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Wandern am 清滝川 (Kiyotakigawa)

Wir sind eine Wanderreise. Zu einer Wanderreise gehört Wandern. Sich vom Busparkplatz durch die Fußgängerzone zur nächsten Sehenswürdigkeit zu schieben oder im schlimmsten Fall schieben zu lassen entspricht da nicht so ganz dem Erwarteten. Heute nun soll das aber ganz anders werden, die zu bewältigende Strecke ist acht Kilometer lang und auf einer Karte eingezeichnet, die zum Beginn der Tour verteilt wird. Natürlich gilt es entlang der Strecke auch wieder ein paar Tempel und Schreine zu bewundern, den ersten gleich zu Beginn, dann einen auf halbem Weg und den letzten am Zielort.

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Vor alledem müssen wir erst einmal an den Ausgangspunkt kommen, und zwar mit dem Linienbus. Ohne die Reiseleitung wären wir verloren, denn wir könnten weder Haltestellen noch Wochentage lesen. Da nützt es dann auch nichts, wenn die Busnummern und Uhrzeiten arabisch angeschrieben sind.

In japanischen Linienbussen zahlt man erst beim Aussteigen. Das hat durchaus einige Vorteile. Unser erstes Ziel, eine Tempelanlage, legt am jenseitigen Berghang, der Weg führt über rutschig-feuchte Steinstufen zuerst hinab und dann wieder hinauf. Leider macht die Sonne sich gerade etwas rar, was schade ist, denn die Anlage liegt malerisch mitten im Wald, und der Ahorn zeigt stellenweise schon Herbstfärbung.

Nahe beim Ausgang duckt sich ein Holzhäuschen unter die Bäume, das als WC ausgewiesen ist. Sicher irgend so ein Plumpsklo, das man nach Möglichkeit meidet. Aber weit gefehlt, den verblüfften Wanderer erwartet eine blitzsaubere Luxustoilette mit allen Schikanen einschließlich Sitzheizung. Das ist eben Japan.

Der Weg führt nun durch die abenteuerlich-wildromantische, ahorn- und zypressenbestandene Schlucht des 清滝川 (Kiyotakigawa). Außer dem Weg sind weit und breit keine Spuren von Zivilisation zu erkennen. Aber dann, am anderen Ende einer Brücke – ein Getränkeautomat. Und noch einer. Bis hierher führt von der anderen Seite aus eine Straße, na ja, sagen wir, ein Sträßchen. Es gibt einen Parkplatz, eine Toilette, ein paar verfallene Häuser, ja sogar eine Bushaltestelle. Der perfekte Ort für unser Picknick … unromantischer geht’s kaum. Ab hier teilen wir uns nun die Wanderstrecke mit dem glücklicherweise recht sporadischen Autoverkehr.

Die zweite Attraktion ist ein buddhistischer Friedhof mit einem Bambushain. Die dritte ein Tempel mit japanischem Garten darum herum. Was hier nicht alles blüht, wenn man nur zur richtigen Jahreszeit kommt! Im Ferbruar die Pfirsichbäume, Anfang April die Kirschen, dann die Rhododendren, die Schwertlilien, der Lotos. Im September dann die Chrysanthemen. Und Anfang November schließlich entflammt der Ahorn. Aber jetzt, im Oktober? Ein paar vorwitzige Kamelien und ein paar Stauden, die sich in der Jahreszeit vertan haben. Aber die Wasser- und Moosflächen wissen ja auch ohne Blüten zu gefallen.

Später geht es dann mit der S-Bahn zurück nach 京都市 (Kyoto) und ins Hotel. Öffentliche Verkehrsmittel sind in jedem Land ein Abenteuer, Japan ist da keine Ausnahme.

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Zen-Orte

„Wander im Land des Lachelns“ steht an unserem Bus. Heute lacht vor allem der Himmel, und zwar Tränen. Bei jeder Besichtigung ein bißchen mehr. Aber so ein vergoldeter Tempel mit Wasserlandschaft bei strömendem Regen ist schließlich auch ein Erlebnis, das man nicht alle Tage hat. Zumal man freiwillig keinen Schritt vor die Bustür setzen würde bei diesem Sauwetter. Aber es leiden ja alle, folglich ergibt man sich in sein Schicksal und nimmt den Rundweg durch den bezaubernd angelegten Garten auf sich. Mit Sonne wäre er freilich noch schöner. Und wahrscheinlich auch noch ein bißchen voller.

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Am Fotopunkt kanalisiert ein Einweiser die Kolonnen der Regenschirme: alle, die ihr Foto noch nicht gemacht haben, bitte hier entlang. Und die schon fertig sind, bitte dort. Eine gute halbe Stunde durchstreifen wir den schönen Park, um schließlich viel zu früh zum Bus zurückzukehren. Irgendwie wars trotzdem schön.

Und überhaupt hatte der Tag ja wieder mehrere Highlights. Die Meditation unter der Anleitung eines echten Zen-Meisters zum Beispiel. Die Füße im Schneidersitz verknotet, die Hände ineinander gelegt, und dann an nichts denken außer an den eigenen Atem: so finden Körper und Geist zusammen.

Dann der Tempel, von dessen hölzerner Plattform zu springen im Japanischen als geflügeltes Wort in Gebrauch ist. Für die Reinigungszeremonie gibt es hier einen Wasserlauf, der in drei Strahlen im freien Fall herunterkommt, und den die Besucher mit Schüsselchen an langen Stangen mehr oder weniger geschickt auffangen, um das reinigende Naß zu trinken. Das macht vor allem den Jugendlichen großen Spaß, dafür stehen sie gerne auch Schlange.

Schaustück eines weiteren Tempels ist der Zen-Steingarten, also eine Fläche aus wellenförmig hingerechtem Kies, durchsetzt mit solitären Großsteinen, von denen nie alle gleichzeitig zu sehen sind, welchen Standort man auch einnimmt.

In lebhafter Erinnerung bleibt uns auch das Essen in einem einheimischen Nudelrestaurant. Um den Touristen das Bestellen zu erleichtern, sind alle Gerichte auf einer Menükarte abgebildet, man braucht nur mit dem Finger darauf zu deuten. Über die Temperatur der Speisen geben die Bilder allerdings keinen Aufschluß, die Nudeln auf Bambus erweisen sich als Kaltgericht.

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Rudelwandern

Jeder kennt wohl die berühmten roten Balkentore. Bei 京都市 (Kyoto) gibt es einen Fußweg zu einem kleinen Berggipfel, der auf seiner ganzen Länge nur durch solche roten Tore führt, tausende von Toren, eines hinter dem anderen, eine ganze Stunde lang. Und eine weitere Stunde wieder zurück. Natürlich ist diese Wanderung bei den Japanern äußerst begehrt, den Kontakt zur Wandergruppe zu halten fällt gar nicht so leicht. Und auch das Zeitfenster hätte gerne etwas größer sein dürfen.

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Schuld ist die 酒 (Sake) Brauerei, die für den Nachmittag keine Termine mehr frei hatte, so daß wir uns die Herstellung des berühmten Reisweins schon vormittags anschauen, während für den Nachmittag der deutschsprachige Einführungsfilm in ein spektakuläres Museumsprojekt den zeitlichen Fixpunkt setzt. Dazwischen liegen natürlich die nicht zu unterschätzenden Fahrtzeiten, denn das Museum liegt in den Bergen.

Genauer gesagt ist es größtenteils unsichtbar in einen Berggipfel gebaut. Und um noch genauer zu sein, hat man den Gipfel erst einmal abgetragen, um ihn dann später über dem fertigen Gebäude wieder aufzutürmen und zu renaturieren.

Der Zugang führt zunächst durch einen Tunnel und dann über eine Hängebrücke. Beide sollen das Gefühl vermitteln, ein Shangri La zu betreten. Und tatsächlich hat Stararchitekt Pei hier ganze Arbeit geleistet, das Museumsgebäude ist mindestens genauso interessant wie seine hochkarätige Weltkunst-Ausstellung, die sowohl durch ihre Exponate zu beeindrucken weiß also auch durch die Art, wie sie präsentiert werden. Viel zu schnell vergeht die Zeit hier oben, die Abenddämmerung über den waldigen Hügeln rundet das Erlebnis ab.

Unser heutiges Hotel liegt in der Nähe des Hauptbahnhofs von 京都市. Dieses modern-eindrucksvolle Gebäude ist immerhin 12 Stockwerke hoch, ganz oben gibt es einen Skywalk mit atemberaubendem Blick auf die nächtliche Stadt. Und darunter eine Reihe von Schnellrestaurants, wie es sie vermutlich nur in 日本 (Japan) gibt: man tippt seine Bestellung schon vor dem Betreten in einen Automaten und bezahlt sie auch gleich. Mit dem ausgedruckten Zettel holt man sodann seine Mahlzeit am Tresen ab. Kein Warten auf den Kellner, kein Hantieren des Personals mit Geld.

日本 glänzt überhaupt mit guten Ideen. An Ampelkreuzungen zum Beispiel gibt es eine Phase, in der alle Fußgänger gleichzeitig grün haben, man kann die Kreuzung auch in einem Rutsch diagonal überqueren. Der Autoverkehr wiederum muß beim Abbiegen keine Fußgänger passieren lassen, was bei uns ja oft dazu führt, daß auch der Geradeaus-Verkehr blockiert ist. So kommen viel mehr Autos über die Kreuzung.

Einer Erwähnung wert sind auch die Getränke-Automaten, die es wirklich an jeder Ecke gibt, sogar oben auf dem Gipfel, der heute unser Wanderziel war. Denn diese Geräte halten neben gekühlten auch heiße Getränke bereit. Nein, keine Kaffeebecher, sondern Dosen voller exotischer Warmgetränke, deren meist japanische Beschriftung zudem für geschmackliche Überraschungen sorgt.

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Die Hirsche von 奈良市 (Nara)

Der 奈良公園 (Nara Park), den wir per Linienbus aufsuchen, ist ein weitläufiges Gelände mit diversen Möglichkeiten, sich Bewegung zu verschaffen. Man kann an unzähligen alten Steinlaternen entlang laufen und diverse Tempel besichtigen, man kann aber auch den Hügel mit dem besonderen Gras ersteigen, um von oben die Aussicht auf die Stadt zu genießen. Theoretisch könnte man auch den ganzen Park umwandern, aber das würde erstens zu lange dauern, und zweitens ist für den Spätnachmittag wieder Regen angesagt. Und der kürzere Weg vom Hügel wieder herunter durch den Heiligen Wald ist ja ebenfalls sehr schön. Zuerst wird aber noch das Mittagessen geplant und an das Lokal kommuniziert: wer möchte die Nudelsuppe, wer das Currygericht, wer die Garnelen? Egentlich ein ganz normaler Vorgang, sollte man glauben.

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Eine der Attraktionen des 奈良公園 sind seine unzähligen zahmen ニホンジカ (Sika-Hirsche). Zahm und hungrig. Wer seine Kekse nicht umgehend herausrückt, wird auch schon einmal kräftig gestoßen. Zum Glück haben die Tiere ihre Geweihe heuer schon abgeworfen. Wenn keine Besucher kommen, ernähren die Tiere sich vom besonderen Gras des Hügels. Die seit Jahrhunderten bestehende Symbiose hat die pflanzliche Artenvielfalt stark reduziert, man könnte Golf spielen, wenn nur der Hang nicht so steil wäre.

Weil der Park so berühmt ist, besuchen ihn auch zahlreiche Schulklassen. Sie hätten aber nicht unbedingt alle heute kommen müssen, denn wo sich einmal eine Klasse den Weg gebahnt hat, ist für uns Normaltouristen oft kein Durchkommen mehr. Von besonderem Reiz für die Schüler ist ein durchlochter Holzpfeiler, alle wollen hindurch kriechen, die Warteschlange reicht quer durch den halben Tempel, der immerhin für sich beansprucht, die größte Holzhalle der Welt zu sein. Der bronzene Buddha von 752 ist 16 Meter hoch.

Ach ja, das Mittagessen! Der japanische Wirt hat bereits für uns gedeckt: am ersten Tisch alle Nudelsuppen. Am zweiten Tisch die Curryleute, am dritten die Garnelen. Paare, die sich beim Bestellen nicht einig waren, sitzen getrennt. Wer die Mühe nicht scheut, mitsamt seiner Teller und Schüsseln umzuziehen, darf das aber.

Das wäre gestern abend deutlich schwieriger geworden, so viele Gänge waren für uns angerichtet. Welche Speise soll in welche Sauce getunkt werden? Wie ißt man die Suppe, wenn es nur Stäbchen gibt? Und natürlich die drängendste aller Fragen: wohin mit den eigenen Füßen? Zum Glück hält das Restaurant spezielle Möbel für die europäischen Gäste bereit, die Vertiefung unter der Tischfläche erlaubt eine normale Sitzhaltung. Die Schüsselchen leeren sich rasch. Auch die mit der Suppe, denn die darf getrunken werden.

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Frankfurt Fluchthafen

„Verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Frankfurt Fluchthafen!” Hat er wirklich „Fluchthafen” gesagt? Anscheinend, denn die Mitreisenden lachen ebenfalls, man spricht über Fluchtbewegungen und verabschiedet sich mit einem „gute Flucht noch!”

Und weil zu einer Flucht natürlich auch lange Wege gehören, sind wir für Gate Z58 eingeteilt, bis dorthin sind es gefühlte drei Kilometer Laufband. Die Servicewüste ist hier etwas weniger trocken als in den anderen Gates: es gibt Steckdosen. Leider aber stromlos. Doch Servicewüste. Und dann ändert sich auch noch unser Gate, und wir müssen gefühlte 500 Meter wieder zurück.

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Der kürzeste Weg nach 日本 (Japan) führt über das nördliche Sibirien. Was sind das denn für Schatten, die da über die Tragfläche des Jumbo huschen? Wolkenschatten, auf 34.000 Fuß Flughöhe und bei tief stehender Sonne? Verursacher ist unser eigener Kondensstreifen. Schade, daß man nicht nach hinten sehen kann, der Anblick muß spektakulär sein.

Wir überfliegen gerade die Gegend, in der wir noch vor ein paar Wochen per Schiff unterwegs waren. Der Бе́лое о́зеро (Weißer See) wirkt von hier oben recht übersichtlich, das Schiff brauchte für die Überquerung seinerzeit Stunden.

Bei Tagesaufbruch landen wir in 関西 (Kansai). So hat man die künstliche Insel vor der Küste von 大阪市 (Osaka) genannt. Persönliche Daten, Details zum Aufenthalt, Fingerabdrücke, Foto, Zollerklärung: die Japaner nehmen es genau mit ihren Gästen. Endlich am Gepäckband, kommt auch schon gleich mein markanter blauer Haifischhaut-Koffer heraus. Gut, wenn man so ein unverwechselbares Stück sein eigen nennt. Nur merkwürdig leicht ist er. Und auch der Anhänger fehlt. Wurde ich beraubt? Ach so, doch nicht mein Koffer.

大阪市 hat eine Burg, die von einem doppelten Wassergraben umzingelt ist. Eine japanische Burg hat keine Mauern und Zinnen, sondern sieht eher wie eine behäbig breite Pagode aus. Diese hier wurde irgendwann zerstört, man hat sie in den 30er Jahren wieder aufgebaut. Aus Eisen. Und nur wenig später, nach dem Krieg, noch einmal. Aus Beton. Beim Besichtigen der 8 Stockwerke will deshalb trotz der ausgestellten Rüstungen keine rechte Ritterromantik aufkommen.

Das Städtchen 奈良市 (Nara), unser erstes Etappenziel, empfängt uns mit strömendem Regen. Und die Lobby des Hotels gleicht einer Wartehalle. Nur daß die mehr Sitzplätze hätte. Schmerzlich vermißt wird auch ein Begrüßungsschluck für uns dehydrierte Fernreisende. Servicewüste Japan? Eine Stunde später sind die Zimmer fertig. Das unsere ist sauber und einigermaßen groß. Die futuristische Duscharmatur hat der Regler gleich drei: Wassermenge, heiß/kalt, oben/unten. Und die Toilette reinigt einen mit Wasser, wenn man will.

Um 19 Uhr ist Abendessenszeit. Wir sind schon sehr gespannt.

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Sankt Regensburg

Man merkt dem Schiffspersonal an, daß heute neue Gäste kommen, überall liegen Stapel mit frischer Bettwäsche herum und werden Vorräte aufgefüllt, den ganzen Morgen schon hängt der Geruch von Schiffsdiesel in der Luft. Unsere Gruppe wird aufgeteilt, die einen fahren direkt zum Flughafen, die Passagiere für die Nachmittags- und Abendmaschinen – das sind wir – kommen noch in den Genuß einiger Stunden Freizeit in der Innenstadt. Und der russische Himmel weint gerade ein paar Tränen.

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Grifone sind Fabelwesen, bei denen sich der Bildhauer nicht zwischen Löwe und Möve entscheiden konnte. Die unseren tragen goldene Flügel und bewachen zu viert eine kleine Hängebrücke. Vom Platz der Künste, wo der Bus wartet, müssen wir durch eine Seitenstraße zum Невский проспект (Newski-Prospekt – nein, das ist keine Werbepublikation, sondern eine Straße), diesen ein Stück entlang, an der Kirche vorbei zum Kanal und diesem bis zur Biegung folgen. Inzwischen regnet es in Strömen, und die armen Grifone werden ganz naß.

Wir auch, aber wir können ja im Russischen Museum Zuflucht suchen, wo es erstens ein Museumscafé gibt und zweitens viele schöne Bilder an den Wänden. Auch Skulpturen. Nicht an den Wänden. Und Vasen. Und wieder Bilder. Noch ein letzter Espresso, dann heißt es endgültig Abschied nehmen von Rußland.

Unser Grüppchen wird kleiner und kleiner. Zuerst die Leute, die an ein anderes Gate müssen. Dann in Франкфурт – ach so, hier schreibt man ja wieder Frankfurt – die Gäste mit Anschlußflügen. Dann am Kofferband die mit anderen Bahnzielen. Im Zug nach Nürnberg sind wir dann nur noch vier. Immerhin.

Schon am Flughafen haben wir uns von Reiseleiterin Наташа (Natascha), eigentlich Наталья (Natalja), verabschiedet. Es hätte noch so vieles zu fragen gegeben, so viele russische Lieder blieben ungehört und russische Wörter ungelernt. Wir müssen halt einfach nochmal wiederkommen.

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Gold und Bernstein

Zar Пётр Вели́кий (Peter der Große) ließ für seine Frau abseits der Stadt in Царское Село (Zarskoje Selo) einen bescheidenen Palast errichten, den seine Tochter Екатерина Великая (Katharina die Große) später wieder abreißen ließ, um ihn durch einen standesgemäßen zu ersetzen, mit weniger als 300 Metern Fassadenlänge wollte sie sich nicht bescheiden. Über dem blau-weißen Prachtbau mit seinen goldenen Kuppeln spannt sich heute ein wolkenloser Himmel, im ausgedehnten Schloßpark vergeht die Zeit bis zum Einlaß wie im Flug.

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Drinnen empfängt uns ein prunkvoller Spiegelsaal und verschiedene Kabinette, eines von ihnen ist das berühmte Bernsteinzimmer, präzise gesagt dessen originalgetreue Rekonstruktion. Ehrfurchtsvoll und ganz ohne Gedrängel bestaunen wir die kostbare Wandvertäfelung.

Diesem ersten Highlight des Tages folgt sogleich ein zweites: der Петергоф (Peterhof) des überaus aufgeschlossenen Zaren Peter des Großen. Die Statuen der Kaskaden seines Palastgartens glänzen in purem Gold, der weitläufige Park wartet mit allerlei Sichtachsen und Springbrunnen auf, am liebsten hielt der Zar sich jedoch im vergleichsweise bescheidenen Gartenschloß Monplaisir auf, wo es die originale Küche, das Arbeitszimmer und das Schlafzimmer zu bewundern gilt. In den zur Ostsee wie zum Garten hin zu öffnenden Wandelhallen mit ihren holländischen Gemälden pflegte Peter der Große sich zu ergehen. Seiner gelegentlichen Erheiterung auf Kosten der Hofdamen dienten mehrere Spaßbrunnen.

Für die Rückfahrt ins Stadtzentrum nehmen wir das Tragflügelboot, anschließend geben wir uns der Neugier im Hinblick auf die Petersburger Metro hin: wo die Röhren in mehr als 100 Metern Tiefe verlaufen, sind auch die Rolltreppen bemerkenswert lang. Zum Ausklang besuchen wir noch auf eigene Faust eine Klosterkirche, wo gerade ein orthodoxer Gottesdienst stattfindet.

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Ein Palast für die Kunst

Passagierschiffe dürfen, wenn der Platz knapp ist, in zweiter oder dritter Reihe anlegen. Als Passagier geht man dann zum Aussteigen einfach durch die anderen Schiffe hindurch. Woran man bei der Rückkehr sein eigenes Schiff erkennt? Nun, die Rezeption befindet sich in diesem Durchgangsbereich, und am Tresen steht der jeweilige Schiffsname angeschrieben. Das ist auch gut so, denn bei unserer Rückkehr aus St. Petersburg liegen die Schiffe in anderer Reihenfolge und mit dem Bug zur anderen Seite hin.

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Man kann in dieser Stadt keine hundert Meter fahren oder gehen, ohne daß irgend ein historisches Gebäude oder Denkmal in Sichtweite kommt. Der Bus legt mehrere Zwischenstopps ein, davon einen an der Festung, in deren Mauern heute die Peter-und-Pauls-Kathedrale steht, die Grablege der Romanow-Dynastie.

Nach dem Mittagessen schließlich erreichen wir die größte und wichtigste all dieser Attraktionen, die Эрмитаж (Eremitage), ein Palast für die Kunst, wie es kaum einen zweiten gibt auf der Welt. Ein Saal ist Rembrandt gewidmet, ein anderer Rubens, man kann die Namen gar nicht alle aufzählen.

Auf einem Gemälde ist dargestellt, wie die Tiere über einen Jäger zu Gericht sitzen. Natürlich wird er verurteilt und zur Strafe getötet und verspeist. Trockener Kommentar eines Reisegastes: „Jägerschnitzel“.

Die Bootstour über die Kanäle und unter den niedrigen Brücken hindurch kann wegen des momentan sehr hohen Wasserstandes nur modifiziert stattfinden, zeichnet aber trotz dieser Einschränkung ein interessantes und abwechslungsreiches weiteres Bild der Stadt.

Für morgen stehen der Katharinenpalast samt Park auf dem Programm.

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Zwischen den großen Seen

Der Lagoda- ist mit dem Onegasee durch den Fluß Свирь (Swir) verbunden. Zwei Staustufen sorgen dafür, daß ihn auch Schiffe von der Größe der Рублёв befahren können. Das Passieren der zugehörigen Schleuse ist immer wieder ein Erlebnis.

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Im Museumsdorf маидроги (Mandrogi) legen wir einen vierstündigen Stopp ein. In den alten Häusern sind heute Werkstätten für traditionelles Kunsthandwerk untergebracht, die Künstler lassen sich gerne beim Schnitzen, Malen oder Sticken über die Schulter schauen. Darüber hinaus kommen wir in den Genuß eines üppigen Mittagsmahles mit typisch russischer Küche bei authentischer musikalischer Untermalung.

Auf dem Schiff ist heute Kapitänsdinner angesagt, der schmuck gekleidete Kapitän sowie die Küchenchefin nehmen geduldig die in allen Weltsprachen mehr oder weniger überschwänglich vorgetragenen Dankesworte entgegen. Im letzten Tageslicht erreichen wir schließlich den größten See Europas. Morgen früh werden wir in St. Petersburg sein.

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Ganz weit im Norden

Der größte See Europas ist nicht etwa der Bodensee, der Garda- oder der Plattensee, sondern der Ладожское Озеро (Ladogasee), den wir morgen kennen lernen werden, dicht gefolgt vom Онежское озеро (Onegasee), der zwar nur gut halb so groß ist wie sein Nachbar, aber immer noch größer als die fünf größten Seen außerhalb Rußlands zusammen. Und achtzehnmal so groß wie der Bodensee.

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Um zur Insel Киши (Kishi) zu gelangen, muß der Kapitän das Schiff durch die Schären im Onegasee steuern. Das sind kleine bis kleinste unbewohnte, oft nur mit ein paar Birken oder Ulmen bestandene Inselchen. Ob die hin und wieder darauf errichteten Peilmarken, von denen je zwei eine Sichtlinie formen, heute noch eine Rolle spielen, wissen wir nicht. Wahrscheinlich eher nicht, denn auf der Brücke haben wir heute allerlei modernstes Gerät gesehen. Exemplarisch sei hier das GPS-System genannt, das in diesem Augenblick, am Ankerplatz der Kircheninsel, 62 Grad Nord zeigen dürfte. So weit nördlich waren wir noch nie. Man merkt es auch an den immer dünner werdenden Stämmen der Bäume.

Die Hauptattraktion der Insel, die hölzerne Verklärungskirche, kann nur von außen besichtigt werden, aber das sie umgebende Freilichtmuseum bietet allerhand alternative Attraktionen, die wir auf einem zweistündigen geführten Rundgang erkunden: alte Bauernhäuser mit niedrigen Stuben, eine Windmühle und zuletzt die sog. „Winterkirche“, alles aus Holz und nur aus Holz. An der einen oder anderen Stelle führen Handwerker ihre Fertigkeiten vor: Körbe flechten, Netze knüpfen, Löffel und Schindeln schnitzen. Man möchte hier noch viel mehr anschauen und sich erklären lassen, aber der chronisch knappe Zeitplan drängt zur Rückkehr auf das Schiff.

Das Schöne an einer Kreuzfahrt ist, daß man nie weit weg ist vom temporären Zuhause. Daß man nach dem Besuch der Sehenswürdigkeit nicht erst noch aufwändig irgendwo hinfahren muß, sondern einfach zum Steg läuft, einsteigt, der freundlichen Rezeptionistin guten Abend sagt und aufs Zimmer geht. Fertig. Man darf sich halt unterwegs nicht verzetteln, sonst hat man nämlich ein Problem.

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