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Große und kleine Tiere

Das größte in dieser Gegend vorkommende Säugetier befindet sich genau unter mir. Es hat keinen Namen, denn es würde sowieso nicht darauf hören. Wie man ein Pferd steuert, nachdem man es einmal erklommen hat, ist schnell erklärt: die Fersen leicht in die Flanke des Tieres drücken schaltet den Vorwärtsgang ein, am Zügel ziehen bringt es wieder zum Stehen. Zügel nach rechts oder Zügel nach links ändert die Fahrtrichtung, ich meine natürlich die Reitrichtung.

Normalerweise hat man als Reiter nicht viel zu tun, es sei denn das Pferd ist ein Maultier, denn die sind bekanntlich zur Hälfte Esel. Eines dieser Tiere, zum Glück nicht meines, scheint keine rechte Lust auf den dreistündigen Ausritt zu haben, sehr zum Leidwesen seines Reiters. Dafür ist es auf den letzten Kilometern, dem heimatlichen Stall zustrebend, kaum zu bremsen.

Noch ein wenig o-beinig erholen wir uns vom zweiten Abenteuer des heutigen Tages, der schon um halb sechs mit einer Wanderung zum See begonnen hatte. Tiere beobachtet man nämlich am besten bei Tagesanbruch. Recht viel mehr als einen Reiher, einen Kaiman und einen Schwarm rotköpfiger Kardinalvögel bekamen wir allerdings nicht zu sehen. Erst auf dem Rückweg erspähten wir vom Aussichtsturm noch einige grün gefiederte Großpapageien. Und einen Tukan. Um ihn zu sehen, hätten wir uns den langen Weg aber sparen können, er saß nämlich im Busch neben dem Eingang zur Lodge.

Pantanal von Rainer Göttlinger auf Vimeo.

Daß in einer Fazenda am Ende der Welt kein Deutsch gesprochen wird, ist ja an sich nichts Ungewöhnliches. Umgangssprache ist hier allerdings auch nicht brasilianisch oder gar englisch, sondern astreines – Schwitzerdütsch. Denn die Lodge gehört einem Schweizer und seiner Frau, wie auch auffallend viele Gäste aus der Schweiz kommen.

Abenteuer Nummer drei an diesem aufregenden Tag startet ganz harmlos im alten VW-Bus, bevor wir schon bald in ein Ruderboot umsteigen. Wozu bitteschön führen wir Fleischstückchen mit uns? Und Angeln? Nun, es dauert nicht lange, da zappelt auch schon der erste Piranha am Haken. Man muß, wenn man Bewegung an der Angelschnur spürt, diese rasch nach oben reißen. Macht man das zu ungeschickt, ist der Haken leer und der Magen des Fisches voll.

Bei mir gewinnt immer der Fisch. Die anderen haben mehr Glück, und der Eimer füllt sich recht zügig mit den zappelnden Fischleibern. Vorher bekommen wir noch die messerscharfen Zähne der gefährlichen Raubfische gezeigt.

Abends schlägt das Wetter um, es wird kühl und stürmisch, und man freut sich richtig, im warmen Zimmer zu sein.

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Abenteuer Pantanal

Der Vogelwecker in der Pousada ist auf halb sechs Uhr eingestellt. Gerade noch zeitig genug, um pünktlich bei Sonnenaufgang am kleinen See zu stehen, wo die Seerosenblüten sich erst bei Dunkelheit öffnen und morgens wieder schließen. Die vielen Blatthühnchen geraten beim Nahrungserwerb häufig in Streit, was stets ein ein heftiges Geflatter zur Folge hat.

Zum Frühstück gibt es Spezialitäten der Region, unter anderem Maniok, Avocado, Kaffeebrot, Mango-Marmelade und den Saft von Limonen und Cashew-Früchten, also dem Fruchtfleisch, das die gleichnamigen Nüsse ziert, aber nicht umschließt. Dann müssen wir diesen gastlichen Ort auch schon wieder verlassen, Schiebefenster statt Klimaanlage ist angesagt, und das bei 36 Grad Außentemperatur.

Das Weltnaturerbe Pantanal ist ein verlandeter See von der doppelten Größe Bayerns, und es gibt nicht eine einzige Teerstraße. Genau genommen gibt es sogar überhaupt nur eine einzige Straße, sie heißt Transpantaneira, beginnt beim Städtchen Poconé und führt rund 100 Kilometer weit mitten hinein in das Gebiet. Unser alter VW-Bus wird auf der roten Schotterpiste mächtig durchgeschüttelt, und auch die Holzbrücken sehen nicht gerade vertrauenerweckend aus. Abenteuer Pantanal.

Links und rechts der Straße tun sich Wasserflächen auf, und wo Wasser ist, da sind auch Tiere. Wasserschweine zum Beispiel, die größten Nagetiere der Welt. Reiher und Kormorane sowieso, dazu riesige Störche mit schwarzem Kopf und rotem Kehlsack. Die Ufer säumen Kaimane, einer neben dem anderen. Zum Glück sind sie ungefährlich, denn es gibt keinen Zaun, der Beobachter und Beobachtete trennt.

Der Riesenstorch hat sein Nest auf einem Baum, und die Ablösung beim Brutgeschäft wird von lebhaftem Klappern begleitet, wie es bei den Störchen eben so Brauch ist.

Gegen Mittag erreichen wir die Pousada UeSo Pantanal, unser Quartier für die kommenden zwei Nächte, und beziehen einen kleinen, schlichten Bungalow. Nach dem Mittagessen steht noch eine kleine Wanderung auf dem Programm, wir lernen diverse Pflanzen kennen, unter anderem einen eßbaren Kaktus und eine Liane, aus der klarstes Trinkwasser fließt.

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Chapada dos Guimarães

Einen Wecker braucht es auf der Fazienda nicht, die Vögel veranstalten einen Riesen-Spektakel. Auf der Palme beim Swimming Pool hat ein grüner Sittich Platz genommen, auf dem Baum nebenan sogar ein verliebtes Sittich-Pärchen. Ein weiteres Vogelpaar, beide mit zitronengelbem Bauchgefieder, widmet sich gerade dem Nestbau in besagter Palme.

Heute steht eine Fahrt zum Tafelberg auf dem Programm. Die bizarr geformten roten Sandsteinfelsen stehen unter Naturschutz. Vormittags liegen sie noch im Schatten, aber das macht nichts, wir wollen erst noch hinauf zum geographischen Mittelpunkt Südamerikas. Ein Stein markiert die Stelle. Es ist zufällig eine Stelle mit Aussicht. Das von Büschen und kleinen Bäumen durchsetzte Land ist nahezu unbesiedelt. Viel Platz für die schlanken weißen Zebu-Rinder, die zwar wenig Milch, dafür aber hervorragendes Fleisch liefern. Wüßten die Kühe das, würden sie sich wahrscheinlich mehr Mühe geben mit der Milch.

Die Hochhäuser der Großstadt wirken irgendwie deplaziert in dieser Landschaft. Von hier oben sieht man sie auch gar nicht mehr, müssen wohl irgendwie in einer anderen Richtung liegen. Man tut sich als Europäer anfangs etwas schwer mit der Orientierung, denn die Sonne geht hier zur Rechten auf und versinkt zur Linken. Natürlich nur, wenn man nach Norden schaut, aber dort steht sie nun einmal und lacht ziemlich intensiv herunter.

Am Rande des Hochplateaus lockt ein Wasserfall von 80 Metern Höhe. Um ihn zu erreichen, müssen wir ein Stück laufen, einen halben Kilometer etwa. Der Weg lohnt sich.

Es würde sich auch lohnen, zu einem der blühenden Jacaranda-Bäume zu laufen, zum Glück stehen einige von ihnen direkt an der Straße. Oder zu einem der Felsen, denen die Verwitterung so wunderliche Formen geschenkt hat. Gerade als wir uns anschicken, sie näher zu betrachten, hat unser Fremdenführer in der Nähe etwas noch viel Faszinierendes entdeckt: ein Pärchen roter Aras. Die seltenen Tiere haben aber keine Geduld mit uns Touristen, breiten ihre stahlblauen Flügel aus und geben sich die Ehre. Wer weiß, ob wir noch einmal welche zu sehen bekommen werden, denn sie sind sehr selten, erst recht in dieser Gegend hier.

Der lange Heimweg vom Tafelberg zur Fazenda verschafft uns zuletzt noch die Gelegenheit, dem Flüßchen Rio Claro einen Besuch abzustatten, der seinem Namen alle Ehre macht. Das klare Wasser lockt zum Bad, andererseits wollen wir aber nicht allzu sehr in die Dunkelheit kommen, die hier sehr schnell hereinbricht.

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Wenn einer eine Reise tut…

…dann kann er was erzählen. Von Schlangen etwa, mit denen man in Brasilien ja rechnen muß. Und weil das Land so groß ist, gibt es auch große Schlangen. Zum Beispiel vor der Einreisekontrolle. Geschlagene zwei Stunden verbringen wir wartend, ehe man uns und die anderen Passagiere – ausgenommen Brasilieros, denn die werden nach vorne geschleust – endlich ins Land läßt. Wie soll das erst zur Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr werden?

Aber beginnen wir lieber von vorne. Nein, nicht bei den typischen Verspätungen der Deutschen Bahn. Die sind so selbstverständlich, daß es eher eine Erwähnung bedürfte, käme ein Zug ausnahmsweise pünktlich an.

Wie aber kann man abends um 10 Uhr losfliegen, morgens um 5 Uhr ankommen und trotzdem 12 Stunden in der Luft sein? Nun, indem man nach São Paulo fliegt, Zeitdifferenz vier Stunden plus Sommerzeit.

Wie alle Airlines gibt auch die TAM jene typischen Flugzeug-Kopfhörer mit zwei Klinkensteckern an die Passagiere aus. Aber wo anschließen? Die Armstütze hat an der üblichen Stelle nur eine einzige Buchse. Und einen anderen Anschluß gibt es nicht. Endlich hilft der Zufall weiter: man kann am Hörer den zweiten Stecker einfach seitlich wegklappen. Problem gelöst, Stecker paßt zur Buchse, Hörer hat Ton. Allerdings nur links. Aber paßt nicht vielleicht auch der eigene MP3-Ohrhörer? Er paßt. Und hat auf beiden Seiten Ton. Warum nicht gleich so?

Was folgt sind die bewußten Schlangen. Weil so ein Flughafen ja nicht über unendlich viele Kofferbänder verfügt, hat man unsere verständlicherweise vom Band genommen. Da stehen sie und warten geduldig, denn wir müssen ja alle zusammen noch durch den Zoll. Danach trennen sich die Wege vorläufig wieder: Koffer in die Gepäckaufgabe, Passagiere zum Gate 11. Von den sechseinhalb Stunden Aufenthalt in São Paulo sind gerade einmal noch zwei übrig. Gut, wir haben uns zwischen den Schlangen noch etwas Zeit gelassen, aber nicht viel.

Kurze Zeit später kommen wir im Städtchen Cuiabá an. Städtchen? Eine Million Einwohner. Und ein Kofferband, das so kurz ist, daß die dicht gedrängt Wartenden keinen Zentimeter Platz mehr lassen für jene, deren Koffer gerade auf dem Band kreisen. Das hat zur Folge, daß die Koffer der Wartenden aus Platzmangel nicht aufgelegt werden können. Es dauert eine gewisse Zeit, bis der gordische Knoten sich allmählich entwirrt.

Und dann sind wir draußen. Finden unseren Reiseleiter. Können unser Gepäck in den Transferbus wuchten, der ein achtsitziger VW-Bus ist. Das genügt auch, denn außer uns nimmt nur ein weiteres Pärchen Platz. Die UeSo Fazenda liegt etwa eine Fahrstunde entfernt.

Todmüde kommen wir an. Was für ein Tag.

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