Zwei Wanderungen an einem Tag

Die Gornergratbahn ist die einzige Bergbahn, die auch in den Abendstunden, wenn die Schatten lang und länger werden, immer noch fährt: bis 20 Uhr 30. Und wer spät zurückkommen will, darf auch spät starten. 

Der Gletscher sah gestern nachmittag noch genauso aus wie vorvorgestern, nicht aber der Himmel: drüben auf der italienischen Seite türmten sich Wolkenberge, höher als die Viertausender. Aber sie verloren schon bald wieder an Kraft. Und auch an der Bergstation wurde es zunehmend ruhig. Bei ungewohnten Lichtverhältnissen fuhren wir schließlich um ½ acht Uhr wieder ins Tal zurück.

Heute nun erleben wir den fünften Schönwettertag in Folge. Alle Bergbahnen sind abgehakt, aber auf dem Riffelberg, wo das markante Kreuz mit dem grimmigen Jesus steht, sind wir noch nie ausgestiegen. Das muß sich nun heute ändern. Die Gondelbahn bringt uns nach Furi, und eine weitere dann hinauf.

Die Schrift auf dem Kreuz ist unleserlich geworden, aber ich kenne sie, denn meine Eltern waren schon einmal hier: „Willst du Gottes Allmacht sehen, musst du in die Berge gehen.”

Und in die Berge geht man ja nicht nur der Berge wegen, sondern auch um die vielen Alpenblumen zu sehen. Ohne konkretes Ziel laufen wir einfach dem Matterhorn entgegen, während zur Linken wie zur Rechten Enziane, Glockenblumen, Teufelskrallen und noch viele andere Schönheiten den schmalen Bergpfad säumen. Ob man von der Ecke da vorne wohl den Gornergletscher sehen kann? Nein, aber man sieht eine weitere Ecke. Ob man von dort den Gornergletscher…? Irgendwann ist es dann tatsächlich so weit, und wir erblicken in schauriger Tiefe das Eis des zweitgrößten Gletschers der Schweiz. Rein weiß an der einen Stelle, von Geröll bedeckt an der anderen. Der Bach, der vom Theodul herabkommt, fließt unter den Eisstrom hindurch und kommt dann ein Stück weiter aus einem typischen Gletschertor wieder heraus. Aber wie lange noch?

Wir laufen zurück, lassen die Teufelskrallen, Glockenblumen und Enziane diesmal unbeachtet, und besteigen die talwärts fahrende Gornergratbahn, um eine Station tiefer die zweite Wanderung des heutigen Tages anzutreten: durch den Arvenwald zum Grünsee.

Entlang des straßenbreiten Wanderwegs schützt uns ein mannshoher Zaun vor einem Sturz in die Tiefe. Uns Wanderer? Nein, es geht wohl um die Sicherheit der Skifahrer, sollten sie bei Schnee und Eis hier auf dem Weg zur Bahnstation ins Straucheln kommen. Und schon wenigen hundert Metern sieht ja auch alles so aus, wie es sich für einen normalen Wanderweg gehört.

Schon bald stoßen wir auf einen Wegweiser: Riffelalm (von dort kommen wir) 20 Minuten, Grünsee 30 Minuten. Haben wir etwa schon den halben Weg hinter uns? Die alten Arven, zwischen denen sich der Weg nahezu eben entlang schlängelt, verströmen würzigen Duft. Hin und wieder gilt es ein Geröllfeld zu queren, und eigentlich sind die 30 Minuten längst um. Hinter der nächsten Biegung muß jetzt aber endlich der See liegen! Nach einer guten Stunde sind wir dann dort. Die vielen Besucher sind sicher nicht alle über den Arvenweg gekommen, der See liegt vielmehr am „Fünf-Seen-Weg”, den wir letzten Mittwoch ja nur unvollständig begangen haben.

Vom See aus bietet sich ein schönes Panorama

Leider ist der Rückweg genauso weit wie der Hinweg, aber irgendwann ist auch das geschafft und der bisher anstrengendste Wandertag zu Ende. Fast. Denn die E-Bus-Haltestelle liegt ein gutes Stück von unserem Quartier entfernt. Für morgen sind die Wetteraussichten leider nicht mehr so gut.

Category: Allgemein, Zermatt 2020
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