ist das Ei genau richtig gekocht. Oder verschwunden, weil ein anderer Gast irgend etwas damit angestellt hat. Im schlimmsten Fall nimmt man zwei vermeintlich gleich lang gekochte Eier heraus, geht damit zum Tisch – und stellt fest, dass eines von beiden noch roh ist. Wie mag das wohl zugegangen sein?

Grindelwalder Marmor gehört zu den schönsten und zugleich seltensten Gesteinen der Schweiz, er wurde vom Jahr 1740 an aus einem kleinen Marmorbruch links oberhalb der Gletscherschlucht abgebaut. Aber schon 30 Jahre später gab es ein Problem: das Jahr für Jahr weiter vorrückende Eis des unteren Grindelwaldgletschers bemächtigte sich des kleinen Steinbruchs und verhinderte so den weiteren Abbau. Als sich der Gletscher rund 100 Jahre später wieder zurückzog und die Stelle wieder freigab, fand man alles nahezu unverändert vor und konnte den Abbau noch für etliche Jahrzehnte fortsetzen, bis er dann um 1900 herum unwirtschaftlich wurde.

Aber wo genau befindet sich dieses interessante Natur- und Kulturdenkmal? Das Schild am Eingang der Gletscherschlucht verweist lediglich auf das Restaurant zum Marmorbruch. Fünf Minuten entfernt soll es sein, und das kleine Sträßlein führt steil bergan. Nach 20 Minuten sind wir oben, der Bruch befindet sich direkt hinter dem Gebäude. Man sieht deutlich die Schrotgräben, entlang derer die Blöcke aus dem Berg gepickelt wurden, sowie einige fertige und fast fertige Blöcke. Bis hierher soll das Eis vorgedrungen sein? Man kann es kaum glauben.

Etwas unterhalb dieser Stelle existiert noch der Stollen, wo weitere Blöcke bergmännisch aus der Tiefe geholt wurden. Ich wage mich so weit hinein, wie das Tageslicht reicht. Danach folgen wir noch ein Stück weit dem Weg entlang des oberen Schluchtrandes und über eine kleine Brücke, von der aus man herrliche Tiefblicke genießen kann.

Und dann ist dieser relativ kurze Ausflug auch schon wieder zu Ende, der Ortsbus 122 bringt uns zurück ins Zentrum und der 121er von dort an die Lodge.

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Ein Museumstag in Grindelwald

In der Seitenmoräne des abgeschmolzenen unteren Grindelwaldgletschers hat man Arvenstämme gefunden, die der Gletscher offensichtlich bei einem nacheiszeitlichen Vorstoß mitgerissen hat. Es muss also an der Stelle, die in jüngster Zeit eisfrei geworden ist, dereinst ein Wald gestanden haben, was auf eine Epoche mit ähnlich warmem Klima wie heute hinweist, zur Zeit der Römer vielleicht.

Zwei der geborgenen Stämme sind im Grindelwald-Museum ausgestellt, zusammen mit einem Stereofoto, das der Ortspfarrer Nil im Jahr 1856 aufgenommen und im eigenen Labor entwickelt hat, also etwa zur Zeit des Höchststandes. Damals waren Kameras noch ausgesprochen klobige Apparate, die erst einmal dort hinaufgeschleppt werden wollten.

Der Tourismus steckte damals noch in den Kinderschuhen. Das Restaurant auf dem Faulhorn, heute einigermaßen bequem von der Bergstation der Firstbahn aus zu erreichen, bezwang man damals auf dem Rücken von Pferden oder Maultieren, die ganz feinen Damen ließen sich sogar in einer Sänfte hinauftragen.

Samuel Brawand, der Vater des bekannten Politikers und Bergführers, starb 1902 durch Blitzschlag, im Museum sind sein Pickel, sein Führerbuch und seine Sackuhr ausgestellt.

Um das Jahr 1900 herum entstanden die ersten technischen Aufstiegshilfen, zuerst schienengebundenene wie die Bahn auf die Kleine Scheidegg oder die Jungfraubahn, sowie der Wetterhornaufzug als erste Luftseilbahn der Welt. Rund 50 Jahre später folgten dann der Sessellift auf den First, den der Verfasser noch von seinem Urlaub in den 1980er-Jahren kennt, die Männlichen-Kabinenbahn von 1978 und in neuerer Zeit jetzt die Umlauf-Gondelbahnen mit Kapazitäten, die auch für den winterlichen Skibetrieb reichen.

Überhaupt, der Wintersport. Im Museum ist er anschaulich dokumentiert: die ersten Ski mit Seilzugbindung, Schlittschuhe, ein Bob, der legendäre Velogemel (Schlitten) für Herren, Damen, Kinder und den Postboten. Es waren vor allem englische Touristen, die sich über Abfahrtslauf, Eiskunstlauf, Curling und Bandy (Vorform des Eishockey) hinaus so allerlei unterhaltsame Wettbewerbe einfallen ließen, unter anderem das Eierblasen, zu dem es im Museum auch eine Illustration gibt.

Im Sommer wiederum waren es die Bergsteiger, die für Schlagzeilen sorgten. 1921 gelang die Erstbesteigung des Eiger über den Mittellegigrat, in den 1930er-Jahren widmete man sich dann dem „letzten Problem“ der Alpen, der berüchtigten Eigernordwand. Das Puch-Motorrad von 1932 des Österreichers Heinrich Harrer, einem der Erstbezwinger, ist eines der markantesten Ausstellungsstücke zu diesem Thema. Ein Nebenraum birgt diverse weitere Requisiten, kurze Hörspiele schildern die zugehörigen Ereignisse, und an der Wand hängen Zeitungsausschnitte, die einen noch heute erschaudern lassen. Denn nicht alle in der Todeswand Verunglückten konnten zeitnah gefunden und geborgen werden.

Typisch für ein Ortsmuseum sind weiterhin die Ausstattung einer Käserei, die Ski-Werkstatt von 1900, ein Bandwebstuhl von 1510, allerlei Handwerksgerät, die Feuerspritze von 1776, die Wasserturbine der Itramen-Säge, eine Klaverzither, ein altes Turmuhrwerk sowie etliche Wanduhren, das Modell im Maßstab 1:25 eines typischen Grindelwalder Hauses, eine Reisekamera 30×30 sowie die Goldene Schallplatte der Boss Buebe für ihr bekanntestes Stück „s‘Träumli“.

Ein besonderes Stück ist auch die mechanische Schreibmaschine „Smith Premier“ mit getrennten Typenhebeln für Groß- und Kleinbuchstaben.

Im Jahr 1910 entstand in Grindelwald ein Gewerbebetrieb, der auf die Herstellung von Limonade aus Gletscherwasser spezialisiert war. Etwa um dieselbe Zeit baute die Weltfirma Sauter AG in Grindelwald die ersten Zeitschalter. Die Bedingungen waren aber ungünstig, und die Firma verlegte ihren Sitz nach Basel.

Von der im 16. Jahrhundert abgebrochenen Petronella-Kapelle, die einst den Beginn eines hochalpinen Weges von Grindelwald hinüber ins Wallis markierte, existiert heute nur noch die Glocke, Grindelwalds wertvollstes Altertum, und auch die nur als Abguss, da das Original 1892 dem großen Grindelwalder Brand zum Opfer fiel.

Bis 1760 wurde in Grindelwald Marmor abgebaut, dann bemächtigte sich der vorstoßende Gletscher des Steinbruchs und gab ihn erst 1867 wieder frei.

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Grandiose Aussicht vom Piz Gloria

Der Ort Mürren ist aufgrund seiner besonderen geographischen Lage nur per Seilbahn ab Lauterbrunnen und anschließender Zugfahrt zu erreichen. Dass sich die Mühe lohnt, liegt zum einen an der hübschen Aussicht, zum anderen an einer weiteren Seilbahn, die von Mürren in zwei Etappen hinaufführt zum Schilthorn, der cineastischen Welt besser bekannt als Piz Gloria.

Aber beginnen wir mit dem Anfang. Nach Lauterbrunnen führen von Grindelwald aus zwei Schienenwege: mit dem Zug über Zweilütschinen, also im Tal entlang, oder mit der Zahnradbahn über die Kleine Scheidegg. Der heute makel- und wolkenlose Himmel erleichtert die Entscheidung erheblich. Und so kommen wir in den Genuss, das Etappenziel Mürren und überhaupt die ganze Geographie des Lauterbrunnentales samt Staubbach-Wasserfall schon eine ganze Weile vorher vor Augen zu haben.

Zwar gibt es oben kaum jemanden, der so früh am Tag schon wieder per Bahn dem Tal zustrebt. Das ändert sich aber, als wir Wengen passieren. Und fast alle wollen sie unten im Tal schnurstracks weiter in die Gondel, die zur Grütschalp hinauffährt. Oben angekommen, setzt sich die 100%ige Auslastung der Verkehrsmittel natürlich fort. Auf dem Weg vom Bahnhof Mürren bis zur Talstation am anderen Ortsende verliert man sich dann zwar ein wenig aus den Augen, aber spätestens in der Gondel zur Mittelstation Birg sind dann alle wieder kuschelig beisammen. Zum Glück steigen aber einige schon in Birg aus.

Sie wissen nicht, was sie verpassen. Denn die Aussicht von da oben erweist sich als atemberaubend und soll bei klarem Wetter bis zum Mont Blanc reichen. Haben wir heute klares Wetter? Aber sowas von! Und so ist der höchste Berg der Alpen auch schnell ausgemacht: weit weit weg zwar, aber dennoch klar und deutlich. Die eigentliche Attraktion hier oben ist aber natürlich das Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau, nach rechts ergänzt um eine Abfolge vergletscherter Gipfel, die man gar nicht alle aufzählen kann.

Gipfelstation und Drehrestaurant verdanken ihre Existenz im wesentlichen der Auswahl als Drehort für den Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969, den viele James-Bond-Liebhaber für den besten halten, der je gedreht wurde. Und recht haben sie. In der Ausstellung unterhalb der Hubschrauber-Plattform läßt sich die Faszination der Dreharbeiten an diesem faszinierenden Ort gut nachvolziehen.

Um den langen Weg zurück ins Quartier etwas anders zu gestalten als die Anreise, nehmen wir noch einen kleinen Umweg über Interlaken-Ost und die Standseilbahn hinauf zum Harder Kulm: ein Ziel, auf das der Spruch „der Weg hat sich gelohnt, denn nun wissen wir ganz genau, dass sich der Weg nicht lohnt“ heute voll und ganz zutrifft. Zwar ist natürlich der Tiefblick auf die beiden Seen, denen Interlaken seinen Namen („zwischen den Seen“) verdankt, die Fahrt dort hinauf durchaus wert. Allein von dort wieder ins Tal zu gelangen erweist sich als ungeahnt schwierig, denn natürlich sind wir nicht die einzigen, die um diese Tageszeit vor der talwärts gehenden Gondel anstehen.

Und so kommen wir erst wieder in Grindelwald an, als hier bereits alles geschlossen ist und die Gehsteige hochgeklappt. Und das schon um 19 Uhr.

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Die verschleierte Jungfrau

Das Wetter sieht für heute nicht besonders gut aus, aber der 5-Tage-Pass für die Grindelwalder Seilbahnen war teuer genug, also entscheiden wir uns für den bisher noch nicht genutzten Eiger-Express. Da oben ist es aber ja vormittags sogar bei Sonne schattig, und ein wenig blauer Himmel spitzt ja durch, also vielleicht doch lieber die Bahn auf den Männlichen? Die beiden Talstationen liegen ja nur ein paar Schritte voneinander entfernt. Und schon kurze Zeit später sieht man uns festen Schrittes von der Bergstation in Richtung Männlichen-Gipfel steigen.

Der Katzensprung erweist sich als äußerst lohnend, denn man überblickt von dort oben sowohl Grindelwald als auch die Attraktionen um Grindelwald herum: den Eiger mit Wolkenmütze, den Mönch mit Wolkenmütze, die Jungfrau mit Wolkenmütze, die Schynige Platte. Ohne Wolkenmütze, denn wir schauen ja quasi von oben herab.

Hin und wieder läßt sich nun sogar die Sonne blicken. Und da sich auch der Hunger meldet, genehmigen wir uns im Bergrestaurant je eine Gulaschsuppe. Für zwölf Franken fünfzig: die Schweizer Gastronomiepreise haben es in sich.

Vom Männlichen könnte man in zwei Stunden hinüber zur Kleinen Scheidegg wandern und von dort hinauf zur Bahnstation Eigergletscher. Einfacher und schneller geht es mit der Gondelbahn: hinab ins Tal und dann mit der anderen Bahn wieder hinauf.

Der vom Gletscherschwund stark betroffene Eigergletscher ist nur noch ein Schatten seiner selbst, statt auf die zerklüfteten Eismassen der historischen Fotos blickt das Auge heute fast überall nur noch auf nackten Fels, über den in zahlreichen Bächen und kleinen Wasserfällen das Schmelzwasser herabrinnt. Ein Stück weiter oben schimmert aber noch beruhigend viel grünblaues Eis, nur kommt es halt nicht mehr so weit herab wie früher.

Sofern man auf der richtigen Seite der Gondel sitzt, bietet die Fahrt von Grindelwald zum Eigergletscher oder von dort wieder herab wahrhaft atemberaubende Nahblicke auf die berühmte Eiger-Nordwand. Zudem sind inzwischen auch die Wolken weitergezogen.

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Alle wollen zum See

„Komme ich mit diesem Bus zur Firstbahn?“, will eine ältere alleinstehende Frau auf englisch von mir wissen, während wir alle auf den Ortsbus 121 warten. Ich bejahe das, denn dort wollen wir ja ebenfalls hin. Sicherheitshalber fragt sie noch einmal den Busfahrer. Auch der bejaht und rät der Guten, einfach an der Haltestelle Firstbahn auszusteigen. Sie möge sich bitte an uns orientieren, setze ich hinzu. Wie im Weißferdl-Klassiker von der „Linie 8“ fragt sie am Bahnhof erneut, ob das nun ihre Haltestelle sei. Nein, erst am Stachus, denke ich mir insgeheim. Dann sind wir an der Firstbahn, und alle Passagiere mit dem Ziel Gondelbahn steigen aus. Auch die besagte Dame, nachdem sie sich erneut von verschiedenen Seiten hat versichern lassen, dass das auch für sie der rechte Augenblick zum Aussteigen sei. Im Hinaufgehen zur Talstation, wo das Ziel deutlich sichtbar angeschrieben steht, hören wir sie hinter uns noch diverse weitere Passanten fragen. Wir können aber nicht sagen, ob sie die Gondelbahn dann auch wirklich gefunden hat. Möglicherweise schon.

Die Auffahrt mit der Gondel böte unterwegs zwar diverse Möglichkeiten verfrüht auszusteigen, aber mit typischer Politikerstrategie – alles einfach aussitzen – kommt man recht zuverlässig oben an, wo der Wanderweg zum beliebtesten Ausflugsziel weit und breit beginnt: dem Bachalpsee. Doch halt! Vorher gilt es noch, den neuen Steg quer durch die Felswand unterhalb des Almrestaurants zu begehen, Tiefblicke inbegriffen. Zudem könnte man mit dem First Flyer an einem Drahtseil adlergleich zur Mittelstation hinabschweben oder sich diversen anderen Bespaßungen hingeben. Aber die Hauptattraktion hier oben ist eben doch der See.

Und auch der Weg dorthin hät für Natur- und Blumenfreunde allerlei Interessantes bereit: Enziane, Knabenkräuter, Kohlröserl, Glockenblumen, Eisenhut, Gemswurz und vieles mehr, dazu natürlich atemberaubende Aussichten auf Wetter- und Schreckhorn, den Eiger, die Jungfrau und wie die Gipfel alle heißen. Allein deren Gletscher sind in den vergangenen Jahren geradezu dramatisch abgeschmolzen.

Am See ist viel los, und jeder findet sein persönliches Erlebnis: die einen schwimmen, die anderen freuen sich, dass ihre Kinder sich freuen, und einer jagt seine Drohne kreuz und quer über den erfreulich blauen Himmel. Unsereiner wiederum fotografiert das dekorative Wollgras, hartnäckig die Erfahrung ignorierend, dass das fast immer mit feuchten Knien endet. Diesmal dank neuer Technik aber nicht.

Was für ein erlebnisreicher Tag.

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Per Zahnradbahn zum Alpengarten

Wenn man im Berner Oberland einen Alpengarten anlegen will, genügt es eigentlich vollkommen, das ausgewählte Gelände einzuzäunen. Denn wo keine Kuh mehr Zutritt hat, kehrt über kurz oder lang die alte Buntheit der Almwiesen wieder zurück.

Zugegeben, ein wenig mehr Mühe haben sich die Gründer des Alpengartens auf der Schynige Platte schon gegeben. Zum Beispiel haben sie überall, wo eine botanische Rarität wächst, ein erläuterndes Schildchen aufgestellt. Fast überall. Denn im Gegensatz zu einem normalen botanischen Garten, wo einer jeden Art ein eigenes Areal zugewiesen ist, kommen die typischen Vertreter der Alpenflora hier praktisch im gesamten Garten vor, denn es ist ja ihr natürlicher Lebensraum. Und um ganz sicher zu gehen, dass auch wirklich jeder Besucher einen Enzian, eine Alpenrose und insbesondere ein Edelweiß findet, sind deren Hauptstandorte mit übergroßen Exemplaren aus Holz markiert.

Natürlich kommen auch ausgesprochene Raritäten im Garten vor: ein winziges Kräutlein genießt die volle Aufmerksamkeit eines Fotografen. Dass ich das Objekt vor seiner Linse korrekt als Orchidee identifizieren kann, erstaunt ihn. Kenner unter sich. Chamorchis alpina (oder auf deutsch  Zwergorchis) heißt der grüne Winzling.

Um den Alpengarten mit der wohl hinreißendsten Aussicht der Welt zu erreichen, nehmen wir eine gut zweistündige Anfahrt mit dem Zug auf uns: zuerst mit dem Scheidegg-Bähnchen eine Station in die Gegenrichtung, also nach Grindelwald. Dann mit dem Regionalzug hinaus nach Wilderswil bei Interlaken. Und dann mit einem weiteren „Regionalzug“, der eigentlich eine historische Bergbahn ist, aber zur Berner Oberlandbahn gehört, in einer einstündigen Fahrt hinauf auf über 2000 Meter Meereshöhe. Bieten sich den Fahrgästen anfangs noch wunderschöne Ausblicke auf den Thuner und den Brienzer See, übernimmt ganz oben das Bergtrio aus Eiger, Mönch und Jungfrau die Aufgabe, die Fahrgäste zu entzücken. Zur Linken gesellt sich natürlich noch das Wetterhorn und zur Rechten das Breithorn hinzu sowie unzählige andere Schneegipfel.

Da es entlang der Strecke nur zwei Ausweichen gibt, ist kein schnellerer Takt als 40 Minuten möglich. Das Alphorntrio, das jeden ankommenden Zug begrüßt und dann wieder 40 Minuten Pause hat, kommt in dieser Zeit hörbar aus der Übung. Oder sie gönnen sich zwischendurch jeweils einen Aperol, wer weiß?

Da auch der Rückweg in die Eiger Lodge zwei Stunden in Anspruch nimmt, brechen wir sattgesehen am frühen Nachmittag wieder auf und steigen dieses Mal an der Station Grindelwald Terminal aus. Die liegt nämlich nur ein paar Schritte neben unserem Hotel. Muss man halt wissen.

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Top of Europe

Der höchst gelegene Bahnhof Europas befindet sich auf dem Jungfraujoch, genauer gesagt im Inneren des kleinen Gipfels, der oben ein Observatorium trägt und gleich darunter eine Aussichtsplattform mit phantastischem Blick auf den Aletschgletscher im Süden und das Berner Mittelland im Norden.

Schon die Fahrt mit der Zahnradbahn ist ein Erlebnis. Man könnte zwar auch die neue Kabinenbahn nehmen, aber der alte Zug ist irgendwie authentischer. Er fährt auch nicht im Dreiminuten-Abstand, sondern einmal pro Stunde. Und ist man rechtzeitig am Bahnhof, kann man auch erst einmal in den Gegenzug steigen und von Grindelwald Grund nach Grindelwald-Zentrum hinauffahren, wo der Lokführer seinen Steuerstand nach vorne durch die Fronttür verläßt – Schweizer Züge haben so etwas – und am anderen Ende wieder einsteigt, um den Zug wieder nach Grund hinabzufahren, wo die Fahrtrichtung erneut wechselt.

Und dann geht es hinauf. Steil hinauf. Der Blick hinab auf Grindelwald wird schöner und schöner, die Almwiesen saftiger und die Vorfreude größer. Denn oben am Bahnhof Kleine Scheidegg wartet schon der Zug für den rund 7 Kilometer langen Tunnel durch die Felsmassive Eiger und Mönch. Auch diese Strecke ist steil, aber im Tunnel merkt man das nicht so. Allein die Schaffnerin steht so schräg zwischen den Sitzreihen wie der schiefe Turm von Pisa.

An zwei Stellen gibt es Fenster hinaus in die Bergwelt. Am ersten fahren wir vorbei, aber am zweiten stoppt der Zug für fünf Minuten, und wer will, darf aussteigen und die paar Schritte hinüber laufen, um einen Blick in die faszinierende Gletscherwelt des Eismeeres zu erhaschen.

Und dann sind wir oben. Der kleine Berg im Grat zwischen Mönch und Jungfrau trägt oben ein Observatorium, zu dem ein Aufzug hinauf führt, der schnellste der Schweiz. Und das ist beileibe nicht die einzige Attraktion da oben: es gibt eine Eisgrotte, die „Alpine Welt“ mit allerlei Bilderin in zwei oder drei Dimensionen, und einen Tunnel hinaus auf den Gletscher, von wo man die Szenerie mit etwas Abstand noch viel besser überblickt. Abstand vom Gipfel mit der Observatoriumskuppel, aber auch von den vielen Mitreisenden. Dabei sind es im nun schon zweiten Coronajahr deutlich weniger als sonst, wenn hier zur Hauptreisezeit die halbe Welt einfällt.

Dann sind die vollen Züge sicher noch etwas voller. Oder die Wartezeiten länger.

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