Auf ein Kreuzfahrtschiff geht man nicht nur, um von einem Hafen zum nächsten zu gelangen, vielmehr hat auch der Aufenthalt auf dem Schiff einen ganz besonderen Erlebniswert. Und der besteht vor allem darin, dass man täglich einen Theaterabend genießt, mit gepflegtem Abendessen vorneweg und nachfolgender entspannter Übernachtung im Hotel samt Frühstück am darauffolgenden Tag. Man braucht sich hier keinerlei Gedanken zu machen, wie man nach Wein- oder Cocktailgenuss nach Hause kommt, ohne seinen Führerschein zu gefährden. Und man kann sich sowohl Wintermantel also auch Regenschirm sparen. Und das alles, wenn man will, jeden Tag, also zehnmal hintereinander weg.
Die gestrige Show wurde von Künstlern mit großartigen Stimmen bestritten, denen zuzuhören ein Genuss war, und die man am liebsten noch zu einer Zugabe bewegt hätte. Nach 40 Minuten ist jedoch unerbittlich Schluss, denn für die Sängerinnen und Sänger ist es ja bereits der dritte Auftritt des Tages. Und hat man im Hinausgehen immer noch nicht die nötige Bettschwere, hilft es, an der Bar noch einen Absacker einzunehmen.
Heute morgen schob sich nun wieder eine neue Kulisse vor die Bullaugenfenster des Frühstücksraumes, denn wir legten in Port of Spain auf der Insel Trinidad an. Ein spanischer Hafen auf einer Insel mit iberisch klingendem Namen? Nun, uns hätte eigentlich auffallen müssen, dass es ein englischer Name ist, dann wäre die Überraschung, auch hier wieder auf Linksverkehr und schlechtes Wetter zu treffen, nicht ganz so groß gewesen. Und ganz so unangenehm war der stark bewölkte Himmel auch gar nicht, wenn man von der letzten halben Stunde absieht, in der es zwar in Strömen regnete, die wir aber auf der Rückfahrt zum Schiff im trockenen Bus verbrachten.
Die englisch sprechenden Einheimischen nennen diese Kleinbusse „Maxi Taxi”. An den verschiedenen Farbstreifen entlang der Fahrzeugseiten erkennt man, welche Region sie jeweils bedienen: gelb steht für das Stadtgebiet von Port of Spain, blau für die gesamte Insel. Und auch die anderen Farben haben eine Bedeutung. Unser Maxitaxi zum Beispiel ist rot gestreift, und der Fahrer heißt Marc. Er ist Fahrer und Tourleiter in Personalunion und unterbricht seinen (englischen) Vortrag so gut wie nie, und sei die Verkehrssituation auch noch so schwierig.
Die Route führt uns vom Hafen über den kreuzungsfreien Highway hinaus in die Vororte, die es in einer gepflegten Ausführung für die Wohlhabenden und einer ärmlichen für die unteren sozialen Schichten gibt. Man merkt der Insel deutlich eine gewisse industrielle Prägung an, denn ähnlich wie der Nachbarstaat Venezuela auf dem südamerikanischen Kontinent verfügt sie über Öl- und Gasvorkommen. Marc drückt sein Bedauern darüber aus, dass dennoch nur ein Teil der Bevölkerung in den Genuss dieses Wohlstands kommt.
Erstes und wichtigstes Etappenziel des heutigen Landausflugs ist ein Kloster, zu dem eine enge Serpentinenstraße hinaufführt. Oben werden wir freundlich mit Speis‘ und Trank in Empfang genommen und dürfen uns einen kleinen Vortrag über die Geschichte und Bestimmung des Klosters anhören. Die kleinen gefüllten Teigtaschen munden ebenso wie der im Styroporbecher gereichte Fruchtsaft, wahlweise Passion Fruit (Maracuja) oder Sorrol, ein Obst, das wir noch nicht einmal vom Hörensagen kannten.
Das Kloster selbst beeindruckt vor allem durch seine malerische Lage am Südhang des nördlichen Hügelzuges, die einen wunderschönen Blick über das flache Inselinnere ermöglicht. Am schönsten ist dieser Blick vom Klostergarten aus, den wir aber erst in den letzten fünf Minuten unseres Aufenthaltes entdecken. Die Kirche wiederum ist ein vergleichsweise niedriger und sakral eher spärlich ausgeschmückter Saal, wenn man von ein paar ebenso bunten wie modernen Glasfenstern absieht.
Auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum legen wir auf einem Parkplatz mit herrlichem Blick über die Stadt einen kleinen Zwischenstopp ein. Man könnte, wenn man sich satt gesehen hat, auch an einem der vielen Marktstände das eine oder andere regionale Produkt erwerben, wir begnügen uns aber mit ein paar schönen Panoramafotos, ehe uns der quirlige Verkehr der Hauptstadt wieder aufnimmt. Entlang der Route liegen diverse offizielle Gebäude direkt nebeneinander entlang derselben Straße. Das ist praktisch, denn so kann man diese „glorreichen Sieben” quasi in einem Streich erledigen.
Port of Spain besitzt einen botanischen Garten, der sich aber auf Bäume der verschiedensten Arten beschränkt. Man versäumt also, wenn der Aufenthalt auf 20 Minuten begrenzt ist, nicht allzu viel. Leider kommt es bei einem der anderen Busse zu einem kleinen Unfall, eine Mitreisende fällt beim Aussteigen in einen Schacht und muss medizinisch versorgt werden. Für alle anderen geht es nun bei strömendem Regen zurück zum Schiff. Von dem, was die Insel ausmacht, hätten wir bestenfalls die Spitze des Eisbergs gestreift, sagt Marc zum Abschied. Ich denke, er hat recht.