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Verbindungen

Der Tag des Abschieds ist gekommen. Um 12 Uhr soll das Zimmer geräumt sein, um 14:30 Uhr werden wir abgeholt und zum Aeropuerto César Manrique gebracht, von wo das Flugzeug um 17:45 Uhr gen München starten soll. Planmäßig. Wir müssen zum Gate TBD. Normalerweise tragen die Gates Nummern, aber vielleicht handhabt man das hier anders. Es steht ja auch „Flugsteige Türen” auf den Wegweisern, der international geläufige Begriff folgt erst in der zweiten Zeile. Wir fragen eine TUI Servicekraft. Die weiß auch nicht, wo das Gate TBD ist, geht aber dienstbeflissen jemanden vom Flughafenpersonal fragen: wir müssen durch eine Lücke zwischen den Schaltern hindurch, dann links, dann wieder rechts, dann durch die Sicherheitskontrolle … es ist der ganz normale Weg zu den Gates, der ruhig etwas deutlicher hätte angeschrieben sein können, so dass man ihn auch finden kann, wenn man seine Bordkarte in die Hand gedrückt bekommen hat und sich in der Schalterhalle umschaut.

Laptop und Tablet aus dem Bordrucksack nehmen, Smartphone Geld Gürtel und Armbanduhr ins Schälchen legen und dann allem Metallischen entledigt durch das Zaubertor treten kennt man ja – und erschrickt umso heftiger, wenn es trotzdem anschlägt. Wo noch könnte sich Metall versteckt haben? Es geht aber gar nicht um Metall, sondern ich wurde zufällig für eine Drogenstichprobe ausgewählt. Oder hat etwa der Derrick, den wir gestern noch auf dem Tablet gesehen haben und bei dem es um Drogenhandel ging, irgendwie auf die Hardware abgefärbt? Von allem, was in den Schälchen liegt, wird nun eine Wischprobe genommen, und auch meine Hände bleiben nicht verschont. Ab damit ins Analysegerät, und – negativ. War ja auch zu erwarten.

Aber wo ist nun Gate TBD? Vielleicht hilft ein Blick auf die Abflugtafel. Dort steht zwar nichts von TBD, jedoch ein großes rotes „delayed” mit dem Hinweis, dass das Gate erst um genau 18:06 Uhr bekannt gegeben wird. Aha, TBD steht wohl für „to be determined” oder so ähnlich. Und nun beginnt das große Rechnen: wenn wir verspätet in München ankommen, laufen wir Gefahr, die letzte S-Bahn zum Hauptbahnhof zu verpassen und müssen warten, bis der MVV irgendwann frühmorgens den Betrieb wieder aufnimmt, sprich: zur Verspätung in Arrecife käme dann noch stundenlanges Warten auf dem Bahnsteig des Flughafens hinzu. Was haben wir uns aber auch ausgerechnet einen Airport ausgesucht, der so schlecht ins Schienennetz eingebunden ist!

Um 18:05 Uhr hat sich um die Anzeigetafel ein Halbkreis von Passagieren gebildet, die neugierig auf das Umspringen des Hinweistextes warten. Die Info kommt prompt: Boarding Time 18:25 Uhr am Gate 4. Jetzt aber schnell! Tatsächlich war zwar 18:45 Uhr gemeint, und es dauert dann auch noch etliche Warteminuten, bis endlich alle ihr Handgepäck untergebracht und sich dreimal umgedreht haben, so dass auch die nachfolgenden Passagiere zu ihren Plätzen gelangen können. Aber der Umstand, dass wir aufgrund irgendwelcher Regelungen spätestens um 24 Uhr in München gelandet sein müssen, weckt in uns dennoch die leise Hoffnung, dass es vielleicht noch klappen könnte mit dem Anschluß.

Was wir natürlich nicht ins Kalkül gezogen hatten war die frustrierende Langsamkeit der Gepäckausgabe am Münchner Flughafen. Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde können wir uns endlich auf den langen Weg zum Bahnsteig machen, der wegen defekter Transportbänder sogar noch ein Weilchen länger dauert als üblich. Und dann schaffen wir sogar noch eine verspätete S-Bahn früher und erreichen das geänderte Gleis, wo unser ICE schon bereitsteht, schon gut eine Stunde vor Abfahrt. Theoretisch. Denn praktisch fährt er mit Verspätung ab, was nun wiederum Zweifel weckt, ob wir in Nürnberg die S-Bahn nach Stein erreichen werden oder uns auf ein weiteres Paket Warteminuten einstellen müssen.

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Lavagrotten

Die heutige Tour führt uns in den Norden von Lanzarote. Da waren wir zwar schon, aber quasi nur auf Meereshöhe. Man kann dort aber auch unter die Erde steigen, und zwar in die „Cueva de los Verdes”. Das sind natürliche Tunnel, die entstanden sind, als der Lavastrom an der Oberfläche bereits erkaltet war, während weiter unten immer noch glutflüssiges Magma strömte.

Zuerst einmal werden wir wie bei jeder Tour am Hotel abgeholt. Der Bus mit der Nummer 419, den wir schon von der Vulkantour kennen, trifft auch pünktlich ein, aber der Fahrer bleibt seelenruhig im geschlossenen Bus hinter dem Steuer sitzen und beschäftigt sich mit seinem Smartphone. Eigentlich ist die Abfahrtszeit bereits überschritten, als jemand den Gehweg entlang kommt, den wir bereits kennen: es ist Bernardo, unser Tourguide von vorvorgestern. Alles ist gut und der Tourguide einer von der Sorte, die man sich wünscht.

Das Einsammeln dauert wieder eine gewisse Zeit, und die letzten Fahrgäste, eine junge Frau und ihr fünfjähriger Sohn, wollen erst einmal aufgespürt werden. Dann aber geht es schnurstracks zum ersten Ziel, dem Roten Haus am Ortsausgang von Arrieta. Ein wohlhabender Bürger hat es vor rund hundert Jahren für seine an Schwindsucht leidende Tochter Juanita erbauen lassen, damit die frische Seeluft ihr Leiden lindern hilft. Das einem Puppenhaus gleichende Gebilde ist nur von außen zu besichtigen, die frische Luft gibt es gratis dazu. Wenig später treffen wir bei den Grotten ein.

Der erste Höhlenraum wird noch vom Tageslicht erhellt. Dann aber führen enge Treppen weiter hinab in die Tiefe. Für Menschen mit Klaustrophobie ist dieser Ausflug definitiv ungeeignet. Der zweiten, dezent beleuchteten Höhle folgt nach einer nur gebückt zu bewältigenden Passage eine dritte, und so geht es noch eine ganze Zeit weiter, bis wir in den Konzertsaal gelangen. Hier gibt es eine Bühne mit einem Klavier, von dem man sich fragt, wie es wohl hierher heruntergebracht wurde, 50 Meter unter der Erde, und eine beträchtliche Anzahl von Stuhlreihen. Die Tropfsteine aus erkalteter Lava, die überall von der Decke hängen und die Köpfe unvorsichtiger Besucher gefährden, sorgen für eine phantastische Akustik. Hier möchte man Klassik oder Folklore hören.

Dem Abstieg folgt ein ebenso enger Aufstieg, der auf halbem Weg mit einer Überraschung aufwarten kann. Welcher Art diese Überraschung ist, soll aber nicht verraten werden.

Eigentlich stünde nun die andere Lavahöhle auf dem Programm, ein gutes Stück näher am Meer und zum selben Stollen gehörig, denn er ist 7 Kilometer lang, wovon aber nur etwa ein Kilometer erschlossen ist. Auf dem Parkplatz steht aber bereits eine bunte Reihe von Tourbussen, und vor dem Eingang hat sich eine lange Warteschlange gebildet. Das läßt eine Planänderung angebracht erscheinen: das Mittagessen im Tal der 1000 Palmen wird zeitlich vorgezogen und die „James del Agua” auf den hoffentlich ruhigeren Nachmittag verschoben.

Der lanzarotinische Wirt hat ein Büffet für uns vorbereitet, so dass niemand lange warten muss und wir nach dem Essen noch auf eigene Faust eine Runde durch den malerischen Ort mit seinen vielen Palmen und den engen Gassen wagen können, denn es gibt hier mit dem „Palmenhaus” ein weiteres lohnendes Manrique-Museum. Für einen Besuch ist die Zeit zu knapp, aber einen Blick auf das Auto des Künstlers erhaschen wir gerade noch, ehe die Uhr zur Umkehr in Richtung Bus ermahnt.

Derselbe Künstler hat einen Aussichtspunkt oben auf dem Bergrücken mit einem bemerkenswerten Restaurant ausgestattet, dem „Mirador del Rio”. Mit Rio ist die Meerenge zwischen Lanzarote und der vorgelagerten Insel La Graziosa gemeint, die wir Anfang der Woche besucht haben. Im gesamten Gebäude mit seinen breiten Panoramafenstern und den vielen Kunstwerken gibt es keinen einzigen rechten Winkel und keine einzige gerade Kante. Sogar die Treppenstufen hinauf zur Aussichtsplattform haben unregelmäßige Formen.

Die Landschaft hier oben mag zwar karg sein, die Landbevölkerung schafft es aber trotzdem, dem trockenen Boden Mais und ähnliche Nutzpflanzen abzutrotzen. Oder auch Aloe Vera, wie uns ein Stück weiter unten so verkaufstüchtig erläutert wird, dass sich die ersten Mitreisenden schon fragen, wann denn wohl die heute besonders günstigen Heizdecken hervorgeholt werden.

Beim nunmehr zweiten Anlauf auf die „James del Agua” zeigt sich der Busparkplatz erfreulich leer, und wir lernen die einzigartigen Bewohner des natürlichen Wasserbeckens in der Grotte kennen. Es handelt sich um blasshäutige und völlig blinde kleine Krebse, die nur hier vorkommen und sehr empfindlich sind. Ihretwegen dürfen auch keine Münzen, deren Metall mit dem Wasser giftige Verbindungen bilden könnte, ins Wasser geworfen werden. Der Tourleiter empfiehlt, stattdessen Scheckkarten zu werfen.

Die Grotte samt krebshaltigem Wasser ist Teil eines einzigartigen Restaurants, das – wie sollte es auch anders sein – auf César Manrique zurückgeht. Deshalb gibt es auch hier wieder einen unregelmäßig geformten und von allerlei Steinen und Gewächsen umgebenen Swimming Pool.

Viel zu schnell endet unsere vorerst letzte Ausflugstour mit der Verteilung der Mitreisenden auf ihre jeweiligen Hotels. Wir sind als letzte an der Reihe. Schon morgen werden wir wieder im Flieger nach München sitzen.

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Das Haus im Lavastrom

Flüssige Lava kann auch bei geringem Gefälle beträchtlich weit fließen. Beim Erkalten entstehen unter der bereits erstarrten Oberfläche manchmal Hohlräume. Der Inselkünstler César Manrique hat eine Gruppe solcher Lavahöhlen zu einem einzigartigen Anwesen ausgebaut und 20 Jahre lang bewohnt. Heute steht dieses Lavahaus, zum Museum weiterentwickelt, zur Besichtigung frei.

Um es mit dem öffentlichen Linienbus zu erreichen, müssen wir an der Estación, also dem Busbahnhof von Arrecife, umsteigen. Wir fragen die Busfahrerin, ob wir bei ihr im richtigen Bus nach Tahíche sind, und sie sagt uns auf den Kopf zu, dass wir zum „Lavahaus” wollen. Sehen wir denn so deutsch aus? Egal, der markante Kreisverkehr mit dem Windspiel ist ohnehin nicht zu verfehlen, und auch das Museum selbst verfügt über ein solches. Und so stehen wir nur wenig später im Eingangsbereich des Vulkanhauses.

Man durchquert zunächst einige ebenerdige Räume, die aber bereits den einen oder anderen Tiefblick erlauben. Dann geht es eine lange Treppe hinab, und schon stehen wir in der ersten zum Wohnraum umfunktionierten Lavablase. Sie hat oben eine kleine natürliche Öffnung, durch die ein Baum seine Äste dem Licht entgegen reckt: eine eindrucksvolle Szenerie, der noch weitere folgen, denn die einzelnen Lavablasen sind durch schmale, in den Fels gehauene Gänge von einigen Metern Länge miteinander verbunden. Mal ist die Lichtöffnung größer, mal kleiner, und einmal sogar so groß, dass der Raum wie ein versteckter Garten wirkt, mit einem zentralen Wasserbecken samt Brunnen, einem Grillherd und einer Sitznische, in der auch schon Helmut Kohl gesessen hat, zusammen mit seinem Amtskollegen Felipe Gonzáles und eben dem Gastgeber César Manrique.

Die Abfolge der wohnlich eingerichteten und üppig mit Monstera und anderen Tropengewächsen begrünten Höhlenräume endet irgendwann an einer Treppe, der sich ebenerdig noch eine Dokumentation über die Verdienste Manriques für die Insel sowie ein hübscher Garten mit allerlei Ausblicken auf die umgebende Landschaft anschließt.

Auf der Rückfahrt lernen wir noch den Busbahnhof von innen kennen, denn unsere Buslinie endet dort, während der 03er heute früh die Estación nur tangential passiert hat. Und wir wundern uns, dass es zwei Busse mit derselben Liniennummer gibt. Damit hat es in Spanien folgende Bewandtnis: der jeweils vordere Bus stoppt an der Haltestelle, um wartende Passagiere aufzunehmen, der hintere überholt ohne anzuhalten und wird dadurch zum vorderen. Und so geht das von Stopp zu Stopp weiter, wobei aussteigewillige Fahrgäste natürlich in jedem Fall abgesetzt werden. Insgesamt entsteht aber wohl ein Gewinn an Zeit und natürlich auch an Kapazität.

Um 15 Uhr sind wir zurück im „La Isla”. Der Ärger über eine neu im Hotel eingetroffene Gruppe englischer Männer, die heute früh mit ihrer lautstark-albernen Unterhaltung das ganze Restaurant aufmischten, ist natürlich längst verflogen. Und sollten sie zwischenzeitlich den Poolbereich auf ähnliche Weise okkupiert haben, bleibt uns ja immer noch die zimmereigene Dachterrasse.

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Lanzarote-Linienbus

Um an ein Ziel außerhalb des fußläufigen Aktionsradius zu kommen, kann man auf Lanzarote auch einfach den Linienbus nehmen, vorausgesetzt man weiß, wo man einsteigen und wo wieder aussteigen muss. Direkt vor dem Hotel haben wir zum Beispiel schon mehrfach den Bus 03 vorbeifahren sehen.

Die Website der hiesigen Verkehrsbetriebe listet zwar alle Linien auf, aber leider ohne jegliche Kartengrafik. Wie soll man da wissen, welche der vielen Linien eine Haltestelle hat, von der aus man das gewünschte Ziel dann fußläufig erreichen kann? Zum Beispiel das Museum Vulkanhaus in der Calle Jorge Luis Borges in Tahíche? Tante Google, die sich für gewöhnlich recht gut auf die Suche nach Nahverkehrsverbindungen versteht, behauptet kurzerhand, es gäbe keine Verbindung zu diesem Ziel. Und nun? Die bereits erwähnte Website empfiehlt eine App namens „Moovit”. Leider kennt die aber nur die Namen der Haltestellen und nicht wie Google auch Straßen und markante Ziele. In einem letzten Akt der Verzweiflung suche (und finde) ich die Buslinie in den Ort Tahíche und vergleiche deren Zwischenhalte mit der Google Karte. Und siehe da: es gibt eine Haltestelle ganz in der Nähe des Vulkanhauses, am Kreisel „Cruce César Manrique”, also quasi direkt vor der Museumstür. Warum nicht gleich so?

Was wir noch nicht wissen ist, in welche Richtung wir in den Bus einsteigen müssen: es könnte ja sein, dass er von hier die obere Straße ansteuert. Oder auch die untere, was ich für wahrscheinlicher halte. Auf der zugehörigen Haltestellentafel steht der 03er jedoch nicht. Und gegenüber, also in Fahrtrichtung bergauf? Ja, dort gibt es den 03er, und in drei Minuten soll der nächste kommen. Tatsächlich, ehe wir uns versehen, kommt er auch schon die steile Straße heraufgefahren.

Es stellt sich heraus, dass der Kreisverkehr vor dem Hotel die Endhaltestelle ist und der Bus, nachdem wir eingestiegen sind und unseren Obolus entrichtet haben, dieselbe Straße wieder hinunterfährt, die er zuvor heraufgekommen ist. Man kann hier also gar nicht falsch einsteigen. Falsch aus- oder umsteigen jedoch schon, deshalb üben wir das ganze heute erst einmal mit einem Ziel, das sich mit dem 03er auf direktem Weg erreichen läßt, und fahren nach Arrecife. Dort stolpern wir eher zufällig über ein kleines Tourismusbüro, wo eine freundliche Dame bereitwillig Auskunft gibt, wie das mit dem Umsteigen auf Lanzarote funktioniert: das Ticket gilt immer nur für den Bus, in den man gerade einsteigt, bei einer Umsteigeverbindung löst man im zweiten Bus einfach ein neues. Das ist viel überschaubarer als das von zuhause gewohnte Zonenwirrwarr. Die Fahrer nehmen übrigens nur Scheine bis maximal 10 Euro.

Arrecife ist eine Stadt, die zu besuchen sich nur lohnt, weil einem das zu der Erkenntnis verhilft, dass sich der Besuch nicht lohnt. Mit einer Ausnahme: das Stadtmuseum draußen auf der Festung muss man einfach erlebt haben. Es ist nicht sehr groß und verfügt nur über recht wenige Exponate, dafür aber gibt es in jedem der zahlreichen engen Räume mindestens drei wandhohe Texttafeln, an denen man sich stundenlang entlang lesen könnte, wenn man denn des Spanischen mächtig wäre. Aber jetzt kommt’s: weil das so ist, erhält jeder Besucher, der kein Spanisch versteht, vorab eine mündliche Einführung. Wir müssen uns lediglich einen Augenblick lang gedulden, bis wieder deutsch an der Reihe ist.

Arrecife wurde in der Vergangenheit oft von Piraten angegriffen, daher dieses Fort und die Kanonen. Die Piraten gibt es auch heute noch: dem Museum wurde jüngst die Kasse aufgebrochen.

Im Museum geht es um die Geologie und die Geschichte der Insel und um die ersten Siedler, von denen einer sogar noch leibhaftig im Museum weilt: als 2.200 Jahre alte Mumie. Erläutert und mit Exponaten untermauert wird auch die Herstellung diverser Naturstoffe: das Karminrot (E120) zum Beispiel, das sich noch heute in Lippenstiften, Gummibärchen und Campari findet, oder das Kardinalrot, das so teuer war, dass die Ehre des Tragens solcher Kleidungsstücke nur hochrangigen Vertretern der Kirche zukam. Auch Pottasche, der Grundstoff für Seife, wurde dereinst auf der Insel gewonnen.

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Planet Vulkan

Auf Spocks Heimatplanet ist der Himmel grün. Das sieht man vor allem auf den Fotos ganz deutlich: unten eine außerirdische, vom Vulkankratern und Lavaströmen durchsetzte Landschaft, und darüber ein grünblauer Himmel mit blaßgrünen Haufenwolken. Dann öffnen sich die Türen des Raumschiffs, und wir erkennen, dass nicht eine fremde Sonne oder Atmosphäre hinter der Farbgebung steckt, sondern die getönte Scheibe des TUI-Busses, der uns heute morgen von Puerto del Carmen heraufgebracht hat in den Timanfaya-Nationalpark.

Waren wir vorgestern die ersten Gäste, die abgeholt wurden, sind wir heute die letzten, und der Bus bereits rappelvoll. Zudem hätte er eigentlich erst 10 Minuten später eintreffen sollen, aber es heißt ja immer: bitte seien Sie 10 Minuten vor Abfahrt an der Haltestelle. Waren wir auch. Nur unsere Corona-Masken nicht. Und was man nicht im Kopf hat respektive vor Mund und Nase … man kennt das ja.

Das Meer aus erstarrter Lava ist von kleinen Islotes, also Inselchen, durchsetzt. Auf einem von ihnen, der Islote de Hilario, betreibt der Teufel höchstpersönlich eine Restaurantküche. Das sieht in der Praxis so aus, dass aus einem brunnenschachtähnlichen Schlot, über den man Grillroste gelegt hat, beständig heiße Luft aufsteigt. Der Grillmeister hat aber wohl gerade frei oder ist nebenan mit allerlei Vorführungen beschäftigt. Deren erste besteht darin, dass den Umstehenden ein paar vom Boden aufgelesene Granulatkörnchen in die hohle Hand gereicht werden. Huch, die sind ja heiß! Ein Stück weiter nimmt der Vorführer etwas trockenes Strauchwerk auf seine Heugabel und hält es über einen Schacht. Prompt geht das Gebüsch schon nach wenigen Sekunden in Flammen auf. Für einen überraschenden Knalleffekt sorgt dann die letzte Vorführung: aus einem Eimer wird Wasser in ein senkrechtes Rohr gekippt, das kurz darauf geräuschvoll als Dampfsäule wieder zum Vorschein kommt.

Die exotische Landschaft des Nationalparks ist vor fast 300 Jahren bei einem vernichtenden Vulkanausbruch entstanden, der das fruchtbarste Tal der Insel mitsamt einiger Dörfer unter einer dicken Lavaschicht begrub. Man hat eine kleine Straße hindurch gebaut, gerade breit genug für einen Reisebus. Anders könnte man diese bizarre Gegend auch gar nicht erkunden, denn Privatfahrzeuge sind nicht zugelassen. Und zu Fuß? Lieber nicht.

Der Lavastrom reichte damals hinab bis ans Meer und vergrößerte die Insel um mehrere Quadratkilometer. Wo es einst einen Hafen gab, wird heute aus einer Lagune Meersalz gewonnen. Wir unternehmen einen kleinen geführten Rundgang zwischen den Verdunstungsbecken, bewundern das zu Kegeln aufgehäufte Salz, und fahren dann weiter zur Hauptattraktion dieser Gegend: der grünen Lagune.

Vom „Montaña el Golfo”, einem alten Vulkan, hat die Erosion nur ein Halbrund zurückgelassen, einem griechischen Theater nicht unähnlich. Das zugehörige Bühnenbild ist ein wahres Meisterstück der Natur: durch einen flachen Wall aus dunklem Vulkanschotter vom Meer abgeriegelt, beeindruckt die länglich geformte Lagune mit intensiv badesalzgrünem Wasser. Abgeriegelt wurde zum Glück auch der Zugang, so dass kein Tourist in der eindrucksvollen Szenerie herumlatschen kann. Erneut fühlen wir uns auf einen fremden Planeten versetzt.

Die Tour findet ihre finale Abrundung in einem Weingut, wo ein jeder Teilnehmer mit einem Probeschluck bedacht wird. Auf Lanzarote ist der Weinbau beschwerlicher als anderswo, denn um jeden Weinstock muss erst ein halbrundes Mäuerchen erbaut werden, das ihn vor Wind und damit vor dem Austrocknen schützt, anderenfalls könnten die Bauern nur bestenfalls noch Rosinen ernten. Viele Rebstandorte wurden allerdings bereits wieder aufgelassen, vor allem jene an den Hängen der Vulkankegel ringsum. Die noch immer sichtbaren, regelmäßig angeordneten Kringel haben etwas von einem 70er-Jahre-Tapetenmuster.

Der Blick hinüber nach Fuerteventura reicht heute noch über den Tindaya hinaus, wie immer der Berg direkt dahinter auch heißen mag. Zur anderen Seite hin soll man an klaren Oktobertagen sogar den fast 300 Kilometer entfernten Teide auf Teneriffa sehen können.

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Fernsicht

Vom Balkon unserer Suite, es ist die 308, können wir tagsüber 47 Kilometer weit sehen und nachts sogar noch ein gutes Stück weiter. Woher ich das so genau weiß? Nun, genau im Blickfeld liegt in 25 Kilometern Entfernung die markante kleine Insel „Montaña la Caldera“, die bereits zu Fuerteventura gehört. Und genau über dieser Insel ragt in deutlich größerer Distanz ein weiterer markanter Gipfel auf, nämlich der 400 Meter hohe Tindaya. Nachts sehen wir übrigens sogar noch den Flughafen von Fuerteventura in regelmäßigen Intervallen blinken: 70 Kilometer dürften das in etwa sein.

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Küste zu Küste

Heute unternehmen wir einen Ausflug. Mit dem Bus. Also dem Ausflugsbus. Denn es gäbe ja auch noch den Linienbus, aber damit kennen wir uns nicht so gut aus, und deshalb haben wir die Tour direkt bei TUI gebucht. Das geht relativ einfach, sei hier aber nicht das Thema.

Um 9:00 Uhr sollen wir direkt vor dem Hotel abgeholt werden. Dort steht auch schon 10 Minuten vor der Zeit – oder vielleicht länger, wir treten ja gerade erst vor die Tür – ein hellfroschgrüner Bus, allerdings ohne das für Tourbusse so typische Täfelchen hinter der Frontscheibe. Es wird also wohl nicht unser Bus sein. Aber es kommt auch kein anderer. Ob er für die TUI fährt, frage ich den wartenden Fahrer. Der schaut mich nur verständnislos an, also zeige ich ihm den Voucher. Er wirft einen Blick darauf und schüttelt den Kopf.

Fünf Minuten später tritt der Mann wieder auf mich zu und fragt, ob wir die Familie von Natascha seien. Nun ist es an mir, den Kopf zu schütteln. Und an ihm, mir etwas zu zeigen, denn offenbar ist er sich bei der Aussprache der deutschen Namen nicht so sicher. Und was sehe ich auf dieser Liste? Uns! Er hat uns auf seiner Liste. Warum nicht gleich so? Nun können wir endlich losfahren. Leider ohne Natascha, denn die stand samt Partner 50 Meter weiter unten an der Haltestelle des Linienbusses, wurde letztlich dann aber doch noch mitgenommen.

Zuerst einmal lernen wir die Hotellerie unseres Urlaubsortes und seiner Nachbarorte kennen, einschließlich der verwinkelten Einbahnstraßen, auf denen man sie anfahren kann. Hier ein wartendes Paar, dort ein Paar oder auch einmal zwei zugleich, nach einer Stunde sind wir immer noch in der Küstenregion, aber dann geht es endlich ins Inselinnere. Was für eine grandiose Landschaft aus Vulkankegeln, denen die Erosion bisher noch nicht allzu viel anhaben konnte.

Ob wohl noch ein Tourguide zusteigen wird? Immerhin stand ja das erste Ziel, das von einem gewissen Jesús Soto erbaute Anwesen „LagOmar”, bereits am Straßenrand angeschrieben. Große Erleichterung, als auf dem Parkplatz des LagOmar eine Dame namens Raquel zusteigt, uns in drei Sprachen begrüßt und zur geführten Besichtigung mit anschließender Gelegenheit zum freien Rundgang einlädt.

Das in eine Felsformation aus Lavatuff eingepaßte Anwesen wurde einst vom Schauspieler Omar Sharif erworben und gehörte ihm genau einen Tag lang, dann verlor er es im Spiel gegen einen ihm unbekannten Gegner, den er wohl massiv unterschätzt hatte: der vermeintliche Immobilienmakler war nämlich der amtierende Weltmeister im Bridge.

Die Zimmer dieses außergewöhnlichen Hauses sind in verschiedenen Höhen halb in die Felsen eingelassen und durch allerlei schmale und steile Treppen, teils im Inneren und teils frei, miteinander verbunden. Es gibt weiter oben ein Schlafzimmer und sogar ein Badezimmer, dazu allerlei Balkone und Nischen mit umlaufenden Sitzbänken aus Stein, und an zentraler Stelle einen Swimmingpool. Raquels spanische und französische Ausführungen sind uns zu langatmig, bis die englische Version an der Reihe ist, haben die anderen Teilnehmer längst ihren Vorsprung genutzt, und die ersten kommen die engen Treppen bereits wieder herunter. Folglich verzichten wir auf die Teilnahme an der Führung und halten uns an die deutschsprachigen Texte der Wandtafeln.

Die gute Raquel redet wie ein Wasserfall, muss sie doch auf der relativ kurzen Fahrt zum nächsten Etappenziel die dreifache Menge an Text unterbringen als bei einer einsprachig geführten Tour. Das schafft sie zwar recht gut, aber da dem englischen sofort wieder ein spanischer Text folgt und man erst am Ende der französischen Version wieder Verständliches vernimmt, liegt man akustisch beständig auf der Lauer: sind das jetzt spanische Wörter? Oder französische? Nein, es sind englische, also wieder zuhören!

Wir erreichen den „Jardin de Cactus”, also den Kaktusgarten. Das ist ein von Steilhängen und Mauern umgebenes Stück Land mit tausenden von Kakteen und Euphorbien aus allen Teilen der Welt, in den abenteuerlichsten Wuchsformen und gekrönt von einer Windmühle, in der sich dem Andrang zufolge irgend etwas Interessantes befinden muss, wahrscheinlich das Café.

Ermahnt, pünktlichst wieder am Bus zu sein, da wir ansonsten die Abfahrt des Schiffes versäumen könnten, tun wir wie geheißen, und so klappt das Ablegen samt nachfolgender Überfahrt auf die Insel La Graziosa wie am Schnürchen. Vorher amüsieren wir uns aber noch über ein ausgelassen grölendes und klatschendes Grüppchen von Jugendlichen: Leute, wenn Ihr Euch schon gegenseitig in Titanic-Pose, also mit ausgestreckten Armen am Schiffsbug stehend, fotografieren müßt, warum geduldet Ihr Euch dann nicht, bis im Hintergrund offenes Meer zu sehen ist anstelle der Hafenkneipe?

Der kleine Fischereihafen auf der Insel samt zugehörigem Ort La Caletta del Sebo hat nicht eine einzige befestigte Straße. Wozu auch, hier müssen ja ohnehin alle Autos geländetauglich sein, sonst nützen sie bestenfalls, um damit sonntags 500 Meter zur Kirche zu fahren. Ein durchaus bemerkenswerter Bau übrigens: der Altar ist ein Anker, das Altarbild ein Schiff, ein Steuerrad dient als Predigtpult, und zwei hölzerne Fische halten jeweils eine Kerze im Maul.

Gegen 14 Uhr erwartet uns ein Mittagessen, für das eigens ein zweites Schiff bereitgestellt wurde, mit Tischen anstelle der Sitzreihen. Serviert wird eine klassische Paella mit allerlei Getränken, die alle wild durcheinander zu konsumieren im Hinblick auf die bevorstehende Rückfahrt wenig ratsam erscheint. Dennoch versuchen wir es: zuerst ein Schluck Cava, also Sekt, dann Wein, dann wieder Cava, dann ein Stamperl mit leckerem Honigrum, dann ein zweites, nochmal Wein und zum Abschluss nochmal Rum, bis Schiff und Insel zu schwanken beginnen. Allein die Bierdosen packen wir weg, man will ja nicht trocken heimfahren.

Zurück auf dem Festland, also der größeren Insel, macht sich eine gewisse Schwere in den Beinen bemerkbar, aber zum Glück wartet ja in Órzola bereits der Bus.

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Zehn Schiffslängen

Da bucht man nun spontan einen Kurzurlaub auf einer relativ wenig frequentierten Kanareninsel, und dann stellt sich wenig später heraus, dass der beste Freund, ohne dass man davon etwas hätte ahnen können, ebenso spontan zu derselben Zeit dieselbe Insel gebucht hat. Aber es kommt noch besser: auf Nachfrage stellt sich heraus, dass sein Hotel gerade einmal drei Kilometer – oder, wie er es ausdrücken würde, 10 Schiffslängen – vom eigenen entfernt liegt. Wenn das kein Grund ist, eine kleine Wanderung entlang der Küste zu unternehmen und ihn dort zu besuchen.

Das Costa Calero Hotel, von wo „Captain Spareribs” seine „Reisen am Rande des Wahnsinns” bloggt, ist ein großzügig angelegtes Familienhotel mit viel Grün und zwei Pools, davon einer mit Staumauer, die das obere Becken vom unteren trennt. Der Foyerbereich gleicht mit seinen üppigen Grünpflanzen dem Tropenhaus eines botanischen Gartens, der Restaurantbereich wiederum erinnert mit seinen raumhohen Glasfronten eher an ein Aquarium. Wir suchen uns einen netten Platz im Bereich der Außenbar und reden bei einer Cervesa stundenlang angeregt über dieses und jenes, ehe wir uns am späten Nachmittag wieder zurück auf den Weg nach Playa del Carmen machen.

War es heute vormittag noch ein zwar langer und steiniger, dennoch aber recht angenehmer Spaziergang entlang des „Sendero Uno” Küstenweges, lacht nun die Sonne mehr als dem braven Wandersmann lieb sein kann vom strahlend blauen lanzarotinischen Himmel. Eine Sitzbank im Schatten eines Baumes wäre jetzt schön, und tatsächlich findet sich eine solche, aber erst, nachdem auch bereits das Ende des Weges auf Sichtweite herangekommen ist. Sei’s drum, das Bänklein liegt so malerisch unter einer bougainvilleabewachsenen Pergola, dass wir hier noch ein Weilchen verweilen, in Gesellschaft von zwei schwarzen Katzen, die uns erwartungsvoll anschauen und sich dann im Schatten des besagten Blütenstrauches niederlassen.

Plötzlich ein zweistimmiger Freudenschrei, denn aus einer Türe im Hintergrund ist soeben eine ältere Frau getreten, und die hat Futter. Und Wasser. Aus den zwei Tieren werden rasch vier, fünf und sechs, denn was will eine freilebende Mieze mehr als einmal am Tag eine katzengerechte Mahlzeit? Natürlich werden aber auch Streicheleinheiten und warme Worte gerne genommen. Deswegen also das freudige Interesse, als wir uns vorhin dem Platz näherten.

Unterhalb der Steilküste hat soeben der Wasserbus kurz vor der Hafeneinfahrt seine Fahrt unterbrochen. Warum das denn? Ist er etwa seinem Fahrplan voraus? Das Rätsel erschließt sich, als er nach einer Viertelstunde – man könnte die Zeit auch in Flugzeugen rechnen, die im Fünfminutenabstand drüben nach Arrecife einschweben – wieder Fahrt aufnimmt: es ist ein Glasbodenschiff. Wahrscheinlich gibt es an dieser Stelle allerlei Interessantes am Meeresgrund zu sehen.

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Eingewöhnen auf Lanzarote

Hier auf Lanzarote ist vieles anders als auf anderen Ferieninseln. Das fängt schon bei der Landschaft an, sie ist wie eine Mischung aus Spanien, Marokko und Schottland. Ersteres beruht vor allem auf den schmucken weiß gestrichenen Häusern inmitten einer kargen Vegetation, für den letzteren Eindruck sorgen Berge, Wolken und Wind. Was abends auf der Landseite zu sehen ist, sind aber gar keine Berge, sondern Wolken, die sich an die Konturen der Berge anschmiegen und dadurch wie Berge aussehen.

Anders ist aber auch die Aufmerksamkeit und Herzlichkeit des Personals. Im Hotelrestaurant werden wir zum Tisch nach Wahl geleitet und unsere Bestellung aufgenommen, denn die Gastronomie ist hier eine Mischung aus Bedienrestaurant und Büffet: wir durften für das Abendessen aus zwei Vorspeisen und vier Hauptgerichten wählen, die am Tisch serviert werden, für alles andere herrscht Selbstbedienung, jedoch ohne Drängeln und ohne wählerisches Herumtrödeln der Leute, die vor einem stehen, und ohne permanentes Gerenne nach vergessenen Besteckteilen, denn die werden passend gebracht. Wir bestellen zwei Gläser offenen lanzarotinischen Wein, und die Kellnerin kommt mit einer Flasche. Sie hat aber nicht etwa unsere Bestellung falsch aufgenommen, sondern es ist hier so üblich: Gläser aufstellen, den Probeschluck servieren, bei Zufriedenheit des Gastes die Gläser füllen wie bestellt und die Flasche wieder mitnehmen. Der Rosé war übrigens eine ausgezeichnete Wahl, und ebenso die Speisen. Und wer sagt, dass man nur ein einziges Hauptgericht bekommt? Die orientalischen Spaghetti waren zwar eigentlich als solches gedacht, aber wenn der Gast sie als Vorspeise wünscht, gerne.

Zum Frühstück wird einem hier im La Isla nicht nur jede nur denkbare Art von Kaffee an den Tisch serviert, sondern auf Wunsch auch das Omelett mit den gewünschten Zutaten. So ausgedehnt wie hier haben wir schon lange nicht mehr gefrühstückt, und zum Abschluss gönnen wir uns noch je ein Glas Prosecco aus dem dekorativen Sektkühler.

Und noch etwas ist anders als gewohnt: die Wasserhähne. Hier im La Isla gleichen sie dem Zulauf zu einem Wasserrad, d.h. das Wasser läuft ein Stück weit in einer offenen Rinne herab, beworben es sich an deren unterem Ende ins Waschbecken stürzt oder auf die Hände oder was auch immer. Da wir aber eines der obersten Zimmer bewohnen, mischt sich hin und wieder auch eine Luftblase ins Leitungswasser. In diesem Fall verwandelt sich der sanfte Wasserlauf dann in einen Geysir, und man kann, was man kurz vorher frisch angezogen hatte, zum Trocknen aufhängen und sich etwas Neues aus dem Schrank holen.

Draußen auf der Sonnenterrasse war es heute sehr angenehm und erholsam, denn das La Isla ist ein Erwachsenenhotel: kein ferienbegeistertes Herumgerenne, kein Geschrei und Gequiekse, wie es alle, die erst noch erwachsen werden wollen, bei der Berührung mit Wasser typischerweise absondern. Und zum Glück auch keine Leute, die gerne pausenlos mehr oder weniger witzig, vor allem aber viel lauter als notwendig daherquatschen oder mit durchdringendem Gelächter antworten. Keine Ballspiele am Pool oder auf der Wiese, denn der Pool ist sehr klein, und eine Wiese gibt es nicht. Nur gepolsterte Liegen, die man aber nicht herumschiebenderweise dem Sonnenstand nachrücken kann, und ebensolche Sonnenschirme. Mit einem Wort: wohltuende Ruhe, genau richtig, um nach Jahrzehnten wieder einmal Friedrich Dürrenmatts “Der Richter und sein Henker“ zu lesen.

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Dem Alltag entfliegen

Ein paar streßfreie Tage mit Meerblick, das wäre doch etwas für die Pfingstferien, dachten wir und buchten uns spontan nach Lanzarote ein, wo das Hotel „La Isla y el Mar Hotel Boutique” eine geräumige Suite mit eigener Terrasse samt seitlichem Meerblick angepriesen hatte. Für Familien sei das Haus aber völlig ungeeignet, hieß es in der Beschreibung. Und leider könne zur Zeit auch keine Animation angeboten werden. Umso besser, dachten wir.

Und so startete unsere Reise um die Mittagszeit des Vortages mit dem Online Check-in bei Condor. Früher, als es das noch nicht gab, begann eine Reise mit dem Schließen des Koffers, es war quasi der Vollzug des Zurücklassens aller materiellen Dinge, die nicht mit in diesem Koffer waren. Das Vorab-Einchecken fühlt sich ähnlich an: was noch zu tun ist, muss nun so überschaubar sein, dass es in diese 24 Stunden paßt wie die Habseligkeiten in einen zu schließenden Koffer.

Und da war noch so viel zu erledigen: Blumen wegbringen, Korrespondenzen abwickeln, Wohnung aufräumen, Geschirr spülen, Koffer packen, Verbindungen suchen, Wecker stellen, schlafen, geweckt werden, Kaffee kochen, Wohnung kontrollieren, Koffer zum Bus schleppen, dann zur U-Bahn, zum ICE, zur S-Bahn, zum Drop-off Schalter der Condor. Zuallererst aber eben: Website der Condor aufrufen, Buchungsnummer und Name eingeben, Sitzplatz wählen und … Moment, wieso steht da ein Preis? Die Fluggesellschaft will sich die Sitzplatzwahl mit 7,99€ bezahlen lassen. Alternativ bekäme man irgendwelche Plätze zugewiesen, hieß es. Aber Platz ist Platz, und die zugewiesenen sind letztlich auch nicht schlechter.

Da wir nicht zu den Reisenden gehören wollen, die in endlosen Warteschlangen stehend ihren Flug verpassen, brechen wir sehr zeitig auf. Prompt klappt alles wie am Schnürchen: beim Umsteigen, am Schalter und sogar am Security-Check. Aber lieber zwei Stunden zu früh im Gate als fünf Minuten zu spät.

Eigentlich sollte unser ICE vom Gleis 9 ablegen, aber dort stand schon ein ÖBB-Schlafwagenzug, der wohl selber eingeschlafen war. Und so starteten wir von Gleis 8 genau gegenüber. Welch ein Glück. Woher die bereits im Abteil befindlichen Reisenden wohl alle kamen? Sie mußten wohl schon die ganze Nacht unterwegs gewesen sein, denn alles schlief. Bis auf einen, und der sprach am Handy gerade über intimste Details seiner Probleme mit einer Hochzeit in „Gaahrmisch-Partenkiehrchen”, zu der er wider Willen anreisen müsse, weil seine Familie das so wollte. Wir und der nicht schlafende Teil der Mitreisenden erfuhren wirklich alles: dass die Hochzeit in Bayern so teuer sei, dass der Blumenschmuck in der Kirche dem ausladenden Format des Brautkleides Rechnung tragen müsse, dass „der Schrauber” sein Auto nicht rechtzeitig repariert habe und er nun diesen Zug habe nehmen müssen, dass seine Familie ihm deswegen Feuer mache, was er „nicht in Ohrdnung” finde, dass seine Mutter zu viel Geld in die Restaurierung halb zerfallener „Ente”-Oldtimer stecke, dass er jetzt einen Kaffee brauche … schon sah man ihn samt Telefon am Ohr verschwinden, und als er wiederkam, hatte er aufgelegt. Aber nur, um sogleich ein neues Gespräch zu beginnen mit einer anderen Person, die das alles noch nicht wußte: die Hochzeit, das Brautkleid, der teure Blumenschmuck, die Oldtimer-Leidenschaft seiner Mutter.

Schließlich und endlich treffen wir mit unseren Koffern am Flughafen ein. Wo ist der Drop-off-Schalter der Condor? Weit und breit kein Hinweis, also fragen wir die Dame am Info-Schalter. Die hält nur, genervt von immer derselben Frage, wortlos ein Schildchen hoch mit einem „D“ darauf. Denn auf die Idee, Wegweiser zu den Schaltern der Fluggesellschaften aufzustellen, ist hier offenbar noch keiner gekommen.

Sind wir schon über Frankreich? Noch nicht, sonst sähe man unten ja Menschen herumlaufen mit einem Baguette unter dem Arm. Aber da ist ein Fluß mit dunklem Wasser, der in einen anderen mit milchkaffeebraunem Wasser mündet, man kann die beiden Farben noch ein ganzes Stück weit flussabwärts verfolgen. Kurz darauf kommt Basel in Sicht. Aha, die beiden Flüsse waren Aare und Rhein. Eine Stunde später kommen Schneeberge in Sicht: die Pyrenäen. Dann eine Stunde lang eher unwirtliches Land, mit nur vereinzelten Feldern. Dann eineinhalb Stunden lang Wasser mit vereinzelten Schiffen. Dann zur Rechten eine Insel, aber mit mehr als zwei Bergen. Wir haben unser Ziel Lanzarote erreicht. Oder doch nicht? Das Land ist so schnell wieder verschwunden, wie es zuvor aufgetaucht war. Ach so, das Flugzeug hat die Richtung gewechselt und die Insel ist nunmehr links, denn wir müssen den Aeropuerto Cesar Manrique von Süden her anfliegen.

Der Transferbus fährt mehrere Ziele an. Am ersten Hotel steigen einige Gäste aus, am zweiten ebenfalls. Am dritten Stopp nur wir. Und das ist auch gut so, denn der Check-in dauert am „La Isla y el Mar” beträchtlich lange, da hätte man nicht anstehen mögen. Das Hotel besteht aus einzelnen Suiten mit je einer Terrasse, adrett über ein leicht geneigtes Gelände verteilt und mit vielen landestypische Pflanzen dazwischen: Kakteen, Palmen, Strelitzien und betörend duftenden Wachsblumen. Hier ist entspannen angesagt. Unsere Suite hat zwei Zimmer und zwei Fernseher. Aber nur ein Duschhandtuch und nur einen Bademantel: es fehlt die komplette zweite Garnitur, die das Zimmermädchen aber fix nachliefert.

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