Ein Fluß wie ein Marmorkuchen

Manaus liegt am Amazonas? Mitnichten. Die Stadt, die lange Zeit nur auf dem Wasserweg erreichbar war, ist ans Ufer des Rio Negro gebaut, aus dem einfachen Grund, weil es am Rio Negro keine Mücken gibt. Sein Wasser ist nämlich nicht nur, wie schon der Name vermuten läßt, nahezu schwarz, sondern auch reich an Huminsäuren. Und das mögen die Plagegeister nicht.

Das Wasser des Solimões hingegen, der wenige Kilometer von Manaus entfernt zusammen mit dem Rio Negro den Amazonas bildet, hat eher die Farbe von Milchkaffee. Wo die beiden zusammenfließen, entsteht zwischen den stark kontrastierenden Farben eine scharfe Grenze, die wir mit dem Flußschiff mehrfach überqueren.

Am Rio Negro von Rainer Göttlinger bei Vimeo.

Dieses Schiff, die Alberto Filho II, war in den letzten drei Tagen unser Zuhause. Seit ein paar Stunden sind wir nun wieder in jenem Teil Brasiliens, der Anschluß ans Internet hat. Aber beginnen wir mit dem Anfang.

Victoria

Den Rio Negro flußaufwärts fahrend, ereilt uns ein tropischer Gewitterschauer, der die Stühle nur so über das Deck fegt. Naß wird aber niemand, und schon bald bricht die Sonne wieder durch. Wir laufen auf Holzstegen ein paar hundert Meter in den Regenwald hinein, der an dieser Stelle meterhoch unter Wasser steht. Am Ende des Steges warten Victoria-Seerosen, das sind jene, deren Blätter wie Kuchenformen aussehen.

Dem Fußmarsch folgt ein Bootsausflug mit Piranha-Angeln. Dieses Mal habe ich mehr Glück, mein heftig zappelnder Raubfisch ist am Bauch nicht gelb wie die anderen, sondern rot. Geholfen hat es ihm aber nicht, hihi.

Hängematten

Das Flußschiff hat keine Kabinen, geschlafen wird in Hängematten an Deck. Zum Glück haben wir das Besteigen einer solchen schon geübt und auch den Trick erfahren, wie man sich bequem darin bettet: nur wer schräg liegt, kann auch gestreckt liegen. Das Stofftuch ist nämlich breiter als man glaubt. Solchermaßen sanft in den Schlaf geschaukelt verbringen wir die erste Nacht auf dem Wasser.

Manuel, der Medizinmann

Der folgende Morgen beschert uns die Begegnung mit einem verschmitzten kleinen Mann, der uns die Regenwald-Apotheke erklärt. Es braucht kein Portugiesisch, um seiner Schilderung der Wirkung eines Brech- und Abführmittels folgen zu können.

Hier im Urwald soll es übrigens einen Kobold mit rotem Haar und rückwärts gerichteten Füßen geben, der den Feinden seines Waldes üble Streiche spielt, man könne sich allerdings mit hinterlegtem Schnaps und Zigaretten sein Wohlwollen erkaufen. Leider führen wir keines von beiden mit uns.

Vier gleich aussehende Blätter, welches von ihnen ist giftig? Jeder bekommt Blatt für Blatt ein Stück zu kosten – sich zu drücken wäre eine Beleidigung – bis nur noch eines übrig ist. Dessen Gift benutzen die Indianer zum Fischfang, indem sie es einfach ins Wasser kippen und die gelähmten Fische anschließend einsammeln.

Medizinmann Manuel von Rainer Göttlinger auf Vimeo.

Flußdelphine

Es gibt Delphine im Rio Negro. Sie haben sich, 1.500 Kilometer vom Meer entfernt, dem Süßwasser angepaßt. Und anders als ihre Flipper-Verwandtschaft sind sie – rosa. Wenn man sie denn überhaupt zu sehen bekommt. An einem Futterplatz dürfen wir ihnen ganz nahe sein, will heißen im Wasser. Delphine mögen frischen Fisch, und mit einem solchen angelockt, lassen sie nicht lange auf sich warten. Der Mann, der sie füttert, bringt die Tiere dazu, uns ihre rosa Körper zu zeigen, wenn auch immer nur für Sekunden.

Kaiman

Womit fängt man eigentlich einen Kaiman? Mit der Taschenlampe! Leuchtet man ihm damit in die Augen, ist er so irritiert, daß er sich greifen läßt. Vorher gilt es natürlich, das nächtliche Ufer abzuleuchten, denn Kaiman-Augen reflektieren das Licht. Hier muß einer sein! Und dort gleich drei! Allerdings braucht es dann doch mehrere Versuche, bis unser Guide einen von ihnen zu fassen bekommt. Zwischenzeitlich sind dunkle Wolken aufgezogen, und es setzt leichter Regen ein. Wenn jetzt ein tropischer Wolkenbruch kommt, sind wir tropfnaß! Unangenehm für uns, fatal für jegliche Elektronik. Zum Glück kommen wir weitestgehend trocken am Schiff an. Samt unserem Kaiman. Ungefähr 80 Zentimeter lang ist er, und er sieht ob seiner Entführung nicht sonderlich glücklich aus.

Indianer

Wir werden vom Stammeshäuptling und seiner Sippe begrüßt, ins Gemeinschaftshaus geführt und in die indianischen Gebräuche eingeführt. Dann dürfen wir mit den Indianern tanzen, Thea mit einem buntbemalten jungen Krieger und ich mit einer barbusigen Schönheit samt Kind. Die Begegnung scheint auch den Indianern großen Spaß zu machen. Der Blasrohr-Schütze möchte immer und immer wieder seine grandiose Treffsicherheit vorführen, und der Panflötenspieler zieht sich rasch seinen Kopfschmuck wieder auf, als er die Kamera auf sich gerichtet sieht. Als wir uns nach einiger Zeit wieder zum Gehen wenden, lädt gerade eine ganz normal gekleidete Gruppe junger Frauen ein Boot aus. Ich erkenne meine Tänzerin wieder.

Indianer am Rio Negro von Rainer Göttlinger auf Vimeo.

Strand und Museum

Man könnte glauben, in einem großen See zu baden, es ist aber ein Fluß, wenn auch ein sehr breiter. Sein Wasser ist aus der Schwimmer-Perspektive wirklich bemerkenswert schwarz, aber angenehm temperiert. Mit einem Besuch im Kautschuk-Museum – Kulisse des Films „La Selva“ – enden unsere drei Tage Amazonien. Sie vergingen wie im Flug.

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