Theater und Bibliothek

Waren wir hier nicht schon einmal? Der Treppenaufgang, die marmornen Balustraden, die Glasfenster und Wandgemälde mit den Allegorien der schönen Künste und der Kulturen – der gesamte Eindruck, den das Stadttheater von Rio de Janeiro vermittelt, erinnert doch irgendwie an die Alte Oper Paris. Das ist die mit dem Phantom, wir haben sie vor ein paar Jahren besucht. Der Architekt hat sie sich vor gut hundert Jahren zum Vorbild genommen und fern der europäischen Heimat einen faszinierenden Theaterbau erschaffen, den wir im Rahmen einer geführten Tour besichtigen dürfen.

Alles erscheint wie neu, denn zum Hundertsten hat man dem etwas heruntergekommene Haus den alten Glanz zurückgegeben, einschließlich der Vergoldungen innen wie außen.

Auf der Bühne proben Chor und Orchester das Werk, das in ein paar Tagen hier Premiere feiern wird: Carmina Burana. Man möchte, wenn man einmal im Rang Platz genommen hat, gar nicht mehr weitergehen. Ob sie auch Wagner spielen? Ja, selbstverständlich. Wir sind nämlich aus der Stadt der „Meistersinger von Nürnberg“, erkläre ich der Guida den Hintergrund meiner Frage. Völkerverständigung durch Musik.

Statt einer Tagestour vertrauten wir uns heute morgen einfach der Metro an: schnellste und zugleich preiswerteste Möglichkeit, von der Copacabana ins kulturelle Zentrum von Rio zu gelangen. Freilich wirkt die barocke Oper heute zwischen all den Hochhäusern etwas deplaziert, dieses Schicksal teilt sie mit dem Museu des Bellas Artes und der Nationalbibliothek, die wir beide ebenfalls besichtigen. Im Museum gibt es Abgüsse berühmter Skulpturen der griechischen und römischen Antike, denn Europa war ja zur Kolonialzeit viel weiter entfernt als nur ein paar Flugstunden. Und in der Bibliothek, wie nicht anders zu erwarten, Bücher über Bücher, denn von jedem je in Brasilien erschienenen Druckerzeugnis wird hier eine Kopie verwahrt.

In den beiden Gutenberg-Bibeln dürfe man allerdings nur digital blättern, erklärt man uns. Die Originale lägen sicher verwahrt im Tresor, und noch nicht einmal der Papst bekäme sie in die Hand.

Bisher nicht bis nach Rio herumgesprochen hat sich offenbar die Erfindung des Zebrastreifens, denn es führt kein solcher über die stark befahrene Hauptstraße in den Park gegenüber, wo wir noch einmal einen Blick auf den Zuckerhut hätten erhaschen können. Und so endet unser Aufenthalt in Rio mit einer kleinen Mahlzeit direkt an der Copacabana, bevor es mit Ziel Manaus zum Flughafen geht.

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