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Avete già un biglietto?

Nach einer relativ kurzen Nacht könnten wir das Frühstück getrost auch weglassen, denn für 12 Uhr ist heute im Hotel ein Mittagessen angesetzt. Wir frühstücken trotzdem. Die Wirtin spricht fließend deutsch mit Oberpfälzer Einschlag, denn ihre Mutter stammt aus Waldsassen. Wo es ihr denn besser gefiele, in Italien oder in Deutschland? Letzteres, sagt sie, aber ihr Mann will nicht weg von hier. Verständlich, denn die Toskana ist wirklich eine zauberhafte Region. Und weil sie deutsch spricht, kann man sie auch necken: fragt sie etwa beim Übergeben des leer gewordenen Kruges „ist das Sojamilch?”, antworte ich scherzhaft „nein, Luft”. Ok, ich sehe es ein: gestreßtes Personal ist dieser Art von Humor abhold.

Zum Mittag gibt es Lachs. Ohne Gummiband. Frisch gestärkt brechen wir sodann nach Lucca auf. Das ist ein malerisches Städtchen auf halber Strecke zwischen Montecatini und Torre, wo wir auch heute wieder einer Opernvorstellung beiwohnen werden.

Der Parkplatz für Reisebusse befindet sich auch in Lucca weit außerhalb der Stadtmauern, bei 40 Grad im Schatten kämen wir alle völlig erschöpft am Dom an, denn der liegt vom Parkplatz aus gesehen am jenseitigen Rand der Kernstadt. Thomas hat aber eine bessere Idee und setzt uns an jenem Stadttor ab, das dem Dom am nächsten liegt.

Wir beide wollen aber gar nicht zum Dom, sondern zum Geburtshaus Puccinis, das sich ziemlich genau im Zentrum des Zentrums befindet. Was würden wir nur ohne das Smartphone-Navi machen? Wir müßten dann ja den vielen Wegweisern zum Casa natale folgen. Wie dem auch sei, wir finden das von außen eher unscheinbare Gebäude und – es ist abgeschlossen! Wieso das denn? Sollen wir klingeln? Ein Täfelchen neben der Tür verweist auf das Ticket Office, das sich an der gegenüberliegenden Seite des Platzes befindet. Aber wie geht es nun weiter? Die Tür zum Puccinihaus ist ja nach wie vor verschlossen? Händigt man uns vielleicht einen Schlüssel aus? Des Rätsels Lösung: wir mögen bitte klingeln.

Es ist ein wenig wie in einem alten Roman oder Film: man wird nach einem Losungswort gefragt, und nur wer die richtige Antwort weiß, wird eingelassen. Im unserem Fall heißt die Frage „Avete già un biglietto?” und die Parole „Si!”. Für uns Touristen spielt sich dieser Dialog natürlich auf englisch ab. Wie viele hier wohl täglich unbedarft anläuten und dann erst einmal wieder weggeschickt werden müssen?

Die Wohnung, in der der große Komponist 1858 geboren wurde und eine glückliche Kindheit und Jugend verlebte, liegt oben im zweiten Stock. Einen Aufzug gibt es nicht, für den Notfall aber einen Treppenlift. Zwei freundliche Bedienstete, ein Mann und eine Frau, überprüfen noch einmal unsere Tickets und händigen uns je ein beidseitig bedrucktes Blatt in deutscher Sprache aus, dann dürfen wir den Raum betreten, dessen Schaustück Puccinis Steinway-Flügel ist. Auf diesem Instrument wurde Turandot komponiert: die Oper, die wir heute abend sehen werden. Dass Puccini kurz vor der Vollendung dieses Werkes an Kehlkopfkrebs verstorben ist, wissen wir bereits. Und auch, dass sich sein Todestag heuer zum hundertsten Mal jährt. Er war also gerade einmal 66 Jahre alt geworden

Es folgen viele weitere Räume, die fast alle eines gemeinsam haben: zentrales Ausstellungsstück ist ein Kostüm aus einer seiner Opern, eines schöner wie das andere. Nur einmal nicht, da füllt das Bett seiner Eltern den gesamten Raum aus. Aber sogar in das kleine Ankleidezimmer nebenan hat man ein textiles Outfit gestellt, in diesem Fall die Abendrobe des Meisters persönlich. Und einen anderen Raum hätten wir beinahe übersehen, denn neben dem Durchgang zur Treppe prangt ein Schild mit stilisierten Männlein und Weiblein. Das kennt man ja irgendwie. Allerdings sind es deren vier, was dann doch Anlaß genug ist, auch den Text zu lesen: es dürfen nur vier Personen gleichzeitig in den Raum, der einst die Dachkammer war und heute daher folgerichtig eine Szene aus La Bohème zeigt.

Bevor wir wieder hinaus ins Foyer treten, wo in einem gesonderten Raum das mit Abstand schönste aller Kostüme ausgestellt ist, kommen wir noch am Grammophon vorbei. Nanu, fehlt bei diesem Gerät etwa der so typische Schalltrichter? Mitnichten, aber er befindet sich im Inneren des Möbels, unterhalb des Plattentellers. Unsereiner möchte natürlich sofort wissen, welche Platte da aufliegt: es ist „E lucevan le stelle” (Und es leuchteten die Sterne) aus Tosca, gesungen von Enrico Caruso. Schade, dass die Aufnahme nicht abhörbar ist. Dafür dürfen wir aber ausgiebig das bereits erwähnte Bühnenkostüm bewundern, das die Sopranistin Maria Jeritza bei der Erstaufführung an der New Yorker Metropolitan Opera trug. 1926 war das, ein halbes Jahr nach der Uraufführung an der Mailänder Scala.

Ob wir es nach diesem unerwartet ausgiebigen Museumsbesuch noch zum Dom schaffen? Es sind knapp 10 Minuten Wegstrecke bis dorthin und dann noch einmal 10 Minuten bis zum Bus, der in genau einer halben Stunde an der uns bekannten Stelle wieder abfahren soll. Einen Versuch ist es wert! Wir bewundern den Dom aber nur von außen, denn für einen kurzen Blick ins Innere Eintritt zu bezahlen will mir unökonomisch erscheinen. Auch das berühmte sogenannte Fingerlabyrinth an einer der Säulen der Vorhalle ließe sich mit etwas Geduld sicher lösen, aber die Zeit drängt, und Punkt 16 Uhr sitzen alle im Bus. Alle bis auf zwei, denn die hatten sich verlaufen.

Den Weg nach Torre del Lago und zum Busparkplatz kennen wir ja nun schon. Was wir noch nicht kennen, zumindest nicht von innen, ist Puccinis Wohnhaus am See, wo es ihm so ausgesprochen gut gefiel, weil er hier seiner Jagdleidenschaft nachgehen konnte, und wo er eigentlich alt werden wollte. Aus zwei Gründen gelang ihm das nicht: zum einen, weil man ihm ein lautes und häßliches Kraftwerk direkt vor den Garten stellte. Und zweitens, weil er fortan nicht mehr lange zu leben hatte.

In einer Führung dürfen wir das Haus kennenlernen. Eigentlich ist unsere Gruppe aber zu groß für ein Wohnhaus wie dieses, und wir sehen das Förster-Klavier nur von weitem. Puccini liebte dieses Instrument so sehr, dass er sich eine Grabstätte Wand an Wand damit wünschte. Dieser Wunsch wurde ihm später tatsächlich auch erfüllt, sein marmorner Kenotaph steht an der Wand der kleinen Hauskapelle, die unmittelbar an das Klavierzimmer angrenzt. Und wird es gespielt, kann er das in seiner Gruft in der Wand sicher hören, genau wie seine Frau, sein Sohn, seine Schwiegertochter und seit ein paar Jahren auch seine Enkelin.

Für heute abend steht nun also Turandot auf dem Spielplan der Seebühne. Da wir bis zum Vorstellungsbeginn wieder etwas Zeit haben, wollen wir uns im Café einen Eiskaffee gönnen. Aber der italienische Kellner versteht nicht so recht, was wir da bei ihm bestellen möchten, und so serviert man uns schließlich zwei Gläser kalten Kaffee mit Eiswürfeln darin.

Turandot ist ein Dreiakter, der zweite und der dritte Akt haben jeweils zwei Bilder. Es geht in der Oper um eine schöne chinesische Prinzessin, die jeden Freier köpfen lässt, der ihre drei Rätsel nicht lösen kann. Soeben ist wieder einer durchgefallen, der dreizehnte in diesem Jahr. Ping, Pang und Pong, die Minister des Kaisers, sowie auch der Vater, dessen Sklavin Liù und sogar der Kaiser selbst versuchen Prinz Calàf, der ebenfalls den Bewerbungsgong schlagen will, von seinem Plan abzubringen, aber vergebens.

Gegen Ende des zweiten Aktes geschieht das Unglaubliche: der fremde Prinz kann alle drei Rätsel lösen. Nun aber zickt die Prinzessin herum und will, obschon sie im Wort steht, ihren Teil der Abmachung nicht erfüllen. Man einigt sich darauf, dass sie ihrerseits eine Aufgabe gestellt bekommt: sie soll den Namen des Fremden herausfinden und betraut nun ihre Wachen damit, die Sklavin zu foltern, da sie die einzige ist, die ihn kennt. Aus Liebe zum Prinzen und um ihn nicht unter der Folter doch noch zu verraten, erdolcht sich das Mädchen. Das ist aber eigentlich schon die Handlung des dritten Aktes, dem gestern bei Tosca eine halbstündige Pause vorausgegangen war.

Eigentlich sollte jetzt auch noch ein Happy End folgen, stattdessen verbeugen sich unerwartet die Darsteller zum Schlussapplaus. Dann geht das große Licht an, und der Mann am Lichtmischpult deckt sein Lichtmischpult zu. Alle bleiben betreten sitzen: warum dieses plötzliche Ende? Ich erinnere mich gelesen zu haben, dass Puccini verstorben war, bevor er die Oper zu Ende komponiert hatte. Und genau dieses vorzeitige Ableben des Maestro hatte die Aufführung nun nachvollzogen, den fremd hinzu komponierten Schluss weglassend.

Statt erwartungsgemäß noch etwas länger zu dauern als gestern ist die Aufführung unerwartet so früh zu Ende, dass die ersten Rückkehrer den im Bus schlafenden Busfahrer wecken müssen. Und so geht dieser Abend ähnlich zu Ende wie der letzte: mit einem Absacker aus dem Kühlfach des Busses, während dieser über die Autostrada unser Quartier ansteuert.

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Zerbröselndes und Schiefes

Grund unserer Reise sind die Puccini-Festspiele in Torre del Lago, die dortige Seebühne liegt etwa eine Stunde Fahrzeit vom Hotel entfernt. Wir haben aber viel Zeit, sehr viel sogar. Denn die Vorstellung beginnt erst eine Viertelstunde nach Neun. Als Vorprogramm werden wir Pisa und den Schiefen Turm besichtigen. Allerdings auch erst relativ spät, damit bis zu unserer Rückkehr am sehr späten Abend für den Busfahrer nicht mehr Lenkzeit anfällt als erlaubt. Als Abfahrtszeit wird 12 Uhr 20 ausgerufen.

Verbringen wir die Zeit also im nahen Kurpark! Das Städtchen am Südhang des Apennin ist längst nicht mehr so mondän wie in der Epoche der Bäderreisen, als hier eine Therme neben der anderen um Gäste buhlte und deswegen auch attraktiver sein wollte als die Konkurrenz nebenan. Heute sind die Anlagen verfallen, die Häuser verwittern und zerbröseln allmählich, und überall breitet sich Grünzeug aus. Schade, dass man nicht hineingehen darf, um diese malerische Morbidität aus der Nähe zu studieren. Es wäre aber wohl zu gefährlich, und so müssen wir uns mit neugierigen Blicken über den Zaun begnügen.

Auch für einen Supermarktbesuch wäre noch etwas Zeit, schließlich haben wir heiße und durstige Tage vor uns. Aber wo? Das Smartphone führt uns zu einem Markt ganz in der Nähe, aber der hat seine Türen offenbar für immer geschlossen. Die Liebste fragt eine Italienerin, die gerade in ihr Auto steigt und einheimisch aussieht. Zu unserem Erstaunen erklärt sie uns in fließendem Englisch den Weg zum nächsten CONAD Markt und schätzt die Gehzeit bis dorthin auf 10 Minuten. Mille grazie! Zur Sicherheit befrage ich, als wir außer Sichtweite sind, noch einmal mein schlaues Gerät: 9 Minuten Fußweg. Das sollte zu schaffen sein und ist es auch. Das Personal bei CONAD ist ausgesprochen zuvorkommend, und die Preise günstig. Nun sind wir also für’s erste versorgt: mit Softgetränken, Birra und Aperol. Und auch der Fußweg durch die Stadt war durchaus angenehm, da es hier erstaunlich wenig Autoverkehr gibt. Wie machen die Italiener das nur?

In Pisa erwartet uns die gebuchte Stadtführerin, eine sympathische junge Frau, die offenbar in Deutschland aufgewachsen ist. Leider liegt der Busparkplatz ziemlich außerhalb. Teuer ist er trotzdem, aber was will man machen, die Vorschriften für Touri-Gruppen sind nun einmal so.

Der Stadtplan, an dem wir auf dem Weg zum Dombezirk kurz stehen bleiben, sieht von weitem wie der von Nürnberg aus: ein schiefes Rechteck, ein horizontal querender Flußlauf, und das Wichtigste befindet sich in der linken oberen Ecke.

Wir sind auf dem Weg zu jenem Campanile, der heute bei weitem nicht so berühmt wäre, hätten seine Baumeister im 12. Jahrhundert nicht buchstäblich auf Sand gebaut. Wie schräg er wirklich steht, der Schiefe Turm von Pisa, wird nirgendwo deutlicher wie an der Stelle, wo er mit der senkrechten Außenwand des Doms kontrastiert. Doch, eine weitere Stelle gibt es, und zwar direkt vor der Tür, die in das Turminnere führt. Das Gelände ist an dieser Stelle etwas eingetieft, und das sei auch der Grund, warum die Neigung in den letzten 150 (?) Jahren immer stärker wurde, heißt es, denn es fehle das stabilisierende Gewicht des Erdreichs. Ich selbst vermute ja einen anderen Grund, und zwar den Umstand, dass sich Regenwasser immer an der tiefsten Stelle sammelt und von dort ins Erdreich dringt. Wie dem auch sei, das bevorstehende Umfallen des Turmes konnte quasi im letzten Augenblick verhindert werden, und heute darf man ihn sogar wieder betreten: angesichts des Andrangs eine Geduldsprobe, und das bei 40 Grad im Schatten!

Zuletzt hatte man die Turmneigung so gut im Griff, dass man ihn durchaus auch wieder in die Lotrechte hätte bringen können, erzählt die Stadtführerin. Aber niemand in Pisa würde einen geraden Turm wollen. Und zudem ist das Bauwerk auch in sich selbst schief, da man die zunehmende Neigung schon während der Bauphase bemerkte und ihr durch unterschiedliche Säulenlängen entgegen wirkte. Auch die Zahl der Treppenstufen zur Glockenstube, dem obersten Turmabschluss, soll auf der geneigten Seite größer sein. Geläutet wurden die Glocken übrigens zum letzten Mal in den 1950er-Jahren, dann wurde die Angst um die Stabilität des Turms mächtiger als die Traditionen.

Dass Galileo Galilei seine Fallversuche vom Turm aus durchführte, sei eine unbestätigte Legende, sagt Stadtführerin Christina, denn das hätte Galilei in seinen Schriften sicherlich erwähnt („Hätte er das getan, dann hätte er das getan”).

Wie schwierig es in Pisa ist, Gebäude senkrecht in die Höhe zu bauen, zeigt sich auch am Dom. Man sieht es zwar nicht auf den ersten Blick, aber der Kronleuchter hängt keineswegs genau mittig. Und was mögen sich die Baumeister wohl gedacht haben, als sie die Marmorfiguren unter der Kanzel so einbauten, dass die Heiligen in Richtung Wand schauen? Hatte ihnen die sommerliche Hitze die Sinne vernebelt? Wohl kaum, denn im Dom ist es angenehm kühl.

Neben Turm und Kirchenschiff gibt noch ein drittes markantes Bauwerk auf dem Domplatz: das achteckige Baptisterium. Der Bau war nötig geworden, weil Ungetaufte nicht in die Kirche durften. Wie also hätte man sie da in der Kirche taufen sollen?

Wie erfindungsreich die Toskaner sind, erfahren wir wenig später im nahen Viageggio, wo wir eine späte Mittagspause – im Leitner-Jargon Freizeit – einlegen. Nachdem alle ein wenig flanieren waren, und obwohl es Alternativen gegeben hätte, findet sich die halbe Reisegruppe in der nahen Pizzeria ein, die ohne unsere Gruppe heute einen schlechten Tag gehabt hätte, denn wir waren die einzigen Gäste. Das WC dieses Lokals befindet sich oben im ersten Stock, wo auch die Möwen hausen. Wie man am Waschbecken das Wasser aufdreht? Nun, es gibt unten zwei Fußhebel: einen roten und einen blauen. So muss man, gänzlich ohne Elektronik, mit seinen sauberen Händen nichts mehr weiter anfassen.

Von hier bis zur Seebühne nach Torre del Lago ist es jetzt nur noch ein Katzensprung, zumindest theoretisch. Denn das Navi kommt wohl nicht so recht mit den Abmessungen eines Reisebusses klar. „Der PKW kam auch durch” bemerkt die Liebste trocken, als wir aus einer engen Straße mit einer noch engeren Unterführung rückwärts wieder heraus rangieren müssen.

Einmal noch nach links abbiegen, dann sind wir auf der Zielgeraden zum See. Aber wie – Stichwort Platanen? Nach rechts herum geht es aber. Jetzt käme ein Kreisverkehr gelegen, aber immer wenn man einen solchen braucht, kommt keiner. Man sollte für solche Fälle immer einen Reserve-Kreisverkehr im Handschuhfach haben. Nach mehreren Kilometern ist es schließlich so weit, wir umrunden den einzigen Kreisel weit und breit, und nun sollten wirklich keine Hindernisse mehr auftauchen.

Als die Straße schließlich vor einer Schranke endet, fragt der dortige Platzanweiser in geschliffenstem Schwyzerdütsch zum Fenster herein, warum wir denn nicht auf dem Busparkplatz parkiert hätten? Busparkplatz? Tatsächlich wäre da irgendwo ein Verkehrszeichen gewesen, aber das ehemals blaue Schild hatte sich längst wie ein Chamäleon der Umgebung angepaßt. Also Busparkplatz! Schließlich wollten wir uns ja alle noch operngerecht umziehen, und das wäre an der Stelle, wo wir zum Aussteigen nur 5 Minuten hätten stehen bleiben können, nicht möglich gewesen.

Am Ende dieses langen Tages und nach zwei weiteren langen Stunden bis zum Vorstellungsbeginn sitzen wir dann also tatsächlich im Stadion, wo gleich der Wettkampf … Späßle, vor uns liegt die Seebühne, auf der gleich eine Aufführung von Puccinis „Tosca” beginnen wird. Ohne Seeblick, denn es ist bereits ziemlich dunkel. Dafür aber mit Mondsichel zur rechten.

Im ersten Akt trifft der politische Gefangene Angelotti in einer Kirche auf seinen Freund, den Maler Cavaradossi, der ihn in der Sakristei versteckt. Das weckt den Argwohn seiner Geliebten, die hinter alledem eine andere Frau vermutet. Der Irrtum wird aufgeklärt, aber Polizeichef Scarpia läßt den Maler, der Angelottis Versteck nicht preisgeben will, foltern und droht mit dessen Hinrichtung, sollte Tosca ihm nicht zu Willen sein. Die geht zum Schein darauf ein, erbittet aber ein Schriftstück mit der Begnadigung. Als sie es hat, erdolcht sie Scarpia. Der allerdings hatte sie betrogen, so dass die Hinrichtung am Ende doch noch erfolgt und Tosca vor Kummer von der Engelsburg springt. Irgend jemand stirbt eben immer in einer Oper, in dieser sind kurz vor Mitternacht sogar alle tot und die Oper zu Ende. Darauf trinken wir einen. Im Bus, auf dem Heimweg.

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Wohnen im zweiten Klavier

Der Tag unserer Anreise beginnt sehr früh, denn um rechtzeitig um 5 Uhr 40 an der Rothenburger Straße zu sein, müssen wir den allerersten Linienbus nehmen. Gibt es an der Haltestelle Gustav-Adolf-Straße, wo wir vom 69er in die U3 umsteigen wollen, einen Lift? Schon, aber irgendein Schlaukopf hat ihn auf die gegenüberliegende Seite der Kreuzung plaziert und auch nicht an Rolltreppen für einsteigende Kofferträger gedacht. Nun, wozu hat der Mensch zwei Arme? Drei Stationen weiter gäbe es eine Rolltreppe auch nach unten, aber die brauchen wir hier nicht, weil wir ja nach oben müssen. Jetzt noch ein Stück weit über holpriges Kleinpflaster, Straßenplaner scheinen nie Koffer bei sich zu haben, und schon stehen wir an der Stelle, wo uns der Leitner-Bus aufnehmen soll. Ist er das? Hinter der Scheibe liegt nur ein Willkommensgruß. Nein, das ist er nicht. Aber der nächste ist es. Rasch sind die Koffer verladen, bei uns Passagieren dauert das Procedere etwas länger, denn jeder hat seinen zugewiesenen Sitzplatz. Bevor aus den ersten Regentropfen ein gänzlich unerwarteter Wolkenbruch wird, sind aber zum Glück alle im Trockenen. Was für ein Wetter! Und der Busfahrer heißt Gerrit.

Wir haben bis Montecatini Terme eine lange Strecke vor uns, und die Lenkzeiten der Busfahrer sind streng reglementiert. Omnibus Kraus aus Forchheim, der für Leitner fährt, setzt daher einen Vorlader ein, der den Bus samt Insassen bis zu einem Übergabeplatz bringt. Vorher gilt es aber noch, in Allersberg weitere Mitreisende aufzunehmen. Personen mit Koffern warten auch in der Nähe von Rosenheim. Einer von ihnen ist der Fahrer, der uns in die Toskana bringen wird und am fünften und letzten Tag auch wieder zurück. E heißt Thomas und ist ebenso sympathisch wie unterhaltsam.

Offenbar verfügt der Bus über eine Kameradrohne auf dem Dach, denn ein Bildschirm zeigt Fahrzeug und Umgebung aus der Vogelperspektive. Aber es ist nur eine Collage aus vier Kamerabildern: vorne, hinten und an jeder Seite. So ausgerüstet, setzt Thomas den Reisebus damit sicherer zurück als unsereiner seinen PKW.

Auch die Zugestiegenen hätte beinahe noch der Regenschauer ereilt, der sich soeben über den abfahrbereiten Bus ergießt. Glück gehabt, wie auch schon bei unserem eigenen Zustieg.

Schnell nähern wir uns nun Innsbruck und der Brennerautobahn. Gleich hinter der Europabrücke gibt es einen Kettenanlegeplatz. Müssen die mitreisenden Damen ab hier ihre Perlenketten anlegen? Späßle. Wir gelangen staufrei nach Italien, wo es bei Trient die erste längere Pause gibt. Mit warmen Würstchen aus der bescheidenen Bordküche, denn die Verköstigung der Passagiere ist bei Leitner Programm. Es hätte übrigens auch Kaffee gegeben. Der Bierkeller befindet sich ganz vorne im Bus, ungefähr da, wo beim PKW das Handschuhfach ist. Und hält natürlich auch Wasser, Apfelschorle und Cola kühl.

Hand hoch, wer war schon einmal in Modena? Der Name des Städtchens ist jedem Italienreisenden vertraut, weil es die ganze A22 entlang als Ziel auf den Wegweisern steht. Heute entscheiden wir uns an deren Ende weder für Milano noch für Bologna, sondern verlassen die Autostrada und gelangen alsbald zu einem kleinen Betrieb, der Balsamico herstellt. Man braucht dafür drei Dinge: gekochte Weintrauben, Holzfässer und viel Zeit. Die teuren, 12 oder 25 Jahre gelagerten Sorten genießt man pur auf erlesenen Gerichten, den nicht ganz so edlen wird etwas Weinessig zugesetzt. Als Salatdressing sind sie natürlich allesamt viel zu schade.

Zwischen Bologna und Florenz haben die Italiener eine neue Autobahn gebaut. Obwohl es eigentlich schon eine gibt, und noch dazu eine sehr schöne, in die Berglandschaft des Apennin eingepaßte, mit vielen Brücken und Tunneln. Aber sie war eben nicht mehr leistungsfähig genug, und so kam man auf die Idee, eine völlig neu trassierte Direttissima zu bauen und die alte Strecke als Panoramica weiter zu betreiben. Stellenweise wird die bisher nach Süden führende Fahrbahn auch so umgebaut, dass jetzt beide nordwärts befahren werden. Und an einer Stelle liegen die beiden Trassen sogar vertauscht, so dass man die Gegenfahrbahn ein Stück weit zur Rechten hat statt zur Linken. Die Umbauten sind allerdings noch nicht ganz abgeschlossen.

Ob wir es wohl rechtzeitig zum Abendessen ins Hotel nach Montecatini Terme schaffen? Die Straßen des alten italienischen Städtchens sind eng und mit Platanen gesäumt, da kann ein so großer Reisebus nicht einfach abbiegen. Und weil Thomas noch nie hier war und auch seine beiden Navis, das vom Bus und das private, mit der Situation nicht so wirklich zurecht kommen, irren wir erst einmal kreuz und quer durch die Kernzone, denn wegen der Einbahnstraßen braucht es für jeden neuen Anlauf erst wieder einen langen Umweg. Mit telefonischen Tipps von der Hotelrezeption, einer Zweitmeinung aus den Reihen der Passagiere und etwas Intuition biegen wir dann aber doch noch in die zielführende Straße ein. Zum Umziehen ist keine Zeit mehr, wir setzen uns direkt an den für Germania gedeckten Tisch.

Das Abendessen kommt aber nicht. Warum nicht? Weil die Küche noch auf Thomas warten will, der seinen Bus nicht vor dem Hotel stehen lassen darf, denn dafür hat er keine Konzession. Irgendwann kommt dann aber doch etwas auf den Tisch: Vorspeise, erster Gang, Hauptgang, Salatbuffet und schließlich die Dolci, also der Nachtisch. Das Hühnchengericht ist irgendwie verschnürt, aber man bekommt das Gummiband nicht herunter, und durchschneiden läßt es sich auch nicht. Nun, langsam essen soll ja sehr gesund sein.

Wir wohnen auf Zimmer 232 im zweiten Klavier. Nein, im zweiten Stock, das italienische Wort ist ja dasselbe. Und die Steckdosen sehen so aus, als könne man keinen Fön daran anschließen. Alles, was Eurostecker hat, paßt aber, und für den Haartrockner hält die Rezeption passende Adapter bereit. Vorausgesetzt man kann seinen Wunsch dem Rezeptionisten verständlich machen: wie bitte heißt Adapter auf italienisch? Oder auf englisch? Ich habe eine bessere Idee und rufe auf dem Handy einfach das Bild eines Schukosteckers auf. Und schon liegt das Gewünschte vor uns. Fünf Euro Kaution wollen sie dafür haben, für den Fall, man ihn nicht zurückbringt. Hotels kennen halt ihre Pappenheimer.

Der Abend ist noch jung, und in der Straße, in der auch das Hotel steht, steppt der Bär. Will heißen, es reiht sich ein Restaurant oder Nachtcafé an das andere. Wir laufen, bis wir an eine Eisdiele kommen. Wie heißt nochmal Eistüte auf italienisch? Und Kugel? Ich bestelle mir Stracciatella, den Gelatiero freut’s: wahrscheinlich habe ich es richtig ausgesprochen. Und das original italienische Eis tropft schon beim Verlassen der Eisdiele auf den Boden, denn es in Montecatini ist es heiß. Da heißt es schnell schlecken!

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Rund um den Olympos

Heute steht Wandern auf dem Programm. Die Kamera-Akkus sind geladen, die Rucksäcke gepackt – idealerweise mit etwas Langärmeligem, denn auf 1.800 Metern Meereshöhe kann es vormittags noch recht frisch sein. Und mit einem kleinen Imbiß, denn die Wanderstrecke beträgt ungefähr sieben Kilometer. Um Punkt neun Uhr stehen alle 22 Reiseteilnehmer vor der Tür des Hotels, und schon 10 Minuten später sind wir unterwegs.

Zum Wanderparkplatz? Nein, erstes Ziel des heutigen Tages ist ein kleines Kloster, das mit einem Weltkulturerbe aufwarten kann: eine sogenannte Scheunenkirche. Die sieht zwar von außen wie eine gewöhnliche ziegelgedeckte Scheune aus, weiß aber im Inneren mit herrlichen Fresken zu überraschen. Das kleine Baugerüst in der Mitte denken wir uns einfach weg. Deutlich störender ist da schon die Absperrung vor dem Hauptraum, wo auf einem Tisch das zu restaurierende Kreuz liegt. Denn aus dem Vorraum heraus hat man nur einen recht unvollständigen Blick auf die Bildmotive zur Rechten und zur Linken. Als kleine Entschädigung fehlt während der Arbeiten der obligatorische Vorhang, der in orthodoxen Kirchen den Blick in den Altarraum hinter der Ikonostase verwehrt.

Normalerweise wäre hier ein Priester anwesend, dessen Wesensart Reiseleiter Fabio in die Worte kleidet: Sympathie ist nicht das erste, was einem zu dieser Person einfällt. Aber die Herren des Klosters weilen wohl gerade oben im Kafenion, so dass das strenge Fotoverbot im Augenblick nicht durchgesetzt wird. Und man will die Überwältigungskraft dieses Ortes ja doch irgendwie festhalten.

Fahren wir jetzt zum Wanderparkplatz? Nein, noch nicht. Denn ein Ort in der Nähe glänzt durch ein Projekt, das Arbeitsplätze in die Region bringen sollte und auch gebracht hat. Die Firma NIKHIS stellt Süßigkeiten her, die sie „Spoon Sweets” nennt. Wir dürfen zuschauen, wie aus den Schalen von Zitrus- und anderen Früchten durch Verkochen mit Zucker süße Leckereien entstehen, die dann von Hand in Gläser abgefüllt werden. Oben im Laden kann man die Produkte nicht nur kaufen, sondern natürlich auch probieren – vorausgesetzt, man verfügt über einen entsprechend robusten und zuckertolerenten Magen.

Nun starten wir aber sicher zur Wanderung? Noch nicht ganz, denn nur wenige Schritte entfernt gibt es noch eine zweite Firma, die in Handarbeit eine Vielzahl von Produkten herstellt. Dieses Mal geht es um Rosenblüten, aus denen zunächst Rosenwasser gewonnen wird, um daraus das sehr kostbare Rosenöl zu destillieren. Beides, Wasser und Öl, bildet die Grundsubstanz für Parfums, Kosmetik, Schokolade, Duftkerzen und noch vieles mehr – als harmloser Tourist kann man sich gar nicht alles merken.

Inzwischen ist es Nachmittag geworden, und der Bus bringt uns hinauf zum Startpunkt des Artemis-Trails, wie der Wanderweg durch die Gipfelregion des Olympos heißt. Los geht es aber immer noch nicht, denn es ist höchste Zeit, nun endlich an den mitgebrachten Imbiß zu denken. Dass die Stärkung nicht an einem schönen Aussichtspunkt entlang der Wanderstrecke, sondern schon vorab auf dem Parkplatz eingenommen wird, ist quasi eine Premiere. Und dann machen wir uns, um halb zwei Uhr, endlich auf den Weg.

Es ist ein Pfad, der durch eine bemerkenswerte Waldlandschaft führt. Die Schwarzkiefern und all die anderen Nadelbäume hier oben sind knorrig, der Boden steinig und, wenn überhaupt, nur von den Pflanzenteilen der besagten Bäume bedeckt: Nadeln, Zapfen, abgestorbene Äste. Ab und zu queren wir ein Geröllfeld, wo Trittsicherheit gefragt ist, ab und zu läßt sich ein Blick ins Umland erhaschen, ab und zu weisen Schilder auf besondere Gesteinsarten des Troodosgebirges hin. Und plötzlich stehen wir vor einem Skilift, der aber rostig und nicht sehr einsatzfähig aussieht. Und gegen Ende der Wanderung stoßen wir sogar auf einen ausgewachsenen Sessellift. Wir befinden uns quasi am Brennpunkt des zyprischen Wintersports. Ja, hier oben fällt im Winter Schnee. Möglicherweise spärlich und nicht in jedem Winter, aber für ein paar elegante Schwünge von der 120 Meter höher gelegenen Bergstation wird es wohl reichen.

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Disembarking

Vieles ist dann doch einfacher als es zunächst aussah. Unser Ausflugsbus wird uns am Ende der Tour samt Koffern zum Airport bringen, wozu dann der ganze Aufwand mit Koffer samt Banderole abends vor die Tür stellen und Kleidung zurückhalten, die für den nächsten Tag gebraucht wird, Ausschiffungsnummer auf die Bordkarte kleben, im Schiffstheater auf den Aufruf des Transferbusses warten und am Flughafen das Gepäck dann wieder entgegen nehmen, Kulturbeutel vom Handgepäck in den Koffer packen und dergleichen – wenn man auch einfach samt Gepäck ausschiffen und zum Tourbus gehen kann? Am Ende der Tour treffen wir all diejenigen wieder, die sich regulär haben ausschiffen lassen. Und dann beginnt das große Warten.

Vorher soll aber noch vom Ausflug zum Balata – so heißt der Garten – berichtet werden. Die Fahrtstrecke ist uns bereits bekannt und führt an der Kirche vorbei, die Sacre Cœur in Paris nachempfunden ist. Wir sind neugierig, ob in der Krippe die Krippe immer noch leer ist. Letzte Woche standen ja nur Ochs und Esel um den mit Stroh gefüllte Futtertrog herum. Inzwischen sind, es ist ja der Tag vor der göttlichen Geburt, auch Maria und Josef eingetroffen. Vollständig bestückt dürfte die heilige Szenerie wahrscheinlich erst am Dreikönigstag sein, aber wir werden es nicht erfahren.

Der Botanische Garten liegt etwas oberhalb der Stadt und ist bekannt für seine Hängebrücke, die eigentlich ein Baumwipfelpfad ist und nur in einer Richtung begehbar. Es dürfen auch immer nur zwei Personen gleichzeitig auf einen Brückenabschnitt, und wenn man dann jemanden vor sich hat, der sich extrem viel Zeit nimmt … nein, lieber nicht. Der Garten ist so weitläufig und die Besuchszeit bei diesem Ausflug strikt limitiert, da sollte man sich besser nicht verzetteln.

Es gibt auffallend viele dicht an dicht stehende Palmen hier und ebenso viele Bromelien. Natürlich haben wir all die tropischen Blütenpflanzen auch schon in anderen Gärten gesehen. Die überall eingestreuten kleinen lachsfarbenen Orchideen aber nicht.

In einem Seerosenteich ganz am unteren Ende des Geländes gibt es koi-ähnliche Fische. Nein, die Ähnlichkeit gilt nicht der Farbe, sondern der Gefräßigkeit. Zuerst fällt mir gar nicht auf, dass der ganze Schwarm scheinbar zufällig genau dorthin schwimmt, wo ich mich nach einer Lotusblüte bücke. Als ich aber zurücklaufe und der ganze Fischschwarm auf der Flosse kehrt macht und erneut dieselbe Richtung einschlägt wie ich, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: die Flossenbande folgt mir wie ein Schatten. Ein paar Schritte nach rechts, alle Fische folgen. Dann wieder nach links, alle Fische folgen, die gierigen Mäuler aus dem Wasser streckend. Was für eine gefräßige Bande!

Da sind die kleinen Kolibris schon sympathischere Gesellen. Oben am Haus gibt es eine Futterstelle, wo sich zugleich drei oder vier der gefiederten Winzlinge um ein paar Tropfen Zuckerwasser bemühen. Im Schwirrflug, versteht sich.

Mit einer kleinen Verspätung – ein paar Mitreisende hatten offenbar nicht verstanden, dass ein Transfer zum Airport pünktlichst starten muss – stehen wir dann in der Abfertigungshalle am hinteren Ende einer sehr langen Schlange. Die Schalter haben nämlich noch gar nicht geöffnet. Bis es eine knappe halbe Stunde später endlich losgeht, reicht die Warteschlange bereits bis hinaus auf den Parkplatz. Die Ärmsten, die jetzt da draußen vor sich hin brutzeln! Nach etwa einer Stunde sind wir eingecheckt: 19.0 kg der eine Koffer, 18.9 der andere. Es folgt die Passkontrolle, wir reisen ja eigentlich innerhalb der EU. Dahinter dann, oh Schreck, eine weitere lange Warteschlange vor der Security. Aber auch die bringen wir relativ schnell hinter uns. Die letzten Passagiere von der MSC Seaside werden heute aber die Erfahrung machen, dass das geforderte Eintreffen drei Stunden vor Abflug eine durchaus sinnvolle Bedingung ist.

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Zweiter Seetag

Heute ist Seetag oder – wie MSC das nennt – Kreuzfahrttag. Festes Land sehen wir heute bestenfalls als ferne Insel am Horizont. Das Schiff fährt an Seetagen mit eher bedächtiger Geschwindigkeit, vermutlich damit sich das Wasser in den Swimmingpools nicht zum Tsunami aufschaukelt. In den Nächten hingegen kann es schon vorkommen, dass der Boden schwankt, als hätte man ein paar Piñacoladas zu viel intus. Auch rüttelt hin und wieder jemand am Bett. Aber das ist eben so auf einem Schiff, auch wenn es ein sehr großes ist.

Die MSC Seaside ist ein familienfreundliches Schiff. Auf den obersten Decks gibt es ein Abenteuerland mit Hängebrücken, Wasserrutschen und vielem mehr, was Kindern Spaß macht. Erwachsene auf der Suche nach Zeitvertreib können sich diversen lautstarken Animationen hingeben: „From Germany? Yeaah!” Oder sich um einen der Tische platzieren oder auf einem der Liegestühle dösen oder sich im Büffetrestaurant bedienen, wo heute ausnehmend viel los ist. Das ist auch nicht verwunderlich, denn an einem Seetag essen eben alle an Bord.

Das gesamte Schiff ist während der letzten Tage zunehmend weihnachtlicher geworden: das Schiffspersonal trägt rote Zipfelmützen mit schneeweißem Pelzbesatz, die Treppengeländer sind mit Tannengebinden umwunden, an verschiedenen Stellen stehen Christbäume, und im Schiffstheater erklingen als Pausenmusik Jingle Bells, White Christmas oder gar Silent Night, natürlich alles mit karibischen Rhythmen unterlegt. Seit gestern sind nun auch die Spiegelsäulen im Restaurant mit Girlanden umwickelt.

Es wird allmählich Zeit, die morgige Ausschiffung vorzubereiten. Die Koffer müssen um spätestens 23 Uhr, versehen mit dem daran zu befestigenden Etikett, vor der Kabinentür stehen. Da heißt es planen, was morgen tagsüber gebraucht wird und also draußen bleiben muss. Es gibt Transferbusse vom Schiff zum Flughafen, allerdings haben wir noch einen letzten Landausflug gebucht, womit unser Transfer abweichenden Regeln unterliegt. Welche das sein werden, müssen wir erst noch herausfinden, vielleicht heute abend irgendwo auf dem Weg zwischen Bar und Theater. Schließlich wollen wir uns auf gar keinen Fall die Wiederholung der Michael-Jackson-Show entgehen lassen.

Und dann fällt ein Auto vom Himmel. Natürlich kein richtiges großes, sondern ein Spielzeug-Polizeiauto. Während wir an der Reling stehend den karibischen Sonnenuntergang bewundern, schlägt es plötzlich neben uns ein. Wir vermuten, dass es aus dem Kinderspielbereich kam, also immerhin 10 Decks über uns. Das hätte ins Auge gehen kommen, und irgendein kleiner Junge hat jetzt sicher schweren Ärger mit seinem Papa, der sich wenig später tausendmal für das Malheur entschuldigt. Jetzt wissen wir endlich, warum die Relings allesamt bis auf zwei Meter Höhe verglast sind.

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St. Kitts

Wir haben in St. Kitts angelegt und genießen den Vormittag auf dem obersten Schiffsdeck, wo sich herrliche Ausblicke auf die Stadt und die Berge ringsum bieten. Links und rechts von uns liegen weitere Kreuzfahrtschiffe: die Celebrity Ascent, die vergleichsweise kleine AIDA Diva und die noch kleinere Silver Shadow der Reederei Silversea.

Es ist ein guter Zeitpunkt, noch einmal nachzulesen, wohin uns der Landausflug bringen wird, der heute ausnahmsweise erst zur Mittagszeit startet. Von Landrovern ist da die Rede und von grünen Affen. Wahrscheinlich sind die letzteren noch nicht reif. Zudem sind wir ausdrücklich angewiesen, schöne Fotos von der gesteppten Küste zu machen und später den Strand zu kämmen. Auch müssen wir zwingend einen Lichtbildausweis mitnehmen.

Man hat ja schon so allerlei Abschreckendes über die Strapazen einer Jeepsafari für die Wirbelsäule gehört. Die Sitze unserer Geländewagen sind aber so komfortabel, dass davon überhaupt keine Rede sein kann. Zunächst fahren wir durch diverse am Hang liegende Viertel der Inselhauptstadt Basse Terre. Vor dem einen oder anderen Grundstück halten wir an, und der Fahrer erklärt die Pflanzen, die dort gedeihen. Oft steigt er dafür sogar aus oder reicht sogar ein paar Blätter herein. Dann wendet sich das nahezu unbefestigte Sträßchen dem Urwald zu und, vorbei an Würgefeigen, xxx und anderen markanten Regenwaldgewächsen, durch selbigen hindurch bis zu einer kleinen Wiese, die offenbar kurz vorher einer Kuhherde als Deponie für Verdauungsendprodukte gedient haben mußte. Auf deutsch: alles lag voller Kuhfladen. Zugleich bot sich jedoch ein phantastischer Ausblick auf die südliche Halbinsel von St. Kitts und die gleich dahinter liegende Schwesterinsel Nevis. Zur Linken blicken wir auf den den Atlantik, zur Rechten auf die Karibische See.

Der Guide berichtete in gut verständlichem Englisch über den Schutz des Bergregenwaldes und seiner Tiere und Pflanzen, von denen etliche weltweit nur hier vorkämen. Das gilt aber sicher nicht für die kleinen Mimosen, die man hier Sensitive Plants nennt, weil sie bei Berührung ihre Blätter zusammenfalten. Als Kind hatte ich mir im Gewächshaus oft welche aus Samen gezogen, hier wachsen sie einfach so am Wegrand.

Vom Aussichtspunkt führt uns der weitere Tourverlauf nun an einen Punkt, an dem sich die beiden Meere so nah kommen, dass man den Unterschied deutlich sehen kann: hier die sich brechenden Wellenkämme, dort das ruhige türkisfarbene Wasser, für das die Karibik so berühmt ist. Es gibt einen Strand ganz in der Nähe, wo wir die heutige Tour beschließen. Er heißt Timothy Beach, und es gibt hier deutlich mehr Bars als Palmen. Zum Glück verfügen einige davon über freies WLAN, so dass wir die Zeit für ein wenig Kommunikation mit den Lieben zuhause nutzen.

Affen haben wir während der Tour keine gesehen, weder grün noch in anderen Reifezuständen. Mit einer Ausnahme: am Viewpoint gab ein Mann den ausgestiegenen Touristinnen eines seiner beiden jungen Äffchen auf den Arm in der Hoffnung, die zugehörigen Männer würden ihn für ein Foto bezahlen. Gesehen wurden jedoch mehrere Zebras, nämlich die solcherart bemalten Geländewagen unseres Tourveranstalters Greg’s Safari.

Es war unser letzter Landausflug mit Rückkehr zum Schiff. Als wir dort eintreffen, legt die Celebrity Ascent gerade mit lautem Tröten ab. Welch ein Glück für uns, denn nun haben wir vom Promenadendeck aus einen wunderschönen Blick auf das Farbenspiel des karibischen Sonnenuntergangs. Bewaffnet mit leckeren Desserhäppchen und einem Glas Rotwein suchen wir sodann, das offizielle Dinner schwänzend, unsere Kabine auf.

Die italienische Sängerin Anna Vinci, die heute den Theaterabend bestreitet, hat eine eher unangenehme und schrille Stimme, und auch das Bühnenbild will uns recht kurios erscheinen, denn es passt nicht zum Seitenverhältnis der Projektionsfläche, so dass die Bilder von Alain Delon oder von New York unnatürlich gestaucht aussehen.

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Antigua

Auf Antigua (das spricht man Änntihga, also ohne das „u”) wird links gefahren. Die mehrheitlich dunkelhäutigen Bewohner, Nachfahren ehemaliger afrikanischer Sklaven, leiten die Geschicke des von seiner einstigen Kolonialmacht in die Unabhängigkeit entlassenen Inselstaates seit nunmehr 24 Jahren selbst. Im Grunde genommen ist Antigua also ein afrikanisches Land, und wenn man auf der Insel unterwegs ist, könnte man fast glauben, im Senegal oder im Kongo zu sein: die Häuser sind bunt und aus Holz und scheinbar planlos im Gelände verstreut, das Leben spielt sich vorwiegend auf der Straße ab, und wer etwas anzubieten hat, tut es an einem kleinen Verkaufsstand am Straßenrand, wo auch die nicht mehr gebrauchsfähigen Autos geparkt und im Laufe der Jahre ausgeschlachtet werden, während gleichzeitig Rost und Vegetation von den Überresten und all dem sonstigen wild abgestellten Gerümpel Besitz ergreifen. Ähnliches geschieht auch mit unbewohnten Häusern.

Unser erstes Etappenziel ist der Shirley Heights Lookout, der aber ein völlig anderes Antigua zeigt als das soeben beschriebene. Was man nämlich in der Bucht unterhalb des Aussichtspunktes sieht, sind die Luxusyachten der Superreichen. Genau dieser Hafen werden wir anschließend ansteuern, aber nicht um Yachten zu besichtigen. Vorher noch hält der Lookout eine besondere Attraktion für uns bereit, nämlich eine Multimediashow zur Geschichte der Insel von der präkolumbianischen Zeit bis in die gegenwärtige Unabhängigkeit. Da wir uns zu lange draußen aufgehalten haben, kommen wir zu spät zur Show, dürfen aber noch eintreten und uns mehr tastend als sehend Plätze suchen, was natürlich zu Protesten derer führt, deren Augen bereits an die Dunkelheit gewöhnt sind. Dann heißt es aber umdrehen, denn es werden nacheinander alle vier Wände bespielt, will heißen, die Figuren angeleuchtet, von denen gerade die Rede ist. Auf diese Weise sitzt jeder mal vorne und mal hinten oder eben in der Mitte, denn die kleinen Sitze sind zu diesem Zweck drehbar.

Der bereits erwähnte Yachthafen hält ebenfalls Geschichtliches bereit, nämlich eine Ansammlung historischer Hafengebäude, die heute allerdings als Shops und Bars genutzt werden, was das Bild ihrer ursprünglichen Funktion etwas trübt, denn T-Shirts, Motivtassen und anderer Andenkenkram wurden hier ganz sicher nicht angeboten, schon gar nicht mit Außenpräsentation. Eines der Gebäude ist jedoch als Museum ausgewiesen, und nachdem wir bei der einheimisch-englischsprachigen Führung so gut wie nichts verstanden hatten, erschließt sich uns hier nun endlich, worum es geht.

Durch malerische Haufendörfchen und vorbei an diversen markanten Gebäuden wie etwa der rosa gestrichenen Kirche geht es nun weiter über abenteuerliche Straßen zu einem karibischen Strand quasi wie aus dem Bilderbuch, wo zur Begrüßung, wie sollte es auch anders sein, an jeden Besucher ein Becher Rumpunsch ausgeschenkt wird. Eine Stunde verbringen wir hier zwischen den dicht an dicht stehenden bunten Sonnenschirmen und genießen die Sicht auf weißen Muschelsand, türkisblaues Wasser und sanfte Brandungswellen, bevor es zurück zum Schiff und ins Buffetrestaurant geht. Dort ist schon so gut wie alles abgeräumt, so dass die Auswahl heute leicht fällt. Was zum Glück nie zu Ende geht sind die Getränke: man winkt einen Kellner heran, übergibt ihm die Bestellung und die Bordkarte, und schon wird das Gewünschte an den Tisch gebracht. Alternativ kann man sich natürlich auch selbst an die Bar begeben und sich sein Bier oder abends seinen Cocktail abholen.

Natürlich verbringen wir, nachdem wir das Dinner heute weggelassen haben, den Abend wieder im Schiffstheater. Die Gesangsshow mit Liedern im Frank-Sinatra-Stil und allerlei Tanzeinlagen kennen wir zwar schon, aber sie ist so grandios, dass man sie gerne auch ein zweites Mal anschaut und den Künstlern stehenden Beifall zollt.

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Sint Maarteen

Das unterste Passagierdeck auf der MSC Seaside ist das Deck 5, also das mit den runden Bullaugen, durch die wir täglich beim Frühstück hinaussehen, ob das Schiff schon angelegt hat. Direkt darüber, auf Deck 6, befindet sich das Restaurant Ipanema, wo uns der Tisch mit der Nummer 621 zugeteilt ist. So steht es in unseren Unterlagen, auf den Bordkarten und in der MSC-App.

Am ersten Abend, wir kamen wegen diverser Komplikationen etwas verspätet ins Restaurant, war dieser Tisch jedoch bereits besetzt, das uns unbekannte Paar hatte ebenfalls die Nummer 621 zugeteilt bekommen. Und nun? Der Kellner bat uns an die benachbarte 623, wo wir nun während der ganzen bisherigen Reise saßen, ohne dass jemals ein anderer Passagier Anspruch auf diesen Platz erhoben hätte. Heute nun, wir hatten bereits angefangen zu essen, baute sich der Restaurantmanager neben und auf, begehrte in einem Tonfall, als täten wir etwas Unerlaubtes, unsere Bordkarten zu sehen, und verwies uns an den Tisch 621. Das zum Teil bereits servierte Abendessen dürften wir aber noch am aktuellen Tisch einnehmen.

Wissend, dass der Tisch 621 doppelt vergeben worden war und es zu Irritationen kommen würde, wenn das Paar aus Zirndorf an den ihm ebenfalls zugewiesenen Platz käme, wollten wir uns die Bezichtigung, falsch zu sitzen, nicht bieten lassen. Der Manager faselte nun etwas von einem Vierertisch, den man uns zugeteilt habe, weil wir miteinander bekannt seien. Dass der nächste Tisch in der Reihe aber die 619 trug und auch bereits besetzt war, schien ihn nicht zu interessieren. Leider erschien das Paar aus Zirndorf, dem wie uns der Tisch 621 zugewiesen worden war, heute nicht, so dass wir dem Manager die doppelte Belegung auch nicht unter die Nase reiben konnten. Wir rutschten also mitsamt der bereits servierten Speisen und Getränke an deren leeren Tisch und hatten eine nette Unterhaltung mit dem rumänischen Paar auf 619: auf deutsch mit ihm und mit ihr auf englisch. Etwas später am Abend bat dann noch unser Tischkellner um Entschuldigung für das Auftreten seines Chefs. Ab heute werden wir nun allerdings auf 619 sitzen, die Schiffs-IT hat die Plätze im System und damit auch in der App korrigiert.

Heute überquerten wir zweimal eine Grenze, von der nur wenige wissen, dass es sie gibt bzw. gab, nämlich zwischen den Niederlanden und Frankreich. Aber da ist doch Belgien dazwischen, wird jetzt mancher einwenden. Auf dem europäischen Festland schon, aber nicht zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der kleinen Antilleninsel, die wir heute besuchen. Seit aber deren niederländischer Teil Sint Maarteen vor ein paar Jahren ein unabhängiger Staat geworden ist, handelt es sich genau genommen jetzt um eine EU-Außengrenze, denn der französische Inselteil Saint Martin gehört nach wie vor zu Frankreich (wahrscheinlich aber nicht zum Schengenraum).

Unsere Tourleiterin, die uns mit einem „Lollipop” – so nennt man die hochgehaltene, einem Tischtennisschläger nicht unähnliche Tafel mit der Ausflugsnummer – am Ende des Piers erwartet, ist in Frankreich geboren und in Deutschland aufgewachsen, was eine gute Konstellation wäre, hätten wir nicht auch Gäste im Bus, die weder deutsch noch französisch verstehen. Deshalb wird in der Sprache moderiert, die auch die meistgesprochene dieser Insel ist, nämlich englisch. Gleichwohl gibt es im französischen Teil französische Schulen, und jeder noch so kleine Ort hat hier eine Bäckerei.

Ein Hurrikan hat hier vor ein paar Jahren fast alle Häuser zerstört, und einige davon sind es bis heute, denn die wichtigste Lebensgrundlage hier ist der Tourismus, und der lag bekanntlich wegen Corona darnieder. Jetzt herrscht aber wieder reger Luftverkehr auf dem internationalen Airport, der vor allem für seine niedrigen Anflüge über die Köpfe der Strandbesucher hinweg bekannt ist. Im Vorbeifahren sehen wir einige geparkte Privatjets, deren Besitzer wohl dieselben sind wie die der Luxusyachten, an denen unser Katamaran wenig später vorbei schippert, denn es steht eine einstündige Rundfahrt über die Lagune auf dem Programm. Mit All-you-can-drink-Rumpunsch bis zum Abwinken. Da weiß man irgendwann nicht mehr so recht, ob nun das Schiff schwankt oder man selbst.

Als wir am frühen Nachmittag aufs Schiff zurückkehren, ist im Büffetrestaurant auffallend wenig Betrieb. Wahrscheinlich sind die meisten beim zollfreien Einkauf.

Es muss ein majestätisches Bild sein, wenn so ein Dreihundertmeterschiff ablegt. Die MSC Seaside verfügt über ein Promenadendeck, das stellenweise ein paar Meter über die Außenkante des Schiffsrumpfes hinausragt. Von dort haben wir die letzte offene Ladeluke samt Rampe gut im Blickfeld. Ein paar Crewmitglieder stehen auf oder neben der Rampe: sie scheinen noch auf etwas oder jemanden zu warten. Dabei rückt der Zeiger immer weiter auf 19 Uhr. Ob wir wohl noch pünktlich wegkommen werden? Die Antwort ist Nein. Endlich kommen zwei Leute mit Rollkoffern, der Kleidung nach Schiffsoffiziere, den Pier entlang gelaufen und gehen an Bord. Jetzt kann das Ablegen beginnen. Oder doch nicht? Es dauert von da weg noch noch eine ganze Weile, bis eine weitere Person von einem Elektromobil zur Rampe gebracht und nach Übergabe eines Schriftstücks an Bord genommen wird. Nun sind wir aber wirklich ablegebereit, die Rampe wird eingefahren, die Luke geschlossen, und schon im nächsten Augenblick wird der Spalt zwischen Pier und Schiffsrumpf breiter und breiter, während zugleich eine deutliche Vorwärtsbewegung einsetzt. Wir haben abgelegt. Und auch das Kreuzfahrtschiff Celebrity am anderen Pier tut es uns gleich. Zurück bleiben nur die beiden Großsegler Club Med 2 und Sea Clous Spirit.

Im Schiffstheater ist heute wieder Zaubershow angesagt. Zunächst wird ein langes weißes Seil in der Mitte durchschnitten, und jeder kann sehen, dass es nun zwei lose Seilenden gibt. Zusammenknoten, den Knoten lösen, und das Seil ist wieder ganz. Verblüffend! Als nächstes wird ein zufällig ausgewähltes Mädchen auf die Bühne gebeten und auf eine überdimensionale Spielkarte gesetzt. Es muss einen Stapel Karten teilen und die eine Hälfte des Stapels hinter sich werfen. Dasselbe mit dem Rest des Stapels noch einmal. Zum Schluss bleibt eine Karte übrig. Es ist natürlich dieselbe, auf deren vergrößerter Version das Mädchen sitzt. Wie macht er das nur? Der darauffolgende Trick ist leicht durchschaubar: ein Zuschauer schreibt seinen Namen auf eine Karte, sie wird in den Stapel gesteckt, wo der Magier sie dann mit den Lippen erfühlen will. Natürlich erkennt er sie in Wirklichkeit am Geruch der Farbe. Und auch den schwebende Tisch führt er so offensichtlich mit der rechten Hand, dass man den verborgenen Bügel fast sehen, zumindest aber erahnen kann. Bei einem weiteren Trick mit Zuschauerbeteiligung – ein zufällig gewähltes deutsches Paar, das sich anfangs ein wenig sträubt – wandern drei Spielkarten von einem verschlossenen Umschlag in einen anderen. Wir vermuten, dass sie von Anfang an in der betreffenden Tüte waren, aber es sah überzeugend aus.

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Dominica

Dominica ist die ursprünglichste der Antilleninseln. Das liegt daran, dass sie geographisch für den Anbau von Zuckerrohr ungeeignet war, denn es gibt hier viele hohe Berge mit steilen Hängen und so gut wie keine Ebenen. Erst später entdeckte man, dass die Insel über einen sehr wichtigen Schatz verfügt, nämlich Wasser. Und so war sie lange Zeit zwischen Briten und Franzosen umstritten. Die ursprüngliche Bevölkerung, die schon vor der Ankunft der Europäer hier lebte, wurde bei diesen Kämpfen aufgerieben und verdrängt, und nur ein kleiner Teil konnte bis heute bestehen, verlor aber seine eigene Sprache. Unsere Tourleiterin gehört zu dieser Ethnie. Sie ist eine Frau von dunkelbrauner Hautfarbe mit langen schwarzen, leicht welligen Haaren, die sie zum Zopf geflochten trägt. Und natürlich kennt sie ihre Insel und die Geschichte ihres Volkes sehr genau.

Wir starten mit einem Kleinbus für etwa 15 Personen, und recht viel größer dürfte ein Auto für die Straßen, die von der Küste weg in die Berge führen, auch gar nicht sein. Auf Domenica fährt man links. Schon bald geht es steil und in vielen Serpentinen hinauf in den Regenwald, anfangs noch bei herrlich blauem Himmel, und nur auf einem Berggrat hoch über uns hängt eine weiße Wolke. Hier oben ist die Insel nur noch spärlich besiedelt. Das schmale Sträßchen führt immer weiter hinauf bis zu einem Kreisverkehr, der quasi die Inselmitte darstellt. Von nun an geht es leicht bergab, aber nicht für lange, denn ein Wegweiser markiert unser erstes Ziel, den Emerald Pool. Das ist ein Wasserfall mitten im Regenwald, den man vom Parkplatz aus auf einem viertelstündigen Fußweg durch den Primärregenwald erreichen kann.

Primärwald heißt, dass sich dieser Wald noch in seinem ursprünglichen Zustand befindet. Wir passieren etliche umgestürzte Baumriesen, denn hier im Unesco-Biosphärenreservat dürfen Bäume weder gefällt noch entnommen werden. Das Pflanzengeflecht wirkt vollkommen undurchdringlich: so stellt man sich den Regenwald vor.

Der Wasserfall ist nur von unten her zugänglich, vorher müssen wir das Flüßchen erst noch noch auf einer steinernen Brücke überqueren, dann endet der Weg an einer kleinen Aussichtsplattform, von der man einen schönen Blick auf das herabstürzende und sich in einem Pool sammelnde Wasser hat. Natürlich ist dieser Ort ein Hotspot, wo man sich gegenseitig fotografieren und später instagrammen muss, und so posiert einer nach dem anderen aus der Gruppe, die leider vor uns angekommen war, direkt unter dem Wasserfall. Wir brauchen kein solches Foto und wenden uns schon bald wieder dem Rückweg zu, begegnen dabei aber zahlreichen weiteren Gruppen, und auch der Parkplatz hat sich mittlerweile gut gefüllt: Naturwunder und Besuchermassen gehören eben auch hier zusammen, und sei die Umgebung auch noch so menschenleer. Letztlich sind ja auch wir selbst ein Teil dieser Erscheinung, wenn auch nicht von jener Sorte, die an solchen besonderen Orten vor allem sich selbst fotografieren will.

Das ist auch am zweiten Ausflugsziel, den Trafalgar Falls, nicht anders, aber auf dem Weg dorthin bleiben wir nun erst einmal im Stau stecken. Nein, er reicht nicht bis zu irgendeiner Baustelle, und es staut sich auch nicht an der Einmündung in die Hauptstraße, sondern auch die ganze weitere Küstenstraße bis hinein ins Städtchen Roseau, wo unser Schiff liegt. Stadtauswärts geht es dann wieder normal weiter, und schon bald befinden wir uns auf einem Sträßchen, das so eng und kurvenreich ist und stellenweise so steil hinauf- und auch wieder hinabführt, dass man sich fragt, ob dort überhaupt noch ein Fahrzeug durchkommt, geschweige denn ein Kleinbus wie der unsere. Aber es funktioniert tatsächlich, und wir stehen vor dem Eingang zu einem weiteren Naturschauspiel. Dieses Mal erwarten uns sogar zwei Wasserfälle.

Es ist ausgesprochen feucht hier im Tal zwischen den hohen Bergen. Ob das die Gischt des nahen Naturschauspiels ist? Nein, es handelt sich, wie sollte es in einem Regenwald anders sein, um Regen, der von den hohen Bäumen tropft, so dass man gar nicht so genau weiß, ob es nun tatsächlich regnet oder schon längst wieder aufgehört hat. Und dann erreichen wir die kleine Plattform am Ende des Weges: ein hoher Wasserfall zur Rechten und ein noch höherer zur Linken senden Kaskaden gischtenden Wassers bis zu der Stelle genau vor uns, wo sich die beiden Gebirgsbäche vereinen. Was für ein Naturschauspiel! Auch der Regen hat mittlerweile aufgehört.

Der Rückfahrt auf der abenteuerlichen Straße folgt noch ein kurzer Stopp an einem Aussichtspunkt über der Stadt, von wo man auch das Schiff sehen kann, dann endet dieser unvergeßliche Landausflug dort, wo er heute morgen begonnen hat.

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