Wenn man bei Condor online eincheckt, sind meist nur noch die unattraktiven Plätze verfügbar, und man kann schon von Glück reden, wenn man nebeneinander sitzen darf. Man hat aber die Möglichkeit, seine Plätze wie im Theater oder Kino vorab auszuwählen, freilich auch zu Preisen wie im Kino oder im Theater. Wir wählen die einigermaßen bezahlbaren Sitze 40D und 40E. Eingecheckt sind wir damit zwar noch nicht, aber der Zeitpunkt dieses finalen Geschehens hat nun keine Auswirkung mehr auf die Sitzplatzauswahl. Und da wir ohnehin noch an einen Drop-off Schalter müssen, genügt es eigentlich, wenn wir erst am Flughafen einchecken. Oder steht man dann in einer dieser endlosen Warteschlangen? Nun, vielleicht erledigen wir den Check-in doch lieber schon vom Hotel aus.
Möchten Sie Ihre Bordkarten lieber als PDF oder per Mail? Nun, eigentlich möchten wir eine PDF per Mail, und die kommt auch prompt, zusammen mit der Aufforderung, sie auszudrucken. Ah, ja. Aber vielleicht genügt es ja, sie offen auf dem Smartphone vorzuzeigen? Dafür müßte man aber einen funktionierenden Drop-off Schalter finden, und in der Abflughalle gibt es leider nur solche, die außer Betrieb sind. Immerhin erfahren wir, dass wir das Etikett erst einmal selber am Koffer anbringen müssen, und dass es dafür ganz in der Nähe einen Automaten gibt. Er funktioniert sogar, aber es bleibt vergebliche Liebesmüh, denn wegen der hartnäckigen Störung müssen wir nun doch an einen mit Personal besetzten Schalter.
Ob wir sie rasch vorlassen würden, fragt eine Frau, als wir bereits am Schalter stehen. Ihr Flug ginge bereits in eineinhalb Stunden. Das hat keinen Zweck, antworte ich, denn bis Sie Ihren Koffer von da hinten holen, sind wir hier längst fertig. So ist es auch, denn es müssen ja nur noch die beiden Koffer aufs Band, und fertig.
Flugs stehen wir nun an der Zugangskontrolle: bitte Bordkarte auflegen. Ich wühle mich durch den Maileingang: jede Bordkarte ist insgesamt vier Mal vorhanden, und man sieht immer erst nach dem Öffnen, ob es Theas Boarding Pass ist oder meiner. Um den Verkehr nicht unnötig aufzuhalten, gehe ich als Thea durch die Sperre, suche dann aus den vielen Mails eine mit meiner eigenen Bordkarte, reiche das Smartphone über das Drehkreuz hinweg wieder hinaus zu ihr, damit sie es mit dem anderen Code erneut auflegen kann, dann sind wir endlich drin. Es soll nicht das letzte Vorzeigen der Bordkarte sein, aber ich bin schlauer geworden und speichere die Codezeile als Screenshot: Bilder lassen sich leichter öffnen und weiterblättern als Mailanhänge, die man vorher ja auch noch aufzoomen muss.
Jetzt noch die Passkontrolle, hier hat ja zum Glück jeder etwas Auflegbares in der Hand, dann folgt erfahrungsgemäß die Sicherheitsschleuse, an der es bekanntlich oft unkalkulierbar lange Warteschlangen gibt, danach kann man entspannt die Wartezeit bis zum Boarding für ein Frühstück nutzen. Aber nicht heute, denn in diesem Abschnitt hier hat jedes Gate seine eigene Sicherheitsschleuse. Und danach kommt nur noch der Wartebereich. Völlig gastronomiefrei, aber immerhin mit einem Kaffeeautomaten.
Zuvor wollte der Mann an der Schleuse noch, dass ich das Tempo-Taschentuch aus der Hosentasche nehme, das sich im Ganzkörperscanner abgezeichnet hatte. So präzise arbeiten diese Scanner? Ich ertappe mich bei dem Gedanken, was da wohl noch so alles auf dem Bildschirm zu sehen war. Das Taschentuch muss auseinander gefaltet werden, es könnte ja etwas darin versteckt sein. Chloroform vielleicht, um damit die Stewardeß einzuschläfern?
Alles weitere, sogar das wiederholte Vorzeigen der beiden Fotos mit den Bordkarten, verläuft nun völlig reibungslos. Der Flug dauert über zehn Stunden, das reicht locker für den neuen Indiana Jones im Bordprogramm, gefolgt von der seltsamen Geschichte des Benjamin Button, der alt geboren und dann immer jünger wurde. Oder alternativ für beide Folgen der Heiligtümer des Todes, gefolgt von den phantastischen Tierwesen. Und das alles in einem Airbus A330neo im Outfit einer Ringelsocke. Wer sich wohl dieses neue Design hat einfallen lassen?
In Fort de France, der Hauptstadt von Martinique, befindet sich zwischen der Passkontrolle, wo es genügt, den geschlossenen Reisepass hochzuhalten, und der Einweiserin mit dem MSC-Schildchen die offenbar einzige Toilette des gesamten Flughafens, ein Umstand, der sich in einer langen Warteschlange äußert. Eine Viertelstunde später ist die Einweiserin natürlich längst verschwunden, wir finden sie draußen in der Halle, wo einige hundert Mitreisende auf ihren Transfer zum Schiff warten, die meisten samt Reisekoffer. Dabei sollen die doch direkt vom Flugzeug aufs Schiff gebracht werden? Es kommt, wie es kommen muss: irgendein Transferbus, es muss der fünfte oder sechste gewesen sein, nimmt uns mit zum Schiff, für das wir nun endlich Bordkarten richtig zum Anfassen erhalten. Nach Passieren einer weiteren Schleuse dürfen wir es dann auch endlich betreten – und finden uns vor den Aufzügen wieder, wo schon zahlreiche Mitreisenden warten.
Die Schiffe der MSC nutzen eine Aufzugsteuerung, bei der der Passagier schon vor dem Betreten der Kabine sein Stockwerk wählen muss. Steigt er stattdessen einfach nur ein, fährt der Aufzug am Ziel vorbei. Das ist ungewohnt und überfordert vor allem den Aufzug selbst: nach zehn Minuten ist die bestellte Kabine noch immer nicht da. Einige versuchen ihr Glück auf der anderen Seite des Schiffes, wir warten. Und dann kommt sie endlich. Wir müssen auf Deck 10, die Kabine 10189 ist rasch gefunden, aber von den Koffern ist weit und breit nichts zu sehen. Dabei hat das Zeitfenster für das Abendessen längst begonnen, und wir hätten uns vorher gerne noch umgezogen. Die Rezeption verspricht nachzuforschen. Gut, gehen wir halt verschwitzt zum Essen. Und als wir zurückkommen, sind auch die Koffer da.
Als wir schließlich am Ende dieses langen Tages mit je einer Pinacolada in der Hand auf dem Promenadendeck sitzen, wissen wir: nun kann der Urlaub beginnen.