In meiner Erinnerung bildeten Eiffelturm und vorgelagertes Marsfeld ein malerisches Ensemble, wo man gerne entlang flaniert, um abschließend direkt unter dem Pariser Wahrzeichen zu stehen. Das war einmal. Heute sind die Grünanlagen eingezäunt, wohl um olympiagerecht umgestaltet zu werden, und den Eiffelturm umgibt eine unüberwindlich hohe gläserne Absperrung, die lebhaft an die Berliner Mauer erinnert, nur dass die aus Beton war und eine Krone aus Stacheldraht trug. Wie kommt man denn da hinein? Zur Rechten wie zur Linken war nirgendwo ein Durchgang zu sehen.
Intuitiv liefen wir nach rechts, um unser Glück an der nordwestlichen Festungsmauer zu versuchen. Tatsächlich fand sich dort eine Sicherheitsschleuse mit langen Wartereihen, an denen aber zum Glück nur ein paar Dutzend Einlasswillige anstanden. Zum Konzert? Bitte durch die linke Schleuse! Metallische Kleinteile ins Wännchen, Handtasche aufs Förderband, Mantel und Jacke öffnen, auf Handzeichen durch die Schleuse gehen, erlösendes Kopfnicken abwarten, und zum Schluß die Siebensachen wieder verstauen, nach Möglichkeit die eigenen. Jetzt noch am Schalter gegen Vorlage der Konzertkarte das Ticket für den Schrägaufzug geholt, und schon steht man … vor einer weiteren Sicherheitsschleuse. Wieder Schlange stehen, wieder alles auspacken, wieder durch den Scanner gehen, dann durften wir endlich auf den Aufzug warten, der uns hinauf in die erste Ebene brachte.
Die unterste Plattform des berühmten Gitterturmes hat in der Mitte ein großes Loch, durch das man auf den Platz hinunter sehen kann. Der Konzertsaal befindet sich zwischen dem Nord- und dem Ostpfeiler und bietet Platz für etwa 250 Zuhörer. Ein Streichquintett gab eine Stunde lang Werke von Strauß („Danube bleu”) und Shostakowitch, insbesondere aber von Vivaldi zum besten, auf eine recht kurzweilige und unterhaltsame Weise, während draußen der Turm wie zu jeder vollen Stunde für fünf Minuten sein Glitzerkleid anlegte. Was für ein Ambiente!
Für den Rückweg zum Hotel nahmen wir dann eine andere Route. Nicht so dreckig wie der Weg an der Marsfeld-Baustelle entlang, aber genauso weit. Das Pariser Metronetz orientiert sich eben am Mobilitätsbedarf der Bevölkerung, nicht an dem der Touristen.
Noch immer traumatisiert von der einstündigen Tunnelpanne vorgestern machten wir uns heute schon am späten Vormittag auf den Weg zum Gare de l’Est, wo um 13.52 unser TGV nach Stuttgart abfahren sollte. Der in der DB-App genannte Bahnsteig hat allerdings eine Zugangssperre, und unser Ticket war nur ein ausgedrucktes Blatt. Wie sollte das funktionieren? Die Dame am Schalter wußte es zwar, aber wir verstanden nur „20 minutes” und „Scanner”. Wahrscheinlich war aber einfach nur die Gleisnummer falsch, und wir sollten stattdessen auf den Abfahrtsmonitor achten.
Tatsächlich kam dann zum genannten Zeitpunkt eine Lautsprecherdurchsage, sogar auf deutsch, und augenblicklich setzte sich praktisch die gesamte wartende Menschenmenge in Bewegung. Hier am vorletzten Gleis stand die Sperre offen, und ein Bediensteter scannte die Tickets der Reisenden. Auf unserem stand die Wagennummer 18. Wir liefen an der 8 vorbei: die TGV-Wägen sind ziemlich lang. Dann an der 9? Denkste, der nächste Wagen hatte die Nummer 7 und so weiter, bis vorne an der 1 vorbei zur Lokomotive. Erst jetzt konnten wir so weit um die Kurve sehen, dass wir den zweiten vorgespannten Zug bemerkten: Wagen 11, Wagen 12, Wagen 13. Langer Rede kurzer Sinn: unsere Plätze waren ganz vorne, fast schon draußen auf der Gleisharfe.
Durch die Pariser Vororte ging es noch im gemäßigten Tempo voran, aber dann kletterte der Tacho rasch auf rund 310 km/h, manchmal etas mehr, dann wieder etwas weniger, auf jeden Fall aber konstant über 300. Ort und Geschwindigkeit kann man in den Schnellzügen der französischen Staatsbahn auch auf dem Smartphone mitverfolgen, wo es auch ein Filmprogramm und die Speisekarte des Bordbistros gibt. So macht Bahnfahren richtig Spaß! Schnell waren wir in Straßburg, wo wir – willkommen in Deutschland – erst einmal mit Verspätung und halbierter Geschwindigkeit in Richtung Karlsruhe ablegten. In Stuttgart dann, an der großen Baustelle, endete das Vergnügen. Von hier ging es mit dem IC weiter nach Nürnberg. Willkommen zuhause!