Auf dem Stausee

Vor unserem Kabinenfenster haben sie über Nacht eine Betonwand hochgezogen und auch gleich hübsch mit Wasserpflanzen begrünt. Ach so, wir sind in einer Schleusenkammer. Und an diesem schaurig-feuchten Ort bleiben wir auch noch eine geraume Zeit, denn bei Nebel ist auf dem Moskau-Wolga-Kanal Stillstand angesagt. Erst als die höher steigende Sonne den Nebel verjagt, darf die Rubljov (so spricht man den Namen richtig aus) die Schleuse verlassen. Der ungeplante Aufenthalt wirft uns im Zeitplan zurück, aber Sicherheit geht eben vor.

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Rettungswesten mögen auf einem Schiff, das weit höher ist als der Kanal tief, vielleicht etwas überflüssig erscheinen. Jedoch werden wir auf unseren 1.800 Kilometern auch weit gefährlichere Gewässer queren, und so lassen wir geduldig die Rettungsübung über uns ergehen. Immerhin weiß nun ein jeder, wie man das rote Ungetüm anlegt.

Mit uns sind 10 Reisegruppen an Bord: Holländer, Norweger, Engländer, Franzosen, Spanier, Italiener und Israelis, dazu zwei deutsche Gruppen und natürlich Russen. Die Bordsprecherin bemüht sich redlich, das Tagesprogramm in allen vertretenen Sprachen zu verlesen, inklusive gelegentlichem Stöhnen bei allzu schwierigen hebräischen Ausdrücken. Der Service an Bord ist wirklich einzigartig, die Kellner und Barkeeper bemühen sich, jeden Gast in seiner eigenen Sprache zu bedienen.

In Rußland wachsen die Bäume unglaublich schnell, man kann ihnen praktisch beim Wachsen zusehen: die Fichte direkt neben dem Schiff zum Beispiel wird alle eineinhalb Sekunden einen Zentimeter höher. Ach so, wir sind wieder in einer Schleuse.

Nach dem Verlassen des Kanals befinden wir uns für längere Zeit auf dem Угличское водохранилище (Uglitscher Stausee), wo es eine Attraktion zu bestaunen gibt: den Glockenturm der überfluteten Stadt Калязин (Kaljasin). Ihr ehemaliger Marktplatz befindet sich angeblich genau unter dem Schiff. Die Besichtigung von У́глич (Uglitsch), dem verschlafenen russischen Städtchen am unteren Ende des 130 Kilometer langen Sees, muß leider entfallen, da es zwischenzeitlich Nacht geworden ist.

Für morgen steht Яросла́вль (Jaroslawl) auf dem Programm. Falls uns der Nebel nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht, fahren wir die ganze Nacht hindurch – und haben soeben die Schleuse von Uglitsch passiert.

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