Dominica

Dominica ist die ursprünglichste der Antilleninseln. Das liegt daran, dass sie geographisch für den Anbau von Zuckerrohr ungeeignet war, denn es gibt hier viele hohe Berge mit steilen Hängen und so gut wie keine Ebenen. Erst später entdeckte man, dass die Insel über einen sehr wichtigen Schatz verfügt, nämlich Wasser. Und so war sie lange Zeit zwischen Briten und Franzosen umstritten. Die ursprüngliche Bevölkerung, die schon vor der Ankunft der Europäer hier lebte, wurde bei diesen Kämpfen aufgerieben und verdrängt, und nur ein kleiner Teil konnte bis heute bestehen, verlor aber seine eigene Sprache. Unsere Tourleiterin gehört zu dieser Ethnie. Sie ist eine Frau von dunkelbrauner Hautfarbe mit langen schwarzen, leicht welligen Haaren, die sie zum Zopf geflochten trägt. Und natürlich kennt sie ihre Insel und die Geschichte ihres Volkes sehr genau.

Wir starten mit einem Kleinbus für etwa 15 Personen, und recht viel größer dürfte ein Auto für die Straßen, die von der Küste weg in die Berge führen, auch gar nicht sein. Auf Domenica fährt man links. Schon bald geht es steil und in vielen Serpentinen hinauf in den Regenwald, anfangs noch bei herrlich blauem Himmel, und nur auf einem Berggrat hoch über uns hängt eine weiße Wolke. Hier oben ist die Insel nur noch spärlich besiedelt. Das schmale Sträßchen führt immer weiter hinauf bis zu einem Kreisverkehr, der quasi die Inselmitte darstellt. Von nun an geht es leicht bergab, aber nicht für lange, denn ein Wegweiser markiert unser erstes Ziel, den Emerald Pool. Das ist ein Wasserfall mitten im Regenwald, den man vom Parkplatz aus auf einem viertelstündigen Fußweg durch den Primärregenwald erreichen kann.

Primärwald heißt, dass sich dieser Wald noch in seinem ursprünglichen Zustand befindet. Wir passieren etliche umgestürzte Baumriesen, denn hier im Unesco-Biosphärenreservat dürfen Bäume weder gefällt noch entnommen werden. Das Pflanzengeflecht wirkt vollkommen undurchdringlich: so stellt man sich den Regenwald vor.

Der Wasserfall ist nur von unten her zugänglich, vorher müssen wir das Flüßchen erst noch noch auf einer steinernen Brücke überqueren, dann endet der Weg an einer kleinen Aussichtsplattform, von der man einen schönen Blick auf das herabstürzende und sich in einem Pool sammelnde Wasser hat. Natürlich ist dieser Ort ein Hotspot, wo man sich gegenseitig fotografieren und später instagrammen muss, und so posiert einer nach dem anderen aus der Gruppe, die leider vor uns angekommen war, direkt unter dem Wasserfall. Wir brauchen kein solches Foto und wenden uns schon bald wieder dem Rückweg zu, begegnen dabei aber zahlreichen weiteren Gruppen, und auch der Parkplatz hat sich mittlerweile gut gefüllt: Naturwunder und Besuchermassen gehören eben auch hier zusammen, und sei die Umgebung auch noch so menschenleer. Letztlich sind ja auch wir selbst ein Teil dieser Erscheinung, wenn auch nicht von jener Sorte, die an solchen besonderen Orten vor allem sich selbst fotografieren will.

Das ist auch am zweiten Ausflugsziel, den Trafalgar Falls, nicht anders, aber auf dem Weg dorthin bleiben wir nun erst einmal im Stau stecken. Nein, er reicht nicht bis zu irgendeiner Baustelle, und es staut sich auch nicht an der Einmündung in die Hauptstraße, sondern auch die ganze weitere Küstenstraße bis hinein ins Städtchen Roseau, wo unser Schiff liegt. Stadtauswärts geht es dann wieder normal weiter, und schon bald befinden wir uns auf einem Sträßchen, das so eng und kurvenreich ist und stellenweise so steil hinauf- und auch wieder hinabführt, dass man sich fragt, ob dort überhaupt noch ein Fahrzeug durchkommt, geschweige denn ein Kleinbus wie der unsere. Aber es funktioniert tatsächlich, und wir stehen vor dem Eingang zu einem weiteren Naturschauspiel. Dieses Mal erwarten uns sogar zwei Wasserfälle.

Es ist ausgesprochen feucht hier im Tal zwischen den hohen Bergen. Ob das die Gischt des nahen Naturschauspiels ist? Nein, es handelt sich, wie sollte es in einem Regenwald anders sein, um Regen, der von den hohen Bäumen tropft, so dass man gar nicht so genau weiß, ob es nun tatsächlich regnet oder schon längst wieder aufgehört hat. Und dann erreichen wir die kleine Plattform am Ende des Weges: ein hoher Wasserfall zur Rechten und ein noch höherer zur Linken senden Kaskaden gischtenden Wassers bis zu der Stelle genau vor uns, wo sich die beiden Gebirgsbäche vereinen. Was für ein Naturschauspiel! Auch der Regen hat mittlerweile aufgehört.

Der Rückfahrt auf der abenteuerlichen Straße folgt noch ein kurzer Stopp an einem Aussichtspunkt über der Stadt, von wo man auch das Schiff sehen kann, dann endet dieser unvergeßliche Landausflug dort, wo er heute morgen begonnen hat.

Category: Allgemein, Karibik 2023
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