Endlich wolkenlos

Der Personentransport auf das Rothorn wirkt ein wenig so, als wolle die Seilbahnfirma Garaventa hier alle ihre technischen Möglichkeiten vorstellen. Die erste Etappe auf die Sunegga-Alm ist als Tunnel-Standseilbahn ausgeführt, man braucht sich daher auch keinerlei Gedanken zu machen, auf welcher Seite man die bessere Aussicht hat. Oben angekommen, geht es mit der Umlauf-Kabinenbahn weiter zur Alp Blauherd, sie soll nachher unser Ausgangspunkt für die Seenwanderung sein. Und dann gibt es auch noch die Großkabinen-Pendelbahn hinauf zum Rothorngipfel. Bis zu 150 Personen hätten darin Platz, wir fühlen uns wie in einem schwebenden Tanzsaal.

Der Gipfel ist derzeit eine einzige Baustelle und der Blick auf den östlichen Teil des Panoramas stark erschwert. Aber wer schaut schon nach Osten, wenn im Westen der schönste Berg der Welt prangt? Die Luft ist heute besonders klar, und das Matterhorn sieht  nach dem Schneefall der letzten Tage wie angezuckert aus. Zur Linken wie zur Rechten stehen ihm weitere Viertausender zur Seite, und über uns – ein wunderschöner Baustellenkran. Halb so schlimm. Wir sehen uns satt und nehmen dann die Gondel zurück nach Blauherd, wo die Umgebung viel grüner und auch die Luft etwas wärmer ist.

Der Stellisee ist einer jener Seen, die in keinem Schweiz-Kalender fehlen dürfen. Zwar ist das Spiegelbild heute wegen einer leichten Luftbewegung nicht ganz klar, aber man kann die beiden Pyramiden – eine mit der Spitze nach oben, die andere nach unten – deutlich erkennen. Natürlich ist inzwischen nun doch einiges los am See, aber der Platz reicht für alle, und man will seinen Weg an einem so herrlichen Tag ja auch irgendwann fortsetzen.

Fünf Seen wären auf einem Rundweg, dem Fünf-Seen-Weg, erreichbar. Sie haben so seltsame Namen wie Grindjisee, Moosjisee oder Leisee. Auch einen Grünsee gibt es, aber es ist nicht der See mit dem milchig-petrolgrünen Wasser. Und eigentlich ist ja auch der Weg das Ziel, so daß wir lieber an den schönen Bergwiesen mit allerlei Blumen entlang wandern und schon bald auf eine Herde Ziegen treffen, die sich malerisch auf einer Felsgruppe versammelt haben, im Hintergrund das Matterhorn: ein Bild wie aus einem Werbeprospekt.

Ein Stück weiter grüßen zwei weiße, zart befilzte Sterne aus dem Gras: hurra, wir haben ein besonders schönes Edelweiß entdeckt. Zwei Meter daneben prangt an schwer zugänglicher Stelle ein ganzes Büschelchen dieser edelsten aller Alpenblumen. Und dann noch welche, und noch welche. Was für ein Glück wir doch haben.

Wollen wir wirklich hinunter zum Grindjisee? Noch schöner als der Stellisee kann er nicht sein, und es ist noch ein ganzes Stück Weg bis zur Sunegga. Wir steuern lieber die Sitzbank an, die wir schon die ganze Zeit vor Augen haben. Hoffentlich ist kein anderer vor uns dort! Aber das Glück bleibt uns auch dieses Mal hold. Am Lejsee schließlich schauen wir noch eine Weile den Badegästen zu, die mitsamt allerlei Aufblasbarem von der nahen Mittelstation herübergekommen sind. Majestätisch zieht ein geflügeltes Einhorn an uns vorüber, das ein braun gebranntes Mädli auf dem Rücken trägt.

Dann nimmt uns die U-Bahn hinunter nach Zermatt wieder auf.

Category: Allgemein, Zermatt 2020
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