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Polarnacht

Der offenbar kürzeste Luftweg nach Frankfurt am Main führt von Tokio aus zunächst schnurstracks nach Norden über die Insel Hokkaido hinweg, dann an der Küste zum Polarmeer entlang, bis man schließlich über Finnland und Schweden wieder in die mittleren Breiten gelangt. Startet man wie wir spätnachmittags, kommt man am frühen Abend in Frankfurt an. Zwischen dem späten Mittag- und dem frühen Abendessen liegen allerdings mehrere Stunden, in denen man ausgiebig darüber nachdenken kann, ob es draußen einfach nur wegen der Tageszeit dunkel ist oder man sich schon im Bereich der Polarnacht bewegt.

Und dann hat uns die Heimat wieder. Jetzt heißt es erst einmal: Bilder ordnen, Film schneiden – und dann irgendwann hier publizieren.

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Tokio Hotel

Unser „Tokio Hotel“ heißt Grand Palace und ist von Hochhäusern umgeben. Genau genommen ist so gut wie alles in Tokio von Hochhäusern umgeben. Wenn man im 45. Stock des Rathauses steht, fühlt man sich ihnen aber ebenbürtig.

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Im Nordosten zeigt sich der Skytree, das zweithöchste Gebäude der Welt. Und bei dem weißen Kegel am Westhorizont handelt es sich um den Fujiyama. Welch ein grandioser Einstieg in die Erkundung der 30-Millionen-Metropole!

Man möchte kaum glauben, daß man sich noch immer im Zentrum derselben Stadt befindet, wenn nach einer weiteren Fahrt mit der Metro plötzlich dichter Wald den Weg säumt. Wir sind im Shinjuku-Park, wo es nicht nur breite Spazierwege, sondern auch einen schönen Shinto-Schrein gibt. Und viele japanische Besucher, aber das versteht sich ja von allein. Nur die bunt bemützten Schulklassen fehlen, denn heute ist Feiertag.

Das Ziel der nächsten Fahrt heißt Asakusa, denn auch dort gibt es allerlei zu sehen. Insbesondere stehen wir dem Skytree nun direkt gegenüber. Da wir drei Stunden Mittagspause haben, laufen wir auch noch zum Shinto-Schrein des Stadtviertels, wo gerade eine Prozession stattfindet, in der heilige Kraniche eine ganz wesentliche Rolle spielen.

Japan weiß, wie man eine U-Bahn zweckmäßig organisiert: so leicht wie hier haben wir uns noch in keinem öffentlichen Nahverkehr zurecht gefunden. Zum Beispiel sind die Bahnhöfe durchnumeriert. An den Bahnsteigen steht angeschrieben, ob es hier in Richtung höherer oder niedrigerer Nummern geht. Das ist viel einfacher als das Schielen nach der jeweiligen Endstation. Beim Ticketkauf ist das Streckennetz als Touchscreen ausgeführt. Und in den Zügen verraten Displays, wo man am nächsten Bahnsteig stehen wird und wo die Rolltreppen zu welchen Anschlußlinien liegen. Davon könnten sich deutsche Verkehrsträger ein paar Scheiben abschneiden!

Das letzte gemeinsame Abendessen liegt nun hinter uns, morgen um 12.30 Uhr werden wir zum Flughafen gebracht. Wahrscheinlich werden wir uns die Zeit bis dahin mit einem Spaziergang durch die nahen kaiserlichen Gärten vertreiben.

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Geldwäsche

Geldwäsche ist normalerweise strafbar. Es sei denn, man tut es im Shinto-Schrein von 鎌倉市 (Kamakura): im heiligen Wasser gewaschene Münzen sollen sich später verdoppeln. Zuerst muß man allerdings 200 Yen in das Leihen eines Körbchens investieren. Vermutlich ein Verlustgeschäft. Zumal auch der Weg zu diesem Zauberort alles andere als einfach ist, denn der Regen hat den Wanderweg stellenweise in ein Schlammloch verwandelt.

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Die heutige Tour war relativ kurz, sie startete beim obdachlosen – nein, es muß wohnungslos heißen – also beim Buddha ohne schützenden Tempel und endete beim Hauptschrein des schmucken Städtchens an der Bucht von Tokio. Der bewußte Buddha ist 24 Meter hoch, innen hohl und hat an seinem Rücken zwei Fenster.

Wir schreiben übrigens gerade das Jahr 28. So stand es auf unserem Frühstücks-Coupon. In Japan weiß man mit Christi Geburt wenig anzufangen und zählt daher die Regierungsjahre des Kaisers.

Gestern war wieder einer dieser Regentage. Wir verzichteten dankend auf die Strandwanderung und drehten stattdessen am Nachmittag, als der Regen abgezogen war, eine kleine Entdeckungsrunde durch den Wald hinter dem Hotel.

Heute nun sind wir zu Gast in der Megacity Tokio, wo sich inmitten der zahllosen Wolkenkratzer überraschend eine grüne Oase auftut: der Kaiserpalast mit dem umgebenden Park. Für morgen sind öffentliche Verkehrsmittel angesagt.

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富士山 (Fuji-san)

Holzdecke. Weiße Wände mit filigranem Holzfachwerk. Der Boden lückenlos mit Reismatten ausgelegt. Keine Möbel. So sieht ein traditionelles japanisches Hotelzimmer aus, aber wo bitte schläft man hier? Schiebetüren ringsum offenbaren das Vermißte. Man könnte das Bettzeug Seite an Seite legen oder mit Abstand oder im rechten Winkel, ganz wie im Loriot Sketch. Und auch Aufräumen war nie einfacher, ganz egal wie unordentlich man seine Habseligkeiten auch zwischen Koffer und Kleiderstange verteilt hat, man schiebt einfach die Papierwand zum Hauptraum zu, und fertig. Ein bißchen mehr Wärme könnte nicht schaden.

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Der heutige Tag bringt uns dem 富士山 (Fuji-san, Fujiyama) näher als wir es uns je hätten träumen lassen. Nicht nur geographisch, sondern auch was das Wetter und die Sicht betrifft. Wolkenlos steht seine markante Silhouette über dem Spiegel des kleinen Sees, den der Bus passiert, um uns schließlich am Ausgangspunkt der heutigen Wanderung abzusetzen.

Die führt zunächst 450 Höhenmeter steil bergan. Um den Aufstieg zu erleichtern, haben die Japaner Holzbalken quer über den Weg gelegt und links und rechts mit Pfählen verankert. Leider hat die Erosion den Boden dazwischen abgetragen, jetzt sieht der Wanderweg wie eine Hürdenlaufbahn aus.

Zunächst versperren noch Bäume die Sicht auf den 富士山. Dann aber, auf dem kleinen Gipfel, öffnet sich endlich der Blick auf die ebenmäßige Schönheit gegenüber. Sein Mantel aus Schneeresten reicht etwa bis zur Hälfte herab. Eine kleine weiße Wolke umgürtet ein Stück seiner Taille. Die Sicht ist so klar wie selten. Auch unsere beiden Reiseführerinnen sind begeistert, denn solch ein Glück ist nur wenigen Touristen vergönnt.

So also sieht der Höhepunkt einer Japanreise aus.

Der einzigartige Tag begann heute mit einem traditionellen Frühstück. Direkt am Tisch in einem Feuertopf gedämpftes Gemüse. Kleine panierte Fischchen. Exotische Früchte. Ein ohne Schale weich gekochtes Ei. Allerlei stäbchengerecht serviertes Gemüse. Muschelsuppe. Sowie natürlich grüner Tee.

Der einzigartige Tag endet im Kannonzaki Keikyu Hotel in 横須賀市 (Yokosuka), das liegt auf einer Halbinsel am Pazifik südwestlich von Tokio. Hier sind die Zimmer wieder westlich. Und wir hören das Meer rauschen.

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Paßwandern

妻籠宿 (Tsumago) ist ein Ort wie in der Schweiz: Holzhäuser, ringsum Berge, und alles voller Japaner. Es gibt hier einen alten Postweg, den 中山道 (Nakasendo), der hinüberführt nach 馬籠宿 (Magome). Heute ist der Weg das Ziel, wir steigen auf historischer Trasse 400 Höhenmeter hinauf und drüben wieder hinab.

p1180847Vorher gilt es noch ein Wohnhaus aus dieser Zeit zu besichtigen. An seiner Feuerstelle wärmte sich einst sogar der Kaiser. Rauchschwaden ziehen durch den Raum, das einfallende Licht zeichnet diagonale Streifen in die Luft.

Durch Bambus- und Zypressenwälder zieht sich der gerade mal einen Meter breite gepflasterte Weg mal mehr, mal weniger steil hinauf. Hier ein Wasserfall, dort ein Aussichtspunkt. Und jenseits der Paßhöhe erfreut die Aussicht auf bemerkenswert hohe Berge des Wanderers Auge.

In 馬籠 schließlich wartet schon der Bus, der uns zu unserem nächsten Quartier bringt. Heute nächtigen wir in einem 旅館 (Ryokan), das ist ein traditionell eingerichtetes japanisches Reisegasthaus. Hier gibt es keine Betten, sondern man schläft auf Matten direkt auf dem Fußboden.

Highlight des heutigen Tages ist das japanische Abendessen. Es gibt Fisch in allen Variationen, gekocht und roh, dazu werden ständig irgendwelche exotischen Köstlichkeiten nachgereicht. Ein von unten befeuertes Schüsselchen mit Brühe nimmt Fleischstreifen, Gemüse und Pilze auf. Kann man Chrysanthemen essen? Man kann. Und auch der Pudding aus Ginkgo-Nüßchen schmeckt ganz ausgezeichnet. Als Getränk wird warmer Sake gereicht, wahlweise Pflaumenwein.

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Wandern am 清滝川 (Kiyotakigawa)

Wir sind eine Wanderreise. Zu einer Wanderreise gehört Wandern. Sich vom Busparkplatz durch die Fußgängerzone zur nächsten Sehenswürdigkeit zu schieben oder im schlimmsten Fall schieben zu lassen entspricht da nicht so ganz dem Erwarteten. Heute nun soll das aber ganz anders werden, die zu bewältigende Strecke ist acht Kilometer lang und auf einer Karte eingezeichnet, die zum Beginn der Tour verteilt wird. Natürlich gilt es entlang der Strecke auch wieder ein paar Tempel und Schreine zu bewundern, den ersten gleich zu Beginn, dann einen auf halbem Weg und den letzten am Zielort.

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Vor alledem müssen wir erst einmal an den Ausgangspunkt kommen, und zwar mit dem Linienbus. Ohne die Reiseleitung wären wir verloren, denn wir könnten weder Haltestellen noch Wochentage lesen. Da nützt es dann auch nichts, wenn die Busnummern und Uhrzeiten arabisch angeschrieben sind.

In japanischen Linienbussen zahlt man erst beim Aussteigen. Das hat durchaus einige Vorteile. Unser erstes Ziel, eine Tempelanlage, legt am jenseitigen Berghang, der Weg führt über rutschig-feuchte Steinstufen zuerst hinab und dann wieder hinauf. Leider macht die Sonne sich gerade etwas rar, was schade ist, denn die Anlage liegt malerisch mitten im Wald, und der Ahorn zeigt stellenweise schon Herbstfärbung.

Nahe beim Ausgang duckt sich ein Holzhäuschen unter die Bäume, das als WC ausgewiesen ist. Sicher irgend so ein Plumpsklo, das man nach Möglichkeit meidet. Aber weit gefehlt, den verblüfften Wanderer erwartet eine blitzsaubere Luxustoilette mit allen Schikanen einschließlich Sitzheizung. Das ist eben Japan.

Der Weg führt nun durch die abenteuerlich-wildromantische, ahorn- und zypressenbestandene Schlucht des 清滝川 (Kiyotakigawa). Außer dem Weg sind weit und breit keine Spuren von Zivilisation zu erkennen. Aber dann, am anderen Ende einer Brücke – ein Getränkeautomat. Und noch einer. Bis hierher führt von der anderen Seite aus eine Straße, na ja, sagen wir, ein Sträßchen. Es gibt einen Parkplatz, eine Toilette, ein paar verfallene Häuser, ja sogar eine Bushaltestelle. Der perfekte Ort für unser Picknick … unromantischer geht’s kaum. Ab hier teilen wir uns nun die Wanderstrecke mit dem glücklicherweise recht sporadischen Autoverkehr.

Die zweite Attraktion ist ein buddhistischer Friedhof mit einem Bambushain. Die dritte ein Tempel mit japanischem Garten darum herum. Was hier nicht alles blüht, wenn man nur zur richtigen Jahreszeit kommt! Im Ferbruar die Pfirsichbäume, Anfang April die Kirschen, dann die Rhododendren, die Schwertlilien, der Lotos. Im September dann die Chrysanthemen. Und Anfang November schließlich entflammt der Ahorn. Aber jetzt, im Oktober? Ein paar vorwitzige Kamelien und ein paar Stauden, die sich in der Jahreszeit vertan haben. Aber die Wasser- und Moosflächen wissen ja auch ohne Blüten zu gefallen.

Später geht es dann mit der S-Bahn zurück nach 京都市 (Kyoto) und ins Hotel. Öffentliche Verkehrsmittel sind in jedem Land ein Abenteuer, Japan ist da keine Ausnahme.

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Zen-Orte

„Wander im Land des Lachelns“ steht an unserem Bus. Heute lacht vor allem der Himmel, und zwar Tränen. Bei jeder Besichtigung ein bißchen mehr. Aber so ein vergoldeter Tempel mit Wasserlandschaft bei strömendem Regen ist schließlich auch ein Erlebnis, das man nicht alle Tage hat. Zumal man freiwillig keinen Schritt vor die Bustür setzen würde bei diesem Sauwetter. Aber es leiden ja alle, folglich ergibt man sich in sein Schicksal und nimmt den Rundweg durch den bezaubernd angelegten Garten auf sich. Mit Sonne wäre er freilich noch schöner. Und wahrscheinlich auch noch ein bißchen voller.

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Am Fotopunkt kanalisiert ein Einweiser die Kolonnen der Regenschirme: alle, die ihr Foto noch nicht gemacht haben, bitte hier entlang. Und die schon fertig sind, bitte dort. Eine gute halbe Stunde durchstreifen wir den schönen Park, um schließlich viel zu früh zum Bus zurückzukehren. Irgendwie wars trotzdem schön.

Und überhaupt hatte der Tag ja wieder mehrere Highlights. Die Meditation unter der Anleitung eines echten Zen-Meisters zum Beispiel. Die Füße im Schneidersitz verknotet, die Hände ineinander gelegt, und dann an nichts denken außer an den eigenen Atem: so finden Körper und Geist zusammen.

Dann der Tempel, von dessen hölzerner Plattform zu springen im Japanischen als geflügeltes Wort in Gebrauch ist. Für die Reinigungszeremonie gibt es hier einen Wasserlauf, der in drei Strahlen im freien Fall herunterkommt, und den die Besucher mit Schüsselchen an langen Stangen mehr oder weniger geschickt auffangen, um das reinigende Naß zu trinken. Das macht vor allem den Jugendlichen großen Spaß, dafür stehen sie gerne auch Schlange.

Schaustück eines weiteren Tempels ist der Zen-Steingarten, also eine Fläche aus wellenförmig hingerechtem Kies, durchsetzt mit solitären Großsteinen, von denen nie alle gleichzeitig zu sehen sind, welchen Standort man auch einnimmt.

In lebhafter Erinnerung bleibt uns auch das Essen in einem einheimischen Nudelrestaurant. Um den Touristen das Bestellen zu erleichtern, sind alle Gerichte auf einer Menükarte abgebildet, man braucht nur mit dem Finger darauf zu deuten. Über die Temperatur der Speisen geben die Bilder allerdings keinen Aufschluß, die Nudeln auf Bambus erweisen sich als Kaltgericht.

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Rudelwandern

Jeder kennt wohl die berühmten roten Balkentore. Bei 京都市 (Kyoto) gibt es einen Fußweg zu einem kleinen Berggipfel, der auf seiner ganzen Länge nur durch solche roten Tore führt, tausende von Toren, eines hinter dem anderen, eine ganze Stunde lang. Und eine weitere Stunde wieder zurück. Natürlich ist diese Wanderung bei den Japanern äußerst begehrt, den Kontakt zur Wandergruppe zu halten fällt gar nicht so leicht. Und auch das Zeitfenster hätte gerne etwas größer sein dürfen.

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Schuld ist die 酒 (Sake) Brauerei, die für den Nachmittag keine Termine mehr frei hatte, so daß wir uns die Herstellung des berühmten Reisweins schon vormittags anschauen, während für den Nachmittag der deutschsprachige Einführungsfilm in ein spektakuläres Museumsprojekt den zeitlichen Fixpunkt setzt. Dazwischen liegen natürlich die nicht zu unterschätzenden Fahrtzeiten, denn das Museum liegt in den Bergen.

Genauer gesagt ist es größtenteils unsichtbar in einen Berggipfel gebaut. Und um noch genauer zu sein, hat man den Gipfel erst einmal abgetragen, um ihn dann später über dem fertigen Gebäude wieder aufzutürmen und zu renaturieren.

Der Zugang führt zunächst durch einen Tunnel und dann über eine Hängebrücke. Beide sollen das Gefühl vermitteln, ein Shangri La zu betreten. Und tatsächlich hat Stararchitekt Pei hier ganze Arbeit geleistet, das Museumsgebäude ist mindestens genauso interessant wie seine hochkarätige Weltkunst-Ausstellung, die sowohl durch ihre Exponate zu beeindrucken weiß also auch durch die Art, wie sie präsentiert werden. Viel zu schnell vergeht die Zeit hier oben, die Abenddämmerung über den waldigen Hügeln rundet das Erlebnis ab.

Unser heutiges Hotel liegt in der Nähe des Hauptbahnhofs von 京都市. Dieses modern-eindrucksvolle Gebäude ist immerhin 12 Stockwerke hoch, ganz oben gibt es einen Skywalk mit atemberaubendem Blick auf die nächtliche Stadt. Und darunter eine Reihe von Schnellrestaurants, wie es sie vermutlich nur in 日本 (Japan) gibt: man tippt seine Bestellung schon vor dem Betreten in einen Automaten und bezahlt sie auch gleich. Mit dem ausgedruckten Zettel holt man sodann seine Mahlzeit am Tresen ab. Kein Warten auf den Kellner, kein Hantieren des Personals mit Geld.

日本 glänzt überhaupt mit guten Ideen. An Ampelkreuzungen zum Beispiel gibt es eine Phase, in der alle Fußgänger gleichzeitig grün haben, man kann die Kreuzung auch in einem Rutsch diagonal überqueren. Der Autoverkehr wiederum muß beim Abbiegen keine Fußgänger passieren lassen, was bei uns ja oft dazu führt, daß auch der Geradeaus-Verkehr blockiert ist. So kommen viel mehr Autos über die Kreuzung.

Einer Erwähnung wert sind auch die Getränke-Automaten, die es wirklich an jeder Ecke gibt, sogar oben auf dem Gipfel, der heute unser Wanderziel war. Denn diese Geräte halten neben gekühlten auch heiße Getränke bereit. Nein, keine Kaffeebecher, sondern Dosen voller exotischer Warmgetränke, deren meist japanische Beschriftung zudem für geschmackliche Überraschungen sorgt.

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Die Hirsche von 奈良市 (Nara)

Der 奈良公園 (Nara Park), den wir per Linienbus aufsuchen, ist ein weitläufiges Gelände mit diversen Möglichkeiten, sich Bewegung zu verschaffen. Man kann an unzähligen alten Steinlaternen entlang laufen und diverse Tempel besichtigen, man kann aber auch den Hügel mit dem besonderen Gras ersteigen, um von oben die Aussicht auf die Stadt zu genießen. Theoretisch könnte man auch den ganzen Park umwandern, aber das würde erstens zu lange dauern, und zweitens ist für den Spätnachmittag wieder Regen angesagt. Und der kürzere Weg vom Hügel wieder herunter durch den Heiligen Wald ist ja ebenfalls sehr schön. Zuerst wird aber noch das Mittagessen geplant und an das Lokal kommuniziert: wer möchte die Nudelsuppe, wer das Currygericht, wer die Garnelen? Egentlich ein ganz normaler Vorgang, sollte man glauben.

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Eine der Attraktionen des 奈良公園 sind seine unzähligen zahmen ニホンジカ (Sika-Hirsche). Zahm und hungrig. Wer seine Kekse nicht umgehend herausrückt, wird auch schon einmal kräftig gestoßen. Zum Glück haben die Tiere ihre Geweihe heuer schon abgeworfen. Wenn keine Besucher kommen, ernähren die Tiere sich vom besonderen Gras des Hügels. Die seit Jahrhunderten bestehende Symbiose hat die pflanzliche Artenvielfalt stark reduziert, man könnte Golf spielen, wenn nur der Hang nicht so steil wäre.

Weil der Park so berühmt ist, besuchen ihn auch zahlreiche Schulklassen. Sie hätten aber nicht unbedingt alle heute kommen müssen, denn wo sich einmal eine Klasse den Weg gebahnt hat, ist für uns Normaltouristen oft kein Durchkommen mehr. Von besonderem Reiz für die Schüler ist ein durchlochter Holzpfeiler, alle wollen hindurch kriechen, die Warteschlange reicht quer durch den halben Tempel, der immerhin für sich beansprucht, die größte Holzhalle der Welt zu sein. Der bronzene Buddha von 752 ist 16 Meter hoch.

Ach ja, das Mittagessen! Der japanische Wirt hat bereits für uns gedeckt: am ersten Tisch alle Nudelsuppen. Am zweiten Tisch die Curryleute, am dritten die Garnelen. Paare, die sich beim Bestellen nicht einig waren, sitzen getrennt. Wer die Mühe nicht scheut, mitsamt seiner Teller und Schüsseln umzuziehen, darf das aber.

Das wäre gestern abend deutlich schwieriger geworden, so viele Gänge waren für uns angerichtet. Welche Speise soll in welche Sauce getunkt werden? Wie ißt man die Suppe, wenn es nur Stäbchen gibt? Und natürlich die drängendste aller Fragen: wohin mit den eigenen Füßen? Zum Glück hält das Restaurant spezielle Möbel für die europäischen Gäste bereit, die Vertiefung unter der Tischfläche erlaubt eine normale Sitzhaltung. Die Schüsselchen leeren sich rasch. Auch die mit der Suppe, denn die darf getrunken werden.

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Frankfurt Fluchthafen

„Verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Frankfurt Fluchthafen!” Hat er wirklich „Fluchthafen” gesagt? Anscheinend, denn die Mitreisenden lachen ebenfalls, man spricht über Fluchtbewegungen und verabschiedet sich mit einem „gute Flucht noch!”

Und weil zu einer Flucht natürlich auch lange Wege gehören, sind wir für Gate Z58 eingeteilt, bis dorthin sind es gefühlte drei Kilometer Laufband. Die Servicewüste ist hier etwas weniger trocken als in den anderen Gates: es gibt Steckdosen. Leider aber stromlos. Doch Servicewüste. Und dann ändert sich auch noch unser Gate, und wir müssen gefühlte 500 Meter wieder zurück.

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Der kürzeste Weg nach 日本 (Japan) führt über das nördliche Sibirien. Was sind das denn für Schatten, die da über die Tragfläche des Jumbo huschen? Wolkenschatten, auf 34.000 Fuß Flughöhe und bei tief stehender Sonne? Verursacher ist unser eigener Kondensstreifen. Schade, daß man nicht nach hinten sehen kann, der Anblick muß spektakulär sein.

Wir überfliegen gerade die Gegend, in der wir noch vor ein paar Wochen per Schiff unterwegs waren. Der Бе́лое о́зеро (Weißer See) wirkt von hier oben recht übersichtlich, das Schiff brauchte für die Überquerung seinerzeit Stunden.

Bei Tagesaufbruch landen wir in 関西 (Kansai). So hat man die künstliche Insel vor der Küste von 大阪市 (Osaka) genannt. Persönliche Daten, Details zum Aufenthalt, Fingerabdrücke, Foto, Zollerklärung: die Japaner nehmen es genau mit ihren Gästen. Endlich am Gepäckband, kommt auch schon gleich mein markanter blauer Haifischhaut-Koffer heraus. Gut, wenn man so ein unverwechselbares Stück sein eigen nennt. Nur merkwürdig leicht ist er. Und auch der Anhänger fehlt. Wurde ich beraubt? Ach so, doch nicht mein Koffer.

大阪市 hat eine Burg, die von einem doppelten Wassergraben umzingelt ist. Eine japanische Burg hat keine Mauern und Zinnen, sondern sieht eher wie eine behäbig breite Pagode aus. Diese hier wurde irgendwann zerstört, man hat sie in den 30er Jahren wieder aufgebaut. Aus Eisen. Und nur wenig später, nach dem Krieg, noch einmal. Aus Beton. Beim Besichtigen der 8 Stockwerke will deshalb trotz der ausgestellten Rüstungen keine rechte Ritterromantik aufkommen.

Das Städtchen 奈良市 (Nara), unser erstes Etappenziel, empfängt uns mit strömendem Regen. Und die Lobby des Hotels gleicht einer Wartehalle. Nur daß die mehr Sitzplätze hätte. Schmerzlich vermißt wird auch ein Begrüßungsschluck für uns dehydrierte Fernreisende. Servicewüste Japan? Eine Stunde später sind die Zimmer fertig. Das unsere ist sauber und einigermaßen groß. Die futuristische Duscharmatur hat der Regler gleich drei: Wassermenge, heiß/kalt, oben/unten. Und die Toilette reinigt einen mit Wasser, wenn man will.

Um 19 Uhr ist Abendessenszeit. Wir sind schon sehr gespannt.

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