Prominenz in Wachs

Die Wachsfiguren des Hamburger Panoptikums haben unsere Neugier auf weitere Kabinette dieser Art geweckt, allen voran das Madame Tussauds in Berlin. Heute um Punkt 10 Uhr haben wir nun die Gelegenheit für einen Vergleich.

Vorher heißt es aber, sich erneut dem Berliner Nahverkehr anzuvertrauen. Vom Bahnhof Zoo nehmen wir in der Regel den 100er, denn der hat das Zeug zum Sightseeing-Bus, führt seine Strecke doch an Gedächtniskirche, Siegessäule und Schwangerer Auster vorbei, bevor er dann in die Berliner Prachtstraße „Unter den Linden” einbiegt und wir im Aussteigen noch einen Blick auf das Brandenburger Tor erhaschen können, ehe wir uns in die gottlob sehr kurze Warteschlange vor der roten Tür des Tussauds einreihen, denn wir sind ein paar Minuten zu früh. Man kann seine Tickets vorab erwerben, dann steht man links, oder spontan an der Tageskasse, dann steht man rechts. Zu so früher Stunde steht man aber eigentlich überhaupt nicht.

Die sonst bei Ausstellungen üblichen Täfelchen neben den Exponaten braucht es im Tussauds nicht, man erkennt ja alle Personen auf Anhieb, und falls nicht, hilft einem der Kontext, in den sie gestellt sind. Da sind zum einen die Personen mit Berlin-Bezug wie Klaus Wowereit, Angela Merkel oder Willy Brandt, Marlene Dietrich oder Max Schmeling, aber auch ein Erich Honecker und sogar ein ziemlich versteckter Adolf Hitler begegnen uns auf dem Weg zur Treppe in das obere Stockwerk, wo es mit Beethoven, Bach, Einstein, Marx und Grass weitergeht und bei Helmut Kohl, Olaf Scholz und Dirk Nowitzky noch lange nicht endet. Viele Figuren sind so arrangiert, dass die Besucher in ihrer Nähe für ein Selfie posieren können, auf Sigmund Freuds Couch zum Beispiel oder auf dem Wer-wird-Millionär-Ratestuhl. Und wer wissen möchte, wie so eine Wachsfigur hergestellt und bemalt wird, findet auch darüber zahlreiche Erläuterungen. Wir selbst fühlen uns von der Bar im nachgestellten Nachtclub Moka Efti magisch angezogen, wo Charlotte Ritter lässig am Tresen lehnt, während Swetlana Sorokina im Pailettenkleid tanzt und Kommissar Gereon Rath das ganze vom Eingang aus beobachtet. Der Cocktail, den wir uns hier gönnen, heißt „Pumpkin Spice Latte“, die Hintergrundmusik „Zu Asche zu Staub” stammt aus der Fernsehserie „Babylon Berlin“, aus der auch die Bar und die Figuren entlehnt sind.

Waren wir schon bei all den anderen Prominenten aus Film und Fernsehen? Nein, die kommen jetzt: Abba und Michael Jackson, Helene Fischer und Roland Kaiser, Johnny Depp, Leonardo diCaprio und noch einige mehr. Den Figuren aus Star Wars hat man einen eigenen Bereich mit passendem Ambiente gegönnt: im Inneren des Raumschiffs begegnen uns neben R2D2 und C3PO auch Luke Skywalker, Han Solo, Darth Vader, Prinzessin Leia und viele weitere bekannte Gestalten der Weltraumsaga. Natürlich auch einen Meister Yoda sie hier haben, auf einem bequemen Sessel er sitzt. Im Ausgang dieser letzten Abteilung, der zugleich Eingang zum Shop ist, begegnet uns noch Elvis Presley, dann dürfen wir abschließend ein paar Fragen beantworten: Welche Figur haben Sie vermißt? Den Miljöh-Maler Heinrich Zille natürlich. Und auch ein Max Raabe hätte sicher ganz gut in die Riege der Berliner Originale gepaßt.

Das Humboldt-Forum mit seinen vielen Museen hat dienstags zu, immerhin ist aber das SB-Restaurant im Schlüterhof geöffnet. Nach dieser kleinen Stärkung wenden wir uns dem Deutschen Historischen Museum zu, wobei „zu” auch hier das richtige Stichwort ist, denn das Zeughaus wird derzeit saniert und ist also samt DHM-Dauerausstellung ebenfalls geschlossen. Unser heutiges Interesse gilt aber ohnehin nur der Sonderausstellung im rückwärtigen sogenannten Pei-Bau, entworfen vom chinesisch-amerikanischen Architekten und Schöpfer der Louvre-Glaspyramide Ieoh Ming Pei (1917-2019). Das Foyer des Berliner Gebäudes ist nach außen vollständig verglast und innen mit dem mehrgeschossigen und nahezu fensterlosen Ausstellungsbau verschränkt.

In der attraktiv und interessant konzipierten Ausstellung zur Epoche der Aufklärung geht es um Erfindungen und Erkenntnisse, um die Herrschaft der Vernunft (Kant: „Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen”), die Suche nach Wissen, die Ordnung der Welt, die Pädagogik und die Frage nach dem Raum, den Gott in einer vernunftgeleiteten Welt noch einnehmen kann. Auch die Gleichheit aller Menschen ist ein wichtiges Thema: wie ist es um die Rechte der Frauen bestellt? Und warum fand trotz allem auch die Sklaverei Befürworter? Besonders springt uns in diesem Ausstellungsteil eine Tabelle mit vorgeblichen Eigenschaften der europäischen Völker ins Auge: Spanier seien hochmütig, heißt es dort, Franzosen leichtsinnig und Deutsche offenherzig. Sie verbrächten ihre Freizeit bevorzugt mit Trinken, während die Polen gerne zanken und die Wälischen (Italiener!) schwätzen. Die Frage, welche Lehren wir aus der Antike ziehen können, wird in den nachfolgenden Abschnitten erörtert. Es geht um Staatskunst und den Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit, um Welthandel, Kolonialismus und natürlich um Menschenrechte.

Für den heutigen Abend steht eine Veranstaltung der Freunde der Staatsoper auf dem Programm, Referent am Konzertflügel ist der Solo-Korrepetitor Elias Korrinth, der nicht nur erläutert, warum die Kaiserin in der Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten” keinen Schatten hat, sondern auch, wie so ein Schatten überhaupt musikalisch abgebildet werden kann, was sich von unzähligen Leitmotiven begleitet sonst noch so alles in der Handlung ereignet, und wo dieser Richard Strauss musikalisch einzuordnen ist: „Richard I. ist Wagner, einen Richard II. gibt es nicht, also ist Strauss Richard III.“ (Hans von Bülow)

Bei Veranstaltungen mit freier Platzwahl ist man übrigens gut beraten, rechtzeitig loszufahren, um vor Ort noch einen guten Platz zu ergattern. Verlängert sich dann allerdings, weil offenbar ein Bus ausgefallen war, die Umsteigezeit von 7 auf fatale 22 Minuten, nützt einem das herzlich wenig, und so sitzen wir im prunkvollen Apollo-Saal der Staatsoper dann leider doch etwas am Rande des Geschehens.

Category: Allgemein, Berlin 2024
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