Ein paar streßfreie Tage mit Meerblick, das wäre doch etwas für die Pfingstferien, dachten wir und buchten uns spontan nach Lanzarote ein, wo das Hotel „La Isla y el Mar Hotel Boutique” eine geräumige Suite mit eigener Terrasse samt seitlichem Meerblick angepriesen hatte. Für Familien sei das Haus aber völlig ungeeignet, hieß es in der Beschreibung. Und leider könne zur Zeit auch keine Animation angeboten werden. Umso besser, dachten wir.
Und so startete unsere Reise um die Mittagszeit des Vortages mit dem Online Check-in bei Condor. Früher, als es das noch nicht gab, begann eine Reise mit dem Schließen des Koffers, es war quasi der Vollzug des Zurücklassens aller materiellen Dinge, die nicht mit in diesem Koffer waren. Das Vorab-Einchecken fühlt sich ähnlich an: was noch zu tun ist, muss nun so überschaubar sein, dass es in diese 24 Stunden paßt wie die Habseligkeiten in einen zu schließenden Koffer.
Und da war noch so viel zu erledigen: Blumen wegbringen, Korrespondenzen abwickeln, Wohnung aufräumen, Geschirr spülen, Koffer packen, Verbindungen suchen, Wecker stellen, schlafen, geweckt werden, Kaffee kochen, Wohnung kontrollieren, Koffer zum Bus schleppen, dann zur U-Bahn, zum ICE, zur S-Bahn, zum Drop-off Schalter der Condor. Zuallererst aber eben: Website der Condor aufrufen, Buchungsnummer und Name eingeben, Sitzplatz wählen und … Moment, wieso steht da ein Preis? Die Fluggesellschaft will sich die Sitzplatzwahl mit 7,99€ bezahlen lassen. Alternativ bekäme man irgendwelche Plätze zugewiesen, hieß es. Aber Platz ist Platz, und die zugewiesenen sind letztlich auch nicht schlechter.
Da wir nicht zu den Reisenden gehören wollen, die in endlosen Warteschlangen stehend ihren Flug verpassen, brechen wir sehr zeitig auf. Prompt klappt alles wie am Schnürchen: beim Umsteigen, am Schalter und sogar am Security-Check. Aber lieber zwei Stunden zu früh im Gate als fünf Minuten zu spät.
Eigentlich sollte unser ICE vom Gleis 9 ablegen, aber dort stand schon ein ÖBB-Schlafwagenzug, der wohl selber eingeschlafen war. Und so starteten wir von Gleis 8 genau gegenüber. Welch ein Glück. Woher die bereits im Abteil befindlichen Reisenden wohl alle kamen? Sie mußten wohl schon die ganze Nacht unterwegs gewesen sein, denn alles schlief. Bis auf einen, und der sprach am Handy gerade über intimste Details seiner Probleme mit einer Hochzeit in „Gaahrmisch-Partenkiehrchen”, zu der er wider Willen anreisen müsse, weil seine Familie das so wollte. Wir und der nicht schlafende Teil der Mitreisenden erfuhren wirklich alles: dass die Hochzeit in Bayern so teuer sei, dass der Blumenschmuck in der Kirche dem ausladenden Format des Brautkleides Rechnung tragen müsse, dass „der Schrauber” sein Auto nicht rechtzeitig repariert habe und er nun diesen Zug habe nehmen müssen, dass seine Familie ihm deswegen Feuer mache, was er „nicht in Ohrdnung” finde, dass seine Mutter zu viel Geld in die Restaurierung halb zerfallener „Ente”-Oldtimer stecke, dass er jetzt einen Kaffee brauche … schon sah man ihn samt Telefon am Ohr verschwinden, und als er wiederkam, hatte er aufgelegt. Aber nur, um sogleich ein neues Gespräch zu beginnen mit einer anderen Person, die das alles noch nicht wußte: die Hochzeit, das Brautkleid, der teure Blumenschmuck, die Oldtimer-Leidenschaft seiner Mutter.
Schließlich und endlich treffen wir mit unseren Koffern am Flughafen ein. Wo ist der Drop-off-Schalter der Condor? Weit und breit kein Hinweis, also fragen wir die Dame am Info-Schalter. Die hält nur, genervt von immer derselben Frage, wortlos ein Schildchen hoch mit einem „D“ darauf. Denn auf die Idee, Wegweiser zu den Schaltern der Fluggesellschaften aufzustellen, ist hier offenbar noch keiner gekommen.
Sind wir schon über Frankreich? Noch nicht, sonst sähe man unten ja Menschen herumlaufen mit einem Baguette unter dem Arm. Aber da ist ein Fluß mit dunklem Wasser, der in einen anderen mit milchkaffeebraunem Wasser mündet, man kann die beiden Farben noch ein ganzes Stück weit flussabwärts verfolgen. Kurz darauf kommt Basel in Sicht. Aha, die beiden Flüsse waren Aare und Rhein. Eine Stunde später kommen Schneeberge in Sicht: die Pyrenäen. Dann eine Stunde lang eher unwirtliches Land, mit nur vereinzelten Feldern. Dann eineinhalb Stunden lang Wasser mit vereinzelten Schiffen. Dann zur Rechten eine Insel, aber mit mehr als zwei Bergen. Wir haben unser Ziel Lanzarote erreicht. Oder doch nicht? Das Land ist so schnell wieder verschwunden, wie es zuvor aufgetaucht war. Ach so, das Flugzeug hat die Richtung gewechselt und die Insel ist nunmehr links, denn wir müssen den Aeropuerto Cesar Manrique von Süden her anfliegen.
Der Transferbus fährt mehrere Ziele an. Am ersten Hotel steigen einige Gäste aus, am zweiten ebenfalls. Am dritten Stopp nur wir. Und das ist auch gut so, denn der Check-in dauert am „La Isla y el Mar” beträchtlich lange, da hätte man nicht anstehen mögen. Das Hotel besteht aus einzelnen Suiten mit je einer Terrasse, adrett über ein leicht geneigtes Gelände verteilt und mit vielen landestypische Pflanzen dazwischen: Kakteen, Palmen, Strelitzien und betörend duftenden Wachsblumen. Hier ist entspannen angesagt. Unsere Suite hat zwei Zimmer und zwei Fernseher. Aber nur ein Duschhandtuch und nur einen Bademantel: es fehlt die komplette zweite Garnitur, die das Zimmermädchen aber fix nachliefert.