Hiroshima

Die Hafenstadt ganz im Südwesten der Hauptinsel Honshu ist heute eine japanische Großstadt wie alle anderen auch, mit älteren Hochhäusern, die eingeklemmt zwischen neuen und doppelt so hohen Hochhäusern stehen wie Groschenromane in einem Bücherregal. Abgesehen vom Friedenspark mit dem Memorial Museum und der Ruine des Handelsgebäudes erinnert hier nichts mehr an die Folgen des Atombombenabwurfs vom 6. August 1945. 

Ehe wir uns am Nachmittag dem Museum mit seiner verstörenden Dokumentation des Grauens zuwenden, besuchen wir die Insel Miyajima mit dem berühmten, in jedem Japan-Reiseführer abgebildeten roten Torii. Aus Respekt vor dem heiligen Boden der Insel wurde es im seichten Wasser der Bucht errichtet. So seicht, dass es bei Ebbe nun eben doch auf trockenem Boden steht.

Auf der Insel leben unzählige Sika-Hirsche, die überall zwischen den Touristen herumlungern. Wir durchstreifen die Tempelanlage, den Ort und laufen ein Stück weit den Wanderweg entlang, bis wir eher zufällig vor der Talstation der Seilbahn stehen. Oben soll es ein paar interessante Besichtigungen geben, und wir haben bis zum Ablegen der Fähre noch zwei Stunden Zeit. Wollen wir hochfahren? Wir wollen.

Es sind zwei Etappen: eine Gondelbahn mit zahllose 6-Personen-Kabinen und oben dann noch einmal eine Stehkabinen-Pendelbahn. Die Fahrt endet auf einem 450 Meter hohen Vorgipfel, bis ganz hinauf wären es noch einmal 20 Minuten Fußmarsch. So viel Zeit haben wir nicht, hat uns doch die Warteschlange an der Talstation fast eine halbe Stunde gekostet. Darum genießen wir nur ein wenig die schöne Aussicht über die Bucht und fahren dann wieder hinab, um uns auf der Suche nach einem Weg abseits des Massentourismus erst einmal zu verlaufen. Dennoch schaffen wir es aber, rechtzeitig am Treffpunkt zu sein.

Das Museum im Friedenspark ist heute gut besucht, und das ist auch gut so, denn so ist man nicht allein mit den Bildern und Objekten, die einen so völlig fassungslos machen: wie kann man eine solche Waffe gegen Zivilisten einsetzen, die nichtsahnend ihrem Alltagsleben nachgehen? Und gegen Kinder? Zehntausende von ihnen waren sofort tot, eine ebenso große Zahl aber überlebte mit schwersten Verbrennungen. Großformatige Bilder zeigen kahle Flächen mit einzelnen verkohlten Baumstämmen, wo noch kurz vorher eine pulsierende Großstadt gewesen war. Offen bleibt auch die Frage, wen es an einen so grauenvollen Ort zurückzog, um dort wieder zu leben und über den Trümmern des alten ein neues Hiroshima zu erbauen.

Category: Allgemein, Japan 2023
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