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Mit dem Zug nach Prag

Bei der Deutschen Bahn ein Zugticket nach Prag zu erwerben ist leicht. Der Preis einer länderübergreifenden einfachen Fahrt für zwei Personen beträgt 79 Euro. Man kann das Ticket aber auch bei der tschechischen Bahn kaufen, dann kostet es je nach gewählter Fahrtstrecke deutlich weniger oder erheblich mehr. Die günstigere Strecke sagt uns aber zeitlich nicht so recht zu. Als dritte Alternative gibt es dann noch die Kombination aus Bayern-Böhmen-Ticket und tschechischem Ticket für die restliche Strecke von Pilsen bis Prag. Ersteres gilt jedoch nur im Nahverkehr, und man kann wochentags frühestens ab 9 Uhr fahren. Das passt gut zu unseren Plänen, aber es gibt dennoch ein kleines Problem: die Preisauskunft für die von uns präferierte Verbindung berücksichtigt das günstige Ticket nicht. Muss uns das interessieren? Länderticket ist Länderticket: wir investieren also knapp 40 Euro für die Strecke bis Pilsen und dann noch einmal gute 8 Euro für den Rest.

Punkt 9 Uhr den Bus besteigend, dürfen wir uns aber weder in Nürnberg noch in Schwandorf beim Umsteigen vertrödeln, sonst geht der ganze schöne Plan daneben. Wohlweislich haben wir uns für das etwas teurere tschechische Flexticket entschieden statt für das zuggebundene, denn die 6 Minuten in Schwandorf erscheinen uns reichlich knapp und schrumpfen mit wachsender Verspätung des Zuges auch noch immer mehr zusammen. Werden wir den Anschlusszug erreichen? Erst beim Aussteigen erfahren wir, dass sich auch dieser um fast 30 Minuten verspäten wird.

Aber auch vorher gab es schon Stress: der Zug wird nämlich bei Neukirchen geteilt, die eine Hälfte fährt über Schwandorf nach Regensburg und die andere fernab von Schwandorf nach Weiden und Hof. Sind wir denn im richtigen Zugteil? Als sich mir die Frage erstmals stellte, saßen wir ja bereits im Abteil. Im richtigen oder im falschen? Leider ist auch die Durchsage wenig erhellend: man möge bitte auf das Display achten. Dort steht aber nur „Ausstieg links” im Wechsel mit „nächster Halt Neukirchen”. Zum Glück ging alles gut.

In Schwandorf hat noch ein weiterer Zug Verspätung, nämlich der nach Hof, auf demselben Gleis. Da kommt er auch schon, und natürlich bleiben wir seelenruhig auf dem Bahnsteig sitzen, denn es stand ja „Hof” auf dem Zieldisplay der Lokomotive. Aber müßte er nicht allmählich das Gleis räumen für den Zug nach Prag? Und warum steht eigentlich ganz klein „Praha” auf der Zieltafel neben dem Einstieg? Wir fragen nach und erfahren, dass der Zug hier in Schwandorf geteilt wird, und wir einfach nur in einen der hinteren Waggons steigen müssen. Leute! Transparenz geht anders!

Ein offenbar asiatischer Passagier hat ein ganz anderes Problem, er hatte einen Zug nach Hof bestiegen und fand sich in Tschechien wieder. Wahrscheinlich war er noch vor der Teilung auf der Suche nach einem Sitzplatz im Zug nach hinten gelaufen. Das käme hier öfter vor, erklärt ihm der Zugbegleiter. Ja, dann gestaltet halt eure Bahnsteigdisplays so, dass man sie versteht!

Auf der eingleisigen Strecke entlang diverser böhmischer Dörfer kann unser Zug die Anfangsverspätung nicht mehr einholen, so dass wir mit einer halben Stunde Verspätung in Prag eintreffen. Wir haben aber ja keinen Termin, den wir versäumen könnten.

Nach sieben Stationen mit der Straßenbahn 26 stehen wir schließlich vor dem Hotel Don Giovanni, einem großen freistehenden Gebäude. Wo ist der Eingang? Wir vermuten ihn links. Aber dort ist er nicht. Und auch nicht auf der anderen Gebäudeseite. Beim Parkplatz ist er auch nicht. Am Ende haben wir unseren Rollkoffern eine nahezu komplette Runde um den Hotelkomplex gegönnt. Ach, wären wir doch nach rechts gelaufen!

Warum trägt das Hotel den Namen einer Mozart-Oper? Nun, hier in Prag wurde die Oper komponiert und vor gut 235 Jahren uraufgeführt. Und es ist nicht nur der Name, der hier Komponist und Werk zelebriert: eine Statue schmückt die Eingangshalle, im Aufzug läuft Musik von Mozart, die Teppiche tragen ein Violinschlüssel-Dekor, die Flure zieren Szenenfotos aus dem Film „Amadeus”, und von der Wand des großzügig dimensionierten Zimmers mit der Nummer 742 grüßen Bilder diverser Musikinstrumente.

Wir leisten uns noch eine erste Orientierungsrunde durch die Altstadt und auf der berühmten Karlsbrücke über die Moldau zum Rathausplatz mit der bemerkenswerten Rathausuhr, ehe wir nach einem Abstecher in den gegenüber befindlichen Lidl-Markt ermattet wieder im Hotel eintreffen. Mit dem Schlummertrunk „Pilsner Urquell” hatten wir uns schon am Bahnhof eingedeckt, das Hotel steuerte dann noch eine Flasche Prosecco bei. Und daher heißt es nun: gute Nacht Prag, es gefällt uns hier.

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Nationalmuseum

Bevor wir von Oslo zur Fähre Malmö-Travemünde aufbrechen, haben wir noch ein paar Stunden Aufenthalt, die wir für einen Besuch des Nationalmuseums nutzen. Dieser ganz neue und futuristische Kunsttempel befindet sich unweit des ebenfalls markanten Rathauses. Vom Hauptbahnhof, wo wir in gut drei Stunden wieder abgeholt werden, müssen wir also zuerst ein Stück weit durch die Fußgängerzone, dann mit Blick auf das Königsschloss durch einen kleinen Park und zum Schluss noch an besagtem Rathaus vorbei, wo uns eine lange Warteschlange mit festlich in Nationaltracht gekleideten Menschen auffällt. Der Anlass erschließt sich uns aber nicht.

Im Museum gilt der erste Besuch den Schließfächern. Brauchen wir eine Münze, frage ich den Aufseher, und der antwortet: nein, aber ein gutes Gedächtnis. Die Fächer haben nämlich ein Zahlenschloss. Und wo kein Schlüssel, da eben auch keine aufgedruckte Nummer. Ein Handyfoto erfüllt jedoch den gleichen Zweck.

Die kulturhistorischen Sammlungen befinden sich laut Orientierungstafel in der ersten Etage, die Gemälde in der zweiten. Hier in Norwegen ist mit 1 aber das Erdgeschoss gemeint, folglich müssen wir nur eine einzige Treppe hochsteigen. Oben führt uns der erste Weg sogleich in den Munch-Saal, er trägt die Nummer 60. Zwar finden sich, wie wir später feststellen werden, auch in den anderen Sälen immer wieder Werke dieses wohl bekanntesten norwegischen Malers, der Saal 60 ist aber ausschließlich ihm gewidmet. Der berühmte „Schrei“ hängt an der Wand gegenüber, wo ihn ein Aufseher keine Sekunde aus den Augen läßt: man hat ja bereits einschlägige Erfahrungen mit Klimaklebern machen müssen, drüben im Munch-Museum.

Wie leicht zu erraten ist, gibt es noch Dutzende weitere Säle, mit Gemälden, die zumeist norwegische Landschaften zeigen, von Malern, die uns nur selten geläufig sind, wenn man von Dürer, Cranach, Gauguin oder Cezanne absieht. Die letzteren waren aber wohl nie in Norwegen und mussten daher auf andere Motive ausweichen: nackte Schönheiten oder auch allerlei Obst.

Ein Saal mit mystischen Landschaften wird dezent mit klassischer Musik bespielt, wahrscheinlich von Edvard Grieg, und begleitet von Meeresrauschen, Vogelgezwitscher und Donnerhall. Das ist sehr stimmungsvoll. Auch im unteren Stockwerk gibt es hin und wieder leise Hintergrundmusik, für einen Streifzug durch wahrscheinlich ebenso viele Säle wie oben wird nun aber die Zeit knapp, schließlich müssen wir noch durch die inzwischen gut gefüllte Fußgängerzone zurück zum Treffpunkt laufen: zehn Minuten hätten wir noch gehabt.

Der Rückweg zur Fähre ist derselbe, den wir vor 5 Tagen gekommen sind: über die Svinesund-Brücke, diesmal die neue, nach Schweden und dann 500 Kilometer bei herrlichem Wetter durch so viel Bullerbü-Landschaft mit gelben Rapsfeldern und falunrot gestrichenen Häusern, dass wir in Göteborg dringend eine Pause einlegen müssen. Busfahrer Stefan kennt dort jemanden, der uns zu einem Café führen wird, wo es die besten Zimtschnecken der Welt geben soll. Der Weg führt, wie sollte es in Göteborg anders sein, um eine große Baustelle herum und an einer Kirche mit schiefem Turmhelm vorbei in die Innenstadt mit ihren malerischen Holzhäusern, von denen eines das besagte Café beherbergt. Aber während wir noch überlegen, wie Zimtschnecke denn wohl auf englisch heißt, tönt es schon hinter dem Tresen hervor: Zimtschnecken sind aus! Schade. Aber es ist ja auch schon später Nachmittag, und wir werden wohl ein anderes Mal wiederkommen müssen, denn auch ein zweites Café in der Nähe hat die begehrte Gebäcksorte nicht mehr vorrätig.

Bis es auf der Fähre heute ein Abendessen gibt, ist noch etwas Geduld angesagt. Zwar treffen wir rechtzeitig am Check-in ein, aber das Personal dort ist wohl etwas überfordert heute. Endlich steht aber der Bus im Parkdeck und wir vor dem ersehnten Buffet. Auch die Kabine ist etwas anders als bei der Hinfahrt, sie hat nämlich ein Fenster – zum LKW-Deck zwar, aber es geht ja ums Tageslicht.

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Flåmsbana

Die Flåmbahn verbindet den kleinen Ort Flåm am Aurlandsfjord mit der Bergenbahn, also der Bahnstrecke von Oslo nach Bergen. Das war früher wichtig, um die Region am oberen Sognefjord mit dem Rest der Welt zu verbinden. Heute ist die 20 Kilometer lange Strecke, die auch einen enormen Höhenunterschied von 865 Metern überwindet, nur mehr eine Touristenattraktion. Die Bahnfahrt ist allerdings nicht Teil des Reiseprogramms. Für die Mitreisenden, die nicht 3 Stunden wartend herumstehen wollen, ist als Alternativprogramm ein Spaziergang auf dem Aurlandsvegen vorgesehen.

Nun gibt es jedoch ein Problem: der Aurlandsvegen ist ein Gebirgspaß, liegt auf 1.300 Meter Meereshöhe – und hat im Mai noch Wintersperre. Stefan, Busfahrer und Reiseleiter in Personalunion, schlägt daher vor, den Umweg über Flåm auszulassen, denn es ist noch ein weiter Weg von Fossestrand nach Oslo. Da hatte er jedoch die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn eine Handvoll Reisegäste bestanden darauf, die im Programm aufgeführte Option sei ein unverzichtbarer Reisebestandteil. In der Folge wurden Fahrpläne gewälzt und telefoniert, sowohl mit der Bahngesellschaft (gibt es überhaupt noch Karten?) als auch mit dem Büro des Reiseveranstalters (bei nur 3 Interessenten entfällt die Flåmbahn). Das Ende vom Lied war schließlich: die Fahrt findet statt.

Und so sitzen wir, das Grüppchen ist auf 10 Personen angewachsen, pünktlich um ½10 Uhr auf roten Plüschsesseln in einem der historischen grünen Waggons, um die einstündige Fahrt hinauf nach Myrdal zu erleben. Die rechte Seite sei die schönere, empfahl die Ticketverkäuferin. Und recht hatte sie: von rechts sieht man auf das Tal, auf den Wasserfall gegenüber und auf die 21 Kehren der Straße, die für den Bau der Bahnlinie angelegt wurde und heute eine beliebte Wander- und Bikestrecke ist, denn sie ist schmal und unbefestigt und für Autos ungeeignet.

Vom Wasserfall Kjosfossen wiederum werden alle etwas haben, hieß es, denn der Zug hält dort für ein paar Minuten an, damit alle aussteigen und das gewaltige Tosen aus der Nähe bestaunen können. Dass die die Plattform glitschig sein könne, wird vorab gewarnt, und dass man sich zum Schutz vor der Gischt Regenzeug überwerfen sollte.

Der Zug hält an, alles steigt aus – aber wo ist der Wasserfall? Ungläubig staunend stehen Dutzende von Fahrgästen, die hier den Höhepunkt der nicht ganz billigen Bahnfahrt erwartet hatten, vor einer trockenen Felswand. Kein Wasserfall! Hinter einer Hausruine tritt nun zwar eine rot gewandete Fee hervor und wiegt sich tanzend zur Musik aus dem Off, aber auch sie kann das Wasser nicht herbeizaubern. Und so setzt der Zug seine Fahrt ohne die Hauptattraktion fort nach Myrdal, wo fast alle Fahrgäste den Zug verlassen, während andere zusteigen. Unser Zeitfenster gibt dergleichen nicht her, deshalb bleiben wir sitzen und erleben bei der Rückfahrt die Attraktionen noch einmal in umgekehrter Reihenfolge: den unsichtbaren Wasserfall samt Fee, die 21 Kehren der unbefestigten Paßstraße, das Tal mit den verstreuten kleinen Höfen, den Wasserfall am Berghang gegenüber und schließlich den Bahnhof von Flåm, wo der Bus wartet.

Der kleine Ort ist heute auf vier Arten erreichbar: mit dem Fjordschiff, mit der Flãmbahn, im kurzen nordischen Sommer über den Gebirgspass sowie ganz neu durch zwei Tunnel, von denen der Lærdalstunnel knapp 25 Kilometer lang ist – der längste Straßentunnel der Welt.

Über die restliche Fahrtstrecke nach Oslo gibt es nicht viel zu berichten. Wir queren einen über 1100 Meter hohen Gebirgspass, sehen diverse Skibergsteiger, die sich an der teilweise noch geschlossenen Schneedecke erfreuen, durchqueren eine allmählich immer grüner werdende Landschaft mit blühenden Bäumen und auch sonst allerlei Natur, und sind pünktlich zum Abendessen im Hotel.

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Die Stadt der schiefen Häuser

„Wenn man von Bergen aus den Fløyen sieht, wird es bald regnen. Und wenn nicht, regnet es bereits“, sagen die Einheimischen und fügen hinzu, dass die alte Hansestadt pro Jahr 300 Tage mit Regen verzeichnet. Heute ist zwar so ein Tag, aber der Regen setzt erst ein, als wir bereits wieder den Rückweg zum Quartier angetreten haben. Bis dahin genießen wir die Stadt bei bedecktem Himmel mit vereinzelten Wolkenlücken.

Der malerische Stadtteil Bryggen liegt direkt am Hafen und besteht aus ebenso bunten wie schiefen Holzhäusern. Nicht etwa, weil seine Erbauer mit Lot und Wasserwaage nichts anzufangen wußten, sondern weil der Untergrund im Laufe der Zeit abgesackt ist. Damit sie nicht irgendwann einstürzen, werden einige von ihnen aufwendig angehoben und saniert und sind deshalb mit Planen bedeckt, was das Bild aber nur geringfügig beeinträchtigt, schließlich ist außen aufgemalt, was innen gerade vor dem Zerfall gerettet wird. In den Häusern befinden sich allerlei Einzelhandelsgeschäfte, bei deren Preisschildern man sich fragt, ob man das Komma beim Umrechnen auf Euro wirklich nur um eine Stelle verschieben muss und nicht etwa um zwei.

Weiter stadtauswärts liegt ein großes Segelschiff vor Anker, die „Statsraad Lehmkuhl”. Und noch weiter hinten gibt es einen Tivoli mit allerlei Fahrgeschäften und insbesondere dem Riesenrad, das wir schon vom Fischmarkt aus gesehen hatten. Von dort sah es so aus, als stünde das Riesenrad auf dem Schiff, gestützt von dessen beiden Masten. Zur Rechten lockt ein markantes altes Gemäuer, um das wir nun herumlaufen und dabei einem wunderschönen blühenden Apfelbaum begegnen. Ob das der Baum ist, der unserer Reise den Titel „Obstbaumblüte” gegeben hat? Auch zahlreiche Rhododendren stehen in voller Blüte. Jetzt noch Sonne, und das Erlebnis wäre perfekt. Aber es ist kühl und windig, und zudem sind wir mit einer Stadtführerin verabredet und wollen ja nicht zu spät zurück am Fischmarkt sein.

Die sympathische junge Frau führt uns zunächst zu einem städtischen Gebäude, das ganz offiziell mit Graffiti bemalt werden durfte und auch wurde. Ein Mädchen ist da zu sehen, das ein rosa Schweinchen im Arm hält, daneben ein kleiner Junge, der einam Stockfisch ins aufgerissene Maul schaut. Die kombinierte Runde findet teils mit dem Bus und teils zu Fuß statt, wir sehen malerische weiße Holzhäuser und weitere Sehenswürdigkeiten und betreten am Ende sogar eines der schiefen Häuser von Bryggen. Danach haben wir noch etwas Freizeit, und nun setzt tatsächlich auch leichter Nieselregen ein. Eigentlich hatten wir aber einen für hiesige Verhältnisse recht schönen Tag erwischt.

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Nationalfeiertag

Das „Quality Hotel Expo” liegt gegenüber dem Messezentrum von Oslo und kann offenbar sehr viele Gäste auf einmal unterbringen und verpflegen. Angerichtet ist jedoch nur für uns, und es gibt auch nur eine einzige Hauptmahlzeit. Werden wir auch das Frühstücksbüffet für uns alleine haben? Mitnichten, die japanische Reisegruppe startet genau zur gleichen Zeit, und es gibt ein wenig Gedränge, das sich aber schnell legt.

Erstes Ziel der heutigen Etappe ist die Stabkirche von Heddar. Sie soll die größte und berühmteste von ganz Norwegen sein. Und sie ist geschlossen. Denn heute ist Nationalfeiertag, und da haben die Norweger besseres zu tun als den Touristen ihre Sehenswürdigkeiten zu öffnen. Überall wehen norwegische Flaggen, sogar an den Autos, und viele Menschen tragen schmucke Trachten. Aus der Stabkirche ertönt Orgelspiel, wahrscheinlich übt der Organist für den Gottesdienst. Und jenseits des Friedhofs kommt soeben eine Prozession den Weg heraufgezogen: bunt gekleidete Menschen mit Blumen und einer großen Flagge.

Eine ähnliche Prozession begegnet uns wenig später an der Straße hinauf zum Haukelivegen. Ein bunt geschmückter Traktor fährt vorneweg, die Polizei sichert nach hinten ab. Die Norweger grüßen und winken, wir winken zurück.

Auf den Bergen entlang der Straße liegt noch vereinzelt Schnee, und auch zwischen den Bäumen am Straßenrand zeigen sich Schneefelder. Wir sind jetzt schon relativ hoch. Hier oben werden die Schneefelder wieder weniger, genau genommen gibt es nur noch ein einziges, und das reicht von Horizont zu Horizont. Vom malerisch gelegenen See, an dessen Ufer die heutige Würstchenpause stattfinden soll, ist außer einer ebenen weißen Fläche nichts zu sehen. Und neben dem Parkplatz türmen sich weiße Schneemauern. Hier sollen wir picknicken? Der eine oder andere mag sich Apfelblüten vor weißen Berggipfeln vorgestellt haben. Nun, die verschneiten Berggipfel hätten wir. Und die Antwort auf die Frage „Pulli oder Windjacke” lautet heute: beides. Die heißen Würstchen schmecken mit klammen Fingern besonders gut, ob nun vor dem Bus oder auch drinnen.

Etliche Kehren und Tunnel später kehrt das Grün zurück, und neben der Straße zeigt der Bergbach durch seine Fließrichtung an, ob wir uns bergauf oder bergab bewegen. Momentan bergab. Und dann rauscht es zur Rechten, denn wir passieren einen mächtigen Wasserfall. Eigentlich sind es sogar deren zwei, die direkt nebeneinander gischtend herabstürzen. Wir haben heute sehr viel Glück mit dem Wetter, denn so ein Wasserfall ist bei Sonnenschein natürlich doppelt so schön. Haben sich alle sattgesehen? Gut, wenden wir uns nun den Fjorden und der Obstblüte zu.

Die Landschaft entlang des Sørfjorden ist ebenso malerisch wie die Straße schmal ist. Bei den Obstbäumen handelt es sich überwiegend um Spalierobst, viele Bäumchen sind allerdings bereits abgeblüht, insbesondere die Kirschen. Die Äpfel aber zeigen sich im schönsten Kleid, genau wie die Norweger, von denen wir noch viele sehen heute. Und überall wehen norwegische Fahnen.

Allmählich neigt sich der Tag dem Ende zu. Eine Attraktion haben wir noch vor uns. Eine, mit der niemand gerechnet hatte: es gibt hier einen Kreisverkehr mitten in einem Tunnel. Er ist indirekt beleuchtet, und es macht Spaß, ihn zu umrunden. Die erste Abfahrt führt nach etwa einem Kilometer direkt auf die große Hängebrücke hinaus. Zur zweiten kommen wir später, von der dritten sind wir gekommen. Jenseits der Brücke verschwindet die Straße in einem weiteren Tunnel mit einem weiteren Kreisverkehr. Da wir vorhin schon die bewußte zweite Ausfahrt hätten nehmen müssen, drehen wir hier eine volle Runde und dann, auf besonderen Wunsch der Fahrgäste, noch eine weitere, fast wie im Eberhofer-Krimi. Dann erneut über die Brücke und in die verpaßte Abfahrt zum Aussichtspunkt. Und von dort, nach kurzem Fotostop, das ganze Programm nochmal von vorne.

Etliche Tunnel später erreichen wir unser Tagesziel: im „Vossestrand Hotel” werden wir zwei Nächte zubringen. Das Objekt mitten im Skigebiet ist urig, und das Zimmer eine Ferienwohnung samt Küchenzeile. Aber wo sind die Betten? Man muss um die Küche herumgehen, und sie sind ein wenig schmal. Nun, das wird schon gehen, aber wie stellt man den Ventilator der Dunstabzugshaube ab? Man möge bitte den Schalter betätigen, steht auf dem Zettel an der Türe. Welchen Schalter? Der herbeigebetene Rezeptionist verrät uns das Geheimnis. Endlich können wir uns nun dem Abendessen zuwenden. Mag das Hotel auch älter und schlichter und abgewohnter sein, seine Küche ist besser in Oslo. Oder es liegt am Nationalfeiertag.

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Über Schweden nach Norwegen

Die Nummer 827 ist eine Innenkabine, hat also kein Fenster. Und Internet gibt es hier auch keines. Das Schiff soll bereits um 7.00 Uhr in Malmö anlegen, wer also nicht schon um 6.00 Uhr am Frühstücksbüffet steht, muss hungrig und ohne Kaffee in den Tag starten. Wir sind bereits schon vor der Zeit da, wollen wir doch durchs Bugfenster einen Blick auf die Öresundbrücke erhaschen. Leider ohne Erfolg: weit und breit keine Brücke.

Wer auf der Finnlines-Fähre frühstücksberechtigt ist, darf sich gegen Abgabe seiner Karte ein Tablett nehmen: ohne Tablett kein Frühstück. Es gibt allerlei Brot, Käse, Schinken, Ei gerührt oder im ganzen, Joghurt mit oder ohne Müsliflocken, Orangensaft ohne Geschmack sowie natürlich Kaffee. Beim Eingang lagen Messer und Gabeln, aber keine Löffel. Die finden sich beim Joghurt.

Und immer noch keine Öresundbrücke. Dabei ist die Küste zur Linken bereits ganz nah. Dann schwenkt das Schiff auch schon in den Fährhafen von Malmö ein. Und endlich kommt auch die Brücke in Sicht: weit, weit hinter uns.

So ein Autodeck auf einer Autofähre ist kein sonderlich heimeliger Platz. Schon gar nicht, wenn all die großen Sattelschlepper ihre Motoren anwerfen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns aber bereits zum Bus durchgeschlängelt und warten darauf, dass sich die Bugklappe öffnet und einer nach dem anderen über die Rampe hinausrollt ins „malerische” Industrieviertel von Malmö. Zum Glück verlassen wir diese öde Gegend schon bald und befinden uns nun auf der Autobahn, die entlang der Westküste Schwedens bis hinauf an die norwegische Grenze führt, vorbei am schönen Städtchen Göteborg, das wir aber erst auf dem Rückweg besuchen werden.

Busfahrer Stefan hat Würstchen eingekauft, zuhause bei seiner Stamm-Metzgerei in seinem Heimatdorf bei Augsburg. Auch Getränke sind in ausreichender Menge an Bord. Zudem gibt es eine Bordküche, geeignet um darin eine Kaffeemaschine zu betreiben oder während der Fahrt Würstchen zu wärmen. Aber wer lenkt, während der Fahrer hinten beschäftigt ist, den Bus? Niemand, denn das passiert bei einem kurzen Zwischenstopp. Und schon geht es weiter und zurück auf die Autobahn. Zurück ist das richtige Stichwort, denn Stefan biegt in die falsche Richtung ein und muss zerknirscht zugeben, dass das ein Fehler war und wir an der nächsten Ausfahrt wenden müssen. Die kommt zum Glück schon nach drei Kilometern. Hätte jemand das Intermezzo verschlafen, was nach der kurzen Nacht auf der Fähre kein Wunder wäre, erlebte er soeben ein seltsames Deja-vu: waren wir hier nicht schon einmal?

Eine halbe Stunde später stehen Bus und verzehrfertige Wiener und Debrecziner auf einem kleinen Parkplatz zwischen Sattelschleppern. Jetzt wären ein paar Tische recht, um Papierteller und Getränke darauf abzustellen. Da kommt ein Truck, der soeben neben uns einrollt, gerade recht. Die Fahrerin, die uns noch gegrüßt hatte, bevor sie in Richtung Rasthaus verschwunden war, staunt nicht schlecht: sind ihr Fahrzeug und dessen Anbauten doch zwischenzeitlich Teil einer improvisierten Gastronomie geworden.

Je weiter wir nach Norden kommen, desto weniger Siedlungen und desto mehr Wald gibt es. Schon nähern wir uns der Grenzbrücke nach Norwegen. Sollten wir nicht, um uns Unannehmlichkeiten zu ersparen, besser einen kleinen Umweg über die alte Straßenbrücke nehmen? Gesagt getan, und wir erhaschen einen schönen Blick auf die markante neue Hängebrücke ein paar Kilometer flußabwärts.

Und dann sind wir in Oslo. Oder eigentlich erst einmal darunter. Denn Oslo kann man seit einigen Jahren mittels eines kilometerlangen Tunnels unterfahren. Der führt sozusagen genau unter dem neuen Opernhaus hindurch. Wir haben aber im weiteren Verlauf des Nachmittags noch Gelegenheit, den eigenwilligen Bau zu bewundern, den wir beide im vergangenen Spätsommer ja bereits ausgiebig inspiziert hatten.

Leitner Reisen hat für uns einen Stadtführer engagiert, der irgendwo am Straßenrand auf uns wartet. Aber wo genau? An der Straße zur Burg hinauf steht ein Mann mit einem Fahrrad und winkt und deutet auf sich selbst. Das muß er sein! Er heißt Thomas und erzählt nun im weiteren Verlauf der Stadtrundfahrt unterhaltsam, was sich uns da so darbietet: das „neue” Oslo mit der Oper und dem Munch-Museum, die wichtigen Gebäude der Stadt samt Königspalast, der Vigelandpark. Letzteren durchstreifen wir zu Fuß, denn nur so kann man die zahlreichen Bronzeskulpturen des Bildhauers so richtig bewundern. Bekannteste Figur im Park ist ein trotziger kleiner Junge, der offenbar seinen Willen nicht bekommen hat. Ihn zu berühren soll Glück bringen, und die Stelle ist auch schon ganz abgegriffen. Nein, nicht diese. Die geballte Faust ist gemeint.

Abschließend fahren wir noch hinauf zum Holmenkollen mit seiner neuen Skiflugschanze. Hier soll sich bei einem live übertragenen Wettbewerb ein Vorfall mit einem Hund ereignet haben, der ein Millionenpublikum erheiterte. Nun steht er da in Bronze gegossen.

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Mit dem goldenen Bus zum Schiff

Wir starten sehr früh, aber nicht so früh wie die Mitreisenden, die schon in München zugestiegen sind: die ersten wurden morgens um 3 Uhr aufgesammelt, wir erst um 5:40 Uhr. Also gerade so, dass wir von zuhause den ersten Linienbus zur U-Bahn nehmen konnten.

Obwohl wir erst am späten Abend auf die Fähre gehen werden, muss das Gepäck bereits jetzt fährtauglich aufgeteilt sein, denn steht der Bus erst einmal auf dem Autodeck, kommt niemand mehr an die Koffer. Zum Glück ist mein Fotorucksack, seitdem die Ausrüstung nur noch aus einem Smartphone besteht, sehr geräumig geworden.

Schon in Bamberg haben wir unseren ersten Busfahrer verschlissen. Das liegt aber nicht an uns, sondern mehr daran, dass die Fahrt nach Travemünde lang und die Lenkzeit begrenzt ist, deshalb übernimmt ab nun ein Stefan den Platz am Steuer – ein sympathischer, zum Scherzen aufgelegter Typ mit dunklem Bart und Käppi.

Als sich bei Fulda der erste Hunger einstellt und wir uns an der Raststätte für ein Fleischküchle entscheiden, weiß die Verkäuferin mit dieser Bestellung so gar nichts anzufangen, sie hat nur Frikadellen. Die schmecken aber genauso.

In Lüneburg legen wir eine etwas ausgiebigere Pause ein. Das nahezu autofreie Hansestädtchen mit seinen mittelalterlichen Bürgerhäusern recht attraktiv, aber alle Gebäude sind irgendwie krumm. Sogar der Kirchturm. Das liegt am Salzabbau, der hier zu Bodenbewegungen geführt hat. Den Turmhelm freilich hat seinerzeit der Architekt falsch berechnet und stürzte sich deshalb aus dem Turmfenster, zum Glück mitten in ein Heufuhrwerk. Ob er sich wohl schmerzlindernde Mittelchen in der alten Apotheke besorgte? Sie ist von 1598 und sieht stellenweise auch noch so aus.

Travemünde ist ein Stadtteil von Lübeck und verfügt über einen Fähranleger. Von dort kann man aber nur auf das Halbinselchen Priwall übersetzen, die Fähren nach Skandinavien legen an einer anderen Stelle ab. Bevor wir an Bord gehen, will heißen im Bus sitzend aufs Autodeck fahren, halten wir uns noch ein wenig im touristischen Teil des Städtchens auf, schauen den Enten und den Möwen zu und suchen auch für uns nach einer kleinen Mahlzeit, die weder ein tiefes Loch in den Geldbeutel reißt noch aus Fisch besteht.

Für die Nacht auf der Fähre wurde uns von Finnline eine Vierbett-Innenkabine zugeteilt. Alle schauen sich erschrocken an und überlegen angestrengt, mit welchen der noch fremden Mitreisenden sie sich eine Kabine teilen möchten. Zum Glück stellt sich rasch heraus, dass diese Kabinen zwar vier Betten haben, die aber nicht zwingend vierfach belegt sein müssen. Alles gut.

Punkt zehn Uhr legen wir ab und genießen bei einem Gin Tonic die letzten Blicke auf das in zunehmender Dunkelheit versinkende Städtchen.

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Polarexpress

Es gibt Weltgegenden, von denen man nicht im Traum auf die Idee kommt, dass man sie jemals in seinem Leben real zu Gesicht bekommen wird. Dazu gehört der Nordpol. Aber davon später. Zunächst einmal gilt es, den Heimflug überhaupt zu erreichen. Und das ist gar nicht so einfach, denn Tokio ist eine sehr große Stadt und hat auch einen sehr großen Flughafen, mit drei Terminals und viel Japan dazwischen.

Ursprünglich sollten wir ja von Osaka direkt nach München fliegen. Warum nun doch über Tokio, weiß nur der Veranstalter. Und der war es auch, der für unser Umsteigen gerade einmal 75 Minuten eingeplant hat. Zum Glück hat der Online-Check-in nach mehreren Anläufen gestern dann doch noch geklappt, und zwar für beide Flüge, so dass auch der Weitertransport unseres Gepäcks gesichert war. Aber davon ebenfalls später.

Reiseleiterin Maya Odawara Wendel, wir nennen sie Maya-san, fängt ihre Gruppe am Ende des Flugsteigs ein, dort wo sich die Wege für inländische und internationale Flüge trennen. Auf uns allein gestellt, wären wir natürlich den letzteren Weg gelaufen, sie jedoch führt uns ortskundig den anderen Weg hinaus zu den Bushaltebuchten und  zum Shuttle-Bus Nummer 9, denn der dreht seine Runde durch alle Terminals, von T2 auf öffentlichen Straßen hinüber nach T1, dann weiter nach T3, wo unser Weiterflug startet, und schließlich wieder zurück nach T2. Im Terminal geht es für uns dann zunächst hinauf in die große Halle und dann nach Anweisung einer der allgegenwärtigen Ordnungskräfte irgendwo hinein in die große Warteschlange vor dem Security-Check. Ab hier sind wir nun auf uns allein gestellt.

Noch 10 Minuten bis zu Boarding Time, und wir stehen noch immer in der Schlange für die Kontrolle der Bordkarten. Und dann nochmal vor dem Handgepäck-Scannern, aber das geht gottlob recht flott, und die Passkontrolle sogar noch flotter. Wir müssen zum Gate 145, und die Nummern beginnen mit 111. Ob wir wirklich bis ganz nach dort hinten…? Ja, wir müssen, und hinter dem Knick sogar noch ein Stück weiter. Endlich angekommen, wird unsere Reihe auch schon aufgerufen. Das war ja wirklich knapp. Noch ein rascher Vergleich der Bordkarten mit den zugehörigen Reisepässen, und: mööp! Man bittet uns für eine zufällige Stichprobe zur Seite. Ausgiebiges Tippen und Vergleichen, dann sind wir freigegeben und gehen so ziemlich als letzte an Bord: ein Fenster- und ein Mittelplatz gleich hinter den Tragflächen. Dort ist es zwar laut, dafür aber mit Sicht. Doch davon später.

Dass zur Zeit nicht über Russland geflogen werden kann, verlängert die Flugroute nach Japan beträchtlich. Gekommen sind wir über die Türkei, das Kaspische Meer, diverse Stan-Länder, China und Südkorea, insgesamt gute 13.000 Kilometer. Nun aber hält der Pilot strikt in eine nordöstliche Richtung. Will er etwa über Nordamerika fliegen? Plausibel wäre das durchaus, denn die in unseren Breitengraden meistens vorherrschende Strömung hilft zwar beim Fliegen von West nach Ost und addiert sich zur Geschwindigkeit, rückzu hätte man allerdings viel Gegenwind.

Nun liegt also der Alëutenbogen unter uns, und das Meer sieht etwas anders aus als sonst, denn es ist mit großen Eisschollen bedeckt. Und dann kommt der Moment, wo klar wird: wir fliegen nicht über Kanada, sondern geradewegs über den Nordpol.

Beim Nordpolarmeer handelt es sich allerdings um eine eher langweilige Gegend. Nördlich der Beringstraße faszinieren zwar noch die langen Wolkenschatten, die auf eine tief stehende Sonne hindeuten. Wir sitzen nämlich rechts, und die Sonne steht links. Direkt am Nordpol müßte die Sonne seit Ende März dauerhaft über dem Horizont stehen, so meine Überlegung. Und ein Haus, direkt auf den Nordpol gebaut, hätte in alle Richtungen nur Südfenster. Aber wo genau ist der Nordpol? Die Fluginfo gibt darüber keine Auskunft.

Endlich finde ich im Bildschirm vor mir den Kompass. Und der zeigt fast genau nach Norden. Verpaßt haben wir den Pol also noch nicht, wobei das Eis ohnehin, von gelegentlichen Spalten abgesehen, immer gleich aussieht. Die Südfenster-Geschichte bringt mich aber auf die Idee, fortan einfach auf die Flugrichtung zu achten. Tatsächlich dreht der Pfeil nun immer mehr nach links, wir werden den Pol also mit etwas Abstand rechts passieren. Wie viel Abstand? Nun, zwischen der 45°-Peilung und der entscheidenden 90°-Peilung liegt eine Flugstrecke, die als zweite Kathete eines gleichschenkligen Dreiecks … Mathematik ist zu nachtschlafender Zeit nicht jedermanns Sache, deshalb nur so viel: es sind weniger als 300 Kilometer oder, in Breitengraden ausgedrückt, wir bewegen uns bei 87,5° Nord. Der berühmte Polarforscher Fridtjof Nansen kam übrigens 1895 und auch später nie näher als 400 km an den Pol heran. Aber der hatte ja auch kein Großraumflugzeug.

Warum unser Check-in gestern so schwierig war? Nun, das Buchungssystem der Lufthansa hat offenbar Schwierigkeiten mit Vornamen, die das Limit von 20 Zeichen sprengen, wie das bei Thea eben der Fall ist. Die gekürzte Eingabe stimmt dann nicht mit den hinterlegten Daten überein. Als wir mit meinen Daten versuchten, klappte es, und beim Hinzufügen des zweiten Passagiers war das Namensfeld dann unlimitiert. Jedoch brach just in diesem Moment das WLAN des Hotels kurzzeitig zusammen, und für einen zweiten Versuch blieb keine Zeit mehr. Von unterwegs mit mobilen Daten einchecken? Dieses Mal war es das Datenlimit der Telekom, das dem Versuch ein Ende setzte. Zurück im Hotel konnten wir dann jedoch alles normal abwickeln: freie Platzwahl bei der ANA, vorab festgelegte Plätze bei der Lufthansa. Zum Glück sind es gute Plätze, denn was sich nach dem Passieren des Nordpols in der Tiefe zeigt, ist schlicht sensationell: wir überfliegen den Norden Grönlands. Und diese Weltgegend ist mit ihren in den Fjorden eingefrorenen Eisschollen alles andere als langweilig.

Am Nachmittag eines langen Tages mit vielen seltsamen Zeitsprüngen, es war bei Alaska schon einmal fast Mitternacht, erreichen wir schließlich München, von wo es nun mit dem Zug weitergeht. Wir haben, Hin- und Rückreise betrachtet, alle 24 Zeitzonen durchflogen und beim Überqueren der Datumslinie theoretisch einen Tag hinzu gewonnen, aber mit dem Tageslicht und den Uhrzeiten ist das in der Polregion so eine Sache, und auch viele unserer Fotos tragen Koordinaten, die außerhalb der üblichen Kartenbilder liegen.

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Regentropfen

Endlich habe ich nun auf der Apple Watch die Organisaton einer Besichtigungstour strukturiert, und das geht so: den Standort des Busses erfasse ich über dem Kompass, den ich links oben im Zifferblatt hinterlegt habe. Die verfügbare Zeit bis zur Abfahrt läuft als Countdown links unten. Rechts oben steht das aktuelle Datum und rechts unten der Ladezustand der Uhr. Wird es nun also Zeit, den Weg zurück zum Bus einzuschlagen, verrät der Kompass Richtung und Entfernung, und alles läuft wie am Schnürchen. Beinahe. Denn oft stehen ja mehrere ähnlich aussehende Busse auf dem Parkplatz, dann ist es von Vorteil, wenn man sich das Kennzeichen gemerkt hat. Oder fotografiert. Japanische Nummernschilder haben stets zwei Gruppen zu je zwei Ziffern.

Der Regen wird stärker, die zweite Gartentour lassen wir aus. Sie hätte ohnehin keinen Eintritt gekostet. Für die dritte heißt es dann: Schuhe ausziehen. Das bedeutet zum Glück, dass wir ein Gebäude betreten, in diesem Fall eine Halle mit unzähligen lebensgroßen hölzernen Bodhisattvas. Sie stehen in Zehnerreihen hintereinander, mehr als tausend sollen es sein, und ich überschlage: fünf nebeneinander pro Säulenabschnitt, und es sind 16 Abschnitte. Aber das wären ja nur…? Nein, auf die große Figur in der Mitte folgen weitere sechzehn Abschnitte, insgesamt also 33. Jede Figur sieht anders aus, jede hält rund drei Dutzend Gegenstände in ihren drei Dutzend (wahrscheinlich aber 33) Händen. Zudem muss ich mich bei der Anzahl verschätzt haben, es sollen nämlich genau 1001 Figuren sein.

Wenn man erstens seine Reisegruppe aus den Augen verloren hat und zweitens nur noch die eigenen Schuhe im Schuhregal stehen, nicht aber die der anderen Teilnehmer, könnte man sich dann vielleicht in der Abfahrtszeit vertan haben? Und wo ist überhaupt der Bus? Wie gut, dass ich vorher einen Wegpunkt erstellt habe, denn das erleichtert die Suche. Und einen Timer. Denn obwohl wir noch beim Garten waren und alle anderen schon im Bus sitzen, kommen wir keineswegs zu spät.

Busparkplätze befinden sich nicht immer direkt beim Objekt, zum Inari-Schrein mit den vielen tausend Torii-Toren müssen wir nicht nur ein ganzes Stück durch enge Straßen laufen, sondern auch zwei Bahnübergänge queren, jedes Mal mit Blinklicht, Schranke zu, Zug vorbei und Schranke wieder auf: in Japan sind die Zugfolgen spürbar kürzer als wir das von zuhause gewohnt sind. Lohn der Mühe ist ein rund einstündiges Durchschreiten aller Tore, aber doch bitte nicht bei diesem Wetter…! Wir beschließen, das Erlebnis nicht bis zum Ende auszukosten, und retten uns in den trockenen Bus.

Morgen startet unser Flug zurück in die Heimat, und wir sind längst in der 23-Stunden-Frist für den Online-Check-in, seit heute morgen schon. Jedoch leistete das System des Lufthansa-Partners ANA zunächst erbitterten Widerstand, und als es uns dann endlich samt aller Daten auf dem Schirm hatte, brach das WLAN des Hotels zusammen. Von da an ging nichts mehr, auch nicht mobil im Bus. Zurück im Hotel versuchen wir es erneut. Das Problem scheint zu sein, dass Theas Vornamenliste die Zeichenbegrenzung des Feldes sprengt, wenn hingegen ich mich zuerst anmelde klappt es, und bei der Frage nach dem zweiten Passagier gehen dann auch alle Vornamen. Kann man ja nicht ahnen. Jetzt noch Nummern und Gültigkeitsdatum der beiden Reisepässe eingeben (zum wie vielen Mal eigentlich?) und nebeneinander liegende Sitzplätze auswählen, dann ist die erstrebte Bordkarte fertig und im Wallet. Für den Zubringerflug von Osaka nach Tokyo. Von dort nach München wird uns dann die Lufthansa fliegen, und die gibt nichts dergleichen aus. Immerhin finden wir aber in irgendeiner Zeile die Nummern unserer Sitzplätze. Wir werden nebeneinander sitzen. Gottseidank.

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Japanisch essen

Shintoistische Tempel haben die angenehme Eigenschaft, dass sie meistens von einem schönen Garten umgeben sind, den man vor sich hin meditierend zwischen Bäumen und Sträuchern durchwandeln kann. Hin und wieder trifft man dabei auf ein Brünnlein oder einen Teich mit Fischen, die wie eine Kreuzung aus Karpfen und Goldfisch aussehen. Die Kirschblüte neigt sich inzwischen dem Ende zu, zahllose weiße Blütenblätter zieren die Wasserflächen und Wege. Jetzt ist die Zeit der gefüllten Sorten, die etwas später blühen. Vereinzelt treffen wir auch schon auf Rhododendren.

Der erste Schrein des heutigen Tages wartet mit sehr unterschiedlichen Gartenbereichen auf. Berühmt ist er vor allem durch den kleinen Zen-Garten, der aber nur aus einer sorgfältig gerechten Kiesfläche mit vereinzelten Steingruppen besteht, es sollen 15 Steine sein. Gezählt haben wir sie nicht. Weiter hinten gibt es ein Wäldchen mit seltsam zugeschnittenen Nadelbäumen und in der Gartenmitte schließlich einen großen Teich mit einer kleinen Schar weißer Gänse mittendrin.

Der Goldene Pavillon, unser nächstes Ziel, ist fast gänzlich mit Blattgold bedeckt und spiegelt sich malerisch in einem kleinen See mit noch kleineren Felseninseln, auf denen jeweils ein bis drei knorrige Kiefern stehen. Hier wollen alle Besucher ein Foto machen, meist von sich selbst oder der weiblichen Begleitung und mit Pavillon im Hintergrund. Halb Japan scheint sich vor diesem Gebäude verabredet zu haben. Gruppenfotos sind aber zum Glück untersagt. Der Weg führt um den See und den Pavillon herum und schlängelt sich dann als Einbahnstraße einen kleinen Hügel hinauf. Wir passieren mehrere kleine Brünnlein, ehe wir schließlich pünktlich wieder am Bus eintreffen.

Wie wäre es jetzt mit einem kleinen Einkaufsbummel durch Kyotos überdachte Ladenpassage? Alternativ kann man aber auch zum Hotel laufen, was etwa eine Viertelstunde dauert, und seine Yen im nächsten Seven-Eleven Store investieren, denn die gibt es wirklich an jeder Ecke, und sie haben alles, was in einen Touristenrucksack gehört: Sandwiches und Softgetränke für unterwegs und Prozentiges für den Abend im Hotelzimmer.

Später besichtigen wir noch die Burg von Kyoto mit ihren repräsentativen Räumen, die man leider nicht fotografieren darf. Heute abend ist dann, wie auch schon vorgestern, ein traditionelles japanisches Essen angesagt, und zwar ein „Shabu-shabu”. Das sind papierdünne Streifen aus Schweinefleisch, die am Tisch in heiße Brühe getunkt werden. Oder so ähnlich. In Japan hocken die Gäste im Schneidersitz um sehr niedrige Tische herum. Damit uns Europäern das nicht so schwer fällt, gibt es aber unter dem Tisch eine Aussparung für die Füße, so dass man sitzen kann wie gewohnt.

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