Inspiration Gaudí

Die Casa Batlló (das spricht sich Batt-joh, mit Betonung auf der zweiten Silbe) ist ein von Antoni Gaudí entworfenes Wohnhaus, das die typischen, dekorativ geschwungenen Linien und großflächigen floralen Ornamente kultiviert wie kein zweites. Das gilt für die Straßenfront, erst recht aber für das Innere des Gebäudes. Der Eintritt ist mit 39 Euro pro Person nicht gerade günstig, lohnt sich aber, denn man bekommt nicht nur eine eindrucksvolle Projektionsshow geboten, sondern es wird einem auch die beste Audioführung mit auf den Weg gegeben, die man sich nur vorstellen kann: die Texte und Klangbilder im Drahtlos-Kopfhörer aktivieren sich automatisch beim Betreten des jeweiligen Raumes, führen einen akustisch begleitet zuerst durch den mit bunten Glasfenstern geschmückten Raum für die Empfänge, dann durch weitere Räume und Flure auf die hintere Terrasse und schließlich über das lichterfüllte Treppenhaus hinauf bis auf das Flachdach, wo die Rauchabzüge der vielen Kamine in bunt verkachelten Hauben enden. Das tragende Gerippe des Dachgeschosses erinnert hier an das Innere eines Drachens, im Kopfhörer hört man sein Herz pochen.

Wieder unten angekommen, gibt es noch einen Raum, dessen Wände lückenlos mit LED-Bildschirmen bedeckt sind, und ebenso die Decke und der Fußboden. Die Lichtshow aus typischen Gaudí-Dekoren fesselt zwar, erschlägt einen andererseits aber auch. Und dann sind wir wieder draußen auf der Straße. Was für ein Erlebnis!

Gaudí hat hier in der Altstadt noch weitere Häuser gestaltet, das Navi weist uns den Weg zur Casa Vicens: in den Bus 22 steigen, an der Station Trillo (das spricht sich Tri-jo) wieder aussteigen und ein Stück in die Gasse hinein laufen. Das markante Fliesendekor kennen wir schon vom Park Güell, wenngleich die Architektur hier weniger verspielt ist. Dieser Antoni Gaudí scheint eine besondere Vorliebe für Sammetblumen (Tagetes) gehabt zu haben. Wir begnügen uns mit einigen Blicken auf die seitliche Fassade des Hauses mit ihren schönen Balkonen und wenden uns dann einem neuen Ziel zu, denn das Wetter ist heute gerade recht für einen Besuch des Aussichtshügels Montjuïc.

Um ihn zu erreichen gilt es, mit der Metrolinie L3 zur Station Paral·lel zu fahren, wo man in die Standseilbahn umsteigt. Der Zugang zur Metro befindet sich hier ganz unscheinbar unter einem Wohngebäude, die Standseilbahn wiederum fährt nicht aus eigener Kraft durch den Untergrund, sondern wird am Seil gezogen, wobei die beiden Kabinen einander auf halber Strecke begegnen. Oben ausgestiegen sind wir aber noch nicht auf der Festung, wir müssen erst noch in die moderne Umlaufgondelbahn steigen, die nun allerdings nicht mehr Teil des öffentlichen Nahverkehrs von Barcelona ist, sondern extra bezahlt werden muß. Alternativ könnte man laufen, aber die Füße sind schon strapaziert genug, und es gibt ja auch oben noch ein Wegenetz.

Von der Festung aus hätte man sicher den schönsten Blick auf die Stadt und das Meer, aber es führt auch ein Weg außen um die Festung herum, mit ebenso beeindruckenden Ausblicken, nur eben nicht nach beiden Seiten gleichzeitig. Das macht aber nichts, denn das Meer und der Kreuzfahrthafen reichen ja fürs erste, und die Stadt mit der sich darin erhebenden Sagrada Familia haben wir bereits aus der Gondelperspektive bewundert. Wie werden eigentlich die Container vom Schiff auf die ausgedehnte Lagerfläche und von dort wieder auf Züge, Lastwagen oder andere Schiffe befördert? Die großen Kräne bewegen sich ja nicht? Bei genauem Hinsehen nehmen wir Fahrzeuge wahr, die jeweils eine ganze Stapelreihe zwischen die Räder nehmen können, um an irgendeiner Stelle den jeweils obersten Container aufzunehmen oder abzusetzen. Das zugehörige Platzmanagement wohl muß ziemlich ausgefuchst sein.

Zur Stadtseite hin ist der Ausblick von großen Pinien verstellt, aber wir sehen und bewundern den wie eine Fackel geformten Olympiaturm. Zudem stellt sich allmählich ein gewisser Hunger ein, und in der Nähe des Hotels wissen wir einen türkischen Imbiß. Wir nehmen also den Linienbus dorthin und genießen die Fahrt entlang des Hafens.

Bei dem markanten Gebäude mit der Kuppel, das wir vom Montjuïc aus gesehen hatten, handelt es sich nicht etwa um eine Kirche oder ein Schloss, sondern um den Nationalpalast, der heute ein Museum ist. Es soll dort einige nachts bunt beleuchtete Springbrunnen geben sowie eine Krone aus Lichtstrahlen über der Kuppel. Lohnt es sich, schon in der frühen Dämmerung loszugehen, also in der vielgerühmten Blauen Stunde, wenn sich Tages- und Kunstlicht mischen? Oder lieber noch ein wenig im Zimmer bleiben und die Füße hochlegen?

Plötzlich ist der Strom weg. Nanu? Das Licht auf dem Flur brennt noch. Jetzt im Aufzug zu stecken wäre fatal. Aber im stockdunklen Treppenhaus ja ebenfalls. Es zeigt sich, dass einige Teile des Hotels weiterhin Strom haben. Natürlich, Flure und Treppenhaus sind ja Fluchtwege und werden vermutlich mit Notstrom versorgt. Statt auf die Behebung des Stromausfalls zu warten, machen wir uns einfach jetzt gleich auf den Weg zum Nationalpalast.

Von der Plaza Espagna aus ist das Ziel nicht zu übersehen, wir müssen nur entlang der Prachtstraße darauf zulaufen. Mit zunehmender Dunkelheit wird die Strahlenkrone sichtbar. Wasserspiele gibt es jedoch keine. Vielleicht weiter oben? Wir kommen an eine Rolltreppe, überqueren eine Straße und einen weiten Platz mit einem leider völlig trockenem Brunnen. Noch weiter hinauf? Rolltreppen, Brunnen, mehr Rolltreppen, weitere Brunnen, irgendwann sind wir ganz oben, wo schon viele Leute sitzen. Warten sie etwa alle auf die Brunnenlichtspiele? Oder genießen sie nur den herrlichen Blick über die nächtlich beleuchtete Stadt? Wir warten bis 20 Uhr. Keine Wasserspiele. Wahrscheinlich ist Corona schuld. Oder der bevorstehende Marathonlauf, für den schon überall abgesperrt wird.

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