Vor dem Panoramafenster des Buffetrestaurants zeigt sich heute erstaunlicherweise irgendein deutsches Mittelgebirge, unschwer zu erkennen an den unzähligen Windrädern. Andererseits ist da aber ein Meer zwischen uns und den Hügelketten. Nein, das ist nicht der Schwarzwald, das muss die Küste der Dominikanischen Republik sein. Ein Stück weiter in Fahrtrichtung kommt auch schon das Städtchen Puerto Plata in Sicht, wo auch bereits ein anderes Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt. Wie es aussieht, will unser Kapitän rückwärts in die kleine Bucht einparken.

Die MSC World America ist, wenn sie gerade anlegt, 334 Meter breit, dafür jedoch nur 47 Meter lang. Und weil ihre Steuerdüsen bei dieser Seitwärtsfahrt eine ganze Menge Schlamm aufwirbeln, sieht das Wasser im Hafenbecken wie Milchkaffee aus. Kurze Zeit später ist das Schiff vertäut und zum Aussteigen freigegeben. Bitte aber nicht jeder, wie er will! Das muss schon geordnet zugehen, immerhin gibt es mehr als 20 verschiedene Ausflüge, die auch noch zu unterschiedlichen Zeiten starten. Im Schiffstheater werden die einzelnen Gruppen aufgerufen. Wir haben den Ausflug 29 gebucht und sind der Gruppe 27 zugeteilt. Oder anders herum? Wie dem auch sei, es ist nicht immer ganz klar, welches Nummernsystem gerade angesagt ist. Irgendwann stehen wir dann aber doch in der richtigen Gruppe und werden zum Fahrzeug geleitet. Unser Tourbus ist ein LKW, auf dessen Pritsche ein paar Sitzreihen und ein Dach montiert sind. Das letztere ist auch nötig, denn es hat leicht zu regnen begonnen, Tourguide Augustin und sein Fahrer rollen die Regenplanen herab, die aber zum Glück transparent sind.
Vamanos! Was sich für fränkische Ohren wie „Fahr’ ma los!“ anhört, ist spanisch und bedeutet tatsächlich „Los geht‘s“. Und wie es losgeht, denn die hiesigen Straßen sind holprig und der Lastwagen brummelig. Die Schutzplanen halten zwar den Regen ab, aber durch ein Rostloch im Dach tropft dennoch so viel Wasser herein, dass die Plane ebenso gut hätte offen bleiben können. Wir ändern kurzerhand die Sitzordnung.
Die Straße führt steil nach oben. Inzwischen hat der Regen aufgehört, und die Planen werden unter tatkräftiger Hilfe der Fahrgäste wieder hochgerollt. Unser Ziel ist die Teleferico, also die Seilbahnstation, für die wir eigens gelbe Armbänder angelegt bekommen haben. Aber wohin soll es denn noch hinaufgehen? Wir sind doch schon am Christo Redentor, der Gipfelstatue mit den ausgebreiteten Armen, angekommen! Des Rätsels Lösung: die Seilbahn ist zur Zeit außer Betrieb, aber wir dürfen die Gipfelstation betreten, um ein wenig die schöne Aussicht auf die Stadt zu genießen.
Zu Füßen der Christusfigur erstreckt sich ein botanischer Garten mit allerlei Pflanzen, die in der europäischen Heimat beliebte Zimmerpflanzen sind. Vor allem der gelbe Zimmerhopfen gedeiht hier mannshoch und in großer Zahl. Wir sehen tropische Nutzpflanzen, insbesondere den Kaffeestrauch, und sogar eine kleine rote Orchidee findet sich. Man darf hier oben übrigens keine Reptilien pflücken, keine Vögel ausgraben und auch keine Blumen fangen. Oder war‘s anders herum? Egal, wir fangen ohnehin nur schöne Fotos ein.

Die lange Fahrt zurück in die Altstadt führt uns um den gesamten Berg herum und dann noch ein gutes Stück an der beliebten Playa Dorada entlang. Sie endet im Unesco-geschützten Stadtzentrum, wo es eine schöne Kirche und zahllose Sovenirläden gibt. So ein Tourguide kann ja nicht vom Führen allein leben!
Die MSC World America ist wirklich ein gigantisch großes Schiff. Würde sie ihe menschliche Fracht in ihrem Heimathafen Valetta auf Malta absetzen, hätte dies eine glatte Verdoppelung der Einwohnerzahl zur Folge. Und will man wieder hinein, stellen sich einem gleich vier Kontrollen in den Weg: zunächst an der Einfahrt zum Hafengelände, dann am Beginn der Mole, ein weiteres Mal beim Betreten des Schiffes, und ganz zuletzt wird auch noch das Hangepäck durchleuchtet.
Nach so vielen Anstrengungen, wir mussten ja auch zweimal die schier endlosen Touristengeschäfte im Hafenbereich passieren, tut ein frisches Bier auf dem Promenadendeck gut. Oder ein Imbiß oben im Buffetrestaurant. Oder beides.
Zum Abendessen gibt es heute Schwertfisch. Und als Nachtisch Apple Strudel. Der ist zwar nicht ganz so perfekt wie in Wien, der Stadt der Apfelstrudelerfinder, aber was will man auch erwarten, hier auf nichteuropäischem Boden?
Sehen wir heute abend wieder eine Show? Ja. Und eine sehr laute noch dazu.